Kommentar zum § 907a ABGB

Nicole Konrad am 01.04.2013

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I. Einleitung:

Die österreichische Umsetzung der europäischen Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ("Zahlungsverzugs-Richtlinie") erfolgt mittels des so genannten Zahlungsverzugsgesetzes - ZVG, welches am 16.03.2013 in Kraft trat.

Dieses bewirkt sehr wesentliche Gesetzesänderungen, insbesondere im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), Unternehmensgesetzbuch (UGB), Mietrechtsgesetz (MRG) und Konsumentenschutzgesetz (KSchG). Aus den Erläuternden Bemerkungen (2111 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage - Vorblatt und Erläuterungen, 10ff) ergibt sich im Einzelnen zu § 907a ABGB nachstehend wie folgt:

II. § 907a ABGB:

1. Geldschulden sind Bringschulden - § 907a Abs 1 ABGB:

1.1 Durch die neue Regelung des § 907a ABGB sind Geldschulden künftig so genannte Bringschulden, sodass der Erfüllungsort am Wohnsitz oder Niederlassung des Gläubigers liegt (bisherige Rechtsmeinung: Geldschulden sind "qualifizierte Schickschulden", dh Erfüllungsort ist Wohnsitz oder Niederlassung des Schuldners).

1.2 Der Schuldner trägt auch das Verzögerungs- und Verlustrisiko (wenn die Ursache nicht beim Gläubiger-Bankinstitut liegt)  und hat dieser auch die Kosten der Erfüllung zu tragen. Nur bei nachträglicher Änderung des Gläubigerortes oder der Bankverbindung gehen dadurch verursachte Kosten und das Risiko zu Lasten des Gläubigers.

1.3 Die Art der Erfüllung der Geldschuld kann vom Schuldner selbst gewählt werden, so kann sie einerseits durch Übergabe (persönlich in Form von Barzahlung), durch Übermittlung (zB durch Boten, Wertbrief, Post, Geldtransferunternehmen etc) oder durch Banküberweisung auf ein vom Gläubiger bekannt gegebenes Konto erfolgen. Auch andere Erfüllungsmodalitäten wie zB die Einziehung durch den Gläubiger oder per Kreditkarte können vereinbart werden.

2. Rechtzeitigkeit bei Banküberweisungen - § 907a Abs 2 ABGB:

2.1 Zweifelsohne ist im Wirtschaftsverkehr zwischen Unternehmen die gängigste Zahlform die Banküberweisung.

Zur Beurteilung der Rechtzeitig bei Banküberweisung sind nunmehr zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden, welche jeweils unterschiedliche Rechtswirkungen enthalten:

a) Fälligkeitstermin schon im Vorhinein bestimmt;
b) Fälligkeitstermin nicht schon im Vorhinein bestimmt, dh die Fälligkeit tritt erst durch die Gegenleistung, Rechnungsstellung, Zahlungsaufforderung oder einen gleichartigen Umstand ein.

ad a)
Ist der Fälligkeitstermin vorausbestimmt (zB am 26. August 2013; nicht "10 Tage nach Rechnungserhalt") und steht die Höhe der Geldschuld im Vorhinein fest, muss der Überweisungsauftrag so rechtzeitig erteilt werden, dass der Geldbetrag bei Fälligkeit auf dem Gläubigerkonto und wertgestellt ist (§ 43 Abs 1 ZaDiG). Da durch das ZaDig (Zahlungsdienstegesetz) der Weg des Geldes gesetzlichen Regelungen unterliegt, wird dem Schuldner die korrekte Einschätzung der "Reisezeit" zugemutet. Zu beachten ist jedoch, dass der Gläubiger zur Bekanntgabe seiner Bankverbindung nicht verpflichtet ist (Ausnahme KSchG und MRG im Vollanwendungsbereich)!

ad b)
Ist die Fälligkeit nicht schon im Vorhinein bestimmt, so muss der Schuldner den Überweisungsauftrag "ohne unnötigen Aufschub" ab Auslösung der Fälligkeit erteilen. Freilich stellt die Formulierung "ohne unnötigen Aufschub" die Frage in den Raum, welche Zeit damit maximal gemeint ist. Praktisch darf es sich nur um einige wenige Tage handeln.

Es ergibt sich daher, dass für den Gläubiger die Vereinbarung einer im Vorhinein bestimmten Fälligkeit (wenn auch seine Forderung der Höhe nach ziffernmäßig bestimmbar ist) jedenfalls von Vorteil ist und doch um einige Tage frühere Zahlungseingänge bewirken kann.

2.2 Die Regelung des § 907a ABGB ist dispositiv, dh vertragliche Vereinbarungen gehen freilich vor.

2.3 § 907a ABGB gilt für neue Rechtsverhältnisse und alte Rechtsverhältnisse mit wiederholter Geldleistungspflicht für die ab 16.03.2013 fälligen Zahlungen.

3. Sonderregelung des § 6a KSchG für Konsumenten:

3.1 Im Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis gilt die konsumentenfreundliche Besonderheit, dass Konsumenten bei Zahlung durch Banküberweisung auch dann noch rechtzeitig erfüllen, dh ihre Schuld begleichen, wenn sie erst am Tag der Fälligkeit den Überweisungsauftrag erteilen.

3.2 Zudem muss der Unternehmer dem Verbraucher für die Zahlung ein verkehrsübliches Bankkonto bekanntgeben. Freilich gilt dies nicht, wenn Barzahlung nach der Natur des Vertragsverhältnisses verkehrsüblich ist, wie zB bei Zug um Zug zu erfüllenden Verträgen (Einkäufe in Geschäften). Als verkehrsübliches Bankkonto gilt grundsätzlich jede Bankverbindung innerhalb der Europäischen Union (SEPA-Verordnung 260/2012).

4. Conclusio:

Grundsätzlich ist diese neue Regelung des § 907a ABGB zu begrüßen, da nunmehr das Gesetz klarstellt, wann der Fälligkeitszeitpunkt einer Zahlung tatsächlich eintritt. Jedoch ist unklar, ob bei der in der unternehmerischen Praxis durchaus nicht unüblichen Klausel "zahlbar binnen 14 Tagen" die Erteilung des Überweisungsauftrags zum Termin ausreicht oder die Wertstellung auf dem Konto des Gläubigers erfolgt sein muss. Solcherart stellt sich hieraus eine Frage der Vertragsauslegung gemäß § 914 ABGB.

Die Reichweite dieser Regelung ist unbestritten, da zahlreiche (für den säumigen Geschäftspartner) unangenehme Rechtsfolgen vom Verzug abhängen können, wie zB Verzugszinsen (§ 456 UGB), Betreibungskosten (§ 458 UGB), Rücktritt des Vertragspartners, Verlust einer vertraglichen Gestaltungsmöglichkeit, Kündigung (insbes im Mietrecht) usw.

Solcherart sind die Unternehmen als Gläubiger gefordert, ihre Zahlungskonditionen angepasst zu formulieren und die Schulder, diese akkurat zu prüfen und einzuhalten. In diesem Sinne wird das "Streben nach einer Kultur der unverzüglichen Zahlung", welches das erklärte Ziel der Richtlinie darstellt, durchaus sicht- und im besten Falle umsetzbar. 


§ 907a ABGB | 15. Version | 1429 Aufrufe | 01.04.13
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Nicole Konrad
Zitiervorschlag: Nicole Konrad in jusline.at, ABGB, § 907a, 01.04.2013
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