Kommentar zum § 4 IPRG

Ulrike Christine Walter am 09.03.2012

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Fremdes Recht

Fremdes Recht ist nach österreichischem kollisionsrechtlichen Verständnis ungeachtet der in § 4 Abs 1 IPRG vorgesehenen Mitwirkungspflichten der Parteien Recht, nicht eine zu behauptende und zu beweisende Tatsache.

(RS0121291)

 

Ermittlung fremden Rechtes

Die Ermittlung fremden Rechtes erfolgt entweder

-          von Amts wegen (Abs. 1  1. Satz)

-          oder durch andere Hilfsmittel wie etwa Mitwirkung der Beteiligten,  Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten. (Abs. 1 2. Satz)

  Amtswegige Ermittlungspflicht

Das fremde Recht ist von Amts wegen zu ermitteln. (Abs. 1 1. Satz)

Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht nicht unbeschränkt; sie ist insbesondere an die jeweiligen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Schranken gebunden, wobei die Angemessenheit der Frist des § 4 Abs 2 IPRG von der Dringlichkeit des einzelnen Falles abhängt. (RS0040200)

Das fremde Recht ist zwar von Amts wegen zu ermitteln, dazu setzt das wenigstens allgemein gehaltene tatsächliche Behauptungen darüber voraus, welche besonderen, dem österreichischen Recht unbekannten Ansprüche aus dem fremden Recht abgeleitet werden.( RS0076880)

 Rechtsruege/Verfahrensmangel Wenngleich die §§ 2 bis 4 IPRG für Gerichtsbarkeit und Verwaltung die Amtswegigkeit der kollisionsrechtlichen Beurteilung anordnen, hängt im Rechtsmittelverfahren die amtswegige Prüfung der Rechtsanwendungsfrage von der Erhebung einer Rechtsrüge ab. (RS0120307)

Zu den auch außerhalb der Revisionsausführungen von Amts wegen zu prüfenden Fragen gehört - falls sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Sache allenfalls nach ausländischem Recht zu beurteilen ist - auch die des anzuwendenden Rechts (SZ 25/17, EvBl 1965/22 ua). (RS0045126)

Mangelt es an der Ermittlung des fremden Rechts durch die Vorinstanzen, die nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführen ist, so liegt darin ein Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt. (RS0116580)

Ein dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellender Verfahrensmangel besonderer Art liegt vor, wenn unzureichende Bemühungen zur Ermittlung des fremden Rechts gesetzt wurden. Die fehlerhafte Einschätzung, die Ermittlung werde unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen, kann daher auch noch in dritter Instanz mit Rechtsrüge geltend gemacht werden. (. RS0116580)

  Zulässige Hilfsmittel

Zulässige Hilfsmittel hiefür sind auch die Mitwirkung

-          der Beteiligten,

-          Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und

-          Sachverständigengutachten. . (Abs. 1 2. Satz)

 Mitwirkungspflicht der Parteien

Im Hinblick auf die schon aus Gründen der Aktualität des Firmenbuchs gebotene rasche Erledigung von Anträgen im Firmenbuchverfahren trifft die Parteien im Firmenbuchverfahren in Ansehung der Ermittlung ausländischen Rechts eine verstärkte Mitwirkungspflicht. (RS0060532)

 Provisorialverfahren

Da das im Einzelfall anzuwendende ausländische Recht dem Gericht nicht bekannt sein muss, die Ermittlung dieses Rechtes aber geraume Zeit in Anspruch nehmen kann, widerspricht es dem Wesen des auf eine rasche und nur vorläufige Entscheidung abgestellten Provisorialverfahrens, die Ermittlung der rechtlichen Grundlagen dem Gericht zu überlassen. Nur wenn ausschließlich österreichisches Recht anzuwenden ist, kann die EV ohne Bescheinigung der rechtlichen Grundlage erlassen werden (4 Ob 381/71). Wenn aber der geltend gemachte Anspruch nach ausländischem Recht beurteilt werden muss, sind bereits dem Erstgericht nicht nur die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruches, sondern auch dessen rechtliche Grundlage zu bescheinigen. (RS0005307) Die sofortige Anwendung österreichischen Rechts ohne vorherige ernsthafte Bemühung, das bedeutsame ausländische Sachrecht zu ermitteln, ist unzulässig. Muss subsidiär schließlich doch österreichisches Sachrecht herangezogen werden, so ist der Vollzug einer einstweiligen Verfügung wegen mangelnder "Richtigkeitsgewähr" nur gegen Sicherheitsleistung anzuordnen (RS0005307)

