TE Vwgh Erkenntnis 1970/2/6 1205/68

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Veröffentlicht am 06.02.1970
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Index

L10011 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Burgenland;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs4;
AVG §71 Abs4;
B-VG Art119a Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
GdO Bgld 1965 §77;
GdO Bgld 1965;
VwGG §39 Abs2 litd;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Hofstätter, Kobzina und Dr. Straßmann als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. Baran über die Beschwerde des BE, des JW, des FK, des JT, des FR, des FX, des JS, des EW, der RF, des FF, des HS, des JX und des PF, alle in O, alle vertreten durch Dr. Gerald Mader, Rechtsanwalt in Mattersburg, Michael Koch-Straße 18 b, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 27. Juni 1968, Zl. II-0-3/2-1967 (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde Oggau, vertreten durch Dr. Walter Langer, Rechtsanwalt in Eisenstadt, Neusiedlerstraße-Krautgartenweg 1), betreffend einen Wiedereinsetzungsantrag in Angelegenheit einer Kanalanschlussgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 1.045,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Den Beschwerdeführern waren mit Bescheiden des Bürgermeisters von Oggau vom 9. Mai 1967 auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967, der Landesabgabenordnung vom 21. Dezember 1962, LGBl. Nr. 2/1963, und des Gemeinderatsbeschlusses der Gemeinde Oggau vom 23. April 1967, Zl. 12, für ihre Liegenschaften Kanalanschlussgebühren vorgeschrieben worden. Gegen diese Bescheide hatten die Beschwerdeführer Berufung erhoben. Die Berufung wies der Gemeinderat mit Beschluss vom 24. Juli 1967, Zl. 18/1967, ab, und das Gemeindeamt Oggau fertigte darüber den vom Bürgermeister gezeichneten Bescheid vom 28. Juli 1967 aus. In der Rechtsmittelbelehrung hatte es wörtlich geheißen:

"Gemäß § 215 der Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963, ist gegen diesen Bescheid ein ordentliches Rechtsmittel nicht

mehr zulässig."

Am 30. August 1967 brachten die Beschwerdeführer bei der Gemeinde Oggau einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG ein, mit der Begründung, in der vorerwähnten Rechtsmittelbelehrung sei fälschlich die Unzulässigkeit eines ordentlichen Rechtsmittels behauptet worden, obwohl nach § 77 der Burgenländischen Gemeindeordnung das Rechtsmittel der Vorstellung offen stehe. Mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde zugleich die Vorstellung gegen den Berufungsbescheid vom 28. Juli 1967 eingebracht.

Den Wiedereinsetzungsantrag wies der Gemeinderat mit Beschluss vom 3. September 1967 ab, und der Bürgermeister fertigte darüber den Bescheid des Gemeindeamtes Oggau vom 14. September 1967 aus. Dies mit der Begründung, die Rechtsmittelbelehrung habe dem § 215 der Landesabgabenordnung entsprochen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer dieVorstellung, worin sie den Standpunkt vertraten, die Vorstellung nach § 77 der Burgenländischen Gemeindeordnung sei als ordentliches Rechtsmittel anzusehen. Daher sei die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid vom 28. Juli 1967 unrichtig gewesen.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Juni 1968 gab die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung der Vorstellung auf Grund des § 79 Abs. 3 und § 77 Abs. 5 des Verfassungsgesetzes vom 1. Dezember 1965, LGBl. Nr. 37 (Burgenländische Gemeindeordnung), unter Anwendung des § 71 Abs. 1 lit. b (offenbar: AVG 1950) keine Folge. Dabei stellte sich auch die Aufsichtsbehörde auf den Standpunkt, die in der Burgenländischen Gemeindeordnung vorgesehene Vorstellung an die Aufsichtsbehörde sei nicht als ordentliches Rechtsmittel anzusehen, weshalb die seinerzeitige Rechtsmittelbelehrung der objektiven Rechtslage entsprochen habe.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und als Beschwerdepunkt die Verletzung des Rechtes auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezeichnet.

