TE Vwgh Beschluss 1976/10/21 1757/76

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Veröffentlicht am 21.10.1976
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
72/01 Hochschulorganisation;
72/09 Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Studienrichtung;

Norm

AVG §68 Abs7;
B-VG Art132;
StudienO Wirtschaftspädagogik 1967 §5 Abs1;
StudienO Wirtschaftspädagogik 1967 §5 Abs2;
UOG 1975 §9;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Karlik, Dr. Seiler und Dr. Ladislav als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Mag. Dr. Kail, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde der Klaudia G in L, vertreten durch Dr. Robert H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht (Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 Universitäts-Organisationsgesetz , wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin inskribierte seit dem Wintersemester 1971/72 an der Universität X Wirtschaftspädagogik. Sie besuchte den an dieser Universität angehaltenen Kurs aus Rechnungswesen, bestand jedoch die im Rahmen dieses Kurses abzulegenden Prüfungen aus Buchhaltung und Kostenrechnung nicht, die Voraussetzung für die Zulassung zur 1. Diplomprüfung sind. Sie legte jedoch trotzdem die den Gegenstand der 1. Diplomprüfung bildenden Teilprüfungen - abgesehen von einer mündlichen Prüfung aus Statistik - mit Erfolg ab. Die als Teilprüfung der 1. Diplomprüfung vorgesehene Prüfung aus "Statistik und Mathematik für Sozial- und Wirtschaftswissenschafter" wurde an der der Universität X in zwei Teilen abgenommen, weil die zur Verfügung stehenden Prüfer nicht in der Lage waren, sowohl Statistik wie auch Mathematik zu prüfen. Die Prüfung aus "Mathematik für Sozial- und Wirtschaftswissenschafter" legte die Beschwerdeführerin mit positivem Erfolg ab. Sie nahm auch an den Übungen aus Wirtschaftsstatistik teil und bestand die im Rahmen dieser Übungen durchgeführte Klausurarbeit "Statistik II" mit genügendem Erfolg. Diese Klausurarbeit wurde bei anderen Studenten als zweiter Teil der Teilprüfung aus "Statistik und Mathematik für Sozial- und Wirtschaftswissenschafter" gewertet. Eine mündliche Prüfung war mit dieser Klausurarbeit nicht verbunden. Die Beschwerdeführerin richtete an den Präses der Prüfungskommission für die

1. Diplomprüfung den mit 8. November 1974 datierten schriftlichen Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses über die positive Ablegung der 1. Diplomprüfung. Im Zuge einer Besprechung mit der Beschwerdeführerin setzte der Präses der 1.

Diplomprüfungskommission auf diesen Antrag den mit 14. November 1974 datierten handschriftlichen Vermerk, der folgenden Wortlaut hat: "Ich schließe mich dieser Rechtsmeinung an und beantrage die Ausstellung eines Zeugnisses über die 1. Diplomprüfung." Unter diesen Vermerk setzte der Präses der 1. Diplomprüfungskommission den weiteren, mit 28. November 1974 datierten handschriftlichen Vermerk, der folgenden Wortlaut hat:

"Nach Einholung weiterer Informationen scheint mir obige Empfehlung auf ungenügender Kenntnis der Umstände zu beruhen; ich ziehe sie daher zurück." Mit dem an die Prüfungsabteilung der Universität gerichteten Schreiben vom 5. Juni 1975 erklärte der ordentliche Professor Dr. S, er sehe keinen Anlass, der Beschwerdeführerin die Zulassung zu einer Teilprüfung der 2. Diplomprüfung zu verweigern, weil § 8 Abs. 1 des Wirtschaftspädagogischen Studienplanes für die Zulassung zu einem Prüfungsteil der 2. Diplomprüfung lediglich die Inskription der für das Prüfungsfach vorgesehenen Lehrveranstaltungen, die positive Beurteilung der Teilnahme an den vorgeschriebenen Übungen, Proseminaren, Seminaren usw. aus diesem Fach voraussetze, während die im selben Absatz enthaltene Bestimmung, "hiezu ist die erfolgreiche Ablegung der 1. Diplomprüfung und die Approbation der Diplomarbeit erforderlich", sich lediglich auf die Zulassung zum kommissionellen Teil der 2. Diplomprüfung beziehe. Mit dem an die Studienbeihilfenbehörde gerichteten Schreiben vom 26. Juni 1975 gab der ordentliche Professor Dr. S bekannt, in seinem Schreiben vom 5. Juni 1975 sei er von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin die 1. Diplomprüfung mit Erfolg abgelegt habe, nachträglich habe sich jedoch herausgestellt, dass dies nicht der Fall sei und die erfolgreiche Ablegung einer Teilprüfung zur 1. Diplomprüfung noch ausstehe. Aus diesem Grund seien sämtliche unter der Annahme der erfolgreichen Ablegung der

1. Diplomprüfung getroffenen Folgerungen gegenstandslos. Mit dem Bescheid des Präses der Prüfungskommission für die

1. Diplomprüfung vom 23. Oktober 1975, Z1. 11-10-10, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Zeugnisses über die positive Ablegung der 1. Diplomprüfung gemäß § 27 Abs. 2 AHStG und § 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen sowie § 4 Abs. 1 des Wirtschaftspädagogischen Studienplanes im Zusammenhang mit § 32 AHStG abgewiesen. Es wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die Prüfung aus Rechnungswesen nicht mit positivem Erfolg abgelegt. Sie habe nur die eine Voraussetzung für die Zulassung zur Teilprüfung aus "Statistik für Sozial- und Wirtschaftswissenschaft", darstellende zweistündige Übung mit positivem Erfolg absolviert und die hiefür notwendige vierstündige Inskription vorgenommen, die positive Absolvierung dieser Übung sei nur Voraussetzung für die Zulassung zur 1. Diplomprüfung, ersetze jedoch eine Teilprüfung nicht. Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof würde mit dem Erkenntnis vom 29. April 1976, Zl. 1981/75, als unbegründet abgewiesen. In diesem Erkenntnis wurde ausgeführt, der Vermerk des Präses der Prüfungskommission für die 1. Diplomprüfung vom 14. November 1974 stelle mangels Bescheidwillens keinen Bescheid dar. Dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Prüfung aus Rechnungswesen nicht mit Erfolg bestanden habe, komme für die Beurteilung der Frage, ob die 1. Diplomprüfung von ihr als abgelegt anzusehen sei, keine wesentliche Bedeutung zu. Da aber nach § 3 Abs. 4 des Studiengesetzes für Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Studienrichtungen und § 5 des Wirtschaftspädagogischen Studienplanes die Teilprüfungen mündlich zu erfolgen hätten und lediglich vorgesehen sei, dass die zuständige akademische Behörde aus pädagogischen Gründen auch eine schriftliche Prüfung aus den in Abs. 2 lit. a und d genannten Prüfungsfächern (hierunter fällt auch die Teilprüfung aus "Statistik und Mathematik für Sozial- und Wirtschaftswissenschafter") fordern könne, könne eine schriftliche Prüfung zwar zusätzlich zur mündlichen Abnahme der Teilprüfung angeordnet werden, es könne eine solche jedoch die mündliche Durchführung der Teilprüfung nicht ersetzen. Die von der Beschwerdeführerin mit Erfolg abgelegte Klausurarbeit aus Statistik könne aus diesem Grund, aber auch zufolge des weiteren Umstandes, dass sie im Rahmen von Übungen abgehalten worden sei, die vorgeschriebene mündliche Prüfung aus Statistik nicht ersetzen. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass die Ablegung dieser Klausurarbeit bei anderen Studenten als Prüfung aus Statistik im Rahmen einer Teilprüfung für die 1. Diplomprüfung gewertet worden sei. Da die Beschwerdeführerin demnach die Teilprüfung aus "Statistik und Mathematik für Sozial- und Wirtschaftswissenschafter" nicht zur Gänze abgelegt habe, habe sie keinen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses über die 1. Diplomprüfung.

Die Beschwerdeführerin richtete am 29. Dezember 1975 ein als "Säumnisbeschwerde gemäß § 9 Abs. 1 UOG" bezeichnetes Schreiben an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, worin sie vorbrachte, der Präses der Prüfungskommission für die 2. Diplomprüfung habe mit Bescheid vom 5. Juni 1975 dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung zur 2. Diplomprüfung stattgegeben, trotzdem habe sich bisher kein Prüfer gefunden, der eine Prüfung abgenommen hätte. Das Prüfungsreferat verweigere die Einteilung eines Prüfers. Die Beschwerdeführerin stellte daher den Antrag, der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung möge die Abnahme einer Teilprüfung zur 2. Diplomprüfung der Prüfungskommission bzw. den Einzelprüfern gemäß § 5 Abs. 3 UOG bescheidmäßig auftragen. Ein Bescheid über diesen Antrag wurde bisher vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung nicht erlassen.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge der belangten Behörde die Entscheidung über ihren Antrag vom 29. Dezember 1975 auftragen. Sie brachte vor, obwohl der Präses der Prüfungskommission für die

2. Diplomprüfung ihrem Antrag auf Zulassung zur 2. Diplomprüfung mit dem Bescheid vom 5. Juni 1975 stattgegeben habe, sei ihr bisher die Ablegung der Prüfung verweigert worden. Hiedurch seien die Organe der Universität säumig geworden. Ihr gemäß § 9 Abs. 1 UOG gerichteter Antrag an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung vom 29. Dezember 1975 sei unerledigt geblieben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Zurückweisung der Säumnisbeschwerde als unzulässig. Die belangte Behörde machte geltend, Entscheidungen und Maßnahmen einer Prüfungskommission unterlägen der Aufsicht des Fakultätskollegiums bzw. des Akademischen Senates. Die Zuteilung eines Prüfers sei keine Entscheidung. § 73 Abs. 1 AVG 1950 sei mangels einer Entscheidungspflicht nicht anwendbar. § 9 UOG sehe lediglich aufsichtsbehördliche Maßnahmen vor, der Antragsteller habe daher kein subjektives Recht auf Erlassung eines Bescheides. Da kein Rechtsanspruch auf die Handhabung des Aufsichtsrechtes durch die belangte Behörde bestehe, habe durch das Unterbleiben der Erlassung eines Bescheides keine Entscheidungspflicht verletzt werden können. In diesem Zusammenhang sei es auch ohne Bedeutung, dass der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung versäumt habe, seine Unzuständigkeit mit dem Hinweis auf die primäre Zuständigkeit der akademischen Organe im aufsichtsbehördlichen

Verfahren festzustellen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwögen:

§ 9 Universitäts-Organisationsgesetz, BGBl. Nr. 258/1975, hat

folgenden Wortlaut:

"§ 9. (1) Hat ein Organ der Universität eine ihm obliegende Maßnahme nicht innerhalb einer angemessenen Frist gesetzt, so steht jedem hievon betroffenen Angehörigen der Universität, in Studienangelegenheiten auch den betreffenden Organen der gesetzlichen Vertretung der Studierenden, das Recht zu, die Setzung der Maßnahme beim nächsthöheren Organ, wenn das oberste Kollegialorgan säumig ist, beim Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zu beantragen.

(2) Das nächsthöhere Organ (der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung) hat den Antrag mit Bescheid abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht überwiegend auf das Verschulden des belangten Organs zurückzuführen ist.

(3) Andernfalls hat das nächsthöhere Organ (der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung) durch schriftlichen Bescheid eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der das säumige Organ die versäumte Maßnahme nachzuholen hat. Lässt dieses die Frist verstreichen, so ist das nächsthöhere Organ (der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung) berechtigt, die versäumte Maßnahme zu setzen (Ersatzvornahme). Die für ein säumiges Kollegialorgan geltenden Beschlusserfordernisse gelten auch für das höhere Kollegialorgan.

(4) Die vorstehenden Bestimmungen gelten nicht im Anwendungsbereich des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes."

Wie der vorliegenden Beschwerde in Verbindung mit dem an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung gerichteten Eingabe der Beschwerdeführerin vom 29. Dezember 1975 zu entnehmen ist, vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, ihre Zulassung zur

2. Diplomprüfung sei bereits erfolgt, es habe nunmehr die Abnahme der Prüfung, demnach die Bestimmung von Prüfern zur Durchführung der Prüfung zu erfolgen. Gemäß Art. 132 B-VG ist die Berechtigung zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht als Partei im Verwaltungsverfahren Voraussetzung für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde. Die Bestimmung eines Prüfers zur Abnahme einer Teilprüfung ist jedoch eine Maßnahme ohne Bescheidcharakter. Wenn der Anspruch lediglich auf eine derartige Maßnahme gerichtet ist, ist es zunächst nahe liegend anzunehmen, dass durch das Unterbleiben dieser Maßnahme eine Entscheidungspflicht nicht verletzt werden kann.

Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (888 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates,

13. GP, Seite 96 zu § 9) erwähnen, dass in Angelegenheiten, in welchen einer Person oder einem Organ der Österreichischen Hochschülerschaft Parteistellung zukomme, also insbesondere in Studienangelegenheiten, die Bestimmungen des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 anzuwenden seien. In der Folge wird ausgeführt, die mit dem Entwurf des Universitäts-Organisationsgesetzes zu treffende Vorsorge habe sich daher auf diejenigen Fälle beschränken können, in denen ein Organ der Universität eine generelle Maßnahme, deren Setzung in seine Kompetenz fällt, nicht rechtzeitig setze. Diese Beschränkung auf generelle Maßnahmen hat im Wortlaut des § 9 UOG keinen Ausdruck gefunden. Die in § 9 Abs. 1 UOG genannten Maßnahmen wurden keineswegs auf generelle Maßnahmen beschränkt. Auf die Problematik der Beziehung des Art. 132 B-VG zur Säumnis bei generellen Maßnahmen ist nicht einzugehen, weil Derartiges nach dem Sachverhalt nicht zur Entscheidung steht. Es war aber zu erwägen, ob sich eine Übereinstimmung des Gesetzeswortlautes mit den zitierten Erläuternden Bemerkungen allenfalls ausgehend von Abs. 4 des § 9 UOG, in der Weise erzielen ließe, dass von dem Universitätsangehörigen, der durch Unterbleiben einer Maßnahme, wie etwa das Unterbleiben der Namhaftmachung eines Prüfers, beeinträchtigt wurde, zu verlangen sei, einen Feststellungsbescheid über seinen Anspruch auf Bestellung eines Prüfers zu beantragen, in welchem Fall bei Säumigkeit mit der Erlassung dieses Feststellungsbescheides gemäß § 73 AVG 1950 vorgegangen werden könnte. Einer derartigen Auffassung steht jedoch entgegen, dass der durch das Unterbleiben der Maßnahme beeinträchtigte Universitätsangehörige auf diesem Weg keineswegs die Gewähr hätte, dass die unterbliebene Maßnahme auch tatsächlich gesetzt wird. Die Beschwerdeführerin wäre, wenn es dieser gelingen sollte, einen positiven Feststellungsbescheid der genannten Art zu erwirken, noch immer nicht vollständig dagegen gesichert, dass nach dessen Rechtskraft neuerlich die Namhaftmachung von Prüfern unterbleiben könnte, sodass sie dann in der gleichen Situation wie vor der Erwirkung des Feststellungsbescheides wäre. Auch könnte ein derartiger Feststellungsbescheid materiell gesehen kaum einen von der Zulassung zur Prüfung verschiedenen Inhalt aufweisen. Es musste daher davon ausgegangen werden, dass in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu den Studienangelegenheiten zählende Maßnahmen, wie die Einteilung von Prüfern, übergangen wurden und lediglich eine in den Rahmen der im Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 1 UOG genannten Maßnahmen fallende Gruppe von Maßnahmen, deren Behandlung offensichtlich als besonders dringlich erschienen war, nämlich die generellen Maßnahmen, Erwähnung gefunden haben, der Gesetzeswortlaut jedoch auch neben diesen generellen Maßnahmen individuelle Maßnahmen, etwa die Einteilung von Prüfern, mitumfasst.

Die belangte Behörde erblickt - wie erwähnt - in den in § 9 UOG geregelten Anträgen Aufsichtsbeschwerden, die nach § 68 Abs. 7 AVG 1950 zu beurteilen seien. Es trifft auch zu, dass im Fall der Einbringung einer nach dieser Bestimmung zu beurteilenden Aufsichtsbeschwerde kein Anspruch auf Entscheidung in der Sache zusteht und demnach die Entscheidungspflicht durch das Unterbleiben der Erledigung der Aufsichtsbeschwerde nicht verletzt werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Februar 1951, Slg. N. F. Nr. 1916/A, vom 23. Juni 1964, Zl. 1241/63, und vom 27. September 1965, Zl. 1550/65). Der belangten Behörde kann jedoch darin nicht beigepflichtet werden, dass die in § 9 UOG geregelten Anträge als Aufsichtsbeschwerden in dem zuletzt angeführten Sinn zu werten wären. Einerseits ist darauf zu verweisen, dass § 9 Abs. 1 UOG dann, wenn eine einem Organ der Universität obliegende Maßnahme nicht innerhalb einer angemessenen Frist gesetzt wird, jedem Universitätsangehörigen das Recht zusteht, die Setzung der Maßnahme beim nächsthöheren Organ, wenn das oberste Kollegialorgan säumig ist, beim Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zu beantragen. Wie die folgenden Bestimmungen zeigen, handelt es sich keineswegs um ein Recht, dem keine Entscheidungspflicht gegenübersteht. Dem in Abs. 1 der genannten Gesetzesstelle gewährten Recht entspricht vielmehr die Verpflichtung des nächsthöheren Organs bzw. des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, den Antrag entweder mit Bescheid abzuweisen oder aber mit Bescheid eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der das säumige Organ die versäumte Maßnahme nachzuholen hat. Darüber hinaus ist das nächsthöhere Organ, bzw. der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung berechtigt, die versäumte Maßnahme zu setzen. Wie in den bereits zitierten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage ausgeführt wird, tritt im Falle einer Beschwerde gemäß § 9 UOG wegen der Nichtsetzung einer Maßnahme (hier werden nur individuelle Maßnahmen beurteilt) eine Kompetenzübertragung für den konkreten Fall ein. Im Hinblick auf diese Regelung kann es nicht zweifelhaft sein, dass der betroffene Universitätsangehörige, der einen Antrag im Sinne des § 9 Abs. 1 UOG gestellt hat, ein subjektives öffentliches Recht auf ein Vorgehen im Sinne der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 dieser Gesetzesstelle hat.

