TE Vwgh Erkenntnis 1977/1/31 1663/76

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Veröffentlicht am 31.01.1977
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Index

L82000 Bauordnung;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
80/02 Forstrecht;

Norm

BauRallg impl;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
VwGG §42 Abs2 lita impl;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kno11 und die Hofräte Dr. Leibrecht , Dr. Schima , Dr. Hoffmann und DDr. Hauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Korsche, über die Beschwerde des Bundesministers für Land und Forstwirtschaft in Wien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau vom 20. April 1976, Zl. VII2468/2IV/76, betreffend die Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: P und E R in P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. März 1976 beantragten P und E R, die mitbeteiligten Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, bei der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau die Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von zirka 600 m2 aus den Waldparzellen Nr. 296/1 und 296/2 der Katastralgemeinde G. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass mit der Errichtung eines Wohnhauses in Kürze begonnen werden soll. Bei der durchgeführten Verhandlung am 13. April 1976 wurde festgestellt, dass das Grundstück 296/2 unbestockte Weide und daher nicht in die Rodungsbewilligung einzubeziehen sei. Die Rodefläche liege im Südteil des Grundstückes 296/1 auf einem mäßig geneigten Südwesthang in Hofnähe des X-Gutes.

Die Fläche sei zur Zeit mit Fichten und Tannen der IV. Alterklasse bestockt. Die Rodefläche sei weder Schutz- noch Bannwald. Der nachbarliche Wald auf dem Grundstück 333/1 liege im Osten der Rodefläche, es erscheine aber eine besondere Windgefährdung nicht gegeben, da der sturzgefährliche Wind von Norden einfalle. Beim X-Gut befänden sich zirka 525 ha Wald im Besitzstand, sodass der geringe Abgang die Holzversorgung des Gutes nicht schmälere. Servitutsbelastung liege keine vor. Die Störung in der Landeskultur sei nur vorübergehend, bzw. während der Bauzeit. Die klimatischen Verhältnisse würden infolge des geringen Ausmaßes der Rodefläche nicht negativ beeinflusst. Der Wasserhaushalt im Boden werde durch diese Rodung nicht geändert, sodass von der Vorschreibung einer Ersatzaufforstung abgesehen werden könne. Die zu rodende Fläche werde im Süden von der Bauparzelle des K, im Westen von einer eigenen Weidefläche, im Norden von einer ungesicherten Kultur und im Osten von einer Waldparzelle begrenzt. Für die Umwandlung in Bauland sei eine Ausnahmegenehmigung der Landesregierung erforderlich. Der Antrag des Grundbesitzers sei von der Gemeinde P positiv erledigt worden. Für die Ausnahmegenehmigung durch die Landesregierung sei wiederum die Rodungsbewilligung Voraussetzung. Vom forsttechnischen Standpunkt könne die Bewilligung bei Erfüllung von Auflagen und Bedingungen erteilt werden. (Es folgen sodann Auflagen betreffend die Rodungsgrenzen, die Anlegung von Böschungen und die Gültigkeitsdauer der Bewilligung).

Die Gemeinde P gab mit Schriftsatz vom 14. April 1976 bekannt, dass die Grundparzelle 296/1 im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als forstwirtschaftlich genutzte Fläche ausgewiesen sei. Es bedürfe daher für die Umwidmung zum Bauland einer Ausnahmegenehmigung, für die die Rodungsbewilligung Voraussetzung sei. Die Gemeinde erhebe zum Antrag auf Umwidmung eines Teiles des Grundstückes 296/1 in Bauland keinen Einwand und nehme die damit verbundene Rodungsbewilligung zustimmend zur Kenntnis.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 20. April 1976 erteilte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau gemäß §§ 17, 18 und 19 des Forstgesetzes 1975 die Rodungsbewilligung. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, der Rodungszweck sei die Errichtung eines Wohnhauses auf der Rodefläche und es könne somit das gegenständliche Rodungsvorhaben als im öffentlichen Interesse gelegen bezeichnet werden. Die Grundparzelle 296/1 sei im Flächenwidmungsplan der Gemeinde P als forstwirtschaftlich genutzte Fläche ausgewiesen und es bedürfe daher für die Umwidmung in Bauland einer Ausnahmegenehmigung. Die Rodungsgenehmigung sei hiefür Voraussetzung. Bei Einhaltung der im Spruch aufgenommenen Vorschreibungen, bestehe gegen die Rodung forsttechnisch kein Hinderungsgrund und es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 170 Abs. 8 des Forstgesetzes 1975 in Verbindung mit Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Land und Forstwirtschaft. In der Beschwerde wird im wesentlichen ausgeführt, dass die in § 17 Abs. 1 bis 3 Forstgesetz 1975 normierten öffentlichen Interessen an der Erhaltung von Waldflächen die erteilte Rodungsbewilligung gesetzwidrig erscheinen lassen. Die zur Entscheidung zuständige Forstbehörde habe in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob öffentliche, für das Rodungsvorhaben sprechende Interessen geltend gemacht worden seien und ob solche tatsächlich bestünden. Treffe dies zu, dann habe sie diese Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald abzuwägen und die so gewonnene Entscheidung entsprechend zu begründen. Für die erteilte Rodungsbewilligung seien im vorliegenden Fall öffentliche Interessen nicht geltend gemacht worden und die von der Behörde praktizierte Vorgangsweise der schrittweisen Umwidmung von Waldflächen in Bauland im Einzelfall berge die außerordentliche Gefahr einer Waldzersiedelung in sich und richte sich gegen das öffentliche Interesse der Walderhaltung. Das im § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 genannte, im Siedlungswesen begründete öffentliche Interesse setze die Durchführung eines den gesetzlichen Bestimmungen unter Bedachtnahme auf die Zielsetzungen der Raumordnung entsprechenden Verfahrens (Erstellung eines Flächenwidmungsplanes) voraus, im Zuge dessen auch auf die Erfordernisse derWalderhaltung Bedacht zu nehmen sei, eine außerhalb eines solchen Verfahrens vorgenommene Umwidmung von Wald in Bauland könne niemals ein solches öffentliches Rodungsinteresse begründen, es liege zumeist auch nur im Interesse einiger weniger (Eigentümer des Grundstückes, Bauwerber) und widerspreche dem Interesse der Allgemeinheit. Es wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt.

Über die Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der erstmitbeteiligten Partei erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 des Gesetzes können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn, Luft und öffentlichen Straßenverkehr, im Post und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein. Gemäß Abs.4 des Gesetzes hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine, die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter dieser Voraussetzung die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Schon im Hinblick auf den dem Forstgesetz 1975 innewohnenden Grundsatz der Walderhaltung war es Pflicht der belangten Behörde, über den Antrag der Mitbeteiligten ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und in diesem Verfahren zunächst die Frage zu prüfen, ob der Antrag, der darauf abzielt, im Interesse der Mitbeteiligten Waldgrund in Bauland zum Zweck der Errichtung eines Wohnhauses umzuwidmen, überhaupt ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 zu begründen vermag. Der bloße Umstand allein, dass jemand die Errichtung eines Wohnhauses beabsichtigt, kann entgegen der Meinung der belangten Behörde, wie der Beschwerdeführer zu Recht ausgeführt hat, ein solches öffentliches Interesse nicht begründen, dies umso weniger, als die betreffende Grundfläche nach dem geltenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde als forstwirtschaftlich zu nutzende Fläche ausgewiesen ist.

Der Umstand aber, dass die Rodungsbewilligung eine Voraussetzung für eine Ausnahmegenehmigung nach baurechtlichen Bestimmungen darstellt - eine Ansicht, welche nicht richtig ist, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst ausführt -, vermag gleichfalls kein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 zu begründen. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die genannten Umstände ein öffentliches Interesse im Sinne der genannten Gesetzesstelle zu begründen vermögen, erweist sich daher als rechtswidrig.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit ist aber auch darin gelegen, dass die belangte Behörde, wie der Begründung des Bescheides eindeutig zu entnehmen ist, eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat. Eine solche Abwägung der öffentlichen Interessen ist aber selbst dann erforderlich, wenn ein Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Gemeinde besteht, für dessen Verwirklichung eine Rodungsbewilligung unbedingt notwendig ist, weil selbst in einem solchen Fall die Forstbehörde nur dann nach § 17 Abs. 2 Forstgesetz 1975 die Rodungsbewilligung erteilen darf, wenn das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung als Wald überwiegt. Auch in dieser Beziehung erweist sich die Auffassung der belangten Behörde als rechtsirrig, wie der Beschwerdeführer zu Recht ausgeführt hat. Im vorliegenden Fall wäre die belangte Behörde zunächst verpflichtet gewesen, Ermittlungen in der Richtung anzustellen, ob das von den Mitbeteiligten geltend gemachte Interesse als Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 gewertet werden kann. Dass grundsätzlich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch ein Privater rechtlich in der Lage ist, ein solches Interesse geltend zu machen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1977, Z1. 1389/76, dargelegt, auf dessen Begründung unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird. Die belangte Behörde hätte sohin klären müssen, ob sich die gegenständliche Grundfläche überhaupt für eine Besiedelung eignet und ob die Schaffung des Bauplatzes auf Kosten der Waldfläche dem Raumplanungsinteresse der Gemeinde entspricht. Dieses Interesse an der örtlichen Raumplanung, also die planmäßige vorausschauende Gestaltung eines Gebietes, und die nachhaltige bestmögliche Nutzung und Sicherung des Lebensraumes im Interesse des Gemeindewesens innerhalb der Gemeinde, zu sichern, fällt zufolge Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Besteht ein Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Gemeinde, der eine derzeit als Wald geltende Fläche als Bauland ausweist, so wird die Forstbehörde nicht von vornherein das öffentliche Interesse an einer Baulandbeschaffung zu Lasten des Waldes verneinen können. Sie wird also davon auszugehen haben, dass ein öffentliches Interesse (für Bauland) besteht, und wird im Zuge des Rodungsbewilligungsverfahrens zu prüfen und zu entscheiden haben, welches öffentliches Interesse, das an der Baulandbeschaffung oder das der Walderhaltung, überwiegt.

Im vorliegenden Fall ist aber, wie erwähnt nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde die Grundfläche der forstwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten, wobei allerdings eine Ausnahmegenehmigung von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes angestrebt wurde. In einem solchen Fall hat aber die Forstbehörde besonders sorgfältig zu prüfen, ob im Gegensatz zu der nach dem Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung tatsächlich ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs 3 Forstgesetz vorliegt. Ob ein solches öffentliche Interesse im vorliegenden Fall besteht, hätte die belangte Behörde auf Grund des vor Erlassung des angefochtenen Bescheides durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht beurteilen können, weil die Erklärung der Gemeinde, gegen die Umwidmung keinen Einwand zu erheben, und die Erteilung der Rodungsbewilligung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, nicht erkennen lässt, welche Gründe für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses sprechen. Zu Recht hat der Beschwerdeführer darauf verwiesen, dass die Vorgangsweise der belangten Behörde betreffend die schrittweise Umwidmung von Waldflächen in Bauland im Einzelfall die außerordentliche Gefahr der Waldzersiedelung in sich berge und sich gegen das bestehende öffentliche Interesse an der Walderhaltung richte. Der Versuch der belangten Behörde, in der Gegenschrift neue sachverhaltsmäßige Grundlagen für ihre Entscheidung nachzutragen, war nicht geeignet, ihre Beurteilung als richtig und den ihrem Verfahren anhaftenden Mangel als beseitigt zu werten.

Aufgrund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 lit. A VwGG 1965 aufzuheben.

Wien, am 31. März 1977

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1977:1976001663.X00

Im RIS seit

30.06.2003

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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