TE Vfgh Erkenntnis 1986/10/14 B79/86

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Veröffentlicht am 14.10.1986
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Index

59 Völkerrechtliche Verträge
59/10 Handelsabkommen

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
MRK Art6 Abs1
Handels- und Schiffahrtsvertrag m NL Art1 Abs1, Art1 f
Tir GVG 1983 §2 Abs3 litb
Tir GVG 1983 §4 Abs2
Tir GVG 1983 §13 Abs4
Tir GVG 1983 §18
Wr Vertragsrechtskonvention Art31, Art31 Abs3 lita
Wr Vertragsrechtskonvention Art32

Leitsatz

Tir. GVG 1983; Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande, BGBl. 299/1930; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Rechtserwerb durch eine holländische juristische Person gemäß §4 Abs2 lita und b Tir. GVG 1983; zur Auslegung staatsvertraglicher Regelungen; Art1 Abs1 des Vertrages verfügt hinsichtlich des Erwerbes beweglichen und unbeweglichen Eigentums die Gleichstellung mit Inländern sowohl für natürliche als auch für juristische Personen; diese Rechtslage ist für alle Änderungen des Vertrages maßgeblich, die bis 30. Juni 1985 abgeschlossen wurden; im Beschwerdefall standen staatsvertragliche Bestimmungen einer Anwendung der Versagungsbestimmungen entgegen - gesetzwidrige Inanspruchnahme der Zuständigkeit zur abweisenden Sachentscheidung, da der Rechtserwerb nicht genehmigungspflichtig ist - Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid wird daher aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Ansuchen vom 11. April 1984 suchten H G als Verkäufer und die

S A, Anlage- und Verwaltungsunternehmen in Amsterdam, als Käuferin bei der Grundverkehrsbehörde Reutte um die Ausstellung eines Bescheides iS des §2 Abs3 litb Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. für Tir. Nr. 69 (künftig: GVG 1983), bzw. um die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu dem am 24. bzw. 29. Feber 1984 abgeschlossenen Kaufvertrag über den Erwerb näher bezeichneter

Anteile an der Liegenschaft Bauparzelle ... EZ 107 II KG Reutte sowie

an der Grundparzelle ... EZ 442 II KG Reutte an.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Reutte vom 6. Juni 1984 wurde dem beabsichtigten Rechtserwerb unter Hinweis auf §4 Abs2 lita und b GVG 1983 die Zustimmung versagt und hiezu im wesentlichen ausgeführt, daß der Handels- und Schiffahrtsvertrag mit den Niederlanden, auf den die Antragsteller ihr Begehren nach §2 Abs3 litb GVG 1983 stützten, nur natürliche Personen Inländern gleichstelle und sohin davon ausgegangen werden müsse, daß im vorliegenden Fall ein österreichischer Staatsbürger nichtlandwirtschaftlichen Grund und Boden an eine ausländische juristische Person übertrage. Da für den Talkessel Reutte die Gefahr einer Überfremdung drohe, sei die erforderliche Zustimmung nach §4 Abs2 lita GVG 1983 zu versagen; zudem müsse angenommen werden, daß das Objekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen solle, weshalb auch der Versagungstatbestand nach litb leg. cit. vorliege.

2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 6. Dezember 1985, Z LGv-1051/4-84, als unbegründet abgewiesen.

Der Bescheid wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Im Beschwerdefall ist außer der Tatsache, daß es sich um den Kauf einer Eigentumswohnung und sohin um den Erwerb eines nicht den Regelungen des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs unterliegenden Grundstückes handelt, noch unbestritten, daß als Erwerberin eine juristische Person mit satzungsgemäßem Sitz im Ausland auftritt, also ein Rechtssubjekt, das nach dem Willen des Landesgesetzgebers den in §1 Abs1 Z2 näher umschriebenen Personenkreis zuzuordnen ist.

Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob der Handels-

und Schiffahrtsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem

Königreich der Niederlande vom 28. 5. 1929, BGBl. Nr. 299/1930, der

Anwendung der Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes über den

Ausländergrundverkehr entgegensteht oder nicht. ... Die

Landesgrundverkehrsbehörde stand bisher auf dem Standpunkt, daß der

im Staatsvertrag enthaltene Begriff 'Angehörige' - ungeachtet der

nicht völlig zweifelsfreien Formulierung - eine Auslegung zulasse,

wonach auch juristische Personen und die ihnen gleichgestellten

Personengesellschaften des Handelsrechtes von Art1 des in Rede

stehenden Übereinkommens erfaßt sind, ... Diese Auffassung vermag die

erkennende Behörde nicht mehr aufrecht zu erhalten, und zwar aus folgenden Gründen:

...

