TE Vwgh Erkenntnis 1981/11/11 81/09/0021

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Veröffentlicht am 11.11.1981
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §73 Abs2;
KOVG 1957 §86 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der A F gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 29. Dezember 1980, Zl. 348 501/5-2/a/1980, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird gegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Vorarlberg vom 25. Juli 1978 wurde der Antrag des O F vom 16. Jänner 1978 auf Gewährung einer Pflegezulage gemäß § 18 KOVG 1957 abgewiesen. Einer dagegen erhobenen Berufung (eingelangt am 4. Oktober 1978) gab die Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Vorarlberg mit einem vom 5. November 1979 datiertem Bescheid keine Folge. Dieser Berufungsbescheid wurde dem genannten Kriegsbeschädigten am 3. Jänner 1980 zugestellt.

Bereits mit Eingabe vom 19. Dezember 1979 hatte der Kriegsbeschädigte durch seinen bestellten Vertreter im Hinblick auf das Verstreichen der sechsmonatigen Entscheidungsfrist einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG 1950 an das Bundesministerium für soziale Verwaltung gerichtet, der bei diesem am 27. Dezember 1979 eingelangt war.

Gegen den Berufungsbescheid der Schiedskommission vom 5. November 1979 erhob der Kriegsbeschädigte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, wobei das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf das am 8. April 1980 erfolgte Ableben des Genannten von dessen Schwester, der nunmehrigen Beschwerdeführerin, gemäß § 48 a Abs. 1 KOVG 1957 fortgesetzt wurde. In Stattgebung dieser Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid der Schiedskommission mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. August 1980, Zl. 200/80, wegen Unzuständigkeit der im damaligen Verfahren belangten Behörde aufgehoben.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1980 wies nunmehr der Bundesminister für soziale Verwaltung das Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die am 4. Oktober 1978 gegen den Bescheid des Landesinvalidenamtes für Vorarlberg vom 25. Juli 1978 eingebrachte Berufung gemäß § 86 Abs. 1 KOVG 1957 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG 1950 ab. Er führte zur Begründung aus, die Schiedskommission habe auf Grund der am 4. Oktober 1978 eingebrachten Berufung zunächst festgestellt, dass sich der Kriegsbeschädigte in Krankenhausbehandlung befinde. Nach Ende der Spitalsbehandlung (24. Oktober bis 25. November 1978) sei die entsprechende Krankengeschichte zwecks Mitberücksichtigung bei dem zu erstellenden ärztlichen Sachverständigengutachten beschafft worden. Zwischendurch sei noch vom Landesinvalidenamt ein Bescheid vom 12. Oktober 1978 (Diätzuschuss) und ein Bescheid vom 17. Oktober 1978 (Vorschusszahlungen auf Hilflosenzulage) erlassen worden. Über den von der Schiedskommission nach Durchführung des Parteiengehörs gefassten Beschluss vom 29. Juni 1979 und nach Ausarbeitung eines Bescheidentwurfes sei auf Grund einer generellen Weisung dem Bundesministerium für soziale Verwaltung berichtet worden. Um eine Einheitlichkeit in der Rechtsprechung zu Gewähr leisten und Aufgaben der Dienstaufsicht zu erfüllen, die der Rechnungshof in erhöhtem Ausmaß wahrzunehmen ersucht habe, seien die Landesinvalidenämter und Schiedskommissionen angewiesen worden, Bescheidentwürfe, nach denen u.a. über den Anspruch auf Pflegezulagen abgesprochen werden solle, vor Abfertigung dem Bundesministerium für soziale Verwaltung vorzulegen. Das Kriegsopferversorgungsgesetz sehe für den Fall der Hilflosigkeit zwei Arten von Leistungen vor, und zwar die Pflegezulage und die Hilflosenzulage. Die Anspruchsvoraussetzungen der Hilflosenzulage entsprächen denjenigen für den Hilflosenzuschuss in der Sozialversicherung. Bei der Pflegezulage handle es sich um eine spezifische Leistung der Kriegsopferversorgung, die einerseits betragsmäßig wesentlich über der Hilflosenzulage bzw. den Hilflosenzuschüssen der Sozialversicherung liege, andererseits aber an strengere Voraussetzungen gebunden sei. Im Anlassfall habe der Beurteilung der Pflegebedüftigkeit durch die Schiedskommission nicht beigepflichtet werden können, so daß die Schiedskommission in der Verhandlung vom 16. Oktober 1979 ihren Beschluss vom 29. Juni 1979 einer Revision habe unterziehen müssen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass wegen der komplizierten Sachlage (Unterscheidung von Pflegezulage und Hilflosenzulage) und der sich auch auf medizinischem Gebiet ergebenden unterschiedlichen Ansichten ein länger dauerndes Ermittlungsverfahren erforderlich gewesen sei. Damit sei aber die Behörde an der Verzögerung des Verfahrens nicht ausschließlich als Schuld tragend anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, laut derem Vorbringen sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Bundesminister für soziale Verwaltung im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG 1950 als verletzt erachtet. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, auf Grund ihrer Berufung sei am 18. September 1979 die Vorlage des stattgebenden Bescheidentwurfes samt Akten an das Bundesministerium für soziale Verwaltung erfolgt. Am 5. Oktober 1979 habe das Bundesministerium der Entscheidung der Schiedskommission widersprochen. Am 16. Oktober 1979 habe die Schiedskommission unter Berücksichtigung der Weisung des Bundesministeriums entschieden. Der Bescheid der Schiedskommission mit Datum 5. November 1979 sei am 21. Dezember geschrieben und am 3. Jänner 1980 zugestellt worden. Ausgehend davon ergebe sich vor allem auch im Hinblick auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid kein Hinweis für die Annahme, dass irgendjemand außerhalb der zuständigen Behörde ein Verschulden an der Dauer des Berufungsverfahrens treffe. Insbesondere sei auch das Ermittlungsverfahren im medizinischen Bereich zeitgerecht abgeschlossen worden, und es habe auch das Bundesministerium für soziale Verwaltung nach der Aktenlage keine neuen medizinischen Unterlagen beigeschafft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde und die hiezu erstattete Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG 1950 (§ 86 Abs. 1 KOVG 1957) sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 6. Juni 1973, Zl. 256/73, Slg. N. F. Nr. 8426/A, und die weiters dort angeführte Rechtsprechung) ist die Verzögerung der Entscheidung dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde. Die Unmöglichkeit, über einen Antrag spätestens sechs Monate nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen, muss daher in allen jenen Fällen der Behörde allein zur Last fallen, in denen sie weder durch ein Verschulden der Partei noch durch ein unüberwindliches Hindernis daran gehindert war, die Beweise rasch aufzunehmen und der Partei ohne unnötigen Aufschub Gelegenheit zu geben, das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen.

Ausgehend davon reichen aber die Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht aus, um eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen Rechtmäßigkeit zu ermöglichen. Dies vor allem deshalb, da in sachverhaltsmäßiger Hinsicht weder die Anführung der Zeiten der Spitalsbehandlung des Beschwerdeführers (24. Oktober bis 25. November 1978) noch auch der Hinweis auf die Beischaffung der darauf bezug habenden Krankengeschichte zwecks Mitberücksichtigung bei dem zu erstellenden ärztlichen Sachverständigengutachten allein die Voraussetzungen für die Annahme eines ausschließlichen Verschuldens der Behörde als ausgeschlossen erscheinen lassen. Sonstige näher konkretisierte Hinweise auf allenfalls als entscheidungswesentlich in Betracht kommende Umstände finden sich aber im angefochtenen Bescheid nicht. Insbesondere kann nämlich auch die zusammenfassende Anführung, "dass wegen der komplizierten Sachlage (Unterscheidung von Pflegezulage und Hilflosenzulage) und der sich auf medizinischem Gebiet ergebenden divergierenden Ansichten ein länger dauerndes Ermittlungsverfahren erforderlich gewesen sei" weder als ausreichende Begründung im Sachverhaltsnoch auch im Rechtsbereich angesehen werden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden ist.

Wien, am 11.November 1981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1981090021.X00

Im RIS seit

14.04.2004

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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