TE Vwgh ErkenntnisVS 1979/7/2 1781/77

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Veröffentlicht am 02.07.1979
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §59 Abs1 impl;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1 litb;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §48 Abs1 impl;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Drexler, Dr. Närr, Dr. Weiss, Dr. Degischer und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Polizeirat Dr. Hofreiter, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. Anton Kummer, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, Königsbrunngasse 11, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juni 1977, Zl. 11-393/I Scha 68/2-1977, betreffend Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 schuldig erkannt und bestraft worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 5. November 1976 wurde der Beschwerdeführer - abgesehen von den vom Beschwerdeführer schon in der Berufung unangefochten gebliebenen Teilen, die auch mit der vorliegenden Beschwerde nicht mehr bekämpft werden - schuldig erkannt, er habe 1) sich einem Straßenaufsichtsorgan gegenüber geweigert, nachdem er am 21. Juni 1976 um ca. 21.10 Uhr den dem polizeilichen Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der B-306 im Ortsgebiet Hönigsberg in Richtung Langenwang in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt gehabt habe, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen, und 2) es unterlassen, nachdem es auf Höhe der Tankstelle Holzbauer zwischen seinem Pkw und dem dem polizeilichen Kennzeichen nach bestimmten Lkw-Zug zu einer Streifung und Beschädigung des Anhängers dieses Lkw-Zuges gekommen sei, nach dem Verkehrsunfall sofort anzuhalten. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1) § 5 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der für den vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Fassung (StVO), und 2) § 4 Abs. 1 lit. a StVO begangen. Ad 1) wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO in der Höhe von S 7.000,-- (zwei Wochen Ersatzarreststrafe) und ad 2) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 600,-- (72 Stunden Ersatzarreststrafe) verhängt. Als Begründung wurde im wesentlichen angeführt, der Beschwerdeführer habe die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen in Abrede gestellt, jedoch zugegeben, vor Antritt der Fahrt Alkohol konsumiert zu haben. Auf Grund der glaubwürdigen und überzeugenden Aussagen der Zeugen und Meldungsleger, der Gendarmeriebeamten H und W sei erwiesen, daß beim Beschwerdeführer deutliche Symptome der Alkoholisierung feststellbar gewesen seien, der Beschwerdeführer trotz Belehrung über die Folgen der Verweigerung der Vornahme des Alkotestes sowohl den Alkotest als auch die Vorführung zur klinischen Untersuchung verweigert und nach dem Verkehrsunfall sein Kraftfahrzeug nicht angehalten habe.

Letztere Aussage sei von beiden Gendarmeriebeamten im Hinblick auf die Angaben des Unfallsbeteiligten R und der Unfallsbeobachter P, S und M gemacht worden.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung, worin er im wesentlichen ausführte, er habe gegenüber den Gendarmeriebeamten, die ihn in der Wohnung aus dem Schlaf geweckt hätten, sinngemäß wohl erklärt, welchen Wert eine derartige Untersuchung haben könne, nachdem er ja nach seiner Rückkehr nach Hause beim Fernsehen alkoholische Getränke zu sich genommen habe. Darauf sei offenbar nicht eingegangen worden. Diese Problematik sei überhaupt nicht erörtert worden, zumindest sei dem Beschwerdeführer dies nicht bekannt oder in Erinnernung, wobei er überzeugt gewesen sei, daß die Gendarmeriebeamten nicht mehr berechtigt gewesen seien, an ihm eine derartige Überprüfung der Atemluft vorzunehmen, um seinen Alkoholgehalt zur Zeit des Vorfalles klären zu können. Er könne mit Sicherheit sagen, daß er ohne Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit durch Alkoholkonsum den Pkw gelenkt habe, als es zu dieser Streifung mit dem Lkw-Zug gekommen sei, da er bis 19.00 Uhr gearbeitet habe, dann lediglich 1/8 l Wein im Volkshaus getrunken und demgemäß auch absolut nüchtern und in keiner Weise alkoholisiert in das Gasthaus Rosegger gefahren sei, wo er an sich eine dienstliche Angelegenheit habe besprechen wollen. Er habe auch im Gasthaus Rosegger nur 1/8 l Wein konsumiert. Er habe, als er nach dem Vorfall nach Hause gekommen sei, allerdings ein Fernsehstück angesehen und dabei eine Flasche Bier und aus einer Cognacflasche Cognac getrunken. Nach dem Unfall habe er seinen Pkw sofort angehalten und nach Besichtigung des Schadens den Kotflügel entsprechend aufgebogen, um sein Fahrzeug wieder normal manövrieren zu können, was auch ohne weiteres möglich gewesen sei. In der Zwischenzeit habe er jedoch festgestellt, daß der Lkw-Zug weitergefahren sei, sodaß er nach Hause gefahren sei, zumal es ihm an sich sinnlos erschienen sei, hier irgendeine Anzeige zu machen, da er zumindest geglaubt habe, daß der Lkw-Zug, mit dem er kollidiert sei, nicht mehr eruierbar sein werde. Sicherlich scheine ein unbeteiligter Dritter vielleicht den Eindruck gehabt zu haben, daß er in alkoholisiertem Zustand seinen Pkw gelenkt haben könne, weil er ja eindeutig von der rechten Fahrbahnseite zur linken Fahrbahn abgedrängt worden sei. Dies sei aber die zwangsläufige Folge der Kollision seines Pkws mit dem Hinterrad des Lkw-Anhängers gewesen.

Auf Veranlassung der Steiermärkischen Landesregierung wurde M am 1. Februar 1977 im Rechtshilfeweg als Zeuge vernommen, wobei er aussagte, der Beschwerdeführer habe seine Fahrt nach dem Unfall fortgesetzt. Der Beschwerdeführer könne nach dem Unfall nicht stehengeblieben sein, da er - der Zeuge - seit der Einfahrt in die Bundesstraße 306, vom Werk Schoeller-Bleckmann kommend, ständig hinter dem Pkw des Beschwerdeführers gefahren sei. Wenn der Beschwerdeführer stehengeblieben wäre, hätte ihn der Zeuge überholen müssen oder er wäre an ihm vorbeigefahren. Er habe auch erst in Langenwang das Kennzeichen des Pkws des Beschwerdeführers notieren können.

P gab bei seiner Vernehmung am 22. Februar 1977 als Zeuge an, daß sich der Unfall ca. 100 m von seiner Tankstelle entfernt ereignet habe, es zu dieser Zeit bereits dunkel gewesen sei und er von seiner Tankstelle aus nicht habe feststellen können, ob der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug nach dem Unfall tatsächlich angehalten habe oder weitergefahren sei.

S gab am 9. März 1977 als Zeuge an, daß der Beschwerdeführer nach dem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht angehalten habe und weitergefahren sei.

Nach Kenntnisnahme des ergänzenden Ermittlungsverfahrens gab der Beschwerdeführer im wesentlichen folgende Stellungnahme ab: Er unterstelle nicht, daß der Zeuge M bewußt unrichtig ausgesagt habe. Wieso es dem Zeugen entgangen sei, daß der Beschwerdeführer nach der Kollision mit dem Lkw mit seinem Pkw stehengeblieben sei, sei dem Beschwerdeführer nicht ganz klar. Tatsächlich habe er auf Grund der Kollision zwischen seinem Pkw und dem Lkw nicht weiterfahren können, sondern sei das Kotblech im Bereich des linken Vorderrades eingedrückt worden, sodaß dieses mit dem Reifen in Berührung gekommen sei. Dadurch habe der Beschwerdeführer auch zwangsläufig eine Richtungsänderung bis zum Stillstand des Fahrzeuges erzielt und daher zwangsläufig den Kotflügel provisorisch aufbiegen müssen, um überhaupt weiterfahren zu können. Der Werkstättenmeister W, dem der Beschwerdeführer am nächsten Tag den Pkw in Kindberg zur Reparatur übergeben habe, habe dem Beschwerdeführer auf Grund der durchgeführten Nachfrage, eindeutig erklärt, daß er den Schadensumfang am Pkw des Beschwerdeführers noch genau in Erinnerung habe und es daher zwangsläufig zu einer Streifung des Kotbleches mit dem Reifen gekommen sei und ohne provisorische Beseitigung des Kotbleches von dem Reifen eine Weiterfahrt gar nicht möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer beantrage die Vernehmung des Genannten als Zeugen.

