TE Vwgh Erkenntnis 1973/12/17 0423/73

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Veröffentlicht am 17.12.1973
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 impl;
BAO §308 Abs1;
UStG 1972 §16 Abs17;
UStG 1972 §17 Abs9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Reichel und Dr. Draxler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Wimmer, über die Beschwerde des JH in W, vertreten durch Dr. Heinz Haas, RA in Wels, Maria-Theresia-Straße 4, gegen den Bescheid der FLD für OÖ v 1. 2. 1973, 198/1-III/St-1965, betreffend Abweisung einer Berufung wegen Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannte

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (FLD für OÖ) Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen Papier-. und Schreibwarengroßhandel in Form einer prot Einzelfirma. Für Ausfuhrlieferungen im zweiten Kalendervierteljahr 1964 überreichte er beim FA W. am 7. 1. 1965 einen unbestrittenermaßen verspäteten Vergütungsantrag unter Beischluss eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete er damit, dass die gesetzlich vorgesehene Antragsfrist durch ein unvorhergesehenes Ereignis, nämlich die Erkrankung des einzigen zuständigen Sachbearbeiters, überschritten worden sei. Das FA W. gab dem Antrag mit Bescheid vom 28. 1. 1965 mit der Begründung keine Folge, dass die Frist zur Antragstellung auf Gewährung einer Umsatzsteuervergütung eine Ausschlussfrist sei, deren Versäumung das Erlöschen des Vergütungsantrags zur Folge habe. Es sei hiebei bedeutungslos, aus welchen Gründen die Frist versäumt worden sei und ob den Antragsteller ein Verschulden treffe oder nicht. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagenden Bescheid Berufung, die von der FLD für OÖ mit Bescheid vom 1. 2. 1973 abgewiesen worden ist. Diese Entscheidung hat die Rechtsmittelbehörde mit der Feststellung begründet, dass § 16 Abs 17 des Umsatzsteuergesetzes 1959 BGBl- 1958/300 (UStG) eine Ausschlussfrist enthalte, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei. Wenn der Beschwerdeführer die Meinung vertrete, nach der BAO sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur bei verfahrensrechtlichen, sondern auch bei materiell-rechtlichen Fristen möglich, so könne ihm darin nicht gefolgt werden.

Auch aus dem inzwischen ergangenen Erk d VwGH v 26. 2. 1965, 671/64 lasse sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen. Diesem Erk sei die Streitfrage zu Grunde gelegen, ob auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Rechts eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei. Der VwGH habe damals den angefochtenen Bescheid zwar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, aber nicht etwa mit der Begründung, dass eine Wiedereinsetzung auch bei Fristen des materiellen Rechts zulässig sei, sondern mit der - seit jeher unbestrittenen - Feststellung, dass eine Wiedereinsetzung sowohl bei gesetzlich normierten als auch bei behördlich festgesetzten Fristen möglich sei. Da gesetzlich normierte Fristen sowohl verfahrensrechtlicher wie auch materiell-rechtlicher Natur sein können, könne aus dem zit Erk nichts darüber gewonnen werden, ob eine Wiedereinsetzung nur bei verfahrensrechtlichen Fristen zulässig ist oder nicht. Vielmehr müsse an der herrschenden, durch die bisherige Rechtsprechung des VwGH bestätigten Rechtsauffassung festgehalten werden, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Frist des materiellen Rechts unzulässig sei. Im Beschwerdefall habe die Antragsfrist mit Ablauf des 31. 12. 1964 geendet. Da der Beschwerdeführer den Antrag jedoch erst am 7. 1. 1965 beim FA überreicht habe, habe er die Frist versäumt und damit den Anspruch auf die Vergütung verwirkt. Da es sich um eine Frist des materiellen Rechts handle, sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich.

Gegen diese Entscheidung der FLD für OÖ vom 1. 2. 1973 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde, über die der VwGH erwogen hat:

"Gem § 16 Abs 1 UStG kann einem Unternehmer, der nachweist, dass er Gegenstände in das Ausland ausgeführt hat, die er im Inland erworben oder in das Inland eingeführt hatte, auf Antrag ein Betrag vergütet werden, der zum Ausgleich der Steuer dient, die auf der Lieferung der Gegenstände an ihn oder auf ihrer Einfuhr lastet (Ausfuhrhändlervergütung). Gem § 17 Abs 1 UStG kann einem Unternehmer, der nachweist, dass er Gegenstände in das Ausland ausgeführt hat, auf Antrag ein Betrag bis zur Höhe der Steuer vergütet werden, die auf der Lieferung oder der Einfuhr der Bestandteile, Zubehörteile und Hilfsstoffe lastet, die bei der Erzeugung der Gegenstände verwendet worden sind (Ausfuhrvergütung). Unter bestimmten Voraussetzungen können einem Ausfuhrhändler sowohl die Ausfuhrhändlervergütung als auch die Ausfuhrvergütung zugesprochen werden. Anträge auf Ausfuhrhändlervergütung und Ausfuhrvergütung sind gem § 16 Abs 17 bzw § 17 Abs 9 UStG binnen einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Schluss eines jeden Kalenderjahrs zu stellen.