Ist auch das anwendbare fremde Recht nicht als Anspruchsgrundlage zu beurteilen, die der Kläger gemäß § 389 Abs 1 EO zu bescheinigen hat, muss doch der Kläger den anspruchsbegründenden Sachverhalt im einzelnen wahrheitsgemäß darlegen und bescheinigen. Ist ein fremdes Recht anzuwenden, so muss er sich vor Einbringung seines Sicherungsantrags Klarheit darüber verschaffen, welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der geltend gemachte Anspruch begründet ist. Der Kläger wird daher im Regelfall nicht unzumutbar belastet, wenn er bereits mit dem Sicherungsantrag auch das anwendbare Recht darlegt. ((RS0005307): Erbringt der Kläger die notwendigen Bescheinigungen nicht, so hat das Gericht das fremde Recht von Amts wegen zu ermitteln, sofern dies ohne weitwendige Nachforschungen und innerhalb eines dem Zweck des Sicherungsverfahrens angemessenen und damit kurzen Zeitraums möglich ist. ((RS0005307)

 Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz

Hier sei ausdruecklich auf das Europaeische Uebereinkommen betreffen Auskuenfte ueber auslaendisches Recht BGBl 1971/417 samt Zusatzprotokoll  BGBl 1980/179 verwiesen.

  Keine Einholung von HilfsmittelZwischenstaatliche (sozialversicherungsrechtliche) Abkommen sind gemäß Art 48, 49 B-VG in Verbindung mit § 2 Abs 5 Z 1 BGBlG im Bundesgesetzblatt kundzumachen, sodaß es zufolge dieser allgemeinen Zugänglichkeit für jedermann (§ 2 ABGB) auch keiner Anfrage (vergleichbar etwa jener an das Bundesministerium für Justiz gemäß § 4 Abs 1 IPRG über fremdes = ausländisches Kollisionsrecht) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines derartigen Abkommens bedarf. (RS0108307)

Im Grundbuchsverfahren scheiden zeitaufwendige Versuche, das fremde Recht festzustellen, schon deshalb aus, weil allein auf Grund der vorgelegten Urkunden zu entscheiden ist. (RS0060532, NZ 1993,133 (Hofmeister, 135)Auch die Feststellung und Bewertung von zweifelhaftem Völkergewohnheitsrecht als Voraussetzung für die Bejahung einer Staatenrechtsnachfolge scheidet im Grundbuchsverfahren aus. (RS0060532) Ein Antragsteller hat authentische (amtlich publizierte) Fassungen der Staatsverträge, auf die er sich stützen will, samt beglaubigter Übersetzung vorzulegen. (RS0060532);

  Kostentragung

Kosten einer von amtswegen eingeholten Auskunft über ausländisches Recht und Kosten im Sinne von § 1 Z 5 GEG und daher Gegenstand einer Entscheidung nach § 2 Abs 2 GEG. (RI0000058)

 Bindungswirkung/Richtigkeit

All diese Auskuenfte sind nicht bindend. (Schwimann, Internationales Privatrecht ,MANZ,  3. Aufl. S 50)

 

Unabhängig davon, ob eine Bindung an die Auskunft des ausländischen Versicherungsträgers über die ausländischen Versicherungszeiten besteht, muss die Auskunft jedenfalls dann nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden, wenn nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, ihre Richtigkeit anzuzweifeln. (SZ 73/18, RS0113190)

   Subsidiaere Anwendung oesterr. Rechtes

Kann das fremde Recht trotz eingehendem Bemühen innerhalb angemessener Frist nicht ermittelt werden, so ist das österreichische Recht anzuwenden. (Abs. 2)

Soweit die maßgeblichen Normen des fremden Rechtes auch durch Heranziehung der einschlägigen, zur Schließung von Gesetzeslücken dienenden Bestimmungen dieser Rechtsordnung nicht zu ermitteln sind, ist inländisches Recht anzuwenden. (RS00400)

Die Sicherung eines fremdem Recht unterliegenden Anspruchs nach österreichischem Recht ist nur dann sinnvoll, wenn anzunehmen ist, dass es auch im Hauptverfahren nicht möglich sein wird, das fremde Recht zu ermitteln, oder wenn es naheliegend erscheint, dass der geltend gemachte Anspruch auch nach dem fremden Recht berechtigt sein wird, setzt sich doch der Antragsteller sonst der Gefahr aus, nach §394EO ersatzpflichtig zu werden (so auch schon 4 Ob 108/99g, 4 Ob 272/99z). (RS0116007) Angemessen Frist

Die Angemessenheit hängt von der Dringlichkeit des Einzelfalles ab; in nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden. (RS0109416), weil jede Gerichtsentscheidung größtmögliche Richtigkeitsgewähr bieten soll. Darum wird von der durch § 4 Abs 2 IPRG eröffneten Möglichkeit, an Stelle des schwer zu ermittelnden fremden Rechts österreichisches Recht anzuwenden, vor allem im Provisorialverfahren Gebrauch gemacht. Nur eine diesen Fällen vergleichbare Dringlichkeit erlaubt es, nicht alle Möglichkeiten zur Ermittlung des fremden Rechts auszuschöpfen, auch wenn dies - wie bei Auskünften nach dem Europäischen Übereinkommen vom 7. 6. 1968 BGBl1971/417 idF BGBl 1973/142 (Eur RechtsauskunftsÜbk) durchaus üblich - mehrere Monate in Anspruch nimmt. (RS0109416)

       
§ 4 IPRG | 1. Version | 531 Aufrufe | 09.03.12
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 4, 09.03.2012
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