Bei der Auslegung des Begriffes 'Angehöriger' im Art1 ist ... nicht

nur der gesamte Wortlaut des Art1 zu berücksichtigen, sondern auch der Wortlaut des Art2, der Bestimmungen über Aktiengesellschaften und andere Handels-, Industrie- und Finanzgesellschaften enthält. Dabei fällt insbesondere auf, daß im Art1 Abs5 des Vertrages auf die Staatsangehörigkeit hingewiesen wird. Der Begriff 'Staatsangehöriger' erweist sich in der Regel aber nur für natürliche Personen

anwendbar. ... Weiters wird im ersten Satz des Abs5 bestimmt, daß die Angehörigen '... von jeder zwangsweisen persönlichen Dienstleistung

befreit' sind, was sich aber schon rein begrifflich nur auf natürliche Personen zu beziehen vermag. Damit scheint aber der Schluß gerechtfertigt, daß die Vertragsstaaten unter 'Angehörigen' im Sinne des Art1 des Vertrages nur natürliche Personen verstanden wissen wollten.

Für diese Ansicht spricht nicht zuletzt auch der Wortlaut des Art2 des in Rede stehenden Übereinkommens, demzufolge Gesellschaften - also juristische Personen - gleichfalls ermächtigt sein werden, alle ihre Rechte zu verteidigen. Muß doch die Verwendung des Wortes 'gleichfalls' dahingehend gedeutet werden, daß den durch Art2 erfaßten juristischen Personen zwar gewisse - aber eben nicht alle - Rechte in gleicher Weise wie den Angehörigen, auf die Art1 Bezug nimmt, zukommen.

Für den Fall, daß unter dem Begriff 'Angehöriger' im Art1 auch juristische Personen zu verstehen wären, drängt sich schlußendlich die Frage auf, warum die Vertragsteile die - bei einer solchen Betrachtungsweise - entbehrliche Regelung des Art2 in das in Rede stehende Übereinkommen überhaupt aufgenommen haben. Da nicht angenommen werden kann, daß in einem völkerrechtlichen Vertrag überflüssige Regelungen enthalten sind, muß auch unter diesem Gesichtspunkt angenommen werden, daß der im Art1 verwendete Begriff 'Angehörige' nicht auch die - unter Art2 fallenden - juristischen Personen einschließt, weil sonst für diese eine - völlig überflüssige - Doppelregelung vorläge.

Damit steht aber für die erkennende Behörde fest, daß unter 'Angehörigen' im Sinne des Art1 nur natürliche Personen, nicht aber auch juristische Personen zu verstehen sind. Entgegen den Ausführungen der rechtsfreundlich vertretenen Vertragsteile ist auch nicht erkennbar, daß diese Auffassung im Widerspruch zum Ausdruck 'les ressortissants' im authentischen Vertragstext stünde. Selbst wenn es nämlich zutreffen sollte, daß dieser Begriff an sich auch juristische Personen umfaßt, muß nämlich davon ausgegangen werden, daß dies im vorliegenden Zusammenhang aus den angeführten Gründen nicht der Fall ist.

Zusammenfassend ergibt sich nach den aufgezeigten Erwägungen, daß es aus dem in Rede stehenden Handels- und Schiffahrtsvertrag nicht ableitbar erscheint, daß niederländische juristische Personen in gleicher Weise wie Inländer Eigentum an Grundstücken erwerben können.

...

Damit hat die Vorinstanz zu Recht den verfahrensgegenständlichen Eigentumserwerb einer Überprüfung iS des §4 Abs2 GVG. unterzogen und den Beschwerdefall an Hand dieser (Ausländer-)Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes beurteilt. ...

Wie im angefochtenen Bescheid in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt wurde, gehört auch die Marktgemeinde Reutte zu jenen Gemeinden Tirols, die von Überfremdung bedroht sind. ...

Dazu kommt noch, daß sich auf Berufungsebene kein Hinweis dafür ergeben hat, daß die Ausführungen der Erstinstanz, wonach das Objekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses dienen soll, unzutreffend wären, sodaß in Ansehung der örtlichen Lage des Vertragsgegenstandes ... weiters davon ausgegangen werden muß, daß der hier vorliegende Rechtserwerb auch der Bestimmung des §4 Abs2 litb GVG zuwiderläuft."

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behaupten und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehren.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Soweit die Bf. behaupten, §13 Abs4 GVG 1983 verstoße gegen Art6 MRK, weil die Bestimmung des GVG 1983 ermögliche, daß als Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde auch ein Landesbeamter mitwirke, der dem Landesgrundverkehrsreferenten - und damit einer Partei des Verfahrens - in seiner Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde dienstlich untergeordnet sei, genügt es, auf das ergangene Erk. VfSlg. 10639/1985 zu verweisen, in welchem dargelegt wird, daß die von den Bf. behauptete Verfassungswidrigkeit nicht vorliegt. Da der angefochtene Bescheid im Dezember 1985 ergangen ist, und zu diesem Zeitpunkte aufgrund der am 27. November 1984 in Kraft getretenen Änderung der Geschäftseinteilung des Amtes der Tir. Landesregierung, LGBl. 58/1984, eine hierarchische Überordnung des Landesgrundverkehrsreferenten gegenüber dem Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde nicht (mehr) bestand, kommt auch eine Verletzung des Art6 MRK, wie sie im Fall Sramek vom EuGMR gerügt wurde, nicht in Frage.

4.2.1. Die Bf. erheben jedoch weiters den Vorwurf, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein. Die bel. Beh. habe bis zum angefochtenen Bescheid ständig die Rechtsansicht vertreten, daß aufgrund des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande vom 28. Mai 1929, BGBl. 299/1930, niederländische juristische Personen hinsichtlich des Liegenschaftserwerbes Inländern gleichgestellt seien. Noch mit Bescheid vom 20. Oktober 1978, Z LGv-187/3, habe die bel. Beh. wörtlich ausgeführt:

"Der im Staatsvertrag enthaltene Begriff 'Angehörige' ist dort nicht näher definiert, sodaß es tatsächlich zweifelhaft sein könnte, ob darunter nur natürliche oder auch juristische und denen gleichgestellte Personen subsumiert werden können. Der Gesamtschau der Rechtsordnung kann aber entnommen werden, daß unter Staatsangehörigen sowohl natürliche, wie auch juristische Personen zu verstehen sind, wenn dies ausdrücklich ausgenommen ist oder sich eine solche Ausnahme aus dem Zweck der jeweiligen Bestimmung ergibt. In diesem Zusammenhang hat auch das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (GZl. 1175.04/5-I.2/77) mitgeteilt, daß unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zweckes dieses Vertrages die Vermutung gerechtfertigt ist, daß die Ausklammerung juristischer Personen von Art1 des Staatsvertrages diesem Vertragszweck zuwiderlaufen würde, was sich schon aus dessen Bezeichnung als Handels- und Schiffahrtsvertrag ergäbe. Ungeachtet der nicht völlig zweifelsfreien Formulierung in Art1 und 2 sprechen gewichtige Gründe für eine extensive Interpretation des Begriffes 'Angehörige'. Aus diesen Gründen ist die Berufungsbehörde daher der Ansicht, daß auch juristische Personen und denen gleichgestellte Personalgesellschaften des Handelsrechtes von Art1 des genannten Staatsvertrages erfaßt sind, sodaß diese auch hinsichtlich des Liegenschaftserwerbes Inländern gleichgestellt sind."

Die bel. Beh. habe sich bei der Begründung dieses Bescheides ausdrücklich auf eine Interpretation des authentischen Ausdruckes "les ressortissants" durch das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten bezogen. Durch den Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Änderung des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande, BGBl. 299/1985, liege nunmehr auch eine authentische Interpretation in diesem Sinne vor. Der Notenwechsel bringe zum Ausdruck, daß die Bestimmungen des Handelsvertrages dahingehend geändert würden, daß physischen und juristischen Personen des einen Teiles im Gebiete des anderen Teiles hinsichtlich des Erwerbes unbeweglichen Eigentums dieselben Rechte wie Angehörigen der meistbegünstigten Nation zustehen sollten. Die bel. Beh. habe mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides offenbar bis zu dieser Änderung des Handels- und Schiffahrtsvertrages zugewartet. Diese Vorgangsweise sei sachlich nicht gerechtfertigt und verletze die Bf. in den von ihnen geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

4.2.2. Der VfGH hatte sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt sind. Mit dem angefochtenen Bescheid wird - gestützt auf §4 Abs2 lita und b GVG 1983 - die Zustimmung zu einem Rechtserwerb verweigert. Zu dieser Sachentscheidung war die bel. Beh. nur befugt, wenn sie die Bestimmungen des GVG 1983 materiell-rechtlich anzuwenden hatte. Nach §18 GVG 1983 finden die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung, soweit ihnen im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens staatsvertragliche Verpflichtungen entgegenstehen; es ist daher zu prüfen, ob dies - wie von den Bf. unter Berufung auf die Bestimmungen des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande, BGBl. 299/1930, behauptet wird - zutrifft. War dies der Fall, dann hätte sich die bel. Beh. tatsächlich die Zuständigkeit zur Fällung der getroffenen Sachentscheidung in gesetzwidriger Weise angemaßt und wären die Bf. damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

4.2.2.1. Art1 und 2 des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreiche der Niederlande, BGBl. 299/1930, samt Präambel haben folgenden Wortlaut:

"Traite de Commerce et de Navigation

entre la Republique d'Autriche el le Royaume des Pays-Bas.

Le President Federal de la Republique d'Autriche et Sa Majeste la Reine des Pays-Bas, animes du desir de resserrer de plus en plus les relations economiques entre les deux Etats ont resolu de conclure un traite de commerce et de navigation et ont nomme a cet effet pour leurs Plenipotentiaires:

Le President Federal de la Republique d'Autriche:

Monsieur Adolf Duffek, Envoye Extraordinaire et Ministre Plenipotentiaire de la Republique d'Autriche a la Haye,

Sa Majeste la Reine des Pays-Bas:

Jonkheer Frans Beelaerts van Blokland, Son Ministre des Affaires Etrangeres,

lesquels apres s'etre communique leurs pleins pouvoirs trouves en bonne et due forme sont convenus des articles suivants:

Article 1er. (1) Les ressortissants de chacune des Hautes Parties Contractantes seront traites sur le territoire de l'autre Partie sous tous les rapports au moins aussi avantageusement que les ressortissants de la nation la plus favorisee. Ils seront assimiles aux nationaux en ce qui concerne l'etablissement et l'exercice du commerce, de l'industrie et de la navigation. Ils auront, comme les nationaux, egalement droit a la protection de leur personne et de leurs biens et le droit d.acquerir et de disposer de toutes proprietes mobilieres et immobilieres. Les ressortissants de chacune des Hautes Parties Contractantes auront libre acces aux tribunaux de l'autre Partie soit comme demandeurs, soit comme defendeurs. Ils auront la faculte, sur le meme pied que les nationaux, de faire choix d'avoues, d'avocats et de representants et de les employer pour la sauvegarde de leurs droits par devant lesdits tribunaux.

(2) Il est entendu toutefois que les dispositions precedentes ne derogent en rien aux lois, ordonnances et reglements speciaux en matiere de commerce, d'industrie, de police, de surete generale et d'exercice de certains metiers et professions en vigueur dans les territoires des Hautes Parties Contractantes et applicables a tous les etrangers en general.

(3) Les ressortissants de chacune des deux Parties seront libres de regler leurs affaires sur le territoire de l'autre Partie, soit personnellement, soit par un intermediaire de leur propre choix, sans etre soumis a cet egard a d'autres restrictions que celles prevues par les lois et reglements en vigueur dans le territoire respectif.

(4) Ils n'auront a payer pour l'exercice de leur commerce, de leur industrie et de leur navigation sur le territoire de l'autre Partie aucun impot, taxe ou droit autres ou plus eleves que ceux qui sont percus des nationaux.

(5) Les ressortissants de chaque Partie, qui sont etrangers d'apres la legislation de l'autre et qui auront dument fait connaitre leur nationalite, seront exempts sur le territoire de l'autre de tout service personnel obligatoire, ainsi que de toute contribution, soit en argent, soit en nature imposee aux lieu et place dudit service personnel obligatoire. Ils ne seront astreints, en temps de paix et en temps de guerre, qu'aux prestations et requisitions militaires imposees aux nationaux dans la meme mesure et d'apres les memes principes que ces derniers. Ils auront droit aux indemnites etablies en faveur des nationaux par les lois en vigueur.

Article 2. (1) Les societes anonymes et autres societes commerciales, industrielles et financieres, y compris les compagnies de navigation et d'assurance, qui ont leur siege sur le territoire de l'une des Hautes Paries Contractantes et qui, d'apres les lois de cette Partie y sont legalement constituees, seront autorisees egalement sur le territoire de l'autre Partie a defendre tous leurs droits et specialement a ester en justice, en se soumettant aux lois et ordonnances y relatives, en vigueur sur le territoire de cette autre Partie.

(2) L'admission des societes enoncees ci-dessus, legalement constituees sur le territoire de l'une des Hautes Parties Contractantes, qui voudront, apres l'entree en vigueur de la presente Convention, etendre leur activite sur le territoire de l'autre Partie et qui, a cet effet, auraient besoin d'une autorisation speciale, sera regie par les lois et ordonnances en vigueur sur le territoire de l'Etat respectif.

(3) Ces societes, une fois admises conformement aux lois et prescriptions en vigueur sur le territoire du pays respectif, ne seront pas soumises a des taxes, contributions et generalement a aucunes redevances fiscales autres ou plus elevees que celles imposees aux societes d'un Etat tiers quelconque, et jouiront a tout egard du traitement sur le pied de la nation la plus favorisee."