Da die belangte Behörde gemäß § 77 Abs. 5 und § 79 Abs. 3 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, in erster und gemäß § 87 Abs. 3 dieses Gesetzes zugleich in letzter Instanz einschritt, ist der Instanzenzug erschöpft.

Die Beschwerde vertritt den Standpunkt, die Vorstellung sei deswegen als ordentliches Rechtsmittel anzusehen, weil es nicht darauf ankomme, ob die angerufene Behörde kassatorisch oder reformatorisch vorzugehen habe, sondern nur darauf, ob sich das Rechtsmittel gegen einen Verwaltungsakt richte, der noch nicht in formeller Rechtskraft erwachsen sei, und ob es den Parteien unter den gesetzlichen Voraussetzungen gegen jeden Bescheid regelmäßig zur Verfügung stehe, welche Voraussetzungen für die Vorstellung nach § 77 der Burgenländischen Gemeindeordnung zuträfen.

Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift den Standpunkt, es handle sich bei der Vorstellung deswegen um kein ordentliches Rechtsmittel, weil die Aufsichtsbehörde lediglich kassatorische Funktionen ausübe und die Vorstellung darüber hinaus grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung habe. Die Gemeinde Oggau als mitbeteiligte Partei hat gleichfalls eine Gegenschrift eingebracht und darin geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien schon deswegen nicht gegeben, weil man bei einem Rechtsanwalt die nötige Rechtskenntnis über die Möglichkeit, eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde zu erheben, voraussetzen müsse, weshalb ihn ein Verschulden daran treffe, die Frist für die Vorstellung versäumt zu haben, welches Verschulden die Beschwerdeführer zu vertreten hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Gerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 1969, Zl. 1645/67, mit der Frage auseinander gesetzt, wer in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zur Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag zuständig ist, wenn sich dieser Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Vorstellung an die Aufsichtsbehörde richtet. Der Gerichtshof ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass angesichts der in Art. 119 a Abs. 9 B-VG der Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren eingeräumten Parteistellung die Gemeinde bei Einbringung einer Vorstellung von einer weiteren behördlichen Tätigkeit im Vorstellungsverfahren ausgeschlossen sei, also auch von einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Vorstellung. (Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen; eine schriftliche Ausfertigung des bezogenen Vorerkenntnisses wird den Parteien zugestellt, wenn sie dies binnen zwei Wochen nach Zustellung des vorliegenden Erkenntnisses beantragen.) Von diesem Erkenntnis könnte der Senat gemäß § 13 Z. 1 VwGG 1965 nur nach seiner Verstärkung durch vier weitere Mitglieder abgehen. Mit dem Hinweis, dass in der durch das oben genannte Erkenntnis entschiedenen Rechtssache die Gemeindebehörden das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden hatten, in der vorliegenden Rechtssache aber die Landesabgabenordnung, lässt sich die Bindungswirkung nicht verneinen, weil die beiden Verfahrensordnungen in den in Betracht kommenden Bestimmungen nicht wesentlich abweichen. Da die als Aufsichtsbehörde einschreitende belangte Behörde die in der Unzuständigkeit des Gemeinderates von Oggau begründete Rechtsverletzung nicht erkannte und, statt den vor ihr bekämpften Bescheid aus dem Grunde der Unzuständigkeit aufzuheben, mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Vorstellung des Beschwerdeführers abwies, ist dieser Bescheid, so wie sich das genannte Vorerkenntnis ausdrückt, inhaltlich rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit war vom Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Mai 1969, Zl. 1688/67) jedenfalls aufzugreifen, da sie die Unzuständigkeit einer im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Behörde betrifft und eine Unzuständigkeit jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen ist. Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Bei dieser Rechtslage war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführers einzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf §§ 47 bis 59 VwGG 1965 sowie auf die Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, am 6. Februar 1970

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1970:1968001205.X00

Im RIS seit

17.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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