Kommentar zum Art. 1 § 29 FinStrG

Herbert Orlich am 19.10.2009

§ 29 FinStrG

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Strafbefreiende Selbstanzeige:

Bei vorsätzlich begangenenen Finanzvergehen ist im Falle einer finanzbehördlichen Nachschau oder Prüfung die Selbstanzeige spätestens zu dem Zeitpunkt zu erstatten, zu dem die Finanzbehörde zur Herausgabe der Bücher, Aufzeichnungen oder sonstigen steuerlichen Unterlagen aufgefordert hat. Später wirkt sie nicht mehr strafbefreiend: OGH 27.08.1998, 12 Os 73/98; ÖStZB 1999, 326.

Um Straffreiheit zu erreichen, muß der Täter ohne Verzug alle Umstände offenlegen, die zur Feststellung der Abgabenverkürzung notwendig sind, und er muß den Verkürzungsbetrag ohne Verzug entrichten: VwGH 28.06.2000, 97/13/0002, ÖStZB 2001/15. Die Straffreiheit setzt eine konkrete Darlegung der begangenen Verfehlungen vor; das bloße Eingestehen der Tat bei einer Vernehmung reicht nicht aus: OGH 10.09.2002, 14 Os 6/02, EvBl 2002/23.

In der Selbstanzeige muß der Täter eindeutig bezeichnet sein. Sie wirkt nur für diejenigen Personen, die in der Selbstanzeige als Täter bezeichnet sind: VwGH 29.11.2000, 2000/13/0207, ecolex 2001, 633 = ÖStZB 2001/344; VwGH 15.06.2005, 2002/13/0048, ecolex 2005/463, 948; VwGH 20.09.2006, 2006/14/0046, ecolex 2007/165, 384. Bevollmächtigte (Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder etc.) achten daher in einer Selbstanzeige genau auf eine eindeutige Bezeichnung aller vertretenen Täter.

Bei EDV-unterstützter Überwachung der Entrichtung selbst zu berechnender Abgaben (USt) ist die automatisierte Zusendung von "Erinnerungen" noch keine Tatentdeckung und steht daher einer strafbefreienden Selbstanzeige i.S.d. § 29 FinStrG nicht entgegen: OGH 25.08.1998, 11 Os 41/98; ÖStZB 1999, 395.

Auch die Ankündung einer Steuerprüfung nach ausgebliebenen USt-Voranmeldungen ist noch keine Verfolgungshandlung: OGH 09.11.2000, 15 Os 121/00, ecolex 2001, 310.

Die Straffreiheit wird nicht nur dann ausgeschlossen, wenn gegen den Selbstanzeiger eine Verfolgungshandlung gesetzt wurde, sondern auch schon dann, wenn sich eine Verfolgungshandlung gegen einen in § 29 Abs.3 FinStrG genannten Beteiligten richtet: OGH 10.09.2002, 14 Os 6/02, EvBl 2002/23.

Ist der Abgabenschuldner im Ausgleich, so muß er den Verkürzungsbetrag nicht in voller Höhe, sondern nur im Ausmaß der Ausgleichsquote entrichten: VwGH 24.02.2004, 2000/14/0020, ÖStZB 2004/578, 634

Die Abgabe gilt auch dann als sofort entrichtet, wenn der Abgabepflichtige die Zahlungsfristen der BAO ausnützt. Kann der Abgabenpflichtige also die Abgabenschuld nicht sofort entrichten, so erhält er sich die Straffreiheit, indem er Zahlungserleichterungen (Ratenzahlung etc.) beantragt: VwGH 23.09.2005, 2002/15/0208, AnwBl 2006/8052, 409; VwGH 26.04.2007, 2005/14/0072, ecolex 2008/133, 369.

Der Entrichtung der Abgabe gleichzusetzen ist ein Guthaben am Abgabenkonto, das den vollen Betrag deckt: OGH 01.10.2008, 13 Os 76/08p, ecolex 2009/99, 265.

Literatur: Toifl, Die Sperrwirkung bei der Selbstanzeige, RdW 2004/588, 642; Walzel, Keine schlüssige Täterbenennung bei der Selbstanzeige, SWK 2005, 906; Plückhahn/Schrottmeyer, Selbstanzeige und Verjährung, SWK 2009, 72; Plückhahn/Schrottmeyer, Selbstanzeigen im Gefolge ausländischer Mitteilungen aufgrund der EU-Zinsrichtlinie, SWK 2009 S 574, 842.


Art. 1 § 29 FinStrG | 1. Version | 947 Aufrufe | 19.10.09
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Herbert Orlich
Zitiervorschlag: Herbert Orlich in jusline.at, FinStrG, § artikel1zu29, 19.10.2009
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