§ 9 Abs. 1 UOG sieht vor, dass die Setzung der unterbliebenen Maßnahme beim nächsthöheren Organ und nur dann, wenn das oberste Kollegialorgan säumig ist, beim Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zu beantragen ist. Nach dieser eindeutigen Regelung ist Voraussetzung für den Eintritt der Entscheidungspflicht des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung im Sinne dieser Gesetzesstelle, dass zunächst das nächsthöhere Organ angerufen wurde und dass das oberste Kollegialorgan säumig ist. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, kommt es zu einer Entscheidungspflicht des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung nicht und ist damit auch eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister, die zu einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof führen könnte, nicht möglich.

Im gegebenen Fall geht schon aus der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wie auch aus dem von der Beschwerdeführerin an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung gestellten Antrag vom 29. Dezember 1975 und den vorliegenden Akten hervor, dass sich die Beschwerdeführerin gegen die Säumigkeit des Präses der Prüfungskommission für die 2. Diplomprüfung (die Geschäfte der Prüfungskommission sind gemäß § 43 Abs. 1 AHStG durch deren Präses zu führen) durch Unterlassung der Bestellung eines Prüfers zur Abnahme der 2. Diplomprüfung wendet, sie demnach andere Universitätsorgane nicht angerufen, sondern sich vielmehr unmittelbar an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung gewandt hat. Sie hat es daher jedenfalls unterlassen, das oberste Kollegialorgan der Universität, nämlich den Akademischen Senat (§ 71 lit. a UOG), mit der Angelegenheit zu befassen. Nach der eindeutigen Regelung des § 9 UOG ist Voraussetzung für den Eintritt der Entscheidungspflicht des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung die Säumigkeit des obersten Kollegialorgans der Universität. Durch das Unterbleiben der Anrufung dieses obersten Kollegialorgans durch die Beschwerdeführerin konnte im gegebenen Fall eine Entscheidungspflicht des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung im Sinne des § 9 Abs. 1 UOG nicht eintreten.

Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung hätte demnach mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 9 UOG den Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen gehabt. Die Zurückweisung eines Antrages wegen dessen Unzulässigkeit ist jedoch keine Sachentscheidung. Durch das Unterbleiben einer derartigen Entscheidung kann der Antragsteller in seinen Rechten nicht verletzt werden. Eine solche Entscheidung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher nicht im Wege einer Säumnisbeschwerde herbeigeführt werden (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. April 1950, Zl. 1621/49, vom 12. Mai 1951, Zl. 2095/50, vom 7. November 1962, Zl. 1573/62, und vom 9. November 1970, Zl. 1841/70).

Da die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nicht gegeben waren, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Da wegen Vorliegens dieses Zurückweisungsgrundes der Verwaltungsgerichtshof eine Sachentscheidung nicht zu treffen hatte, konnte auf die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin geforderte Maßnahme dem zuständigen Universitätsorgan überhaupt obliegt, nicht näher eingegangen werden. Es kann in diesem Zusammenhang jedoch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1976, Zl. 1981/75, hingewiesen werden, worin einerseits auf den mangelnden Bescheidcharakter der hier ergangenen Mitteilung des Präses einer Prüfungskommission an eine andere Universitätsstelle eingegangen wurde und anderseits dargelegt wurde, dass die Beschwerdeführerin die in den Rahmen der 1. Diplomprüfung fallende Teilprüfung aus "Statistik und Mathematik für Sozial- und Wirtschaftswissenschafter" nicht zur Gänze abgelegt und daher auch keinen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses über die 1. Diplomprüfung hatte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b und 51 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 21. Oktober 1976

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1976:1976001757.X00

Im RIS seit

30.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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