Kommentar zum § 28 IPRG

Ulrike Christine Walter am 24.11.2009

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Materielle Rechtsanwendung

Die Rechtsnachfolge von Todes wegen ist nach dem Personalstatut des Erblassers zu beurteilen. Maßgebend ist der Zeitpunkt seines Todes. (Abs. 1) 

 

Personalstatut

Personalstatut kann verschiedenes bedeuten. Nach § 9 IPRG ist es grundsätzlich das Recht jenes Staates, dessen Staatsangehörigkeit man hat, hingegen bei Staatenlosen das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes, bei Mehrstaatlern entweder das österreichische oder sonst das Recht des Staates, zu dem der Mehrstaatler die stärkste Beziehung hat („effektive Staatsangehörigkeit“) (Schwimann, Internationales Privatrecht, 3. Auflage, Manz S 152 4b))

 Erbstatut

Das Erbstatut regelt den Erbanfall, die Erbfähigkeit, die Erbwürdigkeit, den Erwerb und Verlust der Erbenstellung, den Nachlassumfang, das gesetzliche Erbrecht, die Erbenstellung, Noterbrecht und Pflichtteil (JBl 1992,460 = IPRax 1992,328 = EFSlg XXVIII/6 = ZfRV 1993,35 (Zemen)), die Erbenhaftung, die Frage nach der (Un)Zulässigkeit letztwilliger Verfügungen, deren  Änderung und Aufhebung, die Erbschaftsannahme und Entschlagung, die Erbenhaftung und das Verhältnis mehrerer Erben untereinander – dies unter Einschluss von Rück- und Weiterverweisung. Alle Fragen, für die keine kollisionsrechtliche Sonderregelung besteht, unterstehen dem allgemeinen Erbstatut.

Erbstatut ist eine "andere inländische Verweisungsnorm", welche durch die lex rei sitae ausgeschlossen ist. (JBl 1992,460 = IPRax 1992,328 = EFSlg XXVIII/6 = ZfRV 1993,35 (Zemen) SZ 2003/44)

 

 Gesamtverweisung

Die Anknüpfung an das Erbstatut (§ 28 Abs 1 IPRG) beinhaltet gemäß § 5 IPRG nicht nur eine Sachnormverweisung sondern eine Gesamtverweisung. (SZ 59/205 = IPRax 1988,246 (Hoyer, 255) = ZfRV 1988,132, SZ 70/273)  

Keine Rechtswahl

Bei den Vorschriften zur Anknüpfung des Erbstatuts handelt es sich um eine zwingende Regelung. (Jayme, ZfVr 1983,171) eine Rechtswahl ist daher – im Gegensatz zu anderen Rechtssystemen wie beispielsweise dem deutschen oder dem italienischen Recht nicht möglich. (Walter, Erbrecht Italien, http://www.institut-fuer-internationales-erbrecht.de/category/italien) 

Sonderregelungen

Ausgenommen durch Sonderregelungen sind:

-         die Gültigkeit der Verfügungen von Todes wegen (§§ 8,30 Testamentsabkommen)-         das staatliche Heimfallsrecht (§§ 29)-         der Erwerbsakt des Erwerbes an Nachlassliegenschaften (§ 32)-         die Sonderanknüpfung bei gemeinsamem oesterr. Ehegattenwohnungseigentum (§ 14 WEG 2002)-         an oesterr. Bauerngütern (z.B. Anerbrecht, Kärntner Erbhoefegesetz, Tiroler HoefeG ) Für die bäuerliche Erbrechtsfolge bei inländischen Erbhöfen gelten im Wege der Sonderanknüpfung für Eingriffsnormen unabhängig vom Erbstatut (Personalstatut des Erblassers) die Vorschriften des österreichischen Anerbenrechts. ( OGH   2003/04/24 6  Ob   54/03i, SZ 2003/44) dies gilt auch fuer das Ehegattenwohnungseigentum (WoBl 1993,36 (Call))  

güterrechtlichen Ansprüche des überlebenden Ehegatten

Das Ehegueterstatut (§ 19 IPRG) knuepft an den letzten gemeinsamen Personalstatut subsidiaer Aufenthaltsort der Ehegatten an. Die Abklärung welches Recht anzuwenden ist, ist wichtig zur Klärung der Vorfrage, welche Güter überhaupt in die Erbschaft fallen. (Walter, Erbrecht Italien, http://www.institut-fuer-internationales-erbrecht.de/category/italien) Nach Auffassung der Judikatur sind alle Ansprüche der Ehegatten von Todes wegen als erbrechtlich zu qualifizieren. (EvBl 1987/95, JBl 2002,331) Nach dem vom inländischen Kollisionsrecht berufenen Erbstatut ist zunächst auch die Vorfrage des Vorliegens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses beziehungsweise einer präjudiziellen Rechtslage als Voraussetzung einer Berufung zur gesetzlichen Erbfolge zu prüfen. Im Falle einer hinkenden österreichischen Ehescheidung, deren Anerkennung im Heimatstaat des späteren Erblassers unterblieb, ist daher vorerst nach dem Erbstatut zu prüfen, ob dieses ein gesetzliches Erbrecht auch einer Person in der Stellung eines überlebenden Ehegatten zubilligt, die zwar nach dem Recht ihres Heimatstaats, nicht aber auch nach dem Heimatrecht des anderen Ehegatten wirksam geschieden ist. (OGH   2001/08/07 1  Ob  176/01s, RS0115668)  

