Kommentar zum § 11 IPRG

Ulrike Christine Walter am 12.03.2012

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Zulaessigkeit

Eine Rechtswahl ist nur zulässig in Fällen mit Auslandsberührung. (§ 1 Abs. 1 IPRG) und nur für bestimmte Sachbereiche, wie für das Ehegüterrecht (§ 19 IPRG)  sowie alle gem. § 35 abs. 1 IPRG nicht unter das EVUe fallende gesetzliche Schuldverhältnisse. Ferner bei der Bevollmächtigung § 49 Abs. 1 IPRG und gem. § 23 Abs. 1 AtomhaftungsG 1999 bei Atomschäden in Österreich durch einseitige Wahl des österr. Haftungsrechtes  durch den Geschädigten.

Für den Schuldvertragsbereich ist die Rechtswahl gesondert geregelt (EVUe).

 Unzulaessigkeit

Eine Rechtswahl im Erbrecht ist im Gegensatz zu anderen Rechtssystemen unzulaessig. (siehe auch walter,  das ital. Erbrecht mit Hinweis zu Unterschieden zum deutschen Erbrecht  -  Kester-Haeusler-Stiftung www.kester-haeusler-stiftung.de)

Das IPRG beschränkt die Zulässigkeit der Rechtswahl allgemein auf Sachverhalte mit Auslandsberührung. Für sogenannte rein interne Verträge ist eine Rechtswahl nicht zulässig. Die konkrete Grenzziehung ist freilich überaus schwierig; welche Auslandsbeziehung hinreichen soll, läßt sich nicht allgemein feststellen. Maßgeblich ist, daß der Vertrag, für den die Parteien eine Rechtswahl treffen, ein im weitesten Sinn des Wortes internationaler Vertrag ist. Beim Streckengeschäft, bei dem Kaufverträge in der "Kette" abgeschlossen werden, indem der erste Käufer die Sache weiter verkauft und an einer realen Erfüllung an sich selbst nicht interessiert ist, ist ein hinreichender Auslandsbezug schon dann anzunehmen, wenn der Verkäufer ein Unternehmen mit Sitz im Ausland ist, zumal in einem solchen Fall ein Interesse an der "Gleichschaltung" der Rechtsbeziehungen besteht; dies hat jedenfalls in einem Fall zu gelten, in dem dem zweiten Käufer die Tatsache, daß Verkäufer ein ausländisches Unternehmen ist und der erste Käufer nur als Zwischenhändler auftritt, bekannt ist. (JBl 1992,189 (Schwimann, 192) = RdW 1991,75 = IPRax 1992,47 (Posch, 51) RS0076802)

 Inhalt und Umfang

Eine Rechtswahl der Parteien (§§ 19, 35 Abs. 1) bezieht sich im Zweifel nicht auf die Verweisungsnormen der gewählten Rechtsordnung. (Abs. 1)

Bezüglich Inhalt und Umfang besteht Wahlfreiheit. Im Zweifel ist nur die Wahl der Sachrechtsnormen beachtlich, also keine Rück- und Weiterverweisung.  Das gewählte Recht braucht keinerlei Beziehung  zum Fall zu haben, weder die verdrängte noch die gewählte Rechtsordnung brauchen die Rechtswahl anzuerkennen, auch gemischt auf einzelne Sachverhaltsstuecke. (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 34)

 „flaoting choice-of-law clause                                                                                                                                                          “Die Parteien können im Wege einer “alternativen Rechtswahl” das maßgebliche Recht auch vom zukünftigen  Eintritt eines gewissen Umstandes abhängig machen. (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 34) 

Formfreiheit

Die Rechtswahlvereinbarung ist formfrei, ihre rechtliche Beurteilung unterliegt dem österreichischen Sachrecht als lex fori. (EvBl 1987/2 S 15 = ZfRV 1988,215 (Hoyer) Das Vorliegen einer Rechtswahl, die die gesetzliche Anknüpfung - abgesehen von Eingriffsnormen - verdrängt, ist primär zu prüfen. Erst nach Bejahung einer wirksamen Rechtswahl wird die weitere Frage aufgeworfen, ob diese Wahl einer Sonderanknüpfung vor Eingriffsnormen weichen muss. (SZ 2004/53)

 Ausdrückliche Rechtswahl

Rechtswahl bedeutet die für bestimmte Sachbereiche zugelassene Bestimmung des maßgeblichen Rechtes durch Parteienvereinbarung.  (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 32)

 schlüssige Rechtswahl

Die Rechtswahlvereinbarung kann ausdrücklich und für gesetzliche Schuldverhältnisse auch schlüssig getroffen werden (nicht jedoch vermutet oder hypothetisch). Es gelten die Konkludenzmassstaebe des § 863 ABGB. . (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 34/35)

