TE Vfgh Beschluss 2008/10/8 V375/08

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Veröffentlicht am 08.10.2008
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
StVO 1960 §20 Abs2
VfGG §57 Abs2

Leitsatz

Keine Präjudizialität einer Aufhebungsverordnung (hier: Geschwindigkeitsbeschränkung) im Verfahren vor einem Unabhängigen Verwaltungssenat angesichts nunmehr anzuwendender Grundregel; Zurückweisung des Antrags des UVS auf Aufhebung der Aufhebungsverordnung mangels Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Das antragstellende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien begehrt unter Berufung auf Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG mit näherer Begründung die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Dezember 2005, Magistratsabteilung 46, Z MA 46-ALLG-38702/2005, soweit mit ihr die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Oktober 1996, MA 46-V19-886/96, aufgehoben wurde, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnung wird vorgebracht:

"Mit Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Oktober 1996, MA 46-V19-886/96, wurde für den Bereich Wien 19., Heiligenstädterstraße - B 14 Bereich zwischen Hochstraße B 14 und Stadtgrenze Klosterneuburg/Wien bis zur Höhe ONr. 417 die gemäß §20 Abs2 StVO 1960 erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h erhöht.

Mit der nunmehr angefochtenen Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, Zl. MA 46-ALLG-38702/2005, wurde unter anderem diese Verordnung aufgehoben.

Seitens der Bundespolizeidirektion Wien wurde mit Straferkenntnis vom 17. Juli 2007 in Anwendung des §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil die Beschuldigte als Lenkerin eines Kraftfahrzeuges die im Ortsgebiet gemäß §20 Abs2 StVO 1960 zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten habe.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat bei der Entscheidung über die Berufung die angefochtene Verordnung daher anzuwenden, da somit erst durch diese Verordnung im Vorfallszeitpunkt am Vorfallsort die im Ortsgebiet grundsätzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zu beachten war. Die angefochtene Verordnung ist somit für das Verfahren beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien präjudiziell."

3. Der Magistrat der Stadt Wien als verordnungserlassende Behörde erstattete eine Äußerung, in der die Zulässigkeit des Antrages nicht bestritten wird. Die Wiener Landesregierung schließt sich dieser Äußerung an und beantragt die Abweisung des Antrages des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde u.a. auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates.

Gemäß Art89 Abs2 B-VG hat ein Gericht, sofern es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung zu stellen. Dies gilt gemäß Art129a Abs3 B-VG sinngemäß auch für die Unabhängigen Verwaltungssenate.

§57 Abs2 VfGG bestimmt, dass ein Unabhängiger Verwaltungssenat einen Antrag auf Aufhebung einer Verordnung oder von bestimmten Stellen einer solchen nur dann stellen kann, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat die Verordnung in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden hat oder wenn die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der bei diesem Unabhängigen Verwaltungssenat anhängigen Rechtssache ist.

2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden Unabhängigen Verwaltungssenat an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Unabhängigen Verwaltungssenates im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten (insb. dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien) ergibt sich, dass die Berufungswerberin gemäß §20 Abs2 StVO bestraft wurde, da sie die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat. Eine Vorschrift wie die angefochtene Verordnung, die eine andere Vorschrift (Verordnung aus 1996, mit der die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h erhöht wurde) aufhebt, ist in einem Fall wie diesem nicht schon deshalb präjudiziell, weil nunmehr (als Folge der Aufhebungsvorschrift) die bisher schon bestehende Grundregel (hier: §20 Abs2 StVO) zur Anwendung kommt (vgl. VfGH 30.9.2008, V333/08).

3. Der Antrag war demnach schon aus diesem Grunde mangels Legitimation des antragstellenden Unabhängigen Verwaltungssenats ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

Schlagworte

Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung, Verordnungserlassung, Unabhängiger Verwaltungssenat, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:V375.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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