TE Vwgh Erkenntnis 1983/5/10 82/07/0157

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Veröffentlicht am 10.05.1983
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

B-VG Art139;
WRG 1959 §117;
WRG 1959 §60 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des LT in W, vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien IX, Türkenstraße 9/2/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Juni 1982, Zl. 15.626/12-I 5/78 (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien (Magistratsabteilung 31) in Wien VI, Grabnergasse 6 zur Zl. MA 31 - 5000/61 - 59), betreffend Entschädigung nach dem Wasserrechtsgesetz 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. n1 des Grundbuches U, zu deren Gutsbestand unter anderem das Grundstück Nr. n2 mit der grundbücherlich ausgezeichneten Kulturgattung Acker gehört. Dieses Grundstück liegt im westlichen stumpfen Winkelfeld der Kreuzung der Bundesstraße 11 mit der Ostbahn.

Das Ausmaß des Grundstückes beträgt bei einem annähernd trapezförmigen Grundriss 3.693 m2.

Die ungefähr von Südwesten nach Nordosten sich erstreckende Grundlinie dieser Fläche beträgt ca. 115 m. Die südöstliche Seitenkante dieser Fläche verläuft von Südsüdwest in nordnordöstlicher Richtung, annähernd parallel zur Bahntrasse in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes L. Das Niveau des Grundstückes liegt ca. 1,5 bis 2,0 m über den Nivelletten der angrenzenden Verkehrsflächen.

Die mitbeteiligte Partei baut die III. Wiener Wasserleitung aus.

Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 18. Dezember 1974, Zl. 96.505/963-88.424/74, wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 9, 100, 114 und 115 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215 (WRG 1959), in Beziehung auf den Spruchabschnitt II lit. f des Bewilligungsbescheides desselben Bundesministers vom 14. Juli 1971, Zl. 96.505/506-40.500/71, die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausführung der im Detailprojekt F-2. Teil Transportleitung 1400 mm und Fernmeldekabel näher beschriebenen Anlagen erteilt.

Die mitbeteiligte Partei richtete mit Eingabe vom 23. Juli 1975 an den Landeshauptmann von Niederösterreich als Wasserrechtsbehörde erster Instanz das Ersuchen, das Enteignungs- und Entschädigungsverfahren zur zwangsweisen Einräumung der Wasserleitungs-Dienstbarkeit im Ausmaß von 548,4 m2 auf Dauer und von 2946 m2 auf Bauzeit für das vorgenannte Grundstück Nr. n2 der Katastralgemeinde U abzuwickeln. Trotz intensiver Bemühungen sei es bisher, so führte die mitbeteiligte Partei in der genannten Eingabe aus, nicht gelungen, mit dem Beschwerdeführer eine Einigung über die erforderliche Grundinanspruchnahme für die Ableitung zu erzielen. Den dem Ansuchen angeschlossenen Projektunterlagen ist zu entnehmen, dass durch den Bau der III. Wiener Wasserleitung unweit des von Südsüdwest nach Nordnordost verlaufenden südöstlich gelegenen Randes des gegenständlichen Grundstückes parallel mit jenem ein etwa 8m breiter Grundstreifen, in dessen Achse das Wasserrohr zu liegen kommt, auf Dauer beansprucht werden soll.

Bei der mündlichen Verhandlung vor der Wasserrechtsbehörde erster Instanz erklärte der Beschwerdeführer am 17. Februar 1976 unter anderem, das Grundstück sei laut Grundbuchstand zwar noch als Ackergrundstück ausgewiesen, jedoch laut dem gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde L als "Industriegrund" gewidmet. Der Beschwerdeführer beantrage daher, nicht Entschädigungssätze für Landwirtschaftsschäden, sondern für Industriegrund zu gewähren. Grundsätzlich erklärte sich der Beschwerdeführer mit der erforderlichen Grundinanspruchnahme einverstanden und stellte das Ersuchen, dass sich die zuständigen Organe der mitbeteiligten Partei wegen Neufestsetzung der Entschädigung mit ihm ins Einvernehmen setzen mögen

Der Bürgermeister der Gemeinde gab die Erklärung ab, dass nach dem genehmigten Flächenwidmungsplan das Grundstück des Beschwerdeführers im Industriegebiet liege.

Da es mangels Einigung zu einer vertraglichen Einräumung der Dienstbarkeit nicht gekommen war, gab der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 9. November 1976 dem Antrag der mitbeteiligten Partei Folge und verpflichtete den Beschwerdeführer unter anderem (Punkt 2 des Spruches) die Errichtung, den Bestand und den Betrieb sowie die Instandhaltung von Wasserleitungsanlagen, ferner die Vornahme von allfälligen Reparaturen an diesen zu dulden.

In Punkt 4) des Bescheidspruches wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, die Errichtung von Baulichkeiten und die Anpflanzung von Bäumen und tiefwurzelnden Pflanzen beiderseits der Achse der Wasserleitungsanlagen und überhaupt alles zu unterlassen, was den Bestand und Betrieb der Wasserleitungsanlagen, deren Überwachung sowie die Vornahme allfälliger Reparaturen an denselben hindern, erschweren oder gefährden könnte.

Das Entschädigungsverfahren - so wurde in dem Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. November 1976 ausgesprochen - werde nach Rechtskraft dieses Bescheides fortgesetzt werden.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Im Zuge der Führung des wasserrechtlichen Entschädigungsverfahrens, verlangte der Beschwerdeführer einen Entschädigungsbetrag von S 180,--/m2, wobei er bei der Verhandlung am 10. März 1977 darauf hinwies, dass die Verwertungsmöglichkeit seines Grundstückes, etwa durch Verhinderung, eines Gleisanschlusses, vermindert werde. Der landwirtschaftliche Amtssachverständige erklärte sich mit dem Bemerken als unzuständig, dass es sich bei dem Grundstück des Beschwerdeführers "nicht mehr um als Grünland gewidmete Flächen" handelt.

Der anwesende Bürgermeister der Gemeinde L vertrat die Meinung, "dass die derzeit im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Verkehrsfläche mit der Bundesstraße 11 nicht in Verbindung gebracht werden kann und daher aus dem Flächenwidmungsplan herausgenommen werden muss".

In der Folge erstattete die Abteilung B/4 des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung ein Amtssachverständigengutachten.

Laut Zusammenfassung dieses Gutachtens resultiere die Gesamtentschädigung für die Einräumung der Wasserleitungsdienstbarkeit auf dem gegenständlichen Grundstück aus der Verkehrswertminderung im Ausmaß von S 103.950,-- und dem Servitutsentgelt im Ausmaß von S 24.508,--, betrage, somit insgesamt S 128.500,--. Außerdem sei für die vorübergehende Beanspruchung, welche sich zufolge ihres großen Anteiles (85 % der gesamten Fläche) eben auf diese gesamte Fläche beziehen müsse, eine Entschädigung für Ackerland zu entrichten.

Bei der Verhandlung am 1. Juni 1977 erklärte der Beschwerdeführer, dass er das amtliche Bausachverständigengutachten widerspruchslos zur Kenntnis nehme. Er verwies darauf, dass die Einbeziehung des 4 m breiten Streifens zwischen der Servitutsfläche und der Grundgrenze zur Bahn für die Errechnung des Gesamtentschädigungsbetrages als selbstverständlich erachtet werde. Hingegen erklärte die mitbeteiligte Partei, dass der gesamte Servitutsstreifen in der derzeit als Verkehrsfläche ausgewiesenen Grundfläche Deckung finde. Die Nichtberücksichtigung dieser Tatsache entspreche nicht der Rechtslage. Auch der vorgenannte 4 m-Streifen liege nicht im Industriegebiet, sondern auf der Verkehrsfläche.

Der Sachverständige bezog sich seinerseits darauf, dass die gegenständliche Verkehrsfläche wieder in Bauland rückgewidmet werden solle, was auch der zuständige Bürgermeister erklärt habe. Schließlich wurde bei der Verhandlung am 1. Juni 1977 die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei dahin präzisiert, dass diese mit einem Betrag von S 27,78/m2, somit mit S 15.512,35 für die dauernd in Anspruch genommene Servitutsfläche einverstanden wäre.

In der Folge vertrat die Verwaltungsbehörde erster Instanz gegenüber dem Amtssachverständigen den Standpunkt, es sei die Errechnung der Entschädigung auf den Zeitpunkt des endgültigen Enteignungsbescheides bzw. desjenigen Bescheides, mit welchem Zwangsrechte endgültig eingeräumt würden, abzustellen. Im gegenständlichen Fall dürfe die Entschädigung aus Anlass der Begründung von Duldungspflichten an einem solchen Grundstück nicht nach der Qualifikation "Bauland" erstellt werden, weil eine Bewertung als Bauland nur dann in Betracht komme, wenn hinsichtlich seiner tatsächlichen Verwertung nach den baurechtlichen Vorschriften kein Hindernis entgegenstehe. Es müsse auf die Entschädigung als landwirtschaftliche Fläche abgestellt werden.

Der Amtssachverständige beharrte jedoch zunächst auf seinem ursprünglichen Gutachten.

Bei der Verhandlung am 19. April 1978 vertrat der Verhandlungsleiter die Ansicht, dass das Gutachten des Amtssachverständigen für Liegenschaftsbewertung von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. Im Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides vom 9. November 1976 sei das genannte Grundstück im damaligen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesen gewesen.

In der Folge wurde laut Protokoll vom Sachverständigen für Liegenschaftsbewertung/Bauland folgendes erklärt:

"Auf Grund der heutigen Klärung der Rechtslage ergibt sich eine Verkehrswertentschädigung für das Grundstück Nr. n2 KG U von S 5.165,20 (558,4 m2 x 9,25 S/m2).

Die Berechnung des Servitutsentgeltes erfolgt im Einvernehmen mit dem Sachverständigen aus dem Gebiet Landwirtschaft und ergibt einen Betrag von S 1.116,80 (S 558,4 m2 x S 2,--/m2).

Die gesamte Entschädigung (Servitutsentgelt und Verkehrswertminderung) für die Einräumung der Wasserleitungsdienstbarkeit auf Parzelle Nr. n2 KG U beträgt daher S 6.282,--. Die Entschädigung für die vorübergehende Beanspruchung der Parzelle n2 (Flurschäden) ist in diesem Betrag nicht enthalten und wird nach den Richtlinien der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer abzugelten sein."

Der Beschwerdeführer gab die Erklärung ab, dass das Verhandlungsergebnis abgelehnt werde, insbesondere die vom Verhandlungsleiter dargelegte Rechtslage. Für die Bemessung des Entschädigungsbetrages sei der heutige Tag der Verhandlung maßgebend. Im übrigen habe auch der zuständige Bürgermeister bereits vor Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. November 1976 immer wieder erklärt, dass die Widmung des Grundstückes Nr. n2 der KG U als Verkehrsfläche irrtümlich erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 5. Mai 1978 verpflichtete der Landeshauptmann von Niederösterreich die mitbeteiligte Partei gemäß den §§ 114, 117 und 118 WRG 1959, an den Beschwerdeführer aus dem Titel der Schadloshaltung für die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. November 1976 angeordneten dauernden Duldungspflichten einen Entschädigungsbetrag in der Höhe von S 6.282,-- binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zu leisten.

Diesen Bescheid hat die Wasserrechtsbehörde erster Instanz im wesentlichen dahin gehend begründet, der Entschädigungsbetrag basiere hinsichtlich seiner Höhe auf der Widmung des Grundstückes als Verkehrsfläche und auf der Nutzung als landwirtschaftliche Fläche im Zeitpunkt der rechtskräftigen Zwangsrechtsbegründung. Es sei der Verkehrs- und Ertragswert eines Grundstückes zum Zeitpunkt der Einräumung des Zwangsrechtes als Grundlage für die Entschädigungsbewertung heranzuziehen. Denn der Anspruch auf Entschädigung sei eine unmittelbare Rechtsfolge des Zwangsrechtsbegründungsaktes. Die vom Bürgermeister der Gemeinde L anlässlich der Verhandlung vom 1. Juni 1977 in Aussicht gestellte Abänderung des Flächenwidmungsplanes, die "in der Zwischenzeit bereits durchgeführt" worden sei - so die Darlegungen des erstinstanzlichen Bescheides -, könne daher nicht berücksichtigt werden.

In seinem gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich eingebrachten Rechtsmittel bezog sich der Beschwerdeführer auf das ursprüngliche Sachverständigengutachten vom 18. April 1977. Es sei im Zeitpunkt der Entschädigungsbemessung von vornherein klar gewesen, dass die gegenständliche Verkehrsfläche auf Betriebsgebiet umgewidmet werde. Im übrigen sei die Frage des Zeitpunktes, auf den die Bemessung der Entschädigung abzustellen sei, gesetzlich nicht geregelt, sondern nur von der Rechtsprechung auf die Rechtskraft der Begründung des Zwangsrechtes abgestellt worden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Juni 1982 ist der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge gegeben worden.

Die Berufungsbehörde hat diesen Bescheid unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 1 des WRG 1959 in Verbindung mit den §§ 4 bis 7 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, im wesentlichen wie folgt begründet:

Nach den vorgenannten Vorschriften sei der Enteignungswerber verpflichtet, dem Enteigneten Schadloshaltung gemäß § 365 ABGB zu gewähren, wobei im Sinne der Rechtsprechung hinsichtlich der Höhe der Entschädigung auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in dem eine rechtskräftige Entscheidung der zuständigen Behörde über Gegenstand und Umfang der Enteignung vorgelegen war. Dieser Zeitpunkt, im Beschwerdefall das Ende des 24. November 1976, sei somit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Bemessung der Entschädigung maßgeblich. Das gegenständliche Grundstück Nr. n2 der KG U sei, wie sich aus diversen Niederschriften ergebe, in dem als Bauland-Betriebsgebiet gewidmeten Bereich gelegen. Weiters sei der Niederschrift vom 11. März 1976 zu entnehmen, dass der für die Wasseranlage dauernd in Anspruch genommene Grundstreifen auf der genannten Parzelle zur Gänze in einen als "Gemeindestraße" gewidmeten Bereich falle. Die Widmung dieses Grundstücksteiles für die Errichtung einer Gemeindestraße sei unbestrittenermaßen bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides aufrecht geblieben. Dem Beschwerdeführer als Berufungswerber sei vom Landeshauptmann von Niederösterreich auch die Möglichkeit geboten worden, zu der Niederschrift vom 11. März 1976 Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und insbesondere im Gegensatz zu seinen nunmehrigen Berufungsausführungen auch nicht behauptet, dass in naher Zukunft mit der Aufhebung der Widmung für die Gemeindestraße zu rechnen sei. Im Zuge des in der Folge durchgeführten Verfahrens betreffend die Festsetzung der für die Inanspruchnahme des Grundstückes gebührenden Entschädigung habe der Bausachverständige zunächst ein Gutachten abgegeben, in dem ein Betrag von S 128.500,-

- als angemessene Gesamtentschädigung angesehen worden sei. Allerdings sei dieses Gutachten von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Rückwidmung des als Verkehrsfläche gewidmeten Grundstreifens unmittelbar bevorstehe, weshalb auf diese Widmung nicht Bedacht genommen worden sei. Erst in der Verhandlung vom 19. April 1978 habe der Sachverständige auf Grund der Erläuterungen der Rechtslage sein Gutachten dahingehend korrigiert, dass er diesem die im Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides tatsächlich Geltung habenden Verhältnisse zu Grunde gelegt habe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der gegenständliche Grundstreifen im maßgeblichen Zeitpunkt als Verkehrsfläche gewidmet gewesen sei, sei der genannte Amtssachverständige zu dem Schluss gekommen, dass eine Entschädigung, wie sie für landwirtschaftliche Grundstücke im gegenständlichen Gebiet auf Grund eines Übereinkommens der Stadt Wien mit der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer laufend festgesetzt worden sei, noch als günstigster Wert für den Berufungswerber angesehen werden müsse. Diesen Überlegungen könne durchaus gefolgt werden, da die Widmung als Verkehrsfläche nach der in der Niederschrift vom 11. März 1976 enthaltenen Aussage des Vertreters der Gemeinde L im Falle einer Bauführung die unentgeltliche Abtretung an das öffentliche Gut zur Folge habe. Darüber hinaus befinde sich der gegenständliche Grundstreifen innerhalb des gemäß § 38 Eisenbahngesetz bestehenden Bauverbotsbereiches. Da die Liegenschaft im maßgeblichen Zeitpunkt landwirtschaftlich genutzt worden sei, erscheine die Festsetzung der Entschädigung analog der Entschädigung für landwirtschaftlich gewidmete Grundstücke durchaus überzeugend. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der ausgeführt habe, dass bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung auf die Verwendung des enteigneten Grundstückes zur Zeit der Enteignung, sowie auf die konkreten wirtschaftlichen Verwendungsmöglichkeiten, die das Grundstück in diesem Zeitpunkt bereits biete, Bedacht zu nehmen sei. Verwendungsmöglichkeiten, die in irgendeiner unbestimmten Zukunft lägen, hätten hiebei aber außer Betracht zu bleiben. Da im maßgeblichen Zeitpunkt das Grundstück landwirtschaftlich genutzt worden sei und die künftige Verwendung durch die damals bestandene Widmung nur als Verkehrsfläche möglich erscheine, entspreche die Art der Entschädigungsfestsetzung den angeführten Grundsätzen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im übrigen sei der Beschwerdeführer als Berufungswerber dem schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen nicht auf sachverständiger Basis, sondern lediglich mit eigenen sachverständig nicht untermauerten Überlegungen entgegengetreten. Bei dieser Sachlage sei aber dem Gutachten weiterhin Beweiswert zuzumessen, weshalb der Berufung habe keine Folge gegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Juni 1982 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer fühlt sich durch den bekämpften Bescheid in seinem Recht verletzt, wonach ihm als Enteigneten Schadloshaltung für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtliche Nachteile (§ 365 ABGB) zu gewähren sei.

In Ausführung der Beschwerde wird vorgebracht, die Ansicht der belangten Behörde, wonach nachträgliche Veränderungen der Sachlage - wie im konkreten Fall die Umwidmung des Grundstückes - außer Betracht zu bleiben hätten, sei durch das Gesetz nicht gedeckt. Gemäß § 365 ABGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sei für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung zu gewähren. Kein Hinweis finde sich im Gesetz, wonach hinsichtlich der Höhe der Entschädigung auf einen bestimmten Zeitpunkt, etwa auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides abzustellen sei. Das ergebe sich auch aus § 9 Abs. 1 a des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, demzufolge dann, insoweit ein zu leistender Kapitalsbetrag nicht vollständig ermittelt werden könne, weil sich der abzuschätzende Nachteil nicht von vornherein bestimmen lasse, jede Partei berechtigt sei, in angemessenen Zeitabständen von mindestens einem Jahr die Feststellung der für die in der Zwischenzeit erkennbar gewordenen Nachteile gebührenden Entschädigung zu begehren. Damit habe der Gesetzgeber die Absicht gehabt, die Entschädigung auch auf nach Erlassung des Enteignungsbescheides eingetretene Umstände abzustellen. Im übrigen sei im Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides mehr oder minder klar gewesen, dass eine Umwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes erfolgen werde und dass aus diesem Grund zum damaligen Zeitpunkt eine konkrete Festlegung der Entschädigungssumme der Höhe nach gar nicht habe erfolgen können. Es hätte daher von der belangten Behörde bei richtiger Anwendung der Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 auch die Entwicklung des Wertes der Liegenschaft insbesondere im Zusammenhang mit nachfolgenden Umwidmungen berücksichtigt werden müssen.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, worin sie unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes darauf verweist, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides infolge der bestehenden Widmung eine eingeschränkte Verwendungsmöglichkeit bestanden habe, wonach auch die Entschädigung nach der im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich geübten Nutzung zu bemessen war. Im ähnlichen Sinn äußert sich die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde und die beiden Gegenschriften nachstehendes erwogen:

Verfahren über bevorzugte Wasserbauten (§ 100 Abs. 2 WRG 1959) - um einen solchen handelt es sich beim Bau der III. Wiener Wasserleitung - ist zufolge § 114 Abs. 1 WRG 1959 über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang von Zwangsrechten (§ 60 leg. cit.) sowie über die den betroffenen Dritten zu leistenden Entschädigungen und Beiträge (§ 117 leg. cit.) erst nach Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung - soweit nicht schon im Bewilligungsbescheid Übereinkommen beurkundet oder aus öffentlichen Rücksichten Verfügungen getroffen wurden - in einem gesonderten Verfahren (Entschädigungsverfahren) vom Landeshauptmann zu verhandeln und abzusprechen.