Der ausdrücklichen Rechtswahl steht die schlüssig getroffene und wie der Gesetzestext deutlich macht ( arg. "auf ein anderes Recht Bedacht genommen" und "nicht offenbar ein anderes Recht zugrunde gelegt worden" ), selbst die in die Geschäftsvoraussetzungen aufgenommene gleich ( Spielbüchler, ZfRV 1976,47, 53 f ). Die von der Lehre stark kritisierte Anknüpfung an das "Wirkungsstatut" steht der hypothetischen Rechtswahl, dem Zugrundelegen einer bestimmten Rechtsordnung ohne Bewusstmachen des Bezugspunktes, sehr nahe ( Schwind, Handbuch 297 f ). Es geht darum, dass der objektiv festgestellte Sachverhalt vermuten lässt, die Parteien hätten die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung vorausgesetzt, weil ihre Rechtsbeziehungen privatautonom so ausgestaltet wurden, dass nur der Bezug auf eine bestimmte Rechtsordnung eine sinnvolle Regelung ihrer Rechtsbeziehungen erwarten lässt ( Schwind aaO 295 ff, insb. 297 f ). (SZ 54/88, RS0009281)

Ob eine schlüssige Rechtswahl vorliegt, bestimmt sich grundsätzlich nach § 863 ABGB. (JBl 1984,383; EvBl 1987/2 S 15) Der Lokalisierung bestimmter Umstände des Schuldverhältnisses - wie dem vereinbarten Erfüllungsort, dem Abschlußort, dem Wohnsitz bzw Sitz der Parteien uä - ist nur eine mittelbare Indizwirkung zuzubilligen, die den Schluss auf die Geltungsannahme einer bestimmten Rechtsordnung durch die Parteien nur rechtfertigt, wenn sie in überwältigender Mehrheit auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweisen. (RS0077082)

Ein Rechtsfall dahingehend, daß zwei in verschiedenen Staaten befindliche Schiedsgerichte jeweils ihr nationales Recht anwenden, ist zulässig. (SZ 71/26)

Die Frage der Rechtswahl bedarf keiner näheren Erörterung, wenn die Verfahrensgrundlagen ein Parteiverhalten belegen, das jeden Zweifel an der schlüssigen Wahl österreichischen Sachrechts ausschlösse oder dieses als Geschäftsgrundlage erwiese.( SZ 70/145)

Die Verweisung auf das Recht der Niederlassung des AG kommt schon dann zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer ständig in mehreren Staates arbeitet, ohne daß der Tätigkeit in einem davon das Übergewicht zukommt; eine bloße ständige lokale Bindung im Sinne eines Dienstsitzes, von dem aus der Unternehmensrepräsentant die Staaten seines Betreuungsgebietes zu bereisen hat, schließt die Anwendung von § 44 Abs 2 IPRG nicht aus. (RdW 1988,204 = IPRax 1989,309 (Behr, 319), RS0077081)

Haben die Parteien schon vor Anhängigkeit des Rechtsstreites in der Korrespondenz ausschließlich auf Bestimmungen des österreichischen Rechtes Bezug genommen und ihrem Vorbringen in diesem Rechtsstreit ausschließlich österreichisches Recht zugrundgelegt, haben sie daher in Abgehen von der ursprünglichen Rechtswahl die österreichischen Rechtsordnung als maßgebend angenommen (§ 35 Abs 1 IPRG). Dem steht auch die Bestimmung des § 11 Abs 2 IPRG nicht entgegen, wonach eine in einem anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl unbeachtlich ist. Eine solche Rechtswahl kann nämlich schon für sich allein ein Indiz dafür sein, daß die Parteien auch bereits vor Verfahrensbeginn die Maßgeblichkeit des österreichischen Rechts vorausgesetzt haben. (IPRax 1986,255 (Koppensteiner, 251), ÖBl 1986,73 = GRURInt 1986,735)

 Vorrang des gewaehlten Rechtes

Das gewählte Recht gilt grundsätzlich auch im Bereich zwingenden Rechtes, geht somit dem zwingenden Recht vor. Nur sogenannte Eingriffsnormen bleiben unberührt. (JBl 1992,189 (Schwimann, 192) = IPRax 1992,47 (Posch, 51) = RdW 1991,75)

 INCOTERMS

Die Vereinbarung von INCOTERMS deutet nicht notwendigerweise auf eine Abbedingung des UN-K hin, weil diese nur einzelne Aspekte des Kaufvertrags regeln und deshalb nicht die Anwendung eines bestimmten, vom UN-K abweichenden Kaufrechts als Basis voraussetzen. (SZ 74/178)

 Aussschluss des UN-K

Grundsätzlich ist das UN-K - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - von der Rechtswahl mitumfasst. Die Parteien, die seine Anwendung nicht wollen, müssen eine entsprechende ausdrückliche oder stillschweigende Ausschlussvereinbarung treffen. (RS0115967; SZ 74/178; SZ 2003/175) Ergibt sich unter Zugrundelegung der in Art 8 UN-K für die Auslegung von Erklärungen und Verhalten einer Partei festgeschriebenen Maßstäbe nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass ein Ausschluss gewollt ist, so bleibt es bei der Anwendung des UN-K. (SZ 2005/9) Das UN-K kann auch stillschweigend ausgeschlossen sein, wenn die diesbezügliche Absicht unzweideutig zum Ausdruck kommt. Das ist etwa dann der Fall, wenn sie das Recht eines Vertragsstaates wählen und dabei das anwendbare nationale Sachrecht (zB Recht des BGB oder Codice civile) bestimmen oder das Recht eines Vertragsstaates insoweit wählen, als es von einem anderen Recht eines Vertragsstaates abweicht. (SZ 2007/109) Nach Art 6 UN-Kaufrecht können die Parteien die Anwendung des Übereinkommens ausschließen. Dies kann auch stillschweigend erfolgen, etwa dadurch, dass die Parteien das Recht eines Vertragsstaats wählen und dabei das anwendbare nationale Sachrecht bestimmen oder das Recht eines Vertragsstaats insoweit wählen, als es von einem anderen Recht eines Vertragsstaats abweicht. Im Ergebnis ist für den Ausschluss des UN-Kaufrechts entscheidend, ob die Vertragsparteien auf das unvereinheitlichte Recht eines Staats abstellen. Allein im Verweis auf das Recht des Vertragsstaats ist aber ein solcher Ausschluss noch nicht zu sehen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - insbesondere durch den Verweis auf das jeweilige Sachrecht - umfasst also die Anwendung österreichischen Rechts auch das UN-Kaufrecht. (RS0115967)

  Unbeachtlichkeit der schluessigen Rechtswahl

Eine in einem anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl ist unbeachtlich. (Abs. 2)

Daraus folgt, dass eine  ausdrückliche Rechtswahl nach hM bis Ende der mündlichen Streitverhandlung der letzten Tatsacheninstanz (regelmaessig der ersten Instanz) möglich ist. (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 34)

Das gerichtliche Geständnis ist eine Prozesshandlung, mit der die Partei ihr Wissen über Tatsachen mitteilt (Wissenserklärung). Wenn sie dabei im Regelfall auch ihren Willen bekanntgibt, die Behauptung des Gegners nicht zu bestreiten, ist die Wirkung des Geständnisses jedoch davon unabhängig, ob die gestehende Partei will oder überhaupt weiß, dass ihr Geständnis das Gericht an die zugestandenen Tatsachen bindet. (Hier: Prozeßerklärung, daß ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG gegeben ist, obwohl ein solcher nach ausländischem Recht nicht bestünde). (RS0039986)

Haben die Parteien schon vor Anhängigkeit des Rechtsstreites in der Korrespondenz ausschließlich auf Bestimmungen des österreichischen Rechtes Bezug genommen und ihrem Vorbringen in diesem Rechtsstreit ausschließlich österreichisches Recht zugrundgelegt, haben sie daher in Abgehen von der ursprünglichen Rechtswahl die österreichischen Rechtsordnung als maßgebend angenommen (§ 35 Abs 1 IPRG). Dem steht auch die Bestimmung des § 11 Abs 2 IPRG nicht entgegen, wonach eine in einem anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl unbeachtlich ist. Eine solche Rechtswahl kann nämlich schon für sich allein ein Indiz dafür sein, daß die Parteien auch bereits vor Verfahrensbeginn die Maßgeblichkeit des österreichischen Rechts vorausgesetzt haben.( IPRax 1986,255 (Koppensteiner, 251), ÖBl 1986,73 = GRURInt 1986,735)

 

 Keine Beeintraechtigung der Rechtsstellung Dritter

Die Rechtsstellung Dritter wird durch eine nachträgliche Rechtswahl nicht beeinträchtigt. (Abs. 3)

Die Rechtsstellung Dritter wird auch von der ursprünglichen Rechtswahl nur dann berührt, wenn der Dritte der Rechtswahl zugestimmt hat oder ihm aus dem gewählten Recht entstandene subjektive Rechte übertragen worden waren. (JBl 1991,312 (Echer) = ZfRV 1991,471 (Zemen) = RS0077096) z.B. bindet eine Rechtswahl  zwischen den Unfallparteien nicht den Haftpflichtversicherten des Schadenspflichtigen. (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 34)  
§ 11 IPRG | 2. Version | 713 Aufrufe | 12.03.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 11, 12.03.2012
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