TE Vfgh Erkenntnis 1986/12/5 B927/85

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Veröffentlicht am 05.12.1986
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art118 Abs3 Z9
B-VG Art119a Abs6
B-VG Art119a Abs8
Tir RaumOG §26 Abs4
Tir RaumOG §26 Abs5
Tir RaumOG §28 Abs3

Leitsatz

TROG; Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer vom Gemeinderat beschlossenen Flächenwidmungsplanänderung gemäß §§26 und 28; eine Regelung, die die Versagung der gemeindeaufsichtsbehördlichen Genehmigung für den Fall vorsieht, daß der Flächenwidmungsplan gesetzwidrig ist, widerspricht nicht Art119a Abs8 B-VG - keine Bedenken gegen §26 Abs4 litg TROG; überörtliche Interessen rechtfertigen, die Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes bereits durch Versagung der Genehmigung hintanzuhalten und nicht erst durch Aufhebung der GemeindeV (Art119a Abs6 B-VG) nachträglich zu beseitigen; keine Bedenken gegen die in §26 Abs5 TROG für die Genehmigung von Flächenwidmungsplanänderungen oder deren Verweigerung vorgesehenen Bescheidform; keine Rechtsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Gemeinde Leutasch/Tir. beschloß am 8. Feber 1985, den Flächenwidmungsplan derart zu ändern, daß die Grundparzelle ... und ..., KG Leutasch, von Freiland in Wohngebiet umgewidmet wurden.

Die Tir. Landesregierung versagte mit Bescheid vom 21. Oktober 1985 (offenbar gemäß §§26 und 28 des Tir. Raumordnungsgesetzes, LGBl. 4/1984 idF der Nov. LGBl. 38/1984 - TROG) diesen Beschlüssen die aufsichtsbehördliche Genehmigung.

Dieser Bescheid wurde wie folgt begründet:

"Umwidmungswerber bezüglich der Grundparzelle 2371 ist der Bauer R N, der den umzuwidmenden Grund von zirka 4400 Quadratmeter seinen Geschwistern als Erbabfertigung zur Verfügung stellen will.

Die Abteilung VI d 3 spricht sich eindeutig gegen diese Baulandwidmung aus. Sie weist darauf hin, daß sich der gewünschte Baulandstreifen quer über den noch völlig freien Talboden von Oberleutasch erstreckt und wie eine Staumauer in Erscheinung treten würde. Diese Umwidmung bilde daher eine große Fehlplanung und widerspreche den Zielen der örtlichen Raumordnung auf Erhaltung zusammenhängender, unverbaut bleibender landwirtschaftlicher Flächen und Erholungsräume, auf bestmögliche Anordnung und Gliederung des Baulandes sowie auf den Schutz des Landschaftsbildes.

Hinsichtlich der Umwidmung im Bereich der Grundparzelle 2346 ist Umwidmungswerber der Bauer J R. Er braucht den Verkaufserlös von zirka 1500 Quadratmeter Bauland zur Instandsetzung seiner Gebäude.

Die Abteilung VI d 3 spricht sich auch gegen diese Umwidmung aus. Es sei nicht richtig, in diesem Lärchenwald eine zweite Bauplatzreihe zu beginnen, da dieser Beginn der zweiten Baureihe viele Beispielsfolgen nach sich ziehen würde. Eine Verbauung dieser Flächen würde aber auch nach den Zielen der örtlichen Raumordnung (Erhaltung der zusammenhängenden landwirtschaftlichen Flächen und Erholungsräume und insbesondere des Landschaftsbildes - Zerstörung des Waldrandes) nicht richtig sein.

Die gegenständlichen Baulandwünsche wurden schon bei der vor kurzem stattgefundenen Erstellung des Flächenwidmungsplanes vorgebracht. Aus den von der Abteilung VI d 3 aufgezeigten Gründen wurde dieses Bauland nach eingehender Besichtigung und ausführlichen Besprechungen mit den Gemeindevertretern aber in den Flächenwidmungsplan nicht aufgenommen. Die Richtigkeit dieser Maßnahmen wurde auch vom Planer der Gemeinde, Architekt H, bestätigt. Es kann nicht angehen, wenige Monate nach der Entscheidung über den Flächenwidmungsplan diesen durch bereits abgelehnte Baulandwidmungen wieder - zumindest teilweise - zu verwässern.

Den nunmehrigen, wenige Monate nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes von der Gemeinde beschlossenen Umwidmungen kann daher infolge unveränderter Sachlage die aufsichtsbehördliche Genehmigung nicht erteilt werden, zumal dies auch die vorgebrachten Gründe für die Umwidmung (Erbabfertigung; Geldbedarf) nicht rechtfertigen könnten."

2. Gegen diesen Bescheid der Landesregierung erhebt die Gemeinde Leutasch die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die Tir. Landesregierung erstattete eine Gegenschrift. Sie begehrt, die Beschwerde abzuweisen und ihr die ziffernmäßig verzeichneten Prozeßkosten zuzusprechen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige (zur Beschwerdelegitimation der Gemeinde s. Art119a Abs9 B-VG) - Beschwerde erwogen:

1. Die hier maßgebenden Vorschriften des TROG besagen:

"§28. (1) ...

(2) Flächenwidmungs- und Bebauungspläne dürfen geändert werden, wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen und die Änderung den Zielen der örtlichen Raumordnung nicht widerspricht. Bei Änderungen, für die ein nur im privaten Interesse gelegener wichtiger Grund vorliegt, ist angemessen zu berücksichtigen, ob durch die Änderung wesentliche private Interessen anderer berührt werden. Die für die Planänderung bedeutsamen Entscheidungsgrundlagen müssen in ausreichendem Maße erkennbar sein.

(3) Auf das Verfahren bei der Änderung des Flächenwidmungsplanes finden die Bestimmungen der §§26 und 27 mit folgenden Änderungen bzw. Ergänzungen Anwendung: ..." (die folgenden Bestimmungen sind hier nicht maßgebend).

"§26. (1) ...

(4) Der vom Gemeinderat beschlossene Flächenwidmungsplan ist samt den eingelangten Stellungnahmen und der Niederschrift über die Beschlußfassung des Gemeinderates der Landesregierung in dreifacher Ausfertigung zur Genehmigung vorzulegen. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn

a) der Flächenwidmungsplan einer rechtsverbindlichen überörtlichen Planungsmaßnahme oder den Zielen eines anhängigen Zusammenlegungsverfahrens nach dem Tir. Flurverfassungslandesgesetz 1978, LGBl. 54, widerspricht;

b) der Flächenwidmungsplan eine im überortlichen Raumordnungsinteresse des Landes liegende Entwicklung der Gemeinde verhindert oder erschwert;

c) der Flächenwidmungsplan auf Planungen benachbarter Gemeinden nicht Bedacht nimmt und dadurch geeignet ist, wesentliche örtliche Raumordnungsinteressen dieser Gemeinden zu verletzen;

d) mit den für die Verwirklichung des Flächenwidmungsplanes notwendigen Erschließungen unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastungen der Gemeinde verbunden wären, durch die die Erfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde in Frage gestellt werden könnte;

e) im Flächenwidmungsplan Sonderflächen für Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen gewidmet sind, ohne daß in einem Entwicklungsprogramm bestimmt ist, daß eine dieser Widmung entsprechende Verwendung von Grundflächen in der betreffenden Gemeinde zulässig ist;

f) im Flächenwidmungsplan Sonderflächen für Einkaufszentren gewidmet sind, ohne daß in einem Entwicklungsprogramm bestimmt ist, daß eine dieser Widmung entsprechende Verwendung von Grundflächen in der betreffenden Gemeinde zulässig ist;

g) der Flächenwidmungsplan gesetzwidrig ist.

(5) Die Entscheidung der Landesregierung hat in Bescheidform zu erfolgen ..."

2. a) Die bf. Gemeinde begründet ihre Behauptung, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein, ausschließlich damit, daß gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden landesgesetzlichen Vorschriften folgende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen:

aa) Dadurch, daß der Gesetzgeber eine Änderung des Flächenwidmungsplanes (ausnahmslos) an eine Genehmigung der Landesregierung gebunden hat, werde in verfassungswidriger Weise in die Gemeindeautonomie eingegriffen.

bb) §26 Abs5 TROG sehe vor, daß die Entscheidung der Landesregierung über die Änderung eines Flächenwidmungsplanes in Bescheidform zu ergehen haben. Dies sei verfassungswidrig, da Flächenwidmungspläne - und auch deren Änderung - Verordnungen der Gemeinde seien; sie könnten daher nur durch Verordnung aufgehoben werden.

b) Der VfGH teilt diese Bedenken nicht:

aa) Art119a B-VG regelt die staatliche Aufsicht über die Gemeinden.

Abs8 lautet:

"(8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Absatz 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt."

Die Erlassung von Flächenwidmungsplänen und deren Änderung fällt als Maßnahme der örtlichen Raumplanung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (Art118 Abs3 Z9 B-VG).

Wie sich aus Art119a Abs8 B-VG ergibt, muß das Gesetz, durch das eine im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu treffende Maßnahme an die Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde gebunden wird, die Gründe für die Versagung der Genehmigung normieren (vgl. VfSlg. 7101/1973). §26 Abs4 TROG nennt (taxativ) die Gründe für die Versagung der Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes und einer Flächenwidmungsplanänderung (§28 Abs3 TROG).

Als Versagungsgrund darf dem Art119a Abs8 letzter Satz B-VG zufolge nur ein Tatbestand vorgesehen werden, "der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt". Keiner weiteren Erörterung bedarf, daß die in den lita bis f des §26 Abs4 TROG vorgesehenen Versagungsgründe diesen bundesverfassungsgesetzlichen Voraussetzungen entsprechen. Eine nähere Untersuchung, ob und welche dieser Bestimmungen präjudiziell sind, erübrigt sich daher.

Anders verhält es sich mit der folgenden litg, wonach ein Versagungsgrund dann vorliegt, "wenn der Flächenwidmungsplan gesetzwidrig ist". Der angefochtene Bescheid führt keine Gesetzesbestimmung an, auf die die Versagung der Genehmigung gestützt wird. Der Bescheidbegründung kann aber entnommen werden, daß §26 Abs4 litg TROG zumindest einer der angenommenen Versagungstatbestände (wenn nicht überhaupt der einzige Tatbestand) war. Diese landesgesetzliche Bestimmung ist daher präjudiziell. Der VfGH hat gegen sie unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Flächenwidmungsplan ist zwar wie dargetan - eine Maßnahme der örtlichen Raumplanung. Jeder örtliche Plan hat sich aber in überörtliche Erwägungen planerischer Art einzufügen. Die Erlassung und die Änderung eines Flächenwidmungsplanes berühren also in besonderem Ausmaß (auch) überörtliche Interessen. Unter diesen Voraussetzungen widerspricht eine Regelung, die die Versagung der gemeindeaufsichtsbehördlichen Genehmigung für den Fall vorsieht, daß der Flächenwidmungsplan gesetzwidrig ist, nicht dem Art119a Abs8 B-VG (vgl. die ständige Judikatur des VfGH zu vergleichbaren landesgesetzlichen Bestimmungen, zB VfSlg. 8150/1977, S 183, und 9543/1982, S 270, mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung und auf Literatur).

Überörtliche Interessen rechtfertigen mithin eindeutig, die Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes bereits durch Versagung der Genehmigung hintanzuhalten und nicht erst durch Aufhebung der Gemeindeverordnung (Art119a Abs6 B-VG) nachträglich zu beseitigen.

bb) §26 Abs4 und 5 TROG regelt nicht die Aufhebung von Gemeindeverordnungen, sondern die Genehmigung eines Beschlusses des zuständigen Gemeindeorganes durch die staatliche Behörde, also einen Schritt im Zuge des Verfahrens zur Erlassung einer Gemeindeverordnung.

Derartige Genehmigungen stellen keine Verordnungen, sondern Bescheide dar, die sich (nur) an die Gemeinde wenden (s. VfSlg. 6857/1972, 8955/1980).

Wenn §26 Abs5 TROG ausdrücklich anordnet, daß die Genehmigung der Flächenwidmungsplanänderung oder deren Verweigerung in Bescheidform zu ergehen haben, bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. a) Der VfGH hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles weder aus den von der bf. Gemeinde geltend gemachten Gründen noch aufgrund sonstiger Erwägungen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen.

Die bf. Gemeinde wurde daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

b) In der Beschwerde wird die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ausschließlich mit Normbedenken begründet. Diese Bedenken teilt der VfGH nicht (s. oben II.2.). Dem Vollzugsbereich anzulastende, in die Verfassungssphäre reichende Fehler haben sich nicht ergeben.

Die bf. Gemeinde wurde daher auch nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

c) Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

Schlagworte

Raumordnung, Verordnungsbegriff, Flächenwidmungsplan, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Bescheidbegriff, Verordnungserlassung, Wirkungsbereich eigener, Raumplanung örtliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B927.1985

Dokumentnummer

JFT_10138795_85B00927_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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