Die Steiermärkische Landesregierung gab der Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 8. Juni 1977 nicht Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis (im Rahmen der Anfechtung) gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950. Als Begründung führte die Steiermärkische Landesregierung im wesentlichen an, der Unfall habe sich um 21.10 Uhr ereignet, während der Beschwerdeführer um 22.30 Uhr bereits zum Gendarmerieposten gebracht und dort aufgefordert worden sei, sich einem Alkotest und einer ärztlichen Untersuchung unterziehen zu lassen. In der Zwischenzeit von 1 Stunde und 20 Minuten wolle der Beschwerdeführer vom Unfallsort nach Hause gefahren sein, sich eine Fernsehsendung angesehen, eine größere Menge alkoholischer Getränke konsumiert und sich anschließend ins Bett gelegt haben, wo er von den Gendarmeriebeamten bereits schlafend angetroffen worden sei. Anläßlich der Einvernahme als Beschuldigter habe der Beschwerdeführer bestritten, den Alkotest und die Vorführung zum Arzt verweigert zu haben. Er habe damals angegeben während der Fernsehsendung eine Flasche Bier konsumiert zu haben. Im Widerspruch zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der ersten Instanz stünden nunmehr die Berufungsausführungen. Mit Rücksicht auf den kurzen Zeitraum von 1 Stunde und 20 Minuten, der zwischen Unfall und Vorführung zur Gendarmerie gelegen sei, erscheine die Berufungsausführung, derzufolge der Beschwerdeführer in der kurzen Zeit, in der er zu Hause die Fernsehsendung angesehen habe, soviel Alkohol konsumiert habe, daß er davon stark betrunken gewesen sei, unglaubwürdig. Die Gendarmeriebeamten seien jedenfalls auf Grund der beim Beschwerdeführer festgestellten Alkoholisierungsmerkmale berechtigt gewesen, ihn zur Vornahme eines Alkotestes aufzufordern. Da der Beschwerdeführer sowohl den Alkotest als auch die Vorführung zum Arzt zwecks Untersuchung des Grades der Alkoholeinwirkung verweigert habe, sei er zu Recht wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO bestraft worden. Es sei unbestritten, daß beim gegenständlichen Verkehrsunfall der Pkw des Beschwerdeführers schwer und der am Unfall beteiligte Lkw-Zug leicht beschädigt worden sei und daß es sich demnach um einen Unfall mit Sachschaden gehandelt habe. Der Beschwerdeführer hätte daher die Verpflichtung gehabt, sofort anzuhalten. Daß er dies nicht getan habe, sondern weitergefahren sei und sich nicht darum gekümmert habe, in welchem Grad der von ihm gestreifte Lkw-Zug beschädigt worden sei, gehe aus den Aussagen der Zeugen J (richtig wohl P), S und M eindeutig hervor. Auch der Lenker des am Unfall beteiligten Lkw-Zuges, D, habe ausgesagt, daß der Beschwerdeführer mit seinem Pkw von der Unfallstelle verschwunden gewesen sei, als er den Lkw-Zug angehalten habe. Die Angabe des Beschwerdeführers, er habe angehalten und sei erst weitergefahren, als er bemerkt habe, daß auch der Lkw-Zug die Unfallstelle verlassen hätte, stünde im Widerspruch zu den erwähnten Zeugenaussagen und sei daher nicht glaubwürdig. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung werde jedenfalls den Zeugenaussagen, die unter Wahrheitspflicht gemacht worden seien, eine größere Glaubwürdigkeit beigemessen, als den Angaben des Beschwerdeführers, die durch nichts erwiesen seien. Der strafbare Tatbestand der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO erscheine jedenfalls auf Grund der Zeugenaussagen erwiesen, sodaß jede weitere, vom Beschwerdeführer geforderte Beweisaufnahme, nicht erforderlich sei.

