RS Vwgh 2008/6/26 2006/20/0792

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 26.06.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 1997 §12;
AsylG 1997 §7;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Hinweis auf Stammrechtssatz

GRS wie 2006/20/0771 E 19. Dezember 2007 RS 1

Stammrechtssatz

Der UBAS geht von einer asylrelevanten Verfolgung grundsätzlich aller (jedes beliebigen) Bewohner(s) Tschetscheniens tschetschenischer Ethnie aus. Er versucht, die für die Asylgewährung maßgebliche Verfolgungsgefahr im Heimatstaat rein mathematisch zu ermitteln. Abgesehen davon, dass die von den Sachverständigen mit dieser Methode gewonnenen Ergebnisse schon mangels Darstellung der Berechnungen (und der hiefür angenommenen Ausgangsdaten) nicht nachvollziehbar sind, teilt der VwGH die vom UBAS gewählte mathematische Betrachtungsweise schon vom Ansatz her nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Asylwerber sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Dies ist der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde. Ob hier eine derartige Situation vorliegt, lässt sich den eingeholten Gutachten jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit entnehmen. So ist schon nicht ersichtlich, welche Intensität die von den Sachverständigen angeführten "Pressionen und Erpressungen" oder Misshandlungen aufweisen, ob sie sohin überhaupt als asylrelevante Verfolgungshandlungen beurteilt werden könnten. Die Angaben der Sachverständigen sind weiters widersprüchlich. Die Sachverständigen ermitteln eine Bedrohungswahrscheinlichkeit für einen beliebigen Tschetschenen unter der vereinfachenden Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit, verfolgt zu werden, für jeden Tschetschenen (im wesentlichen) gleich hoch ist. Dies steht aber im Widerspruch zu den Ausführungen der Sachverständigen, wonach das Risiko, Opfer behördlicher Willkür zu werden, für Menschen, die sich bei staatlichen Behörden, bei Menschenrechtsorganisationen oder bei internationalen Einrichtungen beschwerten, höher sei. Die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen sind demnach nicht nachvollziehbar. Sie sind in sich widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, die zusammenfassende Behauptung der Sachverständigen hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit eines beliebigen Tschetschenen zu tragen. Die Feststellungen des UBAS wurden - ohne Berücksichtigung des individuellen Vorbringens des Asylwerbers - ausschließlich auf diese mangelhaften Gutachten gestützt. Dies ist vom VwGH wahrzunehmen und der angefochtene Bescheid wegen eines Begründungsmangels aufzuheben (Hinweis E 1. April 2004, 2002/20/0440; E 14. November 2007, 2005/20/0473).

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Anforderung an ein Gutachten Gutachten Überprüfung durch VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006200792.X01

Im RIS seit

26.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten