TE Vfgh Beschluss 1986/12/9 B823/86

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Veröffentlicht am 09.12.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §85 Abs2
ZivildienstG §2 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ZPO §146 Abs1
ZPO §148 Abs2

Leitsatz

ZPO §146 Abs1; VerfGG §35; Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung der Mängel des Verfahrenshilfeantrages; Antragsteller zur Zeit des Fristablaufes erkrankt und daher daran gehindert, den an einem anderen Ort befindlichen Bescheid, dessen Vorlage aufgetragen war, beizuschaffen - unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis; Bewilligung des Antrages ZPO §63 Abs1; VerfGG §35; Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid der ZDOK, mit dem sein Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht abgewiesen wurde; mangelnde Darlegung der Gewissensnot - Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung; Abweisung des Verfahrenshilfeantrages VerfGG §85 Abs2; Zurückweisung des Antrages, dem Verfahrenshilfeantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen - gemäß §85 Abs2 kann diese nur einer Beschwerde zuerkannt werden

Spruch

I. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung der Mängel des Verfahrenshilfeantrages wird bewilligt.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

III. Der Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung des Verfahrenshilfeantrages wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. a) Der Einschreiter beantragte mit einem am 2. September 1986 eingelangten Schriftsatz die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Zivildienstoberkommission vom 22. Mai 1986.

Mit Schreiben vom 16. September 1986 forderte der VfGH den Einschreiter unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, binnen vier Wochen den Bescheid, dessen Anfechtung beabsichtigt ist, in Urschrift, Gleichschrift, Abschrift oder Kopie vorzulegen und den Tag seiner Zustellung anzugeben.

Dieses Schreiben wurde am 18. September 1986 durch Hinterlegung zugestellt, die gesetzte Frist endete daher mit Ablauf des 16. Oktober 1986.

Der Einschreiter legte den angefochtenen Bescheid erst am 20. Oktober 1986, also nach Ablauf der gesetzten Frist, vor. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1986, zur Post gegeben am 27. Oktober, beantragte er dem Inhalt nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gleichzeitig gab er das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides bekannt.

Der Antrag wird damit begründet, daß der Einschreiter bei Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Vorlage des Bescheides nicht in Wien gewesen sei. Er habe sich an seinem Hauptwohnsitz in Wels bei seinen Eltern aufgehalten, wo er an Grippe erkrankt sei. Deshalb habe er nicht termingerecht nach Wien fahren können, der angefochtene Bescheid sei jedoch zu diesem Zeitpunkt in seiner Wr. Wohnung gelegen. Er habe daher den angefochtenen Bescheid erst am Montag, dem 20. Oktober vorlegen können. Die Eltern des Einschreiters seien bereit, seine Ausführungen zu bestätigen.

b) Das VerfGG regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst; demnach sind nach §35 leg. cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden.

Gemäß §148 Abs2 ZPO muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen vierzehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses, welches die Versäumung verursachte, gestellt werden. Der Einschreiter war nach seinen Angaben zum Zeitpunkt des Fristablaufs für die Vorlage der Beschwerde (also am 16. Oktober 1986) noch erkrankt. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde am 27. Oktober 1986 zur Post gegeben und die versäumte Prozeßhandlung bereits zuvor nachgeholt, sodaß er jedenfalls rechtzeitig ist.

Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.

Nach dem vom VfGH als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Antragstellers war er zur Zeit des Fristablaufes erkrankt und daher daran gehindert, den an einem anderen Ort befindlichen Bescheid, dessen Vorlage aufgetragen war, beizuschaffen. Dies stellt ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VerfGG 1958 in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

2. Der Einschreiter beantragt die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 22. Mai 1986, mit dem sein Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht abgewiesen wurde.

Gemäß der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 Zivildienstgesetz-ZDG, BGBl. 187/1974, idF der Nov. BGBl. 496/1980, sind Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien und zivildienstpflichtig, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden.

Aus dem dem VfGH vorgelegten angefochtenen Bescheid geht hervor, daß die gesamten Ausführungen des Einschreiters in seinem Antrag, der Verhandlung vor der Zivildienstkommission, seiner Berufung und der Verhandlung vor der Zivildienstoberkommission nur dartun, weshalb er die Anwendung von Waffengewalt und das Töten von Menschen grundsätzlich ablehnt. Der Einschreiter hat für seine Person jedoch nicht dargelegt, daß er im Falle von Anwendung von Waffengewalt tatsächlich in eine schwere Gewissensnot geraten würde. Bei einer solchen Sachlage ist die Behörde gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8787/1980, 9257/1981) schon auf dem Boden der Behauptungen des Antragstellers gehalten, die von ihm bekämpfte Befreiung von der Wehrpflicht mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG zu verweigern. Bei dieser Sachlage ist es auch unerheblich, ob der bel. Beh. irgendwelche Verfahrensfehler unterliefen oder ob der Bescheid der Zivildienstkommission etwa unrichtig begründet ist (vgl. zB VfSlg. 9661/1983). Nichts spricht dafür, daß der Einschreiter in dem durch §2 Abs1 ZDG gewährleisteten oder in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist oder daß eine Rechtsverletzung infolge der Rechtswidrigkeit einer dem Bescheid zugrundeliegenden generellen Rechtsvorschrift stattgefunden hat.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erweist sich somit als offenbar aussichtslos, weswegen der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen war.

3. Gemäß §85 Abs2 VerfGG kann der VfGH nur einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Im vorliegenden Fall wurde aber noch keine Beschwerde, sondern lediglich ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde eingebracht. Der Antrag, dem Verfahrenshilfeantrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B823.1986

Dokumentnummer

JFT_10138791_86B00823_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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