Gegen diesen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juni 1977 richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, worin sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Verwaltungsübertretung nach 4 Abs 1 lit. a StVO bringt der Beschwerdeführer vor, er habe dargelegt, daß er auf Grund des bei seinem Pkw aufgetretenen Schadens durch die Kollision gar nicht in der Lage gewesen wäre, mit diesem Fahrzeug weiterzufahren, sodaß er zwangsläufig seinen Pkw habe anhalten müssen. Diesbezüglich habe er sich auf die Einvernahme des Werkstättenmeisters W berufen, dessen Einvernahme einfach übergangen (richtig wohl unterlassen) worden sei. Die belangte Behörde habe lediglich die Zeugenaussage des "J und der Zeugen S und M" angeführt, ohne auf seinen Beweisantrag überhaupt einzugehen. Sie habe nicht einmal versucht, zu begründen, warum der Werkstättenmeister W nicht vernommen worden sei, und damit, ohne die Entlastungsbeweise des Beschwerdeführers durchzuführen, die Beweiswürdigung einfach vorweggenommen.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde keineswegs Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß der Tatbestand nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO auch dann verwirklicht ist, wenn der mit einem Verkehrsunfall in einem ursächlichen Zusammenhang stehende Lenker eines Kraftfahrzeuges aus irgendwelchen Gründen kurz anhält, dann aber sofort weiterfährt, ohne den weiteren, in lit. b und c der angeführten Gesetzesstelle festgelegten Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Das "Anhalten" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO ist eben nicht dem "Anhalten" im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a StVO gleichzuhalten. Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in seinen Erkenntnissen vom 6. Juni 1966, Zl. 396/65, vom 15. April 1971, Zl. 1305/70 und vom 6. April 1978, Zl. 754/77, worauf unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, vertreten. Zu dem tatsächlichen Ablauf am Unfallsort und in dessen näherer Umgebung hätte W auch nach dem Beweisantrag des Beschwerdeführers nichts aussagen können. Die belangte Behörde hat jedoch den angefochtenen Bescheid was die Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a. StVO anlangt, nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn sie den im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Unfallszeugen geglaubt und damit diese Übertretung für erwiesen angenommen hat. In dieser Hinsicht erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Zur Übertretung nach "§ 5 Abs. 2 StVO":

Hier bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei wegen seines Inhaltes rechtswidrig, da gemäß § 5 Abs. 2 StVO Gendarmerieorgane lediglich berechtigt seien, die Atemluft von Personen zu überprüfen, die ein Fahrzeug in Betrieb nehmen oder lenken oder dies versuchen.

Nach § 5 Abs. 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden. Die Untersuchung ist mit geeigneten Geräten vorzunehmen.

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur Beschwerden einerseits in Fällen abgewiesen, in denen im Verwaltungsstrafverfahren im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, § 5 Abs. 2 StVO angeführt worden ist. (Siehe die hg. Erkenntnisse vom 10. Juni 1964, Zl. 2008/63, und vom 3. Februar 1966, Zl. 1937/65; ferner das Erkenntnis vom 6. März 1967, Zl. 429/66, welches in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes unter der Nummer 7095/A/1967 auszugsweise abgedruckt worden ist; ferner das Erkenntnis vom 19. März 1970, Zl. 1812/68, auszugsweise abgedruckt in der Amtlichen Sammlung unter der Nummer 7763/A/1970; siehe des weiteren die Erkenntnisse vom 12. November 1970, Zl. 205/70, vom 18. November 1971, Zl. 2027/70, vom 6. Dezember 1973, Zl. 962/73 vom 14. März 1975, Zl. 511/74, und vom 12. September 1975, Zl. 997/74).

Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof Beschwerden in Fällen abgewiesen, in denen im Verwaltungsstrafverfahren als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO angeführt worden ist (Siehe die hg. Erkenntnisse vom 8. Mai 1974, Zl. 109/74, vom 27. Juni 1975, Zl. 383/75, vom 5. Juni 1978, Zl. 2599/77, und vom 26. Juni 1978, Zl.1831/77.)

Diese Umstände haben im Sinne des § 13 Z. 1 und 2 VwGG 1965 dazu geführt, daß über den vorliegenden Beschwerdefall ein verstärkter Senat des Verwaltungsgerichtshofes entscheidet.

Den Standpunkt, daß § 5 Abs. 2 StVO (für sich allein) als Verwaltungsvorschrift in Betracht kommt, die durch die Tat verletzt worden ist, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr aufrechterhalten. Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 StVO ist ihrem klaren Wortlaut nach einer Verletzung durch Lenker von Kraftfahrzeugen nicht zugänglich, sondern räumt lediglich bestimmten Organen eine Berechtigung ein (verbunden mit der Verpflichtung zur Verwendung geeigneter Geräte). Nach der Systematik der Straßenverkehrsordnung 1960 ist mit der Regelung des § 5 Abs. 2 der Straftatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b verknüpft. Im Hinblick auf die Strafdrohung, die in der Einleitung des § 99 Abs 1. StVO geregelt worden ist, liegt im § 99 Abs. 1 lit. b StVO die Verpflichtung, sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen nicht zu weigern, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Diese Verpflichtung und somit die Verwaltungsvorschrift des § 99 Abs. 1 lit. b StVO wird durch die Weigerung (die tatbestandsmäßig im § 5 Abs. 2 StVO nicht erfaßt ist) verletzt.

Im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses wird § 99 Abs. 1 lit. b StVO zwar zitiert, jedoch lediglich als gesetzliche Grundlage der Strafbemessung.

Es trifft zwar zu, daß der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt von der "im § 5 Abs. 2 StVO genannten Verpflichtung" (der Lenker von Fahrzeugen) gesprochen hat. (Siehe z. B. Erkenntnisse vom 8. April 1964, Slg. Nr. 6295/A/1964, vom 6. Dezember 1973, Zl. 962/73, vom 14. Februar 1975, Zl. 60/74, und vom 14. März 1975, Zl. 511/74). In Wiederholung der vorstehenden Ausführungen kann demgemäß nur nochmals festgehalten werden, daß § 5 Abs.2 StVO seinem Wortlaut nach keine Verpflichtung der Lenker von Fahrzeugen aufstellt, sondern eine Berechtigung bestimmter Organe (verbunden mit der Verpflichtung zur Verwendung geeigneter Geräte) vorsieht. Im Hinblick auf die Sanktion des § 99 Abs. 1 StVO sind die Lenker von Fahrzeugen nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO verpflichtet, sich nicht zu weigern, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Im Erkenntnis vom 8. November 1962, Zl. 834762, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgeführt:

"Die belangte Behörde hat jedoch, so wie die Erstbehörde, ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer durch seine Handlungsweise eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO begangen habe. Bei dieser Gesetzesstelle handelt es sich aber, wie sich schon aus der Überschrift des § 99 ergibt, lediglich um die Strafbestimmung. Das Tatbild der hier in Frage kommenden Verwaltungsübertretung befindet sich vielmehr im § 5 Abs. 1 StVO."

Diese Ausführungen über das Verhältnis zwischen § 5 Abs. 1 StVO und § 99 Abs. 1 lit. a StVO lassen sich auf das Verhältnis zwischen § 5 Abs. 2 StVO und § 99 Abs. 1 lit. b StVO nicht übertragen. Während nämlich im § 5 Abs. 1 StVO gegenüber Personen, die an sich als Lenker von Fahrzeugen in Betracht kommen, ein Nicht-Dürfen vorgesehen ist, ist hinsichtlich der Berechtigung nach § 5 Abs. 2 StVO das entsprechende Verhalten der Lenker von Fahrzeugen im § 99 Abs. 1 lit. b umschrieben. Aus der vorgesehenen Strafdrohung ergibt sich, daß die dort angeführte Weigerung unzulässig ist, wie sich in ähnlicher Weise etwa aus § 99 Abs. 4 lit. a StVO (und aus keiner anderen Regelung der Straßenverkehrsordnung 1960) ergibt, daß es unzulässig ist, auf fahrende Fahrzeuge aufzuspringen oder von ihnen abzuspringen.

