TE Vwgh Erkenntnis 1982/4/2 82/08/0005

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.1982
beobachten
merken

Index

82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Pichler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde des Dr. W in A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. November 1981, Zl. VII/3-3/G-7/31981, betreffend die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Februar 1980 wurde dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke mit dem Standort A erteilt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 1981 wurde der Mag. pharm. BC die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit dem Standort A verliehen. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Bescheid vom 12. August 1981 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Mödling unter Hinweis auf diese Konzessionserteilung gemäß § 29 Abs. 3 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/ 1907 (ApG), in der geltenden Fassung, die dem Beschwerdeführer erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in A mit Wirkung des Tages der tatsächlichen Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke in A durch BC zurückgenommen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer unter Bezug auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1933, Slg. Nr. 17.762/A, ein, bei Beurteilung der Frage, ob eine ärztliche Hausapotheke infolge Errichtung einer öffentlichen Apotheke entbehrlich geworden sei, habe die Behörde nicht bloß auf die im Wohnort des die Hausapotheke haltenden Arztes wohnhaften Patienten, sondern auch auf jene Kranken Bedacht zu nehmen, die von auswärts kämen. Das Gesetz sehe also vor, dass die Entbehrlichkeit zu prüfen und nicht automatisch mit der Eröffnung einer öffentlichen Apotheke anzunehmen sei; insbesondere seien auch die Anmarschwege der Patienten des hausapothekenführenden Arztes zu berücksichtigen. Bei dem vom Beschwerdeführer zu betreuenden Gebiet handle es sich um ein solches mit unzähligen, zum Teil hoch gelegenen Streusiedlungen und von seinem Ordinationssitz weit entfernten Gehöften, sodass gerade in der schlechten Jahreszeit, in der Krankheiten vermehrt aufträten, die Patienten auf Hausvisiten angewiesen seien. Visiten könnten aber erst in den Nachmittagsstunden gemacht werden, sodass es geradezu unmöglich sei, noch am selben Tag im Hinblick auf die weiten Anmarschwege und schlechten öffentlichen Verkehrsverbindungen ein Rezept in der öffentlichen Apotheke einzulösen. Die Patienten des Beschwerdeführers (insbesondere gebrechliche, gehbehinderte, ältere Leute) seien daher darauf angewiesen, dass ihnen ihre oft lebensnotwendigen Medikamente anlässlich seines Hausbesuches ausgefolgt würden und damit eine sofortige erfolgreiche Behandlung einsetzen könne. Im übrigen verweise er auf seine Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren. Darin hatte er unter anderem ausgeführt, die öffentliche Apotheke in A sei weder eröffnet noch in Betrieb genommen; auch sei mit dem Bau des Apothekenhauses noch gar nicht begonnen worden. Es sei auch gar nicht anzunehmen, dass eine öffentliche Apotheke in A überhaupt ihre Existenzgrundlage finde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 29 Abs. 3 ApG ab. Begründend wurde ausgeführt, es könnten für die Frage der Entbehrlichkeit einer ärztlichen Hausapotheke infolge Errichtung einer öffentlichen Apotheke im Sinne des § 29 Abs. 3 leg. cit. keine anderen Kriterien entscheidend sein als bei der Frage, ob ein Bedarf an einer ärztlichen Hausapotheke im Sinne des § 29 Abs. 1 leg. cit. bestehe. Es stehe außer Frage, dass die "Entbehrlichkeit" im Sinne des § 29 Abs. 3 leg. cit. nur davon abhänge, ob nach der Errichtung der öffentlichen Apotheke noch ein "Bedarf" im Sinne des Abs. 1 nach einer betreffenden Hausapotheke bestehe. Nach der ständigen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes sei der Bedarf nach einer ärztlichen Hausapotheke allein abhängig von der Entfernung zwischen dem Ort der öffentlichen Apotheke und dem Wohnsitz (Berufssitz) des Arztes und den Verkehrsverhältnissen zwischen beiden Orten. Nicht entscheidend seien danach die Entfernungen in dem vom Arzt zu betreuenden Gebiet. In keinem einzigen Fall aber sei ein Bedarf nach einer ärztlichen Hausapotheke für einen Ort mit öffentlicher Apotheke bejaht worden. Das Gesetz gehe nach seiner Intention davon aus, dass ein Bedarf nur dann anzunehmen sei, wenn die Patienten nach der Ausfolgung des Rezeptes durch den Arzt gezwungen seien, eine an einem anderen Ort gelegene öffentliche Apotheke aufzusuchen, und dies wegen der Entfernung und der konkreten Verkehrsverhältnisse einen derartigen Zeit- und Wegaufwand erfordere, dass der Aufwand den Patienten regelmäßig nicht zumutbar erscheine. Im Beschwerdefall werde die öffentliche Apotheke in dem Ort A errichtet, in dem auch der Beschwerdeführer eine Hausapotheke führe. Seine Patienten könnten daher innerhalb kürzester Zeit die ihnen verordneten Medikamente in der neu errichteten öffentlichen Apotheke beziehen. Dass hier kein Bedarf im Sinne des Gesetzes nach dem Weiterbestand der Hausapotheke in A vorliege, liege auf der Hand; die Hausapotheke sei als entbehrlich anzusehen. Für die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Fälle, in denen weiter entfernt wohnende Patienten anlässlich von Hausbesuchen sofort bestimmte Medikamente benötigten, sei auf § 13 Ärztegesetz 1949, BGBl. Nr. 92, verwiesen. Diese Bestimmung verpflichte (und berechtige damit) die Ärzte, die keine Hausapothekenbewilligung besäßen, die nach der Art ihrer Praxis und den örtlichen Verhältnissen für die Erste-Hilfe-Leistung in dringenden Fällen notwendigen Arzneimittel vorrätig zu halten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 ApG ist die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke einem Arzt zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Wohnsitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und mit Rücksicht auf die Entfernung der nächsten derartigen Apotheke an dem Wohnort des Arztes ein Bedürfnis nach einer Verabreichungsstelle von Heilmitteln besteht (§ 10 Abs. 3). Nach § 29 Abs. 3 leg. cit. ist die Bewilligung zurückzunehmen, wenn die Hausapotheke infolge der Errichtung einer öffentlichen Apotheke am Standort der Hausapotheke oder in der Umgebung entbehrlich geworden ist.