Die Wasserrechtsbehörden haben sich im Beschwerdefall ferner auch auf § 117 WRG 1959 gestützt.

Nach dem ersten Satz des ersten Absatzes dieses Paragraphen ist über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder im Wasserrechtsgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, von der Wasserrechtsbehörde zu entscheiden, sofern das Wasserrechtsgesetz (§§ 18 Abs. 6 und 26 WRG 1959) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt.

Gemäß § 118 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 sind bei Ermittlung der Entschädigung für die Einräumung von Zwangsrechten die Vorschriften der §§ 4 bis 7 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, dem Sinne nach anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs. 1 des letztgenannten Gesetzes ist die (Eisenbahn)Unternehmung verpflichtet, dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Entschädigung zur Bewirkung der dem § 365 ABGB entsprechenden Schadloshaltung zu leisten. Wird nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet, so ist gemäß § 6 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 bei der Ermittlung der Entschädigung nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundstückes, sondern auch auf die Verminderung des Wertes, welche der zurückbleibende Teil des Grundstückes erleidet, Rücksicht zu nehmen. Unter "Enteignung" ist gemäß § 60 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit den §§ 63 bis 70 WRG 1959 nicht nur der Entzug des Eigentums als Vollrecht, sondern unter anderem auch die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten, bzw. die Einschränkung oder Aufhebung entgegenstehender dinglicher Rechte zu Gunsten von Wasseranlagen zu verstehen. Gemäß § 65 Abs. 1 WRG 1959 können unter anderem für bevorzugte Wasserbauten und die mit ihnen unmittelbar zusammenhängenden Anlagen, Gebäude und Vorrichtungen, soweit erforderlich, Dienstbarkeiten bestellt werden.

Über die grundsätzliche Anwendbarkeit der vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen im Beschwerdefall besteht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kein Streit. Allerdings ist der Beschwerdeführer der Ansicht, dass die Enteignungsentschädigung in Verletzung der einschlägigen Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 viel zu niedrig bemessen worden sei.

Soweit der Beschwerdeführer darlegt, dass hinsichtlich der Höhe der Entschädigung nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Rechtskraft der Zwangsrechtsbegründung, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Entschädigungsbescheides abzustellen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof dieser Meinung nicht zu folgen.

Der Anspruch auf Entschädigung stellt ein Surrogat für den Verlust des Eigentumsrechtes bzw. anderer Rechte dar. Mit Rechtskraft des die Enteignung aussprechenden Bescheides werden die betreffenden Rechte nach dem Wasserrechtsgesetz eingeräumt bzw. entzogen, und zwar ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Zahlung der Entschädigungssumme und auf die grundbücherliche Durchführung der Enteignung. Der Anspruch auf Entschädigung ist Rechtsfolge des Enteignungsaktes und auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides abzustellen. In diesem Zeitpunkt verliert der Enteignete die Verfügungsgewalt über die enteigneten Vermögensobjekte und es treten in diesem Zeitpunkt die dem Enteigneten zugefügten Vermögensnachteile ein.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch angesichts des Beschwerdevorbringens nicht veranlasst, von seiner bisherigen Rechtsansicht abzugehen, wie sie in Erkenntnissen des Gerichtshofes vom 31. Jänner 1963, Slg. N.F. Nr. 5954/A, vom 20. Juni 1963, Zl. 1347/62, vom 15. Oktober 1964, Zl. 703 und 743/64, vom 22. Dezember 1971, Zl. 1587/71, vom 6. Juli 1978, Zl. 827/77, und vom 23. Februar 1982, Zl. 07/3712/80, zum Ausdruck gekommen ist. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 9 Abs. 1 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 ist schon deshalb nicht zielführend, weil diese Bestimmung im Entschädigungsverfahren nach dem Wasserrechtsgesetz nicht anzuwenden ist.

