TE Vfgh Erkenntnis 1987/5/14 B929/86

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Veröffentlicht am 14.05.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Bgld GVG 1955 §3, §4

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gem. §§3 und 4 Bgld. GVG ohne nähere Darlegung, auf welche dieser Bestimmungen sich die Versagung stützt; keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei den erworbenen Grundstücken um Grundstücke eines Großbetriebes handelt; keine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Verhältnisse aus dem Zuerwerb der Grundstücke zu dem vorhandenen und durch einen weiteren Erwerb in Aussicht stehenden landwirtschaftlichen Grundbesitz im Hinblick auf die Interessen des GVG iSd. §3 Abs1 entstehen; durch Willkür Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Burgenland ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Vertreters die mit S 11.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.       1.a) Mit Eingabe vom 3. Oktober 1985 stellten die

Ehegatten K J und M S (Bf) bei der Grundverkehrsbezirkskommission

bei der Bezirkshauptmannschaft Oberwart den Antrag, den

Kaufvertrag vom 1. bzw. 2. Oktober 1985, mit dem sie von den

Ehegatten V und M B die Liegenschaften EZ ..., EZ ... und EZ ...,

sämtliche KG Dürnbach, mit landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Ausmaß von ca. 2,4 ha erworben hatten, grundverkehrsbehördlich zu genehmigen.

Im Ansuchen war angeführt, daß die Erwerber vor Abschluß des Rechtsgeschäftes land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Ausmaß von ca. 2 ha besitzen. Zur Begründung des Rechtsgeschäftes und zur beabsichtigten Verwendung der erworbenen Grundstücke war im Ansuchen folgendes ausgeführt:

"Die Käufer erwerben die kaufgegenständlichen Grundstücke zur Selbstbewirtschaftung. Die Eltern der Käuferin, Ehegatten K und A B haben einen landwirtschaftlichen Betrieb und wird die Käuferin voraussichtlich teilweise diesen Betrieb übernehmen.

Die Verkäufer sind infolge ihres Alters nicht mehr in der Lage, die kaufgegenständlichen Grundstücke zu bewirtschaften."

b) Die Grundverkehrsbezirkskommission hat die Gemeinde Schachendorf um Stellungnahme zum Rechtsgeschäft aufgefordert. In dieser wurde auf den vorhandenen Besitz der Käufer und darauf verwiesen, daß der beabsichtigte Erwerb der Grundstücke dazu diene, den landwirtschaftlichen Betrieb der Käufer aufzustocken.

Ferner wurde darauf hingewiesen, daß die Anschaffung landwirtschaftlicher Geräte zur Bearbeitung der landwirtschaftlichen Grundstücke beabsichtigt sei. Abschließend hat die Gemeinde der Bezirksgrundverkehrskommission mitgeteilt, daß auf Grund der ortsüblichen Verlautbarung ein hauptberuflicher Landwirt als Kaufwerber aufgetreten sei, der sich verpflichtet habe, die Grundstücke zum ortsüblichen Kaufpreis zu erwerben und zu bewirtschaften. Der Kaufwerber bewirtschafte mit seiner Ehegattin ca. 18 ha Eigengrund und 65 ha Pachtgrund. Der Erwerb der Grundstücke würde die Existenz dieses hauptberuflichen Landwirtes festigen und sichern, denn bei Verlust der Pachtgrundstücke sei seine Existenz als Landwirt gefährdet.

c) Mit Bescheid vom 31. Jänner 1986 hat die Grundverkehrsbezirkskommission bei der Bezirkshauptmannschaft Oberwart dem Rechtsgeschäft vom 1. bzw. 2. Oktober 1985 "im Grunde des §4 lita und b des Landesgrundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 11/1955, in der geltenden Fassung, die Zustimmung versagt".