Wie sich aus dem Zusammenhalt der Abs. 1 und 3 des § 29 leg. cit. eindeutig ergibt, ist eine Hausapotheke dann entbehrlich im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle, wenn eine der beiden kumulativen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 leg. cit. weggefallen ist. Wird daher in der Ortschaft, für den dem Arzt die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke erteilt wurde, eine öffentliche Apotheke errichtet, so ist zufolge Wegfalles der ersten der beiden im § 29 Abs. 1 leg. cit. normierten Voraussetzungen für die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke die erteilte Bewilligung nach § 29 Abs. 3 leg. cit. zwingend zurückzunehmen; der Fortbestand der zweiten im § 29 Abs. 1 leg. cit. genannten Voraussetzung ist in einem solchen Fall gar nicht mehr zu prüfen (vgl. Erkenntnisse vom 19. Juni 1979, Zl. 232/79, und vom 14. Jänner 1969, Zl. 1109/68; siehe auch Tlapek, Die Zurücknahme ärztlicher Hausapothekenbewilligungen, ÖJZ 1964, S. 456). In dieser Regelung kommt der im Apothekengesetz verankerte grundsätzliche Primat der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch die öffentlichen Apotheken (vgl. Erkenntnisse vom 19. Juni 1979, Zl. 232/79, vom 16. September 1969, Zl. 276/ 69, vom 24. März 1964, Slg. N.F. Nr. 6277/A) im besonderen Maß zum Ausdruck. Dass der Gesetzgeber das Nebeneinanderbestehen einer öffentlichen Apotheke und einer ärztlichen Hausapotheke im selben Ort für unzulässig erachtet, findet eine weitere Bestätigung durch § 30 Abs. 1 ApG, wonach die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke den Arzt zur Verabreichung von Heilmitteln an die in seiner Behandlung stehenden Kranken nur berechtigt, insofern die Behandlung nicht an einem Ort stattfindet, an dem eine öffentliche Apotheke vorhanden ist. Der am Standort einer öffentlichen Apotheke eine Hausapotheke haltende Arzt dürfte daher Medikamente nur dann verabreichen, wenn die Behandlung des Patienten außerhalb des Standortes seiner Hausapotheke, also am Wohnsitz solcher Patienten, die an einem Ort wohnen, der sich nicht mit dem Standort der öffentlichen Apotheke und der Hausapotheke deckt, erfolgen. Dies widerspräche aber dem mit der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke erkennbar beabsichtigten Zweck in Verbindung mit der ärztlichen Praxis, die naturgemäß hauptsächlich in der Ordination des Arztes ausgeübt wird, geführt zu werden, um - mangels einer öffentlichen Apotheke - eine rasche und klaglose Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zu gewährleisten (vgl. dazu Erkenntnis vom 26. September 1972, Slg. N.F. Nr. 8288/A). Sofern in solchen, zum Teil auch vom Beschwerdeführer in der Beschwerde herangezogenen Fällen die Verabreichung von Medikamenten durch den Arzt notwendig werden sollte, weil die Beschaffung der Heilmittel von der öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig möglich wäre, ist aber, wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, ohnedies durch § 13 Ärztegesetz 1949, BGBl. Nr. 92, vorgesorgt. Soweit der Beschwerdeführer somit bestreitet, dass mit der Errichtung der neuen öffentlichen Apotheke in A seine Hausapotheke entbehrlich werde, ist seine Beschwerde unbegründet.

Hingegen kommt der Auffassung des Beschwerdeführers Berechtigung zu, die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dürfe erst dann zurückgenommen werden, wenn am Standort der Hausapotheke eine öffentliche Apotheke errichtet worden sei. Denn § 29 Abs. 3 leg. cit. spricht ausdrücklich davon, dass die Bewilligung zurückzunehmen ist, wenn die Hausapotheke infolge der Errichtung einer öffentlichen Apotheke ... entbehrlich geworden ist. Hingegen findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt dafür, dass die Behörde schon vor der tatsächlichen Errichtung der Apotheke berechtigt sei, die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke für den Fall der künftigen Errichtung der öffentlichen Apotheke zurückzunehmen. Ob aber die neue öffentliche Apotheke in A, für deren Errichtung bereits die Konzession erteilt wurde, zumindest im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides schon errichtet war, lässt sich der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen.

Da der Sachverhalt in dem zuletzt genannten wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; ein Abspruch über die begehrte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erübrigte sich daher (Erkenntnisse vom 13. März 1970, Slg. N.F. Nr. 7758/A, und vom 15. September 1976, Z1. 1223/76).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da einerseits neben dem pauschalen Schriftsatzaufwand nicht auch die davon errechnete Umsatzsteuer gebührt und andererseits Stempelgebühren nur in jenem Ausmaß zu ersetzen sind, in dem sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entrichten sind.

Wien, am 2. April 1982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1982080005.X00

Im RIS seit

18.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten