TE Vwgh Erkenntnis 1965/10/22 0045/64

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Veröffentlicht am 22.10.1965
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1953 §23 Abs1 Z1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der R F in W, vertreten durch Dr. Josef Schweighofer, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntnerstraße 37, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich, und Burgenland, Berufungssenat, vom 28. Oktober 1963, Zl. VI-2988/63, betreffend Einkommensteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Josef Schweighofer, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrates Dr. L S, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

In einer Niederschrift vom 9. Oktober 1962 gab die Beschwerdeführerin beim Finanzamt bekannt, sie habe im April 1959 gegen Bezahlung eines Betrages von S 40.000,-- die Hauptmietrechte an einer Wohnung in Wien I erworben. Später habe sich herausgestellt, dass in der Wohnung größere Reparaturen und Installationen durchzuführen waren, weshalb sie die Wohnung wieder aufgeben wollte. Nachdem sie drei oder vier Monate die Miete für die Wohnung entrichtet hatte, sei sie vom Verwalter des Hauses mit einem Herrn bekannt gemacht worden, der ihr für die Abtretung der Hauptmietrechte an der Wohnung S 110.000,-- bezahlte. Das Finanzamt erließ für das Jahr 1959 einen Einkommensteuerbescheid, mit welchem es unter Berufung auf § 23 EStG den Betrag von S 70.000,-- für den "Verkauf der Hauptmietrechte" als Spekulationsgewinn besteuerte. Gegen den Bescheid wurde Berufung erhoben und eingewendet, es liege kein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG vor. Ein solches setze eine Anschaffung und eine Veräußerung voraus. In ihrem Fall sei aber überhaupt kein Wirtschaftsgut angeschafft worden. Der von ihr bezahlte Ablösebetrag werde bei der Hausinhabung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung besteuert. Demgemäß stelle der Betrag bei ihr eine Mietzinszahlung dar. Der Mieter habe kein Wirtschaftsgut angekauft, sondern nur für den ersten Bestandmonat einen sehr hohen Mietzins bezahlt. Der Fall liege also ganz anders, als wenn eine Sache angeschafft worden wäre, die unter den Begriff Wirtschaftsgut einzuordnen ist. Dies ergebe sich schon aus der Tatsache, dass im Fall ihres und ihres Ehegatten Ableben die Erben nicht berechtigt wären, die Wohnung beizubehalten, was beweise, dass diesen ein Wirtschaftsgut "nicht zugekommen wäre". Es werde nochmals darauf verwiesen, dass es sich nicht um Wohnungseigentum, sondern um die Erlangung eines Mietvertrages an einer dem Mietengesetz unterliegenden Wohnung gehandelt habe. Sowenig es sich also um eine Anschaffung im Sinne des Gesetzes handelte, sei auch eine Veräußerung, die zweite Voraussetzung, eines Spekulationsgeschäftes, gegeben, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, ein ihr Eigentum darstellendes Wirtschaftsgut zu veräußern. Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, in der es darauf hinwiese, dass Mietrechte gemäß § 298 ABGB einer beweglichen Sache gleichgestellt würden und der Erwerb und Verkauf der Mietrechte innerhalb der Frist des § 23 EStG erfolgte. Die Beschwerdeführerin begehrte die Entscheidung der belangten Behörde, die der Berufung teilweise stattgab und die für die Monate September bis Dezember 1959 bezahlten Mietzinse von S 1409,-- als Werbungskosten anerkannte, im übrigen die Berufung aber abwies. In der Begründung wurde ausgeführt, Hauptmietrechte an einer Wohnung stellten ein zum Privatvermögen gehöriges Wirtschaftsgut dar. Die Ablöse werde bezahlt, um den Hauseigentümer zum Abschluss eines neuen Mietvertrages zu veranlassen. Sie setze daher die Begründung eines neuen Bestandvertrages voraus, während der laufende Mietzins auf Grund eines bereits bestehenden Mietverhältnisses bezahlt werde. Der Umstand, dass eine vom Hauseigentümer vereinnahmte Ablöse bei ihm eine Mieteinnahme bilde, hindere nicht, dass das durch den Ablösebetrag erworbene Mietrecht ein Wirtschaftsgut im Sinne des Einkommensteuergesetzes bilde. Bezüglich der Veräußerung sei zu bemerken, dass der Ablösebetrag von S 110.000,-- der Beschwerdeführerin und nicht der Hausinhabung zugeflossen sei. Es bestünden keine Bedenken, auch Mietrechte als bewegliche Sache gemäß § 298 ABGB zu beurteilen. Ein bei der Veräußerung eines privaten Wirtschaftsgutes erzielter Gewinn aus Spekulationsgeschäften sei aber gemäß § 23 Abs. 1 EStG steuerpflichtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Zu den sonstigen Einkünften gehören nach § 22 Z. 2 EStG auch Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Spekulationsgeschäfte sind nach § 23 desselben Gesetzes Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Erbpachtrecht, Mineralgewinnungsrecht), nicht mehr als 5 Jahre,

b) bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, nicht mehr als 1 Jahr.

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, im Streitfall liege ein Wirtschaftsgut überhaupt nicht vor, sodass auch weder eine Anschaffung noch eine Veräußerung erfolgen konnte.

Diese Ansicht wird der im Abgabenrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die den wahren wirtschaftlichen Inhalt der Vorgänge der Besteuerung zu Grunde zu legen hat, nicht gerecht. Der Begriff "Wirtschaftsgut" ist schon durch die Rechtsprechung des ehemaligen Reichsfinanzhofes für die Einkommensteuer zunächst im Zusammenhang mit § 4 EStG entwickelt und dann in das Einkommensteuergesetz 1934 übernommen worden. Der Begriff umfasst nach der Begründung Gegenstände, Rechte und wirtschaftliche Werte aller Art (vgl. Hermann-Heuer, 10. Auflage E S. 162). Wirtschaftsgüter sind also alle im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbare Güter jeder Art, nicht bloß Sachen (körperliche Gegenstände), sondern auch rechtliche und tatsächliche Zustände, also solche Güter, bei denen eine wirtschaftliche Ausnutzung möglich ist (vgl. Blümich, Einkommensteuergesetz, 5. Auflage, S. 80). Diesem in demselben Gesetz im § 23 ebenfalls verwendeten Begriff wird aber dort ein anderer Inhalt nicht gegeben werden können.

Die auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft herrschenden rechtlichen und in der Folge tatsächlichen Verhältnisse bringen es mit sich, dass sehr oft für die Überlassung des Rechtes, eine den Vorschriften des Mietengesetzes unterliegende Wohnung als Mieter zu nutzen, ein je nach den Umständen verschieden hoher Preis neben der normalen Miete bezahlt wird. In den Fällen, wo der Hauseigentümer im Zusammenhang mit der Wiedervermietung einer unter Mieterschutz stehenden Wohnung diesen Preis vereinnahmt, stellt er bei ihm Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beim Neumieter einen zunächst einkommensteuerrechtlich neutralen Aufwand dar. Die wirtschaftliche Selbständigkeit dieses entgeltlich oder unentgeltlich erworbenen Rechtes auf Innehabung einer Mieterschutzwohnung zeigt sich aber, wenn der Mieter sich dieses Rechtes und der damit verbundenen Vorteile begibt und sich dafür etwas bezahlen lässt. Unter diesen Umständen muss tatsächlich das Vorhandensein eines Wirtschaftsgutes im oben erläuterten Sinn angenommen werden, das erworben und veräußert werden kann. Dass sowohl die Erwerbung als auch die Veräußerung, also die wirtschaftliche Verwertung dieses Rechtes, nur im Zusammenwirken mit dem Eigentümer des Hauses, in dem das Mietobjekt sich befindet, geschehen kann, weil ja der Mietvertrag selbst nur mit diesem abgeschlossen werden kann, ist dabei nicht von Bedeutung. Ebenso wenig die Frage der Bewertbarkeit des Wirtschaftsgutes nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Das anlässlich der Aufgabe von Mietrechten durch eine Privatperson von dieser empfangene Entgelt ist zunächst einkommensteuerlich gleichfalls unbeachtlich.

Wenn aber zwischen Anschaffung und Veräußerung eines als Wirtschaftsgut anzusehenden Rechtes an einer Mieterschutzwohnung durch den Mieter ein Zeitraum von nicht mehr als einem Jahr liegt, entstehen bei dem Mieter sonstige Einkünfte aus einem Spekulationsgeschäft. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Behörde hat daher mit Recht eine Besteuerung nach § 22 Z. 2 und § 23 Abs. 1 Z. 1 lit. b EStG vorgenommen.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 1965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1965:1964000045.X00

Im RIS seit

28.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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