Im Beschwerdefall kam es somit darauf entscheidend an, welcher Widmung das zwangsweise mit der Dienstbarkeit belastete Grundstück des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides unterlag (vgl. in diesem Zusammenhang auch Erkenntnis des Gerichtshofes vom 27. Februar 1970, Zl. 1407/69). Der maßgebliche Zeitpunkt nach der Aktenlage ist somit der 24. November 1976.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist allerdings diesbezüglich der Sachverhalt nicht hinlänglich geklärt worden. Wie der Verwaltungsgerichtshof dem von ihm beigeschafften einschlägigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde L entnommen hat, ist das gegenständliche Grundstück Nr. n2 der KG U im Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung teilweise als Bauland-Betriebsgebiet und teilweise als Verkehrsfläche gewidmet gewesen. Auf Grund des vorliegenden Planes ist eher davon auszugehen, dass die Servitut ausschließlich auf der Verkehrsfläche eingeräumt wird, eindeutig zu entnehmen ist dies aber dem vorliegenden Plan nicht. Der Umstand, dass das gegenständliche Grundstück am Stichtag tatsächlich landwirtschaftlich genutzt worden ist, hat nicht zu der Annahme berechtigt, dass das gegenständliche Grundstück notwendigerweise auch als landwirtschaftlich gewidmet zu bewerten sei. Die belangte Behörde hätte auch im Hinblick auf die Darlegungen des Bürgermeisters von L zu prüfen gehabt, ob in diesem Gebiet nicht ein höherer Verkehrswert in Betracht kommt. Der landwirtschaftliche Sachverständige ist bei der Verhandlung am 10. März 1977 davon ausgegangen, dass es sich beim Grundstück des Beschwerdeführers um eine nicht mehr als Grünland gewidmete Fläche handle.

Weiters erscheint dem Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall auch rechtserheblich, welche Bewandtnis es mit der "irrtümlichen" Widmung als Verkehrsfläche hat. Wohl ändert eines solche irrtümliche Widmung nichts daran, dass ein entsprechender Flächenwidmungsplan als Verordnung Gerichte und Verwaltungsbehörden bindet, solange er nicht nach Art. 139 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben worden ist. Indes hat dies die Wasserrechtsbehörde im Beschwerdefall bei der Ermittlung des Entschädigungsbetrages nicht gehindert, eine irrtümliche Widmung und im Zeitpunkt der Enteignung beabsichtigte und absehbare Umwidmung - mag diese auch im Flächenwidmungsplan noch nicht durchgeführt worden sein - mit zu berücksichtigen.

Zu Recht hat die belangte Behörde bei der Berechnung der Entschädigung eine Teilung einerseits in die Entwertung der Grundfläche durch die Wasserleitung und andererseits in die Ermittlung des Servitutsentgeltes vorgenommen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes fehlen allerdings im Verfahren hinlänglich untermauerte aktenkundige, durch den Verwaltungsgerichtshof überprüfbare Feststellungen dahingehend, inwieweit und für welche Zwecke die eigentliche Wasserleitungstrasse für den Beschwerdeführer weiterhin nutzbar bleibt oder ob beispielsweise etwa ein erhöhtes Trassenprofil eine Nutzung dieser Fläche praktisch unmöglich macht.

Ebenso fehlt eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Randstreifen zwischen Wasserleitungstrasse und Eisenbahngrund würde für den Beschwerdeführer praktisch wertlos werden.

Im Sinne vorstehender Erwägungen bedarf somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung. Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu dem Hinweis veranlasst, dass im Beschwerdefall nicht zu verkennen ist, welche Schwierigkeiten eine Bewertung durch Preisvergleiche entgegenstehen, sodass sich die belangte Behörde mit Schätzungen und erforderlichenfalls mit sachverständig untermauerten Abschlägen etwa wegen der Nähe des Bahnkörpers bzw. des behaupteten Bauverbotsbereiches wird behelfen müssen.

Der angefochtene Bescheid musste im Sinne obiger Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - mag dieser von Amts wegen aufzugreifende Beschwerdegrund auch nicht ausdrücklich geltend gemacht worden sein - gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 aufgehoben werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Der Zuspruch von Aufwandersatz für Umsatzsteuer ist im Gesetz nicht vorgesehen. Das diesbezügliche Mehrbegehren der beschwerdeführenden Partei war daher abzuweisen.

Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung aufscheinen, sei an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965 erinnert.

Wien, am 10. Mai 1983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1983:1982070157.X00

Im RIS seit

25.08.2004

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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