TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/3 G134/86, G135/86, G136/86, V59/86, V60/86, V61/86

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Veröffentlicht am 03.03.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6440 Tierkörperverwertung

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2 / Verordnung
B-VG Art94
B-VG Art140 Abs1
Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark vom 28.11.1979 über die Einsammlung. Abfuhr. Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (TierkörperverwertungsV), LGBl Nr 90
JN §1
VA Tierkörperverwertung §6

Leitsatz

Antrag auf Aufhebung des ArtI des BG vom 14.12.1977, BGBl. 660, über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern, mit dem dem §6 der (auf Stufe eines einfachen Gesetzes stehenden) Vollzugsanweisung die Absätze 3 und 4 neu angefügt wurden; Identität des normativen Gehalts einer Aufhebung entweder des "ArtI der Novelle 1977" - Präjudizialität jedenfalls gegeben; keine res iudicata hinsichtlich §6 Abs3 der Vollzugsanweisung dadurch, daß der VfGH mit Erk. VfSlg. 9897/1983 über Bedenken gegen diese Bestimmung unter einem anderen Aspekt des Art18 B-VG bereits rechtskräftig entschieden hat - keine Identität der Bedenken; Zulässigkeit der Anträge Vollzugsanweisung §6 Abs3 und 4 idF BGBl. 660/1977; Bedenken, ob die Entgeltansprüche der Anstalt im Zivilrechtsweg oder im Verwaltungsweg geltend zu machen sind; offenkundig kein Widerspruch zum Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung nach Art94 B-VG; Gebot der präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit, insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob Gerichte oder Verwaltungsbehörden zur Vollziehung berufen sind; zum Begriff "Entgelt", auch unter Betrachtung des rechtlichen Umfeldes, in dem dieser Begriff gebraucht wird; Tierkörperverwertungsanstalt steht gegenüber dem Zahlungspflichtigen kein "imperium" zu; zivilrechtlicher Charakter der Entgeltansprüche - Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte mit hinlänglicher Deutlichkeit festgelegt; kein Widerspruch zu Art18 B-VG Stmk. Tierkörperverwertungsverordnung; keine Gesetzwidrigkeit der bekämpften Stellen des §10 und der Z2 des eine Anlage bildenden Tarifes, da keine Bedenken gegen die sie tragenden Gesetzesbestimmungen (§6 Abs3 und 4 Vollzugsanweisung) bestehen

Spruch

Den Anträgen wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

1.a) Die Steirische Tierkörperverwertungsanstalt (s. §1 der V des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. November 1979, LGBl. 90/1979, über die Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen - TKVV) erhob gegen drei Unternehmer, in deren in der Steiermark gelegenen Gewerbebetrieben regelmäßig ablieferungspflichtige Gegenstände (s. §2 TKVV) anfallen, beim Landesgericht für ZRS Graz drei Klagen auf Bezahlung der "Entgelte" nach §10 TKVV für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der Gegenstände in den Jahren 1981 bis 1983 sowie einer Entgelt-Vorauszahlung für 1984.

Das Landesgericht gab den Klagen statt. Das Oberlandesgericht Graz bestätigte diese Urteile. Die beklagten Parteien erhoben gegen diese Berufungsurteile Revisionen an den OGH.

b) Aus Anlaß dieser drei bei ihm zu den Zlen. 6 Ob 529/86, 6 Ob 616/86 und 6 Ob 525/86 anhängigen Verfahren stellt der OGH - unter Bezugnahme auf Art89 Abs2 B-VG - an den VfGH die (gleichlautenden) Anträge,

"I.) die V des Landeshauptmannes der Steiermark vom 28. November 1979 über die Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (Tierkörperverwertungsverordnung), LGBl. Nr. 90, in folgenden Teilen als gesetzwidrig aufzuheben:

a) §10 Abs1, soweit er sich auf die im §2 Abs1 Z2 bezeichneten Gegenstände bezieht;

b) im ersten Satz des §10 Abs2 die Wortfolge 'die Entgelte nach Z2 des Tarifs von den jeweiligen Betriebsinhabern';

c) §10 Abs4;

d) im ersten Satz des §10 Abs5 die Wortfolge 'und Betriebsinhaber' und im zweiten Satz des §10 Abs5 die Wortfolge 'Betriebsinhabern bzw.';

e) im §10 Abs6 die Bezugnahme auf Abs4 ('und 4');

f) die Z2 des Tarifes zur Gänze.

II.) ArtI des BG vom 14. Dezember 1977 über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern, BGBl. Nr. 660,

als verfassungswidrig aufzuheben."

2.a) Die Bundesregierung erstattete zu den drei Gesetzesprüfungsanträgen eine Äußerung, in der sie begehrt, die Anträge des OGH auf Aufhebung des ArtI der Nov. 1977 zur Vollzugsanweisung zurückzuweisen; hilfsweise beantragt sie, diese Gesetzesvorschrift nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

b) Zu den Verordnungsprüfungsanträgen teilte der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz mit, daß er von einer Äußerung Abstand nehme.

Der Landeshauptmann der Steiermark meint, daß §6 Abs3 und 4 der Vollzugsanweisung, StGBl. 241/1919, idF der Nov. 1977 eine taugliche Grundlage für eine privatrechtliche Entgeltregelung darstelle. Er begehrt, den auf Aufhebung von Teilen der TKVV gerichteten Anträgen des OGH keine Folge zu geben.

II.

1. Die TKVV stützt sich ihrem Einleitungssatz zufolge u. a. auf die §§1 bis 5 und auf §6 Abs3 und 4 der - auf der Stufe eines (einfachen) BG stehenden (vgl. zB VfSlg. 9897/1983, VfGH 17. 10. 1985 V29/84 u.a. Zlen.) - Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung vom 19. April 1919, StGBl. 241, betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung), idF des BG BGBl. 660/1977 ("Vollzugsanweisung - VA").

Die "Vollzugsanweisung" wurde durch das BG vom 14. Dezember 1977, BGBl. 660, über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern (im folgenden kurz: "Nov. 1977") novelliert.

2.a) Die hier maßgebenden Bestimmungen der Vollzugsanweisung lauten:

"§1.

(1) Tierkörperverwertungsanstalten im Sinne dieser Vollzugsanweisung sind Anstalten, in welchen die unschädliche Verwertung von Tierkörpern, deren Teilen und sonstigen Gegenständen animalischer Herkunft, insbesondere aber die Vernichtung aller Seuchenkeime gemäß §14 Tierseuchengesetz gewährleistet ist.

(2) Solche Anstalten müssen unter ständiger amtstierärztlicher Überwachung stehen; die sanitäre Kontrolle obliegt dem Amtsarzte der politischen Behörde.

(3) Auf solche Anstalten finden, wenn sie gewerbsmäßig betrieben werden, auch die Bestimmungen der Gewerbeordnung Anwendung; desgleichen müssen sie im Sinne der Ministerialverordnung vom 30. August 1916, R.G.Bl. Nr. 277, die staatliche Ermächtigung einholen.

§2.

Die Tierkörperverwertungsanstalten sind verpflichtet, die einlaufenden Gegenstände auf Futter und Fett zu verarbeiten und diese Verarbeitung in rationellster Weise durchzuführen.

§3.

(1) Die Landesregierung" (nun: Der Landeshauptmann vgl. VfSlg. 7670/1975) "kann anordnen, daß aus einem bestimmten Umkreise folgende Gegenstände an eine solche Anstalt abzuführen sind:

a) Alle Körper und Körperteile verendeter oder zum Zwecke der Beseitigung getöteter Tiere.

b) Die nach der Schlachtung zum menschlichen Genusse für untauglich befundenen ganzen Tiere oder Tierteile sowie die Schlachtungsabfälle.

Als Schlachtungsabfälle gelten zum menschlichen Genusse nicht verwertbare Abfälle im Schlachtbetriebe, soweit sie nicht direkt anderweitig für industrielle Zwecke oder als Dünger Verwendung finden.

c) Verdorbene Waren animalischer Herkunft.

(2) . . .

§4.

. . .

§5.

. . .

§6.

(1) Die Landesregierung" (nun: Der Landeshauptmann VfSlg. 7670/1975) "hat nähere Bestimmungen über die Anzeige, Verwahrung und Zufuhr der abzuliefernden Gegenstände zu treffen." (Der VfGH hat mit Erk. VfSlg. 7936/1976 dargetan, daß der ursprünglich im §6 Abs1 enthaltene zweite Halbsatz nicht Eingang in die vom B-VG beherrschte Rechtsordnung gefunden hat).

"(2) Zur Zufuhr, Zerlegung der Tierkörper, allenfalls auch zu anderen Leistungen in der Anstalt, sind etwa vorhandene befugte Wasenmeister heranzuziehen."

(3) . . . " (Die Abs3 und 4 wurden durch die Nov. 1977 angefügt; Text siehe die folgende litb).

§7.

. . ."

b) Die Nov. 1977 hat folgenden Wortlaut:

"ArtI

         Dem §6 der Vollzugsanweisung .... vom 19. April 1919,

StGBl. Nr. 241, ..... sind nachstehende Abs3 und 4 anzufügen:

'(3) Der Landeshauptmann hat das Entgelt für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der abzuliefernden Gegenstände in einem kostendeckend begrenzten Entgelttarif durch V festzulegen. Bei der Berechnung des Tarifs sind die voraussichtlichen durchschnittlichen Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sowie Rücklagen für die Erhaltung und Verbesserung der hiefür bestimmten Einrichtungen und für deren Amortisierung zu berücksichtigen.

(4) Die auf Grund des Entgelttarifes nach Abs3 zu entrichtenden Entgelte sind von den Besitzern von Gegenständen, die dem Ablieferungszwang nach §3 unterliegen, zu leisten.'

Artikel II

Folgende den Gegenstand dieses BG regelnde Verordnungen der Landeshauptmänner werden als BG solange in Kraft gesetzt, bis ihren Gegenstand regelnde Verordnungen auf Grund dieses BG in Wirksamkeit getreten sind:

1. V des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. Juni 1975, LGBl. Nr. 6440/2-0, über die Festsetzung der Gebühren für die Abholung und unschädliche Beseitigung der Kadaver, Konfiskate und tierischen Abfälle;

2. V des Landeshauptmannes von Burgenland vom 30. Dezember 1975 über die unschädliche Beseitigung und Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten, LGBl. Nr. 3/1976, zuletzt geändert durch die V vom 7. April 1976, LGBl. Nr. 16/1976;

3. V des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. Dezember 1964 über die Beseitigung und Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertungs-V 1965), LGBl. Nr. 68/1964, zuletzt geändert durch die V vom 17. Juli 1972, LGBl. Nr. 26;

4. V des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. Oktober 1973 über die Einsammlung von tierischen Abfällen zum Zwecke der Verwertung und Beseitigung, LGBl. Nr. 123, zuletzt geändert durch die V vom 3. Feber 1976, LGBl. Nr. 20.

Artikel III

(1) Dieses BG tritt am 1. Dezember 1977 in Kraft.

(2) Mit der Vollziehung dieses BG ist der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz betraut."

3. Die TKVV lautet auszugsweise:

"§1

(1) Die in der Steiermark anfallenden, dem Ablieferungszwang unterliegenden Gegenstände (§2) sind unter Einhaltung veterinär- und gesundheitspolizeilicher Vorschriften an die 'Steirische Tierkörperverwertungs-Ges.m.b.H.' mit dem Sitz in Landscha an der Mur (im folgenden kurz 'Tierkörperverwertungsanstalt' genannt) zur Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung abzuliefern.

(2) Die Tierkörperverwertungsanstalt hat auf Grund dieser V und der mit dem Land Steiermark eingegangenen vertraglichen Verpflichtung die anfallenden Gegenstände einzusammeln, abzuführen, zu beseitigen oder zu verwerten.

§2

(1) Folgende Gegenstände unterliegen dem Ablieferungszwang, und zwar:

1. Alle Körper verendeter oder totgeborener oder zum Zweck der Beseitigung getöteter Tiere,

2. alle nach der Schlachtung zum menschlichen Genuß für untauglich befundenen Tierkörper, sowie die Schlachtabfälle,

3. verdorbene Waren animalischer Herkunft.

(2) . . .

§10

(1) Für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der nach §2 abzuliefernden Gegenstände sind kostendeckende Entgelte zu entrichten. Die Höhe dieser Entgelte ist in der einen Bestandteil dieser V bildenden Anlage festgelegt (Tarif).

(2) Die Entgelte nach Z1 des Tarifs sind von den Gemeinden, die Entgelte nach Z2 des Tarifs von den jeweiligen Betriebsinhabern an die Tierkörperverwertungsanstalt zu leisten. Die Gemeinden sind berechtigt, einen Teil des auf sie entfallenden Kostenanteiles auf die Zucht- und Nutztierhalter zu überwälzen.

(3) Die auf die Gemeinden jährlich entfallenden Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sind von der Tierkörperverwertungsanstalt gemäß Z1 des Tarifs auf Grund der letzten amtlichen Viehzählung oder Schätzung zu berechnen und den Gemeinden bis spätestens Ende März eines jeden Jahres bekanntzugeben.

(4) Die auf Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfe, sonstige Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe jährlich entfallenden Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sind von der Tierkörperverwertungsanstalt gemäß Z2 des Tarifs an Hand der Schlachtziffern und Mengen an zugekauftem Fleisch des Vorjahres zu berechnen und den Betriebsinhabern bis spätestens Ende März eines jeden Jahres bekanntzugeben.

(5) Die Gemeinden und Betriebsinhaber haben auf die für das gesamte laufende Kalenderjahr entfallenden Entgelte Vorauszahlungen in 6 gleichen Teilbeträgen jeweils bis spätestens Ende der Monate Jänner, März, Mai, Juli, September und November an die Tierkörperverwertungsanstalt zu leisten. Die Tierkörperverwertungsanstalt hat die Gesamtabrechnung bis spätestens Ende März eines jeden Jahres durchzuführen und den Betriebsinhabern bzw. Gemeinden bekanntzugeben.

(6) Die nach Abs3 und 4 errechneten Kosten sind vom Landeshauptmann zu überprüfen, wobei der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Steiermark, dem Steiermärkischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund ein Anhörungsrecht zusteht.

§11

(1) Diese V tritt mit 1. Jänner 1980 in Kraft.

(2) Gleichzeitig tritt die Tierkörperverwertungsverordnung, LGBl. Nr. 128/1961, außer Kraft.

Anlage

Tarif

Für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der abfuhrpflichtigen Gegenstände sind an die Tierkörperverwertungsanstalt folgende Entgelte zu entrichten:

1. von den Gemeinden

. . .

2. von den Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfen und sonstigen Schlachtbetrieben auf Grund der Schlachtziffern je geschlachtetes Tier

         a) für Pferde ... je Tier     S 16,12

         b) für Rinder ... je Tier     S 19,75

         c) für Kälber ... je Tier     S  2,44

         d) für Schweine . je Tier     S  2,39

         e) für Schafe ... je Tier     S  2,28

         f) für Ziegen ... je Tier     S  2,28

         g) für Geflügel . je Stück    S 0,068."

III. Zu den Gesetzesprüfungsanträgen (G 134,135,136/86):

1. Zu den Prozeßvoraussetzungen

a) Der OGH führt hiezu zu 6 Ob 529/86 (und im wesentlichen gleichlautend in seinen beiden weiteren Anträgen) aus:

"Aus Anlaß der Revision ist die in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu untersuchen. Die Vorinstanzen haben bei ihrer Sachentscheidung über das Vorliegen der genannten Prozeßvoraussetzung keinerlei Ausführungen gemacht. Ein bindender Ausspruch zur Prozeßvoraussetzung der Rechtswegzulässigkeit liegt nicht vor. Das Revisionsgericht hat daher zu prüfen, ob für die Geltendmachung des Anspruches der Anstalt gegen einen Unternehmer auf die nach §10 TKVV geschuldeten Beträge die Zuständigkeit der Gerichte oder der Verwaltungsbehörden in eindeutiger und unbedenklicher Weise bestimmt wurde.

Das Revisionsgericht ist bisher in einer Reihe von Parallelverfahren von der Rechtswegszulässigkeit ausgegangen, ohne diese auch nur in Zweifel gezogen zu haben. Der dritte Senat hat in seiner zu 3 Ob 528/86 ergangenen Entscheidung vom 7. Mai 1986 erstmals von Amts wegen die Frage nach der gerichtlichen Zuständigkeit einer ausdrücklichen Erörterung unterzogen und danach die Rechtswegzulässigkeit bejaht. Der erkennende Senat erachtet dagegen, daß in der gesetzlichen Verordnungsermächtigung zur Regelung des Anspruches der Tierkörperverwertungsanstalten auf die im Verordnungsweg festzusetzenden tarifmäßigen Entgelte bezüglich ihrer Verfolgbarkeit vor Gericht oder vor der Verwaltungsbehörde Unklarheiten vorliegen, deren Wertung unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlichen Bestimmtheitsgebotes ausschließlich dem VfGH zusteht. Dieser hatte zwar bereits mehrmals Regelungen der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft vom 19. April 1919, StGBl. Nr. 241 (in der Folge kurz: VA) und dabei insbesondere auch den §6 in der Fassung des BG vom 14. Dezember 1977, BGBl. Nr. 660, einer Prüfung unterzogen, aber soweit ersichtlich nie auch nicht im Erkenntnis vom 3. Dezember 1976, G14/76, VfSlg. 7.936 und im Erkenntnis vom 12. Dezember 1983, G85/81, G61/83, VfSlg. 9.897 - nach dem jeweils gestellten Antrag oder als Vorfrage die Zuweisung der Anspruchsverfolgung auf dem gerichtlichen oder Verwaltungsweg zu untersuchen gehabt."

