TE Vfgh Erkenntnis 1986/10/11 B607/85

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Veröffentlicht am 11.10.1986
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1983 §2 Abs2
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
Tir GVG 1983 §13 Abs1 lita
Tir GVG 1983 §13 Abs4 Z1

Leitsatz

Tir. GVG 1983; keine Bedenken mangelnder Bestimmtheit gegen §2 Abs2; Abweisung einer Berufung der Bf. gegen den Bescheid des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde erster Instanz wegen Zurückweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Bestätigung nach §2 Abs2 (mit der Begründung, der Kaufvertrag sei ein Umgehungsgeschäft, das gegen §4 Abs2 lita verstoße, und deshalb nichtig); der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde hat entgegen der Bestimmung des §2 Abs2 implizit über die Genehmigungsfähigkeit eines nach seiner Meinung genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäftes abgesprochen; keine Wahrnehmung dieses Mangels durch die Berufungsbehörde; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird daher aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Notariatsakt vom 9. Dezember 1983 wurde die im Handelsregister des Landesgerichtes Sbg., Abteilung B, unter Nr. ... eingetragene S Transportgeräte Gesellschaft m.b.H. gegründet. Vom Stammkapital in Höhe von 500000 S wurde ein Teilbetrag von 125000 S von dem österreichischen Staatsbürger K K, Angestellter, Sbg., und ein Teilbetrag von 375000 S von dem Staatsbürger der BRD F X S, Kaufmann, München, übernommen. Die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister fand am 29. Dezember 1983 statt. Zum Geschäftsführer wurde K K bestellt.

1.2. Mit Notariatsakt vom 5. Jänner 1984 trat F X S Teile der von ihm einbezahlten Stammeinlage von je 65000 S an die österreichischen Staatsbürger K S und E S ab, was bewirkte, daß nur mehr 49% des Gesellschaftskapitals einem deutschen Staatsangehörigen und 51% österreichischen Staatsbürgern gehörten.

2. Mit Kaufvertrag vom 27. Feber 1984 übertrug E S der S Transportgeräte Gesellschaft m.b.H. ihr gehörige 42/847 Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ ... II KG Kitzbühel-Stadt, bestehend aus der Bauparzelle ..., Wohnhaus, Im Gries ..., mit dem mit den genannten Eigentumsanteilen untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an der Wohnung Top. 5 des Hauses Im Gries ..., um einen Kaufpreis von 1000000 S.

3.1. Mit Bescheid des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde Kitzbühel vom 9. November 1984 wurde der von den Vertragsparteien gestellte Antrag auf Erteilung einer schriftlichen Bestätigung nach §2 Abs2 Tir. Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. 69 (künftig: GVG 1983), gemäß §6 Abs1 AVG 1950 wegen Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde Kitzbühel zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, daß es sich beim gegenständlichen Kaufvertrag um ein Umgehungsgeschäft handle.

3.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 4. Juli 1985, Z LGv-1147/6-84, als unbegründet abgewiesen.

4.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie "auf ein rechtsstaatliches Verfahren" behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

5. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f des §13 Abs4 Z1 GVG 1983 ein.

Mit Erk. vom 17. Oktober 1985, G199/85 ua., wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.

6. Aufgrund dieses Ergebnisses des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auf die Beschwerdebehauptungen einzugehen.

Der VfGH hat hiezu erwogen:

6.1. Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:

Von vornherein könne außer Streit gestellt werden, daß der Kaufgegenstand kein Grundstück nach §1 Abs1 Z1 GVG 1983 darstelle und daß es sich bei der Rechtserwerberin um keine Person nach §1 Abs1 Z2 litb GVG 1983 handle, deren Rechtserwerb gemäß §3 Abs1 leg. cit. der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürfe. Aufgrund des §2 Abs2 GVG 1983 stehe auch fest, daß die Erteilung der nach dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Negativbestätigung das Vorliegen eines Rechtserwerbes nach §3 Abs1 GVG 1983 voraussetze. Nun obliege wohl die Entscheidung über die Gültigkeit von Verträgen grundsätzlich den ordentlichen Gerichten, die Gültigkeit des zu beurteilenden Vertrages bilde aber für das grundverkehrsbehördliche Verfahren eine Vorfrage gemäß §38 AVG. Der zur Beurteilung dieser Vorfrage maßgebliche §879 ABGB bestimme, daß ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße, nichtig sei. Dies treffe auf Rechtsgeschäfte zu, die eine Umgehung des Gesetzes bewirken. Eine Umgehung des Gesetzes liege vor, wenn gedeckt durch den Buchstaben des Gesetzes dessen Zweck vereitelt werden solle (so Gschnitzer in Klang 1953, IV. Band, S 185). Ein Umgehungsgeschäft liege dann vor, wenn Parteien die von einer Norm angeordneten Rechtsfolgen dadurch vermeiden, daß sie ein Geschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen wird, jedoch den gleichen Zweck erfüllt, wie das verbotene Geschäft (so Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes, I. Teil, 5. Auflage, 1979, S 123 ff.). Ob die umgangene Norm auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden ist, könne nur aufgrund einer Prüfung ihres Zweckes beantwortet werden. Würde dieser Zweck durch die Zulassung des Umgehungsgeschäftes vereitelt, so sei die Norm auch auf dieses anzuwenden (OGH in Juristische Blätter 1974, S 431).

Nach §4 Abs2 lita GVG 1983 liege ein Widerspruch zu den Interessen des Grundverkehrs vor, wenn in einer Gemeinde der Eintritt einer Überfremdung drohe. Daß Kitzbühel zu den Gemeinden Tirols zähle, die von Überfremdung bedroht sind, ergebe sich aus zahlreichen Entscheidungen der Grundverkehrsbehörden beider Instanzen seit dem Jahre 1966. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß den Vertragsteilen bewußt gewesen sei, daß für einen Grunderwerb durch Ausländer eine Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nicht erwirkt werden könne. Folglich seien noch vor Abschluß des Kaufvertrages vom 27. Feber 1984 die Beteiligungsverhältnisse der Käufergesellschaft dahingehend geändert worden, daß drei inländischen Gesellschaftern mit einer (Gesamt-)Einlage von 51% der deutsche frühere Mehrheitsgesellschafter (nur mehr) mit einer Stammeinlage von 49% gegenüberstehe.

Auffallend sei nicht nur, daß zwischen der Errichtung des Abtretungsvertrages (5. Jänner 1985) und dem Abschluß des Kaufvertrages (27. Feber 1985) nur wenige Wochen lagen, sondern auch, daß es sich bei den neu eingetretenen Gesellschaftern um E und K S handle, also um die bisherige Eigentümerin der Vertragsliegenschaft und eine weitere, den gleichen Namen führende und unter derselben Wohnadresse wohnende Person, sodaß sich der Schluß geradezu aufdränge, daß im Zusammenwirken mit der bisherigen Grundeigentümerin eine "Ersatzlösung" zu finden versucht worden sei, um einem Ausländer in Tirol faktisches Eigentum an der Wohnung zu verschaffen. Daß die in Rede stehende Wohnung dem in Sbg. wohnhaften (inländischen) Geschäftsführer als "Dienstwohnung" dienen solle, erscheine im Hinblick auf den satzungsgemäßen Sitz der Gesellschaft (Sbg.) nicht glaubhaft; es sei dies bezeichnenderweise auch erst nach Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung in einem ergänzenden Schriftsatz vorgebracht worden. Wenn man noch bedenke, daß nach dem Erwerb der Liegenschaft durch eine nicht mehrheitlich in ausländischer Hand befindliche Gesellschaft eine (neuerliche) Umverteilung (der) österreichischen Gesellschafter(s) möglich sei, so zeige dies eindeutig, daß der gegenständliche Weg es ermögliche, einem ausländischen Staatsangehörigen unter Umgehung der Bestimmung des §4 Abs2 lita GVG 1983 Grundeigentum in Kitzbühel zu verschaffen. All dies weise darauf hin, daß der vorliegende Kaufvertrag zur Umgehung der Bestimmung des §4 Abs2 GVG 1983 dienen solle.

Das vorliegende Rechtsgeschäft sei daher wegen der festgestellten Umgehungsabsicht nichtig, weil damit, nur durch den Buchstaben des Gesetzes gedeckt, dessen Zweck vereitelt werden solle. Vollständigkeitshalber solle in diesem Zusammenhange erwähnt werden, daß die hier vorliegende Form der Umgehung des Grundverkehrsgesetzes in der Praxis sehr häufig geworden sei und die Landesgrundverkehrsbehörde nahezu in jeder Sitzung mit derartigen Fällen konfrontiert werde.

6.2. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht verletzt zu sein, da die Ausstellung der beantragten Negativbestätigung verweigert werde, obwohl die "Inländer-Eigenschaft" der Käufergesellschaft anerkannt werde. Im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums seien sie verletzt, weil das Rechtsgeschäft "bereits jetzt für nichtig erklärt und mit der Nichtigkeitsklausel im Sinne des §16 GVG 1983 versehen wurde, ohne daß bisher irgendeine Behörde die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt hätte". Unter den genannten Aspekten wird auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes geltend gemacht. Darüber hinaus liege aus dem gleichen Grund auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor, da die bel. Beh. eine Vorfrage (Nichtigkeit als Umgehungsgeschäft), die an sich einem Gericht zur Entscheidung obliege, zum Nachteil der Bf. gelöst habe. Zunächst sei zu bezweifeln, ob überhaupt der Kaufvertrag und nicht etwa die Gesellschaftsgründung, der Abtretungsvertrag oder ein allfälliges weiteres Rechtsgeschäft zwischen den neuen Eigentümern und "Hintermännern" das Umgehungsgeschäft sein müßte. Es könne auch erwartet werden, daß die bel. Beh. genauere Erhebungen darüber anstellt, zu welchem Zweck die Wohnung gekauft wird oder wer die Wohnung derzeit tatsächlich bewohnt. Die bel. Beh. habe sich aber damit begnügt, Umgehungsvermutungen aus dem zeitlichen Zusammenhang der verschiedenen Vertragsabschlüsse abzuleiten und darauf hinzuweisen, daß spätere Abtretungen an Ausländer rechtlich möglich wären, obwohl auch hiefür grundverkehrsbehördliche Genehmigungen erforderlich wären. Mit der gleichen Argumentation müßte man konsequenterweise jeden Erwerb durch eine Gesellschaft ablehnen, weil ja auch eine vorerst nur aus Inländern bestehende Gesellschaft diese Abtretungen an Ausländer vornehmen könne.

Es müsse aber auch in Zweifel gezogen werden, ob der Gesetzgeber mit "Bestätigung" gemäß §2 Abs2 GVG 1983, nach welcher Gesetzesstelle die Ausstellung einer Negativbestätigung vorgesehen sei, einen Bescheid oder einen anderen "unbekannten hoheitlichen Akt" meine, sodaß die genannte Gesetzesbestimmung iS der Verfassungsvorschriften nicht hinreichend determiniert erscheine.

