Kommentar zum § 1170b ABGB

Nicole Konrad am 31.07.2012

  • 0,0 bei 0 Bewertungen

Kommentar zu § 1170b ABGB

 

Die zwingende Regelung des § 1170b ABGB stellt einen Sicherstellungsanspruch des Bauunternehmers gegen seinen Auftraggeber für nach dem 31. Dezember 2006 geschlossene Bauverträge dar.

Obwohl ein Entgelt der gesetzlichen Fälligkeitsbestimmung des § 1170 erster Satz ABGB entsprechend in der Regel erst nach Vollendung des Werkes zu entrichten ist, legt § 1170b ABGB fest, dass der Unternehmer eines Bauwerks, einer Aussenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teiles davon vom Auftraggeber bereits ab Vertragsabschluss eine Sicherstellung für das noch ausstehende Entgelt verlangen kann. Ein Verzicht auf § 1170b ABGB bei Werkvertragsabschluss ist unzulässig und nichtig.

Der Werkbesteller befindet sich aufgrund seines Zurückbehaltungsrechtes des Werklohnes im Falle der mangelhaften Werkerbringung in einer starken Position, welche sich durch das sachenrechtliche Prinzip „superficies solo cedit“ erweitert, zumal dadurch sämtliche Absicherungsmöglichkeiten wie zB der Eigentumsvorbehalt oder die Zug um Zug-Erbringung von Leistung und Gegenleistung nicht (mehr) bestehen.


Insofern dient die in Rede stehende Norm der Verminderung der Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe, da gerade aufgrund des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes zwischen den einzelnen Bauunternehmen oftmals - trotz etwaiger Risken - Zahlungsmodalitäten zugunsten des Werkbestellers vereinbart werden, um das Angebot „schmackhafter“ zu gestalten.

Der Begriff des „Unternehmers“ iSd Regelung orientiert sich nicht primär an der unternehmensrechtlichen Definition, sondern umfasst jeden (sohin auch Nach- oder Subunternehmer), den eine Werkvertragsverpflichtung zur Erbringung von Bauleistungen an einer unbeweglichen Sache trifft.

Es handelt sich bei § 1170b ABGB um eine lex specialis, es kann eine Sicherstellung nur bei „Bauverträgen“ verlangt werden.

Vielmehr noch: diese begünstigende Regelung dient nur jenen Unternehmern, welche eine risikobehaftete Vorausleistung in der Weise erbringen, dass ihr (Bau-)Werk auf einem Grundstück „eingebaut / verbaut“ und sohin damit „untrennbar“ verbunden wird.

Daraus folgt, dass eine bloße Werk(ab)lieferung nicht von dieser Norm umfasst ist, zumal diese keinen Bestandteil des Bauwerks darstellt und sohin ein die Möglichkeit der Zurückbehaltung als Druckmittel für eine Zahlung besteht.

Insofern definiert sich „Bauwerk“ im Sinne dieses Gesetzes als „jede durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache“ (Angst, ÖJZ 1972, 119 ff).  Die Lehre bejaht auch eine Einbeziehung von Superädifikaten unter diesen Begriff (Hörker in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1170 b Rz 4; ebenso Schopper, JAP 2006/2007, 54).

Unter „Aussenanlagen“ zu einem Bauwerk versteht man Grundstücksflächen, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Bauwerk stehen und die auch seinem Zweck dienen (Schopper, JAP 2006/2007, 54).

In der Lehre umstritten ist die Sicherstellungsobliegenheit bei Planungsleistungen. Eine Sicherstellungsobliegenheit wurde teilweise mit der Begründung verneint, dass es sich bei Planungsverträgen um Werklieferungsverträge handle, weshalb eine Herausgabe ohnedies Zug um Zug gegen Zahlung erfolgen könne.

Jedoch sprechen wesentliche Argumente dafür, Planungsleistungen, die auf Werkverträgen basieren, in den Anwendungsbereich des § 1170b ABGB einzubeziehen, zumal eine Abhängigkeit zu einem bestimmten Grundstück entsteht und die Pläne nur für dieses verwertbar sind. Weiters stellt sich die gelebte Praxis solcherart dar, als dass Zahlungen im Regelfall erst nach Prüfung und Freigabe der Planungsleistung erfolgen (Schmidinger, bau aktuell Heft-Nr 2/2012, 42).