b) Die Bundesregierung bestreitet das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen: Es mangle dem OGH wegen fehlender Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesvorschrift an der Antragslegitimation nach Art89 Abs2 B-VG; das Begehren sei nicht ausreichend bestimmt und der Antrag nicht genügend begründet (§62 Abs1 VerfGG); schließlich liege (zum Teil) entschiedene Sache vor (§19 Abs3 Z2 litd VerfGG).

Sie begründet dies im einzelnen wie folgt:

"1. Aus der Sicht der Bundesregierung ist zunächst die Frage zu stellen, ob der vom Obersten Gerichtshof als verfassungswidrig erachtete ArtI des BG über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern, BGBl. Nr. 660/1977, vom antragstellenden Gericht in den Verfahren, die seinen auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Anträgen zugrundeliegen, überhaupt anzuwenden ist.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung sieht insoferne eine Änderung des §6 der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung vom 19. April 1919, StGBl. Nr. 241, betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) - im folgenden kurz VA - vor, als dieser Bestimmung der Vollzugsanweisung die Abs3 und 4 anzufügen sind. Die vom Obersten Gerichtshof anzuwendende Vorschrift ist daher wohl in Wirklichkeit nicht dieser die Novellierungsanordnung enthaltende ArtI selbst, sondern vielmehr §6 Abs3 und 4 VA in der Fassung des ArtI des BG BGBl. Nr. 660/1977.

Nach Ansicht der Bundesregierung steht daher im Hinblick auf Art89 Abs2 B-VG die Präjudizialität der vom Obersten Gerichtshof als verfassungswidrig erachteten Vorschrift nicht außer Frage.

Im übrigen darf nach Ansicht der Bundesregierung auch in grundsätzlicher Hinsicht nicht übersehen werden, daß ein an den VfGH gerichteter Antrag, eine Novellierungsanordnung als solche, nicht jedoch die in diesem Sinne novellierte Gesetzesbestimmung selbst als verfassungswidrig aufzuheben, in ein Spannungsverhältnis zu Art140 Abs6 B-VG treten kann: Nach dem ersten Satz dieser Verfassungsbestimmung ist nämlich der VfGH dazu berufen auszusprechen, ob frühere gesetzliche Bestimmungen wieder in Wirksamkeit treten oder nicht. Es stellt sich nun die Frage, ob nicht diese Zuständigkeit des VfGH durch den ggst. Anträgen entsprechende Gesetzesprüfungsanträge im Einzelfall unterlaufen werden könnte.

2. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die ggst. Gesetzesprüfungsanträge auch den Bestimmtheitserfordernissen gemäß §62 Abs1 VerfGG 1953 nicht gerecht werden können. Was das Fehlen der gesetzlich geforderten ausreichenden Bestimmtheit des Begehrens und einer ausreichenden Begründung dafür, warum sich die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gegen diese Bestimmung der Vollzugsanweisung, sondern gegen ArtI des BG BGBl. Nr. 660/1977 richten sollen, anlangt, weist die Bundesregierung insbesondere auf das Erkenntnis VfSlg. 8552/1979 hin, in dem festgehalten wird, daß der VfGH nicht befugt ist, aufgrund von Vermutungen darüber, welche Gesetzesbestimmungen von den Antragstellern gemeint sind, Gesetzesvorschriften einer Prüfung zu unterziehen.

3. Geht man jedoch davon aus, daß die Anträge des Obersten Gerichtshofes zwar ausdrücklich ArtI des BG BGBl. Nr. 660/1977 nennen, in Wirklichkeit aber auf §6 Abs3 und 4 VA gerichtet sein sollen, so wären die Anträge des Obersten Gerichtshofes jedenfalls hinsichtlich §6 Abs3 VA gemäß §19 Abs3 Z2 litd VerfGG 1953 zurückzuweisen.

Der VfGH hat sich nämlich bereits im Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 mit §6 Abs3 VA befaßt und festgestellt, daß diese Bestimmung dem Art18 B-VG entspricht. An diese, in einem Gesetzesprüfungsverfahren ausgesprochene Ansicht ist der VfGH nach seiner Judikatur (vgl. VfSlg. 9186/1981 und die dort zitierte Vorjudikatur) infolge Eintrittes der Rechtskraft gebunden: 'Eine neuerliche Auseinandersetzung mit denselben Bedenken ist daher ausgeschlossen'. In dem dem Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 zugrundeliegenden Verfahren hat zwar die Steiermärkische Landesregierung hinsichtlich der geäußerten Bedenken nicht dieselben Formulierungen verwendet wie der Oberste Gerichtshof in den drei gegenständlichen Anträgen, hat aber durch die Wendung 'Ebenso überläßt es das Gesetz der Vollziehung, die Zahlungsmodalitäten festzulegen.' inhaltlich identische Einwände vorgebracht. Unter dem umfassenden Begriff 'Zahlungsmodalitäten' kann im gegebenen Zusammenhang nicht nur die Festlegung der Zahlungstermine und eventueller Raten verstanden werden, vielmehr umfaßt dieser Begriff alle mit der Bezahlung der Entgelte zusammenhängenden Modalitäten, so auch die Art der Vorschreibung (etwa durch Bescheid oder durch einfache Zahlungsaufforderung), die Art der Geltendmachung des Anspruches im Falle einer Zahlungsverweigerung und im Falle des Zahlungsverzuges, usw. Wenn also der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 die hinreichende Bestimmtheit dieser Regelungen festgestellt hat, so bezieht sich dies wohl auch auf die Regelung der Vollziehung bzw. die Regelung der zur Vollziehung berufenen Organe in §6 Abs3 VA.