"(Übersetzung.)

Handels- und Schiffahrtsvertrag

zwischen der Republik Österreich und dem Königreiche der Niederlande.

Der Bundespräsident der Republik Österreich und Ihre Majestät die Königin der Niederlande, von dem Wunsche beseelt, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten immer enger zu gestalten, haben beschlossen, einen Handels- und Schiffahrtsvertrag abzuschließen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren

Bevollmächtigten ernannt:

Der Bundespräsident der Republik Österreich:

Herrn Adolf Duffek, außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Republik Österreich im Haag,

Ihre Majestät die Königin der Niederlande:

Jonkheer Frans Beelaerts van Blokland, Ihren Minister des Äußern,

die nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten die nachstehenden Bestimmungen vereinbart haben:

Artikel 1. (1) Die Angehörigen jedes der Hohen Vertragschließenden Teile werden auf dem Gebiete des anderen Teiles in jeder Hinsicht mindestens ebenso günstig behandelt werden wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation. Sie werden hinsichtlich des Antritts und der Ausübung von Handel, Gewerbe und Schiffahrt den Inländern gleichgestellt. Sie werden wie die Inländer gleicherweise Anspruch auf Schutz ihrer Person und ihres Eigentums und das Recht haben, aller Art bewegliches und unbewegliches Eigentum zu erwerben und darüber zu verfügen. Die Angehörigen jedes der Hohen Vertragschließenden Teile werden zu den Gerichten des anderen Teiles sowohl als Kläger wie als Beklagte freien Zutritt haben. Sie werden die Möglichkeit haben, ebenso wie die Inländer ihre Anwälte, Advokaten und Vertreter zu wählen und sie zum Schutz ihrer Rechte bei den genannten Gerichten zu verwenden.

(2) Es besteht Einverständnis darüber, daß die bevorstehenden Bestimmungen in keiner Weise den Gesetzen, Verordnungen und besonderen Regelungen Abbruch tun, die in Angelegenheiten des Handels, des Gewerbes, der Polizei, der allgemeinen Sicherheit und der Ausübung gewisser Gewerbe und Berufe in den Gebieten der Hohen Vertragschließenden Teile in Kraft stehen und auf alle Ausländer allgemein anwendbar sind.

(3) Den Angehörigen jedes der beiden Teile steht es frei, ihre Angelegenheiten auf dem Gebiete des anderen Teiles, sei es persönlich, sei es durch einen Vermittler eigener Wahl zu regeln, ohne diesbezüglich anderen Beschränkungen unterworfen zu sein, als jenen, die in den in dem betreffenden Lande in Kraft stehenden Gesetzen und Regelungen vorgesehen sind.

(4) Sie haben für die Ausübung ihres Handels, ihres Gewerbes und ihrer Schiffahrt auf dem Gebiete des anderen Teiles keine anderen oder höheren Steuern, Abgaben oder Gebühren zu zahlen, als von den Inländern eingehoben werden.

(5) Die Angehörigen jedes Teiles, die nach der Gesetzgebung des anderen Teiles Ausländer sind und die ihre Staatsangehörigkeit ordnungsgemäß bekanntgegeben haben, werden auf dem Gebiete des anderen Teiles von jeder zwangsweisen persönlichen Dienstleistung, sowie von jeder an Stelle der zwangsweisen persönlichen Dienstleistung auferlegten Geld- oder Naturalkontribution befreit sein. Sie werden in Friedens- und in Kriegszeiten nur zu jenen militärischen Leistungen und Requisitionen herangezogen werden, die den Inländern auferlegt werden, und zwar nur in demselben Ausmaß und nach denselben Grundsätzen wie diese. Sie werden Anspruch auf die Entscheidungen haben, die durch die geltenden Gesetze zugunsten der Inländer festgesetzt sind.

Artikel 2. (1) Die Aktiengesellschaften und andere Handels-, Industrie- und Finanzgesellschaften, einschließlich der Schiffahrts- und Versicherungsgesellschaften, die ihren Sitz auf dem Gebiete des einen der Hohen Vertragschließenden Teile haben und die nach den Gesetzen dieses Teiles dort rechtmäßig errichtet worden sind, werden gleichfalls ermächtigt sein, auf dem Gebiete des anderen Teiles alle ihre Rechte zu verteidigen und insbesondere vor Gericht zu erscheinen, wenn sie sich den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen unterwerfen, die auf dem Gebiete dieses anderen Teiles in Geltung stehen.

(2) Die Zulassung der oben erwähnten Gesellschaften, die auf dem Gebiete des einen Hohen Vertragschließenden Teiles rechtmäßig errichtet werden und nach dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages ihre Tätigkeit auf das Gebiet des anderen Teiles erstrecken wollen und die zu diesem Zwecke eine besondere Bewilligung benötigen, wird durch die auf dem Gebiete des betreffenden Staates in Kraft stehenden Gesetze und Verordnungen geregelt.

(3) Diese Gesellschaften werden, wenn sie einmal gemäß den auf dem Gebiete des betreffenden Staates in Kraft stehenden Gesetzen und Verordnungen zugelassen worden sind, keinen anderen oder höheren Abgaben und Steuern und im allgemeinen keinen anderen oder höheren fiskalischen Leistungen unterworfen sein, als den Gesellschaften irgendeines dritten Staates auferlegt werden, und in jeder Hinsicht die meistbegünstigte Behandlung genießen."

4.2.2.2. Zunächst ist festzuhalten, daß der in Frage stehende Handelsvertrag in französischer Sprache abgeschlossen wurde und seine Kundmachung im BGBl. ausdrücklich die deutsche Fassung als Übersetzung deklariert. Des weiteren geht der VfGH davon aus, daß nach herrschender Auffassung die gewöhnliche Bedeutung von Bestimmungen in ihrem Zusammenhang (vgl. Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, Neuhold - Hummer - Scheuer Hrsg., 1983, 69;

s. aber auch Art31 der Wr. Vertragsrechtskonvention, BGBl. 40/1980) der Auslegung staatsvertraglicher Regelungen zugrunde zu legen ist.

Die bel. Beh. erkennt im angefochtenen Bescheid wohl richtig, daß der - zu Beginn des Art1 des Handelsvertrages - verwendete Ausdruck "les ressortissants de chacune des Hautes Parties Contractantes" (im deutschen Text übersetzt mit: "Die Angehörigen jedes der Hohen Vertragschließenden Teile") für die Ermittlung des Geltungsbereichs der festgelegten Regelungen von Bedeutung ist. Die bel. Beh. meint, daß unter "Angehörigen" nur natürliche Personen zu verstehen seien; Art1 Abs5 des Handelsvertrages könne sich nämlich nicht auf juristische Personen beziehen, weil Art2 juristische Personen ausdrücklich zum Gegenstand habe und deshalb unter dem Begriff "Angehörige" nur natürliche Personen verstanden werden könnten. In diesem Sinne sei auch der Ausdruck "les ressortissants, - obwohl hiemit auch juristische Personen gemeint sein könnten - zu verstehen. Die bel. Beh. berücksichtigt hiebei jedoch nicht, daß Art1 und Art2 des in Frage stehenden Handelsvertrages Regelungen treffen, die wohl als jeweils allgemeine Aussagen für natürliche Personen einerseits und juristische Personen andererseits verstanden werden können, denen aber auch die Bedeutung beigemessen werden kann, daß die in Art1 getroffenen Aussagen generelle Regelungen (für natürliche und juristische Personen), die in Art2 getroffenen Aussagen spezielle Regelungen (nur für juristische Personen) in dort genannten bestimmten Belangen zum Gegenstand haben. Die von der bel. Beh. im angefochtenen Bescheid vertretene Auslegung ist somit keineswegs zwingend.

Die Regelungen des Art1 und 2 des Handelsvertrages gebieten demnach weder aus ihrem Gesamtzusammenhang noch aus dem jeweiligen Kontext der Anordnungen ein Verständnis dahingehend, daß unter "les ressortissants" ("die Angehörigen") nur natürliche Personen gemeint sein könnten. Dies ist umso weniger der Fall, wenn man auf den - authentischen - französischen Text zurückgreift.

Nach Dictionnaire de la Terminologie du Droit International 1960, 541, umfaßt der Begriff "ressortissant" nämlich - in einem engen Sinn verstanden - nur natürliche Personen, in einem weiten Sinn verstanden jedoch natürliche und juristische Personen.

Der VfGH hat sich zusätzlich mit den Travaux Preparatoires des Handelsvertrages als ergänzendem Auslegungsmittel (Art32 WVK) befaßt. Es steht nach diesen fest, daß die Verhandlungen über den (Neu-)Abschluß eines Handelsvertrages mit den Niederlanden bereits 1922 begonnen wurden und daß dabei an den Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich der Niederlande vom 26. März 1867, RGBl. Nr. 102, angeknüpft wurde. Auch in diesem Handelsvertrag war der "Urtext" in französischer Sprache gehalten und wurde in der Kundmachung im Reichsgesetzblatt darauf verwiesen, daß es sich beim deutsch gefaßten Text um eine Übersetzung handelt. Im Art1 dieses Handelsvertrages war ebenfalls bereits für gewisse Belange, insbesondere betreffend das Recht, unbewegliches Vermögen zu erwerben und darüber zu verfügen, die Gleichbehandlung der "Unterthanen der beiden hohen contrahirenden Theile (in der französischen Fassung: 'les sujets respectifs des deux Hautes Parties contractantes')" festgelegt; juristische Personen fanden in diesem Vertrag keine besondere Erwähnung.