Mit der Entscheidung 3 Ob 211/07m vom 19.12.2007 verwies der OGH auf sämtliche Parallelen und Unterschiede zur ÖNORM B 2110, wobei aufgrund des zwingenden Charakters des § 1170b ABGB abweichende ÖNORM-Regelungen nicht gültig vereinbart werden können.

Die Höhe der Sicherstellung beträgt ein Fünftel bzw bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, bis zu zwei Fünftel des noch ausstehenden Entgelts, wobei die vertragliche Vereinbarung einer höheren Sicherheitsleistung zulässig ist (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 72).

Eine zweite Begrenzung erfährt diese Norm dadurch, dass sich das „noch ausstehende Entgelt“ am vereinbarten Gesamtentgelt orientiert. Es gilt daher als vorausgesetzt, dass der Werklohn im Voraus vereinbart wurde, wie beispielsweise bei Pauschalpreisvereinbarungen. In allen anderen Fällen ist der Vergütungsanspruch zu schätzen (Hörker in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1170b Rz 17).

Weiters kann die Höhe der Sicherheitsleistung stets gleichlautend an Veränderungen des Vergütungsanspruches aufgrund von nachträglichen Änderungswünschen oder Zusatzleistungen angepasst werden (M. Bydlinski in KBB2 § 1170b Rz 5; Schauer in Krejci, Reform-Kommentar § 1170b ABGB Rz 15).

Betrachtet man die „Quote“ der Sicherheitsleistung ergibt sich, dass der verbleibende Auftragswert in Höhe von 80 % bzw 60 % - sohin auch der Hauptanteil der Entgeltsumme – sehr wohl noch einem deutlichen Insolvenzrisiko ausgesetzt ist, wofür der Gesetzgeber jedoch offenkundig einen Schutzmechanismus nicht vorsieht.

Gem Abs 1 dritter Satz leg cit können als Sicherstellung - frei nach Wahl des Werkbestellers als Sicherungsgeber - Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Bei all diesen handelt es sich um rasch und günstig verwertbare Vermögenswerte, im Unterschied zu sonstigen beweglichen Sachen oder Hypotheken (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 72).

Umstritten ist, ob neben diesen Sicherungsmitteln auch Bürgschaften zulässig sind (dafür Bollenberger, RdW 2006, 202; Milchrahm, bbl 2007, 170; dagegen Rebhahn-Kietaibl in Schwimann, ABGB3, V § 1170b Rz 16).

Dem Unternehmer ist an diesen Sicherungsmitteln ein Pfandrecht einzuräumen, wobei während der nämlichen Laufzeit des jeweiligen Sicherungsmittels sowohl die allgemeinen Sicherungsvorschriften der §§ 1368 ff ABGB aus einem Pfandvertrag, als auch vertragliche Nebenpflichten zwischen Unternehmer und Auftraggeber, zur Anwendung gelangen. Dies impliziert die Notwendigkeit der sofortigen Zurückstellung der Sicherheitsleistung bei Erlag der Werklohnforderung.

Eine Verwertung der Sicherheitsleistung darf erst bei Fälligkeit des Werklohns und Zahlungsverzug des Werkbestellers vorgenommen werden, wobei eine Besonderheit in Bezug auf mangelhafte Werke besteht, zumal hierbei eine Sicherungsverwertung mangels Werklohnfälligkeit nicht zulässig ist (Hörker in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00
§ 1170 b Rz 25)
.

Problematisch gestaltet sich in diesem Zusammenhang eine etwaige frühere Verwertung des Sicherungsmittels durch den Unternehmer, da sich hiefür je nach Art des Sicherungsmittels faktisch die Möglichkeit bietet. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise Sparbücher, Bankgarantien oder Pfandrechte präventiv solcherart zu gestalten, dass der Nachweis der Fälligkeit vor Auszahlung beweispflichtig wird.

Die Kosten der Sicherstellung, welche in Provisionen, Gebühren, Spesen etc bestehen können, hat der Unternehmer, sofern sie pro Jahr 2 % der Sicherungssumme nicht übersteigen, zu tragen. Diese Kostentragungspflicht des Unternehmers begründet sich darin, dass dieser dem Gesetze nach die Möglichkeit hätte, auch von  zweifellos „liquiden Vertragspartnern“ eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Gerade davon soll der Unternehmer jedoch in risikolosen bzw
–armen Fällen abgehalten werden.