Diese Auffassung stützt sich im übrigen auch auf das Erkenntnis VfSlg. 10083/1984 (richtig: 10038/1984): In diesem Erkenntnis hat der VfGH unter anderem §10 Abs4 und 5 der V des Landeshauptmannes von Steiermark über die Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung von Tierkörpern und Tierkörperteilen, LGBl. Nr. 90/1979, geprüft und dabei festgestellt, daß diese, die unmittelbare Abrechnung der Entgelte zwischen den einschlägigen Betrieben und der Tierkörperverwertungsanstalt normierende Bestimmung dem §6 Abs3 VA entspricht."

c) Der VfGH hat zu den Prozeßvoraussetzungen erwogen:

aa) Die Anträge des OGH richten sich ihrem Wortlaut nach gegen den ArtI der Nov. 1977 zur Vollzugsanweisung.

Mit dieser Nov. wurden durch ArtI dem §6 der Vollzugsanweisung die Absätze 3 und 4 (neu) angefügt. Derartige oder auch nur ähnliche Regeln enthielt die Vollzugsanweisung bisher nicht. ArtI erschöpft sich also darin, Vorschriften (neu) einzuführen, die keine Vorgängerbestimmung haben. Zumindest unter dieser Voraussetzung ist es gleichgültig, ob "ArtI der Nov. 1977" oder aber "§6 Abs3 und 4 der Vollzugsanweisung idF der Nov. 1977" angefochten wird. Ob für den Fall, daß die vorgebrachten Bedenken zutreffen, die Aufhebung mit der einen oder mit der anderen Wendung erfolgt, läuft nämlich im normativen Gehalt auf dasselbe hinaus.

Dann aber besteht kein Anlaß zu zweifeln, daß der OGH in den bei ihm anhängigen Verfahren diese Gesetzesstellen anzuwenden hat, um zu klären, ob überhaupt der ordentliche Rechtsweg zur Geltendmachung der Klagsansprüche beschritten werden kann. Die bekämpften Gesetzesbestimmungen sind mithin präjudiziell in der Bedeutung der Art89 Abs2 und 140 Abs1 B-VG. Der OGH ist zu ihrer Anfechtung legitimiert.

bb) Damit ist auch der Einwand der Bundesregierung widerlegt, daß das Begehren des Antragstellers nicht genügend bestimmt sei und die hiefür gegebene Begründung nicht hinreiche.

cc) Schließlich trifft auch die Meinung der Bundesregierung nicht zu, daß der VfGH mit Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 über die vom OGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des §6 Abs3 der Vollzugsanweisung vorgebrachten Bedenken bereits rechtskräftig entschieden habe.

Der VfGH wäre nämlich wegen rechtskräftig entschiedener Sache nur dann gehindert, sich mit den in diesem Gesetzesprüfungsverfahren vorgetragenen Bedenken auseinanderzusetzen, wenn er über dieselben Bedenken schon einmal in einem anderen Gesetzesprüfungsverfahren abgesprochen hätte (vgl. zB VfSlg. 9186/1981).

Zwar ging es in dem mit Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 abgeschlossenen ebenso wie in diesem Gesetzesprüfungsverfahren um das Bedenken, daß §6 Abs3 der Vollzugsanweisung dem Legalitätsprinzip des Art18 B-VG widerspreche. Die damals für diese behauptete Verfassungswidrigkeit vorgebrachten Gründe waren aber andere als die nun vom OGH vorgebrachten Bedenken. Die seinerzeit zu erörternden, gegen §6 Abs3 der Vollzugsanweisung gerichteten Bedenken waren dahin umschrieben, daß diese Gesetzesvorschrift keinerlei Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage für das Entgelt und die Zahlungsmodalitäten enthalte; der VfGH erachtete diese Bedenken als nicht zutreffend (VfSlg. 9897/1983, S 579 f.). Die in den vorliegenden Gesetzesprüfungsanträgen vom OGH geäußerten Bedenken zielen in eine andere Richtung, nämlich dahin, daß es §6 Abs3 der Vollzugsanweisung offen lasse, ob die hier vorgesehene Pflicht zur Leistung eines "Entgeltes" im ordentlichen Rechtsweg oder im Verwaltungsweg geltend zu machen ist. Es handelt sich sohin um ein im Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 nicht erörtertes Problem, sodaß keine rechtskräftige Entscheidung den VfGH daran hindert, über den nunmehr vorliegenden Antrag zu entscheiden.

Das von der Bundesregierung weiters erwähnte hg. Erkenntnis VfSlg. 10038/1984 erging in einem Verordnungsprüfungsverfahren und kann daher für dieses Gesetzesprüfungsverfahren von vornherein keine Bindungswirkung entfalten.

dd) Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsanträge zulässig.