Aus den Travaux Preparatoires zum Handelsvertrag 1930 geht nun hervor, daß von österreichischer Seite eine Gleichstellungsregelung auch für die Zukunft angestrebt wurde, wohingegen die Niederlande eine Meistbegünstigungsregelung vorgezogen hätten. Nachdem von der niederländischen Regierung grundsätzlich die Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen für die in Art1 Abs1 des bereits konzipierten Vertragstextes genannten Belange zugestanden worden war, dafür jedoch begehrt wurde, daß in diesem Vertragsabschnitt der Ausdruck "protection de la personne" statt des im österreichischen Vorschlag vorgesehenen Ausdruckes "situation juridique" verwendet werden solle, findet sich in den Travaux Preparatoires ein Einsichtsvermerk, daß die von den Niederlanden begehrte Formulierung Zweifel zuließe, "ob die rechtliche Gleichstellung der österreichischen Staatsangehörigen auch für juristische Personen zu gelten hätte; in diesem Belange wäre 'situation juridique' klarer". Aus den Unterlagen geht zusätzlich hervor, daß in den Niederlanden Beschränkungen für den Erwerb unbeweglichen Eigentums durch Fremde nicht bestanden, sich jedoch das niederländische Justizministerium freie Hand vorbehalten wollte, um eventuell in der Zukunft Beschränkungen beim Erwerb von Liegenschaften durch Angehörige bestimmter Nationen statuieren zu können. Dezidierten Einwendungen gegen die von Österreich angestrebte Gleichstellung hinsichtlich des Erwerbes unbeweglicher Güter im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtslage in den niederländischen Kolonien wurde dadurch Rechnung getragen, daß für diese Gebiete nur eine gegenseitige Meistbegünstigung vorgesehen wurde. In einer Unterlage des Jahres 1928 wird sodann ausgeführt, daß es trotz größter Schwierigkeiten bezüglich der Art1 und 2 des Vertrages, für welche die holländischen Unterhändler eine andere Fassung vorgeschlagen hatten, gelungen sei durchzusetzen, den Besprechungen den von österreichischer Seite vorgeschlagenen Text zu Grunde zu legen, wobei eine Einigung hinsichtlich der Gleichstellung der österreichischen Bundesangehörigen mit den Niederländern in der Frage des Erwerbes beweglichen und unbeweglichen Eigentums zustande gekommen sei. Darüber, daß juristische Personen allgemein nur meistbegünstigt behandelt werden sollen, ist keinem der vorliegenden Aktenstücke etwas zu entnehmen.

Rückschlüsse (auch) auf die niederländische Sicht lassen sich schließlich aus dem Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Änderung des Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 28. März 1929, BGBl. 299/1985 ziehen: mit Datum vom 28. Feber 1985 wird von österreichischer Seite vorgeschlagen, die Regelung des Art1 Abs1, soweit das Recht zum Erwerb unbeweglichen Eigentums betroffen ist, "dahingehend abzuändern, daß physische und juristische Personen des einen Teiles im Gebiet des anderen Teiles hinsichtlich des Erwerbs unbeweglichen Eigentums dieselben Rechte wie Angehörige der meistbegünstigten Nation genießen". Sollte das Königreich Niederlande diesem Vorschlag zustimmen, wird weiters angeboten, "daß diese Note und Ihre bestätigende Antwortnote einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Niederlande darstellen, welcher den Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Niederlande vom 28. März 1929 abändert und - vorbehaltlich der gegenseitigen Mitteilung, daß die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Vertrages erfüllt sind - am Tag des Austausches dieser Mitteilungen, spätestens jedoch am 1. 7. 1985 in Kraft tritt." Dieser Vorschlag wurde von niederländischer Seite mit Note gleichen Datums angenommen. Wären die Vertragspartner übereinstimmend der Ansicht gewesen, daß für juristische Gesellschaften eine Gleichstellungsregelung ohnedies nicht bestand, wäre wohl ein hierauf bedachtnehmender Wortlaut gewählt worden. Daß bei der Auslegung des Art1 Abs1 des Handelsabkommens auch dieser Notenwechsel zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus Art31 Abs3 lita WVK, zumal die Niederlande diesem Übereinkommen schon vor dem Notenwechsel - die Hinterlegung der Beitrittsurkunde zur WVK erfolgte nach Mitteilung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen am 9. April 1985 - beigetreten waren (s. die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 23. September 1985, BGBl. 414/1985).