Der gegen den erstinstanzlichen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung hat die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung mit dem Bescheid vom 25. August 1986 "gemäß §§3 und 4 Grundverkehrsgesetz und §66 AVG keine Folge gegeben".

In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, den landesgesetzlichen Bestimmungen über die Beschränkung des Grundverkehrs liege (im Sinne der Judikatur des VfGH ua. in den Erkenntnissen VfSlg. 2820/1955 und 5237/1966) das Bestreben zugrunde, die Gefahren für die bäuerliche Siedlung zu steuern und dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder, soweit dies nicht in Frage komme, an der Erhaltung und Schaffung eines landwirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes zu dienen.

Sodann lautet die Begründung:

"Aus diesen grundsätzlichen Erörterungen des VfGH geht hervor, daß nach dem Grundverkehrsgesetz dem Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes der Vorrang gegenüber der Erhaltung eines mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes eingeräumt wird.

Nun ist im vorliegenden Fall ein hauptberuflicher Landwirt, der keinen anderen Beruf ausübt, bereit und imstande, die gegenständlichen Grundstücke um den ortsüblichen Kaufpreis zu erwerben. Der Kauf dieses Grundstückes durch den hauptberuflichen Landwirt dient dem Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes. Die Zustimmung zum vorgelegten Kaufvertrag würde daher dem Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes widersprechen, weshalb der Berufung keine Folge gegeben wurde und der angefochtene Bescheid zu bestätigen war."

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrslandeskommission vom 25. August 1986 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach §1 Abs1 des Burgenländischen Landesgrundverkehrsgesetzes, LGBl. 11/1955 (letzte Nov. des Gesetzes LGBl. 4/1986) ist die Übertragung des Eigentums und die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an einem ganz oder teilweise dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmeten Grundstücke durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden nur mit Zustimmung der zuständigen Grundverkehrskommission zulässig.

Die §§3 und 4 des Landesgrundverkehrsgesetzes lauten:

"§3. (1) Die land- und forstwirtschaftliche Bodenfläche des Landes soll möglichst erhalten bleiben. Die Übertragung des Eigentums, die Einräumung eines Fruchnießungsrechtes oder die Verpachtung ist daher nur zuzulassen, wenn sie dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht.

(2) Betrifft das Rechtsgeschäft ausschließlich Grundstücke, die dem forstwirtschaftlichen Betriebe gewidmet sind, oder besteht Grund zur Annahme, daß die Erwerbung anderer selbständiger Waldgrundstücke oder von Grundstücken, die einen der Hauptsache nach landwirtschaftlichen Betrieb bilden oder zu einem solchen gehören, vornehmlich zur gewinnbringenden Verwertung der darauf befindlichen Holzbestände beabsichtigt ist, ist die Zustimmung überdies nur zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse oder dem Interesse der Forstwirtschaft im Besonderen nicht widerspricht.

§4. Einem Rechtsgeschäft im Sinne des §1 Abs1 ist die Zustimmung insbesondere zu versagen, wenn

a) das Grundstück ohne hinreichenden Grund der landund

forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen oder jemandem überlassen würde, der es nicht selbst bewirtschaften wird, oder

b)

anzunehmen ist, daß das Grundstück nur zur Kapitalsanlage oder zu dem Zwecke erworben wird, um es als Ganzes oder geteilt mit Gewinn weiter zu veräußern oder

c)

der landwirtschaftlichen Nutzung ganz oder teilweise gewidmete Grundstücke zur Bildung oder Vergrößerung von Eigenjagdgebieten erworben werden und zu besorgen ist, daß sie der ihrer Bodenbeschaffenheit entsprechenden Bestimmung entzogen werden oder

d)

anzunehmen ist, daß Grundstücke von bäuerlichen oder kleinlandwirtschaftlichen Betrieben zur Bildung oder Vergrößerung von Großgrundbesitz erworben werden oder

e)

anzunehmen ist, daß die Einräumung eines Fruchtnießungsrechtes oder die Verpachtung nur deshalb angestrebt wird, weil die Zustimmung zur Eigentumsübertragung nicht zu gewärtigen ist,

f)

Grundstücke eines land- und forstwirtschaftlichen Großbetriebes zur Bildung oder Vergrößerung eines land- und forstwirtschaftlichen Großbetriebes erworben oder gepachtet werden und das Interesse an einer agrarpolitischen notwendigen Vergrößerung oder Stärkung bäuerlicher oder wirtschaftlich gesunder landwirtschaftlicher Kleinbetriebe das Interesse an der Verwendung auf Grund des vorliegenden Vertrages überwiegt, soferne die Inhaber der bäuerlichen und kleinlandwirtschaftlichen Betriebe bereit und imstande sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder den ortsüblichen Pachtzins zu bezahlen,

g)

der Erwerber nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder eine juristische Person oder

eine

Personengesellschaft des Handelsrechtes ist, die im Ausland ihren satzungsgemäßen Sitz hat. Dies gilt nicht, soweit im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen staatsvertragliche Verpflichtungen entgegenstehen.

Die Zustimmung kann jedoch erteilt werden, wenn kein österreichischer Staatsbürger oder keine juristische Person bzw. Personengesellschaft des Handelsrechtes mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland bereit und imstande ist, den ortsüblichen Verkehrswert oder den ortsüblichen Pachtzins zu bezahlen.

(2) Ein land- und forstwirtschaftlicher Großbetrieb liegt dann vor, wenn sich der Inhaber des Betriebes infolge der Betriebsgröße unter gewöhnlichen Umständen auf die Erlassung von Anordnungen beschränken kann."

2. Die bel. Beh. hat die Versagung der Zustimmung zu der im Kaufvertrag vom 1. bzw. 2. Oktober 1985 vorgesehenen Übertragung des Eigentums an landwirtschaftlich genutzten Grundstücken von den bisherigen Eigentümern an die Bf. im Spruch ihres Bescheides allgemein auf "§§3 und 4" des Landesgrundverkehrsgesetzes gestützt, ohne näher darzulegen, welche dieser Bestimmungen die Rechtsgrundlage für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gebildet hat.

Sie hat jedenfalls den Erwerb der Grundstücke durch einen hauptberuflichen Landwirt dem Erwerb durch die Bf., die Inhaber eines Kleinbetriebes sind, vorgezogen. Eine solche Bevorzugung fände in der - die allgemeine Bestimmung des §3 spezifizierenden - Bestimmung des §4 litf des Landesgrundverkehrsgesetzes eine rechtliche Deckung, hätte aber zur Voraussetzung, daß Grundstücke eines land- und forstwirtschaftlichen Großbetriebes Gegenstand des Rechtsgeschäftes sind.

Die bel. Beh. hat sich mit der Frage, ob es sich bei den erworbenen Grundstücken um Grundstücke eines Großbetriebes handelt - die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür - , überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Sie hat sich nicht damit befaßt, daß die Bf. bereits Eigentümer eines landwirtschaftlichen (Klein)Betriebes waren und die Grundstücke zur Aufstockung dieses Betriebes erwerben wollten, was auch von der Gemeinde Schachendorf bestätigt worden war. Die bel. Beh. hat nicht geprüft, welche Verhältnisse aus dem Zuerwerb der Grundstücke durch die Bf. zu ihrem vorhandenen und durch den Erwerb des landwirtschaftlichen Betriebes der Eltern der Bf. in Aussicht stehenden landwirtschaftlichen Grundbesitz im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entstehen.

Ein solches Vorgehen ist willkürlich und verletzt für sich allein die Betroffenen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (vgl. VfSlg. 10479/1985).

Der Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.

3. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VerfGG. Im Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.000,-- enthalten.

4. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG idF BGBl. 297/1984 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B929.1986

Dokumentnummer

JFT_10129486_86B00929_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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