2. Zur Sache selbst

a) Der OGH umschreibt seine Bedenken gegen die zur Prüfung beantragten Gesetzesbestimmungen wie folgt:

"Mit der VA hat der Bundesgesetzgeber aus veterinärpolizeilicher Zielsetzung (§1 Abs1 und 2) unter anderem die nach der Schlachtung zum menschlichen Genusse für untauglich befundenen ganzen Tiere oder Tierteile sowie die Schlachtungsabfälle, soweit diese nicht direkt anderweitig für industrielle Zwecke oder als Dünger Verwendung finden (§3 Abs1 b), einerseits einem Ablieferungszwang der Besitzer (§3 Abs1) und andererseits einer Abnahmepflicht durch die Verwertungsanstalt (§2) unterworfen. Dabei hat der Bundesgesetzgeber die Landesregierung (nun den Landeshauptmann VfSlg. 7670) berufen, 'nähere Bestimmungen über die Anzeige, Verwahrung und Zufuhr der abzuliefernden Gegenstände zu treffen' (§6 Abs1) und 'das Entgelt für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der abzuliefernden Gegenstände in einem kostendeckend begrenzten Entgelttarif durch V festzulegen' (§6 Abs3 Satz 1). Die Leistungspflicht trifft die Besitzer der dem Ablieferungszwang unterworfenen Gegenstände (§6 Abs4).

Der Gesetzgeber nimmt es hin, daß der Verordnungsgeber eine einzige Anstalt für das Gebiet seines Bundeslandes oder auch mehrere Anstalten für bestimmte Teile des Landesgebietes mit einem Monopol ausstattet, wie dies unter anderem auch in der Steiermark erfolgte. In einem solchen Fall bleibt einem Unternehmer für die Fremdentsorgung der Schlachtungsabfälle nicht der geringste Rest einer privatautonomen Gestaltung, ob, wann, durch wen und mit welchem Aufwand er die Entsorgung vornehmen lassen wollte.

In der Stammfassung aus dem Jahre 1919 wies der Gesetzgeber nach dem zweiten Halbsatz des §6 Abs1 VA den Verordnungsgeber an, 'die allfällige Vergütung für abgelieferte Gegenstände sowie die Gebühren für die Abholung und Verarbeitung festzusetzen'. Diese Gesetzesstelle, die der VfGH noch in seinem Erkenntnis vom 22. Oktober 1975, V18/75, VfSlg. 7.670 als dem Rechtsbestand angehörig unterstellte, erklärte er in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 1976, G14/76, VfSlg. 7.936 wegen einer bloß formalgesetzlichen Delegation als nicht in die vom Bundes-Verfassungsgesetz beherrschte Rechtsordnung übernommen. Wenn auch nach dieser Rechtsprechung des VfGH keine gleichzeitige Verwendung der Ausdrücke 'Gebühren' und 'Entgelt' für die vom Unternehmer geschuldete Zahlung für die Fremdentsorgung von Schlachtungsabfällen anzunehmen ist, besteht doch nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, daß der Bundesgesetzgeber mit der Ergänzung der VA durch das BG vom 14. Dezember 1977, BGBl. Nr. 660, den Charakter der Rechtsbeziehung zwischen Anstalt und Unternehmer und die Eigenschaft der Geldleistung als einer öffentlich-rechtlichen Gebühr oder eines privatrechtlichen Entgeltes gegenüber der ursprünglichen Rechtslage zu ändern beabsichtigt hätte. Das nun im §6 Abs3 VA ausdrücklich festgelegte Kostendeckungsprinzip kann als Indiz gegen eine privatwirtschaftlich aufzufassende Tätigkeit der Anstalt (mag sie auch gemäß §1 Abs3 VA Regelungen der Gewerbeordnung unterliegen) gesehen werden.

Aus der gesetzlich geregelten Art der Rechtsbeziehung zwischen Anstalt und Unternehmer ergeben sich nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes keine zwingenden Schlüsse auf das Vorliegen einer bürgerlichen Rechtssache einerseits oder einer Verwaltungssache andererseits. Eine positive Verweisung der Rechtsverfolgung des Entgeltanspruches auf den gerichtlichen oder auf den Verwaltungsweg fehlt.

Die Unsicherheit über den vom Gesetzgeber angeordneten Weg der Rechtsverfolgung wurde durch die Überleitungsregelung nach ArtII des BG vom 14. Dezember 1977, BGBl. Nr. 660, objektiv aus folgenden Gründen nur noch gesteigert:

Der Burgenländische Verordnungsgeber hat in seiner V vom 30. Dezember 1975, LGBl. Nr. 3/1976, in einer an Eindeutigkeit und Klarheit nicht zu überbietenden Weise die von ihm festgesetzten Bauschgebühren als öffentlich-rechtliche Gebühren erklärt und die Vorschreibung durch die Bezirksverwaltungsbehörde sowie die Einbringung rückständiger Gebühren im Verwaltungsweg angeordnet.

Der Ober-Österreichische Verordnungsgeber hat in seiner V vom 10. Dezember 1964, LGBl. Nr. 68, in unterscheidender Weise einerseits eine Vorschreibung und Einhebung der von den Gemeinden zu entrichtenden Gebühren durch den Landeshauptmann und andererseits eine 'Bekanntgabe' der von den Unternehmern zu entrichtenden Benützungsentgelte durch die Anstalt angeordnet.

Der Salzburger Verordnungsgeber hat in seiner V vom 8. Oktober 1973, LGBl. Nr. 123, die Anstalt 'ermächtigt, Entgelte zu verrechnen', und diese Entgelte festgelegt.

In der letztgenannten Regelung des Salzburger Verordnungsgebers sind überwiegende Anhaltspunkte dafür vorhanden, die Zahlungspflicht als im Rahmen einer privatrechtlichen Beziehung gelegen aufzufassen. Bei dieser Auffassung müßte dem Bundesgesetzgeber unterstellt werden, daß er in Ausführung seiner VA als räumlich begrenzt wirksames Bundesrecht ohne erkennbare sachliche Unterscheidungsgründe unterschiedliche Anordnungen über die Ausgestaltung und Verfolgung des Anspruches der Verwertungsanstalt gegen die Unternehmer auf Entgelt für die Sonderentsorgung auf dem Verwaltungsweg einerseits und auf dem Rechtsweg andererseits in Wirksamkeit gesetzt habe.