6.3.1. Der VfGH hält zunächst fest, daß er aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen §2 Abs2 GVG 1983 hegt. Es kann kein Zweifel bestehen, daß die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Bestätigung iS dieser Gesetzesstelle als Bescheid zu werten ist, da der letzte Satz des §2 Abs2 leg. cit. ausdrücklich davon spricht, daß "gegen einen solchen Bescheid" in sinngemäßer Anwendung des §13 Abs3 erster Satz GVG 1983 die Berufung an die Landesgrundverkehrsbehörde zulässig ist. Es ist dem Gesetz auch zweifelsfrei zu entnehmen, welche Behörde zur Ausstellung einer Bestätigung nach §2 Abs2 GVG 1983 zuständig ist und welche Behörde über eine gegen einen solchen Bescheid allenfalls erhobene Berufung zu entscheiden hat. Eine sog. Negativbestätigung iS des §2 Abs2 GVG 1983 ist im Hinblick auf den - umfassenden - Inhalt der auszustellenden Bestätigung (Abspruch darüber, daß ein Grundstück weder wegen seiner land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung noch wegen der Ausländereigenschaft des Rechtserwerbers dem Grundverkehrsgesetz unterliegt) zwangsläufig vom Vorsitzenden der Höfekommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz gemäß §13 Abs1 lita GVG 1983 auszustellen. Daher ist als Berufungsbehörde die Landesgrundverkehrsbehörde in der Zusammensetzung nach §13 Abs4 Z1 GVG 1983 zuständig; inhaltlich ist von dieser (nur) zu prüfen, ob der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde erster Instanz davon ausgehen konnte, daß ein Rechtserwerb zweifelsfrei nicht den Bestimmungen des GVG unterliegt. Da sich all dies aus dem Gesetz ergibt, kann von einer Unbestimmtheit der Regelung keine Rede sein. Der VfGH hegt somit keine Bedenken, daß §2 Abs2 GVG 1983 mit dem Determinierungsgebot im Widerspruch steht.

6.3.2. Was die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte betrifft, hat sich der VfGH zunächst mit der Frage zu befassen, ob der angefochtene Bescheid gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verstößt.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wird eine Berufung der Bf. gegen den Bescheid des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde erster Instanz wegen Zurückweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Bestätigung nach §2 Abs2 GVG 1983 als unbegründet abgewiesen. Der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde erster Instanz wertete den zwischen den Bf. abgeschlossenen Kaufvertrag als Umgehungsgeschäft, das gegen §4 Abs2 lita GVG 1983 verstoße und deshalb nichtig sei, sodaß ein Rechtserwerb iS des §3 Abs1 leg. cit. nicht vorliege; dies wird im angefochtenen Bescheid bestätigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 5700/1968, 7605/1975, 8883/1980, 9599/1983) ist der administrative Instanzenzug als Einheit aufzufassen; wird die sachliche Zuständigkeit auch nur in unterer Instanz gesetzwidrig in Anspruch genommen, so ist das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt und zwar auch dann, wenn in oberer Instanz die zuständige Behörde eingeschritten ist. Ein solcher Fall liegt vor.

Nach §2 Abs2 GVG 1983 hat der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde auf Antrag einer Partei eine schriftliche Bestätigung darüber zu erteilen, daß ein Grundstück, das Gegenstand eines Rechtserwerbes iS des §3 Abs1 GVG 1983 ist, den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht unterliegt, wenn dies "zweifelsfrei" feststeht. Demgegenüber "hat im Zweifel", ob ein Grundstück den Bestimmungen des GVG unterliegt, die Grundverkehrsbehörde als Kollegialorgan zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hat der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung einer Bestätigung nach §2 Abs2 leg. cit. damit begründet, daß der in Frage stehende Kaufvertrag als Umgehungsgeschäft zu werten sei, das dem Genehmigungstatbestand nach §4 Abs2 lita GVG 1983 widerspreche. Damit hat er selbst entschieden, daß der in Frage stehende Rechtserwerb den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes unterliegt und - da nur die rechtskräftige Versagung der Bewilligung zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes führt - auch implizit über die Genehmigungsfähigkeit eines nach seiner Meinung genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäftes abgesprochen. Der Vorsitzende hat somit eine Entscheidung getroffen, die sich seiner Zuständigkeit entzieht. Die bel. Beh. wäre verpflichtet gewesen, diesen Fehler wahrzunehmen und zu beheben.

Der angefochtene Bescheid verletzt demnach die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

6.4. Der bekämpfte Bescheid ist daher aufzuheben.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit Grundverkehr, Kollegialbehörde, Determinierungsgebot, Umgehungsgeschäft, Genehmigung (eines Rechtsgeschäfts)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B607.1985

Dokumentnummer

JFT_10138989_85B00607_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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