Gem § 308 Abs 1 BAO ist - in Übereinstimmung mit § 71 AVG 1950 - gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein Unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Frist zur Antragstellung auf Umsatzsteuervergütungen versäumt worden ist. Während sich nun die belangte Behörde in ihrer Entscheidung auf das Erk d VwGH v 16. 11. 1956 Slg 1525(F) beruft und die Meinung vertritt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bei Fristen des materiellen Rechts nicht in Frage, verweist die Beschwerde auf das Erk d VwGH v 26. 2. 1965 Slg 3234(F), in dem der VwGH ausgesprochen hat, dass gem § 308 Abs 1 BAO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur in den Fällen der Versäumung verfahrensmäßiger Fristen, sondern in jedem Fall einer Fristversäumung möglich ist.

Die Behörde ist im Recht, wenn sie im vorliegenden Fall die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 308 BAO gegen die Versäumung der dem Beschwerdeführer gem § 16 Abs 17 bzw § 17 Abs 9 UStG zur Antragstellung auf Umsatzsteuervergütungen offen stehenden Frist abgelehnt hat. Die Versäumung einer Frist kann sich sowohl bei behördlichen als auch bei gesetzlichen Fristen ergeben, mögen diese Fristen auf Verfahrensbestimmungen der BAO selbst oder der Abgabengesetze beruhen. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommen jedoch nur solche Fristen in Betracht, die im Zug eines bereits anhängigen Verfahrens eine Rolle spielen, nicht aber auch Fristen, innerhalb welcher nach den Abgabengesetzen materiell-rechtliche Ansprüche geltend zu machen sind, die den Gegenstand eines erst einzuleitenden Verfahrens bilden sollen. Das Institut der Wiedereinsetzung hat nämlich nicht zum Ziel, ein Verfahren in Gang zu setzen, sondern bezweckt, unter bestimmten Voraussetzungen ein ansonsten bereits abgeschlossenes Verfahren wieder in Gang zu setzen, also die Partei in jenen Stand des früheren Verfahrens zurückzuversetzen, in dem es sich vor Ablauf der versäumten Frist befunden hat (vgl die hg Erk v 3. 3. 1950 Slg 1291(A) u v 16. 11. 1956, Slg 1525(F) sowie Reeger-Stoll Abschn 3 zu § 308 BAO 979 und Mannlicher Abschn2 zu § 71 AVG 1950, 310).

Durch Einhaltung der Frist des § 16 Abs 17 UStG wird nicht ein bereits anhängiges Verfahren weitergeführt, sondern ein Abgabenvergütungsanspruch erstmalig geltend gemacht. Des weiteren ist die Frist in der genannten Gesetzesstelle ausdrücklich als "Ausschlussfrist" bezeichnet, womit jeder Zweifel ausgeschlossen ist, dass der Anspruch auf Umsatzsteuervergütungen mit Anlauf der Frist verwirkt bzw erloschen ist, uzw auch dann, wenn der Berechtigte sein Recht nicht kannte oder während der Frist die zur Sicherung des Anspruchs erforderliche Verfahrenshandlung, aus welchem Grund immer nicht vornehmen konnte. Wenn der Beschwerdeführer zur Stützung der von ihm vertretenen Rechtsansicht auf das hg Erk 26. 2. 1965 Slg 3234(F), hinweist, so übersieht er, dass diesem Erk nur die Streitfrage zu Grunde lag, ob auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Rechts eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist.

Der Gerichtshof hat aber den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts nicht etwa mit der Begründung aufgehoben, dass eine Wiedereinsetzung auch bei Versäumung von Fristen des materiellen Rechts zulässig ist, sondern mit der - seit jeher unbestrittenen - Feststellung, dass eine Wiedereinsetzung sowohl bei gesetzlich normierten als auch bei behördlich festgesetzten Fristen möglich sei.

Da somit die belangte Behörde durch ihren Bescheid das Gesetz nicht verletzt hat, war die Beschwerde unbegründet und gem § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art I B Z 4 und 5 d V d BK v 14. 11. 1972 BGBl 427.

Wien, am 17. Dezember 1973

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1973:1973000423.X00

Im RIS seit

17.12.1973

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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