Dies gestattete aber wieder Rückschlüsse auf seine Regelungsabsicht in der VA selbst, daß nämlich dem Bundesgesetzgeber die Ausgestaltung des Anspruches und der Anspruchsverfolgung durch den Verordnungsgeber in jeder in Betracht zu ziehenden Weise (gerichtlich oder verwaltungsrechtlich) gleichwertig erschienen wäre. Dies aber erweckt Bedenken gegen die hinreichende Vorausbestimmung der gesetzlichen Regelung über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern nach den Absätzen 3 und 4 des §6 VA.

Die offenkundig unterschiedlichen Auffassungen der Verordnungsgeber in den einzelnen Bundesländern bestärken den Obersten Gerichtshof in seinen Zweifeln an der hinreichenden Vorausbestimmung des §6 VA in dessen Absätzen 3 und 4, weil eine eindeutige Verweisung der Anspruchsverfolgung auf den gerichtlichen oder auf den Verwaltungsweg fehlt und auch aus der Gesamtheit der Regelung mit der erforderlichen Sicherheit nicht erschließbar ist.

Diese Zweifel an einer dem Gebot des Art18 Abs2 iVm Art94 B-VG entsprechenden gesetzlichen Regelung in den Absätzen 3

und 4 des §6 VA lassen diese als verfassungswidrig ........

erscheinen. ........"

b) Die Bundesregierung weist in Pkt. 1 ihrer Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 (s.o. III.1.a und c.cc) hin; darin habe der VfGH dargetan, daß §6 Abs3 und 4 der Vollzugsanweisung nicht in Widerspruch zu Art18 B-VG stehe. Sodann fährt die Bundesregierung fort:

"2. Nach der Judikatur des VfGH wird Art94 B-VG durch ein Gesetz dann verletzt, wenn eine Materie nicht zur Gänze entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zur Vollziehung zugewiesen wird (vgl. etwa VfSlg. 2902/1955). Die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes gehen in diese Richtung, wenn gegen §6 Abs3 und 4 VA der Vorwurf erhoben wird, daß in dieser Bestimmung 'eine positive Verweisung der Rechtsverfolgung des Entgeltanspruches auf den gerichtlichen oder auf den Verwaltungsweg fehlt'.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist auch dieser Vorwurf unbegründet. Zunächst ist auf die Erkenntnisse VfSlg. 3550/1959 und 3937/1961 zu verweisen, in denen der VfGH den Begriff 'Entgelt' - der in der angefochtenen Bestimmung verwendet wird als einen solchen privatrechtlichen Charakters kennzeichnet. Daraus folgt aber, daß es sich beim Entgeltanspruch um eine bürgerliche Rechtssache handelt, die gemäß §1 der Jurisdiktionsnorm, RGBl. Nr. 111/1895, den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist. Bei diesem Verständnis ist ein Verstoß gegen Art94 B-VG von vornherein ausgeschlossen.

3. Aber selbst dann, wenn man mit MAYER, Das Programmentgelt des Österreichischen Rundfunks, ÖJZ 1975, 477f, den Standpunkt einnimmt, aus dem Wort Entgelt könne die Einordnung dieser Einrichtung in das bürgerliche Recht bzw. in das öffentliche Recht nicht vorgenommen werden, kommt man zu demselben Ergebnis. In diesem Fall wäre nämlich die Rechtsnatur des 'Entgelts' anhand der einschlägigen Bestimmungen der Vollzugsanweisung zu beurteilen, wobei aber nicht nur von §6 Abs3 und 4 VA allein ausgegangen werden kann, zumal der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 9897/1983 'diese Methode der isolierten Betrachtungsweise' als verfehlt erachtet hat.

Zunächst ist festzuhalten, daß aus dem Umstand, daß das Entgelt gesetzlich geregelt wird bzw. eine Verordnungsermächtigung zur Festsetzung eines Entgelttarifes in der Vollzugsanweisung enthalten ist, allein nichts gewonnen werden kann (vgl. dazu MAYER, aaO., 478, der betont, 'der Rechtsinhalt besagt nämlich grundsätzlich nichts über die Erzeugungsform', sowie die bei RILL, Grundfragen des Österreichischen Preisrechts, ÖZW 1974, 100ff, zitierten Bestimmungen, die alle offenkundig privatrechtliche Tarife vorsehen).

Aus der Bezeichnung 'Tierkörperverwertungsanstalten' läßt sich ebenfalls nichts gewinnen, da - wie der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 7717/1975 festgestellt hat - aus dieser Bezeichnung nicht auf die Rechtsqualität der von der Anstalt ausgehenden Akte geschlossen werden kann.

Nach der Judikatur des VfGH kommt es vielmehr darauf an, ob das Gesetz der 'Anstalt' eine (spezielle) hoheitliche Befugnis ausdrücklich zuerkennt (vgl. VfSlg. 7717/1975). Weiters ist ein hoheitliches Vorgehen nur dann zulässig, wenn vom Gesetz die Befugnis zu einem solchen Vorgehen deutlich erkennbar eingeräumt ist (vgl. VfSlg. 4957/1965 unter Hinweis auf VfSlg. 4174/1962).

Im vorliegenden Fall wurde nun in der Vollzugsanweisung den Tierkörperverwertungsanstalten weder eine die Entgelte betreffende hoheitliche Befugnis ausdrücklich eingeräumt noch ein hoheitliches Vorgehen einer bestimmten Behörde zugunsten der Tierkörperverwertungsanstalten ausdrücklich ('deutlich erkennbar') vorgesehen. Eine 'Anspruchsverfolgung' im Verwaltungweg ist daher im gegebenen Zusammenhang gesetzlich nicht vorgesehen und somit unzulässig. Daraus folgt aber, daß einerseits den Tierkörperverwertungsanstalten somit nur die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges offensteht, und daß andererseits die Annahme des Obersten Gerichtshofes, 'aus der gesetzlich geregelten Art der Rechtsbeziehung zwischen Anstalt und Unternehmen ergeben sich ... keine zwingenden Schlüsse auf das Vorliegen einer bürgerlichen Rechtssache einerseits oder einer Verwaltungssache andererseits' im Lichte der Judikatur des VfGH nicht zutrifft. Damit ist aber auch ein Verstoß der prüfungsgegenständlichen Bestimmung des §6 Abs3 und 4 VA gegen Art94 B-VG ausgeschlossen.