Nicht übersehen darf schließlich werden, daß in einer Note der Königlich Niederländischen Botschaft vom 10. Mai 1985 ausdrücklich erklärt wird, daß von den "niederländischen Behörden" der Standpunkt vertreten wird, daß zu den "Angehörigen" in Art1 des Handelsabkommens "sowohl physische als auch juristische Personen gerechnet werden müssen".

Dennoch muß gesagt werden, daß weder der Wortlaut des Handelsvertrages noch dessen Travaux Preparatoires und ebensowenig der iZm. der Änderung des Art1 Abs1 vorgenommene Notenwechsel endgültige Klarheit über die Bedeutung der hier maßgeblichen Vertragsbestimmungen zu schaffen vermögen. Läßt sich eine Bedeutungsunklarheit durch Textinterpretation und die ergänzenden Auslegungsmittel jedoch nicht beseitigen, so ist einer unklaren Bestimmung jene Bedeutung beizumessen, die im Lichte von Ziel und Zweck des Vertrages anzunehmen ist (Art31 Abs1 WVK). Aus dieser Sicht hat auch das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten die Vermutung als gerechtfertigt bezeichnet, daß eine Ausklammerung juristischer Personen von Art1 dem Vertragszweck zuwiderlaufen würde, was sich schon aus dessen Bezeichnung als "Handels- und Schiffahrtsvertrag" ergebe - hierauf stützte sich die bel. Beh. noch in einem Erk. vom 20. Oktober 1978 (s. Punkt 4.2.1.). Auch der VfGH kommt zu dieser Auffassung, zumal es, gemessen am Zweck eines Handelsvertrages, widersinnig wäre, natürliche und juristische Personen unterschiedlich zu behandeln, soweit dies nicht von der Sache her gerechtfertigt ist. Bedenkt man, daß Handels- und Schiffahrtsunternehmen, denen marktmäßig Bedeutung zukommt, zum Großteil vergesellschaftet sind, so ist es geradezu unvorstellbar, daß von der Gleichstellung beim Erwerb beweglichen und unbeweglichen Vermögens Gesellschaften ausgeklammert werden sollten. Zusammenfassend kommt der VfGH somit zu dem Ergebnis, daß Art1 Abs1 zweiter Satz des Handelsvertrages hinsichtlich des Erwerbes beweglichen und unbeweglichen Eigentums die Gleichstellung mit Inländern sowohl für natürliche als auch für juristische Personen verfügte und diese Rechtslage für alle Verträge maßgeblich ist, die bis 30. Juni 1985 abgeschlossen wurden (s. den Notenwechsel über die Änderung des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande vom 28. März 1929, BGBl. 299/1985).

Daran ändert auch nichts, daß die bel. Beh. erst nach dem 1. Juli 1985 entschieden hat. Anders ausgedrückt: Wurde ein Vertrag über nicht unter §1 Abs1 Z1 GVG 1983 fallende Grundstücke von einer holländischen natürlichen oder juristischen Person vor dem 30. Juni 1985 abgeschlossen, so ist dieser Vertrag rechtswirksam - bedarf also keiner Genehmigung der Grundverkehrsbehörde - ohne Rücksicht darauf, ob die Grundverkehrsbehörde damit schon vor dem 1. Juli 1985 oder erst nachher befaßt war.

4.2.2.3. Hieraus folgt, daß im Beschwerdefall staatsvertragliche Bestimmungen einer Anwendung der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Bestimmungen entgegenstanden. Die bel. Beh. war daher nicht befugt, die Zuständigkeit zu der getroffenen Sachentscheidung in Anspruch zu nehmen, da der in Frage stehende Rechtserwerb nicht genehmigungspflichtig ist, der bel. Beh. stand es somit nicht zu, gestützt auf §4 Abs2 GVG 1983 die Zustimmung zu versagen; sie war vielmehr verpflichtet, die von den Bf. gemäß §2 Abs3 litb GVG 1983 beantragte Bestätigung, daß der Rechtserwerb einer Genehmigung nicht bedarf, auszustellen.

4.3. Der angefochtene Bescheid verletzt die Bf. somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Er ist daher aufzuheben.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Ausländergrunderwerb, Staatsverträge, Geltungsbereich eines Staatsvertrages, Auslegung völkerrechtlicher Verträge, Behördenzuständigkeit Grundverkehr,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B79.1986

Dokumentnummer

JFT_10138986_86B00079_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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