Diese Kostentragungsregel ist jedoch nicht anwendbar, „wenn die Sicherheit nur mehr wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen“.

§ 1170b ABGB gewährt dem Unternehmer ein Wahlrecht hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise, wenn der Werkbesteller die Sicherstellungen nicht oder nicht ausreichend binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender Frist leistet. Dieser kann sohin gem Abs 2 leg cit seine Leistung verweigern oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten.

Daraus ergibt sich, dass der Unternehmer faktisch über keinen durchsetzbaren Anspruch auf Sicherstellung verfügt.

Ein praktisch relevantes Problem ergibt sich, wenn der Werkunternehmer trotz einer behaupteten Mangelhaftigkeit auf die Leistung einer Sicherstellung besteht. Zumal es sich dabei - den bisherigen Ausführungen entsprechend - bloß um eine Obliegenheit handelt, stellt sich nunmehr die Frage, ob die Existenz von Mängeln diese dahingehend verändert, als dass der Werkbesteller die Beibringung einer Sicherstellung verweigern kann.

Die Lehre geht jedoch davon aus, dass der Werkbesteller auch bei mangelhafter Bauleistung auf Verlangen des Werkunternehmers Sicherstellung zu leisten hat und diese nicht unter Berufung auf Mängel verweigern kann (Högl/Wiesinger, Offene Fragen zu § 1170b ABGB, JBl 2009, 155).

Kein Sicherstellungsanspruch kann gem Abs 3 leg cit gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Werkbesteller geltend gemacht werden, da kein Insolvenzrisiko besteht. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht für ausgegliederte Rechtsträger, welche in privatrechtlichen Rechtsformen organisiert sind (Schmidinger, bau aktuell Heft-Nr 2/2012, 42).

Ebenso von der Verpflichtung zur Sicherstellung ausgenommen sind Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 und Abs 3 KSchG, mit dem Hintergrund diese vor einer zusätzlichen Belastung durch Sicherstellungserfordernisse zu bewahren. Als Verbraucher gelten diejenigen Personen, für die ein Geschäft nicht zum Betrieb eines Unternehmens gehört.

Die Obliegenheit zur Sicherstellung trifft sohin auch Generalunternehmer gegenüber deren Subunternehmern, wobei unbeachtlich ist, ob der Generalunternehmer selbst gegenüber seinem Werkbesteller eine Sicherstellung verlangen kann (Schmidinger, bau aktuell Heft-Nr 2/2012, 42).

Die Entscheidung eine Sicherstellung vom Vertragspartner zu verlangen obliegt dem Werkunternehmer. Der Schwachpunkt dieser gesetzlichen Regelung liegt darin, dass die Forderung nach einer Sicherstellung oftmals missverstanden und als Vertrauensbruch gewertet wird.

Zusammenfassend bewirkte § 1170b ABGB jedoch eine Verbesserung, zumal das Insolvenzrisiko, welches nicht zuletzt auch aufgrund des in der Baubranche häufig anzutreffenden Phänomens der niedrigen Eigenkapitalquote der Unternehmen bestand, etwas minimiert werden konnte.

Die Verweigerung einer Sicherstellungsleistung trotz Aufforderung kann einem Werkbesteller jedenfalls teuer zu stehen kommen und erhebliche finanzielle Nachteile bewirken, da § 1170b ABGB dem Unternehmer Sanktionsmaßnahmen einräumt.

Insofern erzeugt die in Rede stehende Norm zwar kein einklagbares Recht, wohl jedoch die Möglichkeit im Ernstfall von der Erbringung weiterer Leistungen befreit zu sein bzw eine Vertragsaufhebung unter der Folge des Entgeltanspruchs gem § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB bewirken zu können.

*


§ 1170b ABGB | 1. Version | 2193 Aufrufe | 31.07.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Nicole Konrad
Zitiervorschlag: Nicole Konrad in jusline.at, ABGB, § 1170b, 31.07.2012
Zum § 1170b ABGB Alle Kommentare Melden Vernetzungsmöglichkeiten