An diesem Ergebnis können auch die in den Anträgen des Obersten Gerichtshofes zitierten abweichenden Regelungen, etwa in der V des Landeshauptmannes von Burgenland über die unschädliche Beseitigung und Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten, LGBl. 3/1976, oder andere Verordnungsbestimmungen, die eine hoheitliche Entgeltvorschreibung vorsehen, nichts ändern, zumal bestehende Regelungen auf Verordnungsstufe kein Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit eines BG sein können. Vielmehr scheinen solche Verordnungen dem §6 Abs3 und 4 VA nicht zu entsprechen und damit im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG problematisch zu sein."

c) Der VfGH hat in der Sache zu den Gesetzesprüfungsanträgen erwogen:

Die Bedenken des OGH gehen - zusammengefaßt - dahin, ArtI der Nov. BGBl. 660/1977 lasse es offen, ob die Entgeltansprüche im gerichtlichen oder im Verwaltungsweg geltend zu machen sind.

aa) Dieser Vorwurf ist nun - entgegen der Ansicht des OGH - aus Art94 B-VG nicht ableitbar. Diese Verfassungsnorm enthält nämlich den Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung; er bedeutet einerseits das Verbot an den einfachen Gesetzgeber, ein und dieselbe Behörde gleichzeitig als Gerichts- und als Verwaltungsbehörde einzurichten, andererseits das Gebot, eine Angelegenheit, und zwar zur Gänze, zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen (vgl. zB VfSlg. 2902/1955). Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen enthalten nun offenkundig keine Regelung, die dem Trennungsgrundsatz widerstreitet.

bb) Wohl aber trifft die Ausgangsposition des OGH insofern zu, als die Bundesverfassung (Art18 B-VG) den Gesetzgeber verpflichtet, die Behördenzuständigkeit präzise zu regeln. Insbesondere muß aufgrund des Gesetzes die Frage zu beantworten sein, ob die Gerichte oder die Verwaltungsbehörden zur Vollziehung berufen sind.

cc) Der OGH geht auch richtig davon aus, daß die Vollzugsanweisung weder im §6 Abs3 und 4 noch an anderer Stelle eine ausdrückliche Bestimmung darüber enthält, ob die Entgeltansprüche der Anstalt im Zivilrechtsweg oder im Verwaltungsweg geltend zu machen sind.

Es ist daher zu untersuchen, ob es andere Auslegungsmethoden erlauben, aus der Vollzugsanweisung im Zusammenhalt mit der übrigen Rechtsordnung Erkenntnisse über die Kompetenz zu Entscheidungen in den hier wesentlichen Entgeltfragen zu gewinnen.

dd) Nach der Judikatur des VfGH (VfSlg. 4174/1962, 4957/1965) ist eine Gemeinde (gleiches gilt auch für eine Anstalt) nur dann berechtigt, bei der Erhebung von Geldleistungen für die Benützung ihrer Einrichtungen hoheitlich vorzugehen, wenn das Gesetz die Befugnis zu einem solchen Vorgehen deutlich erkennbar einräumt. Davon kann hier keine Rede sein. Das Gesetz sieht also nicht den Verwaltungsweg vor.

Vielmehr handelt es sich - wie in der Folge nachgewiesen wird - um eine "bürgerliche Rechtssache", die gemäß §1 der Jurisdiktionsnorm den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zugewiesen ist.

Dafür spricht schon die Entstehungsgeschichte der Vollzugsanweisungs-Nov., BGBl. 660/1977. Wenngleich die parlamentarischen Materialien (Initiativantrag II-2838 BlgNR, XIV. GP; AB 683 BlgNR XIV. GP) zu dieser Frage direkt nichts aussagen, ergibt sich doch aus der Wortmeldung des Abg. Breiteneder anläßlich der Debatte in der 78. Sitzung des Nationalrates vom 14. Dezember 1977 (S 7578), daß zumindest dieser Redner - unwidersprochen - davon ausgegangen ist, daß die "Entgelte" "durch Exekution und Gerichte einzubringen" sind.

Der Begriff "Entgelt" kennzeichnet im allgemeinen - wie in den Erkenntnissen VfSlg. 3550/1959 und 3937/1961 dargetan wurde - den darauf gerichteten Anspruch als solchen privatrechtlichen Charakters (als bürgerliche Rechtssache).

Der Umstand, daß die "Entgelte" dem §6 Abs3 der Vollzugsanweisung zufolge durch V des Landeshauptmannes festzulegen sind, läßt keinen Schluß darauf zu, daß diese Entgeltansprüche nicht privatrechtlicher Natur wären (s. Mayer,

Das Programmentgelt des Österreichischen Rundfunks, ÖJZ 1975, 477 f.; vgl. auch Rill, Grundfragen des österreichischen Preisrechts, ÖZW 1974, 100 ff.). Daran ändert nichts, daß sich die Höhe des Entgeltes nach dem für Gebühren geltenden Äquivalenzprinzip zu richten hat (vgl. VfSlg. 9897/1983, S 580).

Aus dem Wort "Entgelt" allein kann allerdings das Problem nicht gelöst werden (vgl. Mayer, a.a.O.; siehe Erk. VfSlg. 3389/1958 und

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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