Um den Lauf der Frist zur Verfolgungsverjährung zu unterbrechen, hat sich eine behördliche Verfolgungshandlung auf alle für das Verwaltungsstrafverfahren maßgebenden Sachverhaltselemente derart zu beziehen, daß alle Tatbestandselemente der einem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfaßt sind (siehe das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Oktober 1978, Zl. 1664/75). Außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dürfen Tatbestandselemente nicht weggelassen, hinzugefügt oder ausgetauscht werden. Die Behörde muß somit von der ersten Verfolgungshandlung an klargestellt haben, welche bestimmten Vorwürfe gegen den Beschuldigten erhoben werden. Dieser muß in die Lage versetzt sein, die von ihm für ungerecht gehaltenen Vorwürfe zu bekämpfen und zu den Sachverhaltselementen, die als für den Ausgang des Strafverfahrens maßgebend zu betrachten sind, Beweisanträge zu stellen. Wird dann ein Straferkenntnis gefällt, so ergibt sich ein rechtliches Interesse des Beschuldigten, daß ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat, andererseits die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, richtig und vollständig vorgehalten wird. Im Hinblick auf den auf solche Weise klar abgegrenzten Schuldspruch muß die für das allfällige Berufungsverfahren maßgebende Fragestellung behandelt werden können, ob die Tatbestandselemente, die der im Straferkenntnis als verletzt angeführten Verwaltungsvorschrift innewohnen, bereits Gegenstand einer innerhalb der Frist zur Verfolgungsverjährung gesetzten Verfolgungshandlung waren, ob die Verwirklichung der betreffenden Sachverhaltselemente als nachgewiesen anzusehen ist und ob diese Sachverhalts- und Tatbestandselemente einander rechtlich richtig zugeordnet worden sind.

Die Anwendung des § 44 a lit. b VStG 1950 verlangt also, daß im Spruch eines Straferkenntnisses die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, angeführt wird. Im Rechtsvollzug muß somit danach gefragt werden, ob und inwieweit eine Verwaltungsvorschrift überhaupt Gegenstand einer verwaltungsstrafrechtlich zu ahndenden Verletzung sein kann. Die Regelung des § 5 Abs. 2 StVO, die sich darin erschöpft, eine Berechtigung einzuräumen, kann nicht Gegenstand einer verwaltungsstrafrechtlich zu ahndenden Verletzung sein. Daher verletzt also die Weigerung, die Atemluft unter den Voraussetzungen des § 5 StVO auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 nicht § 5 Abs. 2 StVO, sondern § 99 Abs. 1 lit. b StVO.

Mit diesem Teil des angefochtenen Bescheides wurde also ein Straferkenntnis bestätigt, in welchem im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 als die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, § 5 Abs. 2 StVO angeführt worden ist. Im Sinne der vorstehenden Ausführung kommt jedoch diese Bestimmung als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, nicht in Betracht. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 schuldig erkannt und bestraft wurde, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im übrigen aber gemäß § 42 Abs. 1 leg. cit. als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b und 50 VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1976, BGBl. Nr. 316, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542, die auf Grund ihres Art. III Abs. 2 im vorliegenden Fall anzuwenden war. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die dritte Beschwerdeausfertigung für eine zweckmäßige Rechtsverfolgung nicht notwendig war und der Stempelgebührenersatz für eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde als Eingabe (§ 14 TP 6 Abs. 1 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267, in der seit 1. Jänner 1977 geltenden Fassung, BGBl. Nr. 668/1977) auch dann S 70,-- beträgt, wenn die Beschwerde aus mehreren Bogen besteht. (Vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1977, ZI. 1214/77, worauf unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird.) Wien, am 2. Juli 1979

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Normen und Materien StVOInhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungMängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1977001781.X00

Im RIS seit

12.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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