TE Vwgh Erkenntnis 1971/6/9 0236/71

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Veröffentlicht am 09.06.1971
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §29a;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Schmid, Dr. Schmelz und Dr. Jurasek als Richters im Beisein des Schriftführers Rat Dohnal, über die Beschwerde des FG in L, vertreten durch Dr. Karl Polak, Rechtsanwalt in Linz, Flußgasse 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. November 1969, Zl. VerkR-45.270/1-1969, betreffend Übertretung der Eisenbahnkreuzungsverordnung, 1961, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.093,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde wegen eines Verkehrsunfalles dem Bundespolizeikommissariat Wels am 27. März 1969 angezeigt. Diese Behörde trat die Verwaltungsstrafsache (Übertretung der Eisenbahnkreuzungsverordnung) mit Schreiben vom 2. April 1969 gemäß § 29 a VStG 1950 der Bundespolizeidirektion in Linz ab. Die Bundespolizeidirektion Linz vernahm am 22. April 1969 den Beschwerdeführer als Beschuldigten niederschriftlich über die Strafsache. Mit Schreiben vom 22. April 1969 sandte die Bundespolizeidirektion Linz die Strafsache gemäß § 27 VStG 1950 wiederum an das Bundespolizeikommissariat in Wels zurück, wobei sie auf den Erlass des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. Jänner 1969, Zl. VerkR-26.059/1-1968, verwies. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens erließ das Bundespolizeikommissariat Wels das Straferkenntnis vom 13. Oktober 1969, worin die Behörde aussprach, der Beschwerdeführer habe am 27. März 1969 gegen 7,10 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagen in Wels auf der Hans-Sachs-Straße in westlicher Richtung gelenkt, dabei auf der Kreuzung mit der Reitschulgasse, auf der sich die Eisenbahnkreuzung der Welser Industriebahn befinde, das Rotlicht der Blinklichtanlage nicht beachtet und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 1 der Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 begangen. Gemäß § 54 Abs. 1 Eisenbahngesetz 1957 wurde gegen ihn eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzarreststrafe drei Tage) verhängt. Die dagegen ergriffene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 bzw. § 51 VStG 1950 abgewiesen. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst mit einer auf Art. 144 B-VG gestützten Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in der er die Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie seines Rechtes, dem gesetzlichen Richter nicht entzogen zu werden, geltend machte. Diese Beschwerde wies der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1970, B 11/70 ab und trat die Beschwerde zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist, an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorerst hatte der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz im Rahmen ihrer Zuständigkeit eingeschritten ist.

Gemäß § 29 a VStG 1950 kann die zuständige Behörde die Durchführung des Strafverfahrens oder des Strafvollzugs auf die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird.

Wie bereits erwähnt, hatte das Bundespolizeikommissariat Wels als gemäß § 26 Abs. 2 bzw. § 27 Abs. 1 VStG 1950 zuständige Behörde erster Instanz die Verwaltungsstrafsache gemäß § 29 a VStG 1950 der Bundespolizeidirektion Linz übertragen. Die Bundespolizeidirektion Linz hatte am 22. April 1969 den Beschwerdeführer als Beschuldigten vernommen. Noch am selben Tag wurden die Strafakten zur Durchführung des Strafverfahrens unter Berufung auf § 27 VStG 1950 dem Bundespolizeikommissariat Wels zurückübertragen. Da aus den Verwaltungsakten nicht hervorgeht, dass die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet ist oder dass ungewiss ist, in welchem Sprengel die Übertretung begangangen worden ist, war diese Zurücksendung der Verwaltungsstrafakten in Wahrheit eine Rückübertragung der Zuständigkeit. Diese Rückübertragung war aber unzulässig (siehe Erkenntnis vom 14. März 1962, Zl. 1202/60, bzw. die Ausführungen bei Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, II. Band, Wien 1954, Seite 220 f.). War aber die Bundespolizeidirektion Linz zuständig geworden, dann wäre sie und nicht das Bundespolizeikommissariat Wels zur Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zuständig gewesen. Da das Bundespolizeikommissariat Wels das Straferkenntnis vom 13. Oktober 1969 gesetzwidrig erlassen hatte, hätte die belangte Behörde dieses wegen Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz aufheben müssen.

Da dieser Grund den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bisher nicht bekannt gegeben worden war, wurden die Parteien gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG 1965 gehört, wobei sich keine neuen Umstände ergeben haben.

Der von der Bundespolizeidirektion Linz angeführte Erlass des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. Jänner 1969, Zl. VerkR-26.059/1-1968, war, sollte er auch eine Ermächtigung für derartige Übertragunggn der Zuständigkeit enthalten, als bloße Verwaltungsverordnung für den Verwaltungsgerichtshof nicht bindend (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. November 1952, Slg. Nr. 1707/A).

Da die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz übersehen und deren Straferkenntnis nicht behoben hat, ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde seinem Inhalte nach rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965, aufzuheben war.

Bei dieser Sachlage erübrigte es sich, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die Vorschriften der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965. Danach war dem Beschwerdeführer der Schriftsatzaufwand mit S 1.000,-- (Art. I Z. 1 der Verordnung) und die Stempelgebühren für drei Beschwerdeausfertigungen a S 30,--, zusammen S 90,-- sowie die Stempelgebühr für eine Bescheidausfertigung im angeführten Betrage von S 3,80, (§ 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965) zuzuerkennen. Die Umsatzsteuer, Porto- und Fotokopierkosten waren, als im Gesetz nicht begründet, nicht zuzuerkennen. Dem Begehren nach Ersatz der Kosten für die seitens des Beschwerdeführers zur Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1971 erstattete Äußerung konnte nur bezüglich des Aufwandes von S 30,-- für die verzeichneten Stempelgebühren stattgegeben werden, weil § 48 Abs. 1 VwGG 1965 eine Erstattung des Schriftsatzaufwandes nur für die Einbringung der Beschwerde vorsieht, weshalb weitere Aufwendungen gemäß § 58 VwGG 1965 von den Parteien selbst zu tragen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Mai 1966, Zl. 2218/65). Wien, am 9. Juni 1971

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1971:1971000236.X00

Im RIS seit

22.08.2002

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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