Nachlassspaltung

Behandelt das IPRG eines fremden erblassersiechen Personalstatuts verschiedene Teile  des Nachlasses kollisionsrechtlich verschieden, so ist gemäss § 5 Abs. 2 zu folgen, wonach es geschehen kann, dass für verschiedene Nachlassteile verschiedenes Erbrecht anzuwenden ist. (EvBl 1987/95 S 343 = IPRax 1988,37 (Schwind, 45) = ZfRV 1987,280 (Zemen)) 

                                            Verlassenschaftsabhandlung in Österreich

Erbschaftserwerb

Wird eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt, so sind der Erbschaftserwerb nach österreichischem Recht zu beurteilen. (Abs. 2)

Unter Nachlasserwerb ist die Erbserklaerung., die Einantwortung und der Vermächtniserwerb zu verstehen.

 Zum Erbschaftserwerb gehören nicht bloß die Einantwortung (§§ 810 ff ABGB), sondern auch der Erwerb durch Vermächtnisnehmer (§§ 684 ff ABGB). (SZ 69/247)  

Nachlassschuldenhaftung

Das selbe gilt für die Nachlassschuldenhaftung (Abs. 2) Das betrifft die Frage der bedingten oder unbedingten Erbserklaerung, die Parteifähigkeit der Verlassenschaft, die Verpflichtung zur Pflichtteilserfüllung, Durchsetzung von Vermächtnissen, Nachlasseparation und Nachlassinsolvenz (IPRax 1988,36 (Schwind, 45) = ZfRV 1988,132) § 28 Abs 2 IPRG, wonach dann, wenn eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt wird, der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlaßschulden nach österreichischem Recht zu beurteilen sind, greift nur zusätzlich in jenen Fällen ein, in denen, ohne daß § 28 Abs 1 IPRG anzuwenden wäre, in Österreich abzuhandeln ist. Der Grund für diese Regelung liegt darin, daß bei manchen Fragen wie etwa dem Erwerb der Erbschaft und vor allem der Frage einer - nach österreichischem Recht vor der Errichtung eines Inventars abhängigen - Beschränkung der Erbenhaftung für die Nachlaßschulden eine Loslösung des materiellen Rechts vom Verfahrensrecht geradezu unmöglich ist. (JBl 1992,460 = IPRax 1992,328 = EFSlg XXVIII/6 = ZfRV 1993,35 (Zemen) ,  SZ 70/273) 

- Bei Nachlassspaltung

Der Erbe, der nach dem Rechte auch nur eines Spaltnachlasses persönlich und ohne Betragsbeschränkung haftet, kann grundsätzlich auch dann in Österreich zur Bezahlung der ganzen Schuld verurteilt werden, wenn er hier betragsbeschränkt oder noch gar nicht haftet, weil ihm der Nachlass noch nicht eingeantwortet wurde. Die Annahme einer bloßen "Pro-rata-Haftung" würde die Gläubiger benachteiligen, weil sie, um eine gegen den Nachlass gerichtete Forderung durchzusetzen möglicherweise in allen Ländern klagen müssten, in denen Teilnachlässe liegen. (OGH   2003/06/12 2  Ob   81/03f,  RS0117689) 

Ausländisches Vermögen

Bei der Nachlassschuldenhaftung sind die nicht in Österreich abgehandelten Nachlassaktiven grundsätzlich einzubeziehen.

 

 Wahl des Ortes der Abhandlung

Die Wahl des Ortes der Abhandlung kann bei Staatsbürgern, die mehrere Staatsbürgerschaften inne haben von Bedeutung sein, da die Staaten in denen die Abhandlung durchgeführt wird der  jeweils inländischen Staatsbürgerschaft den Vorzug geben (§ 9 IPRG), was zu unterschiedlichen Rechtsanwendungen in unterschiedlichen Ländern führen kann. Handelt es sich beim Verstorbenen beispielsweise  um einen Staatsbürger, der sowohl die Österreichische, als auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, so wird  bei Verlassenschaftsabhandlung in Österreich der österreichischen Staatsbürgerschaft der Vorrang gegeben, bei  der Verlassenschaftsabhandlung in Italien der Italienischen (Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Gesetzes Nr. 218 vom 31.05.1995). Dies kann weitreichende Konsequenzen haben, da  beispielsweise das Pflichtteilsrecht und die Erbquoten anders geregelt sind, oder etwa eine Rechtswahl nach italienischem Recht zulässig ist, nach österreichischem nicht. (Walter, Erbrecht Italien, http://www.institut-fuer-internationales-erbrecht.de/category/italien)  

Dr. WALTER Ulrike, RA; zugelassen in Österreich und ItalienPartner von del Torre-Franco-Sgrazzutti, Studio legale Associato

Gorizia/Udine(Wien)

walter@avvocatinordest.it

 
§ 28 IPRG | 3. Version | 709 Aufrufe | 24.11.09
Informationen zum Autor/zur Autorin dieses Fachkommentars: Ulrike Christine Walter
Zitiervorschlag: Ulrike Christine Walter in jusline.at, IPRG, § 28, 24.11.2009
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