TE Vwgh Erkenntnis 1984/12/11 84/04/0113

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Veröffentlicht am 11.12.1984
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §2 Abs9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Griesmacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des F R in H, vertreten durch Dr. Werner Schmid, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Juni 1984, Zl. Ge-20.121/2-1984/Kut/Kai, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn sprach mit Straferkenntnis vom 14. April 1983 aus, der Beschwerdeführer habe, wie am 18. Mai 1982 vom Fahndungsorgan der Kammer der gewerblichen Wirtschaft im Hause P, Gemeinde H, festgestellt worden sei, an einem alten Kasten Ausbesserungsarbeiten mit Furnierteilen durchgeführt und somit unbefugt das Tischlergewerbe ausgeübt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 94 Z. 78 GewO 1973 begangen. Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe 8 Tage) verhängt. Zur Begründung führte die Behörde aus, dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Tätigkeit als künstlerische Tätigkeit nicht der Gewerbeordnung unterliege, könne nicht gefolgt werden. Die Restaurierung von Kunstwerken sei dann Ausübung der schönen Künste, wenn für die Wiederherstellung eine nachgestaltende künstlerische Fähigkeit erforderlich sei. Die Ausbesserung von alten Möbelstücken mit Furnierteilen verlange zwar handwerkliches Geschick, doch könne nicht davon gesprochen werden, dass für diese Tätigkeit eine künstlerische Fähigkeit erforderlich sei. Nur in wenigen Einzelfällen möge die Tätigkeit auch künstlerischen Charakter haben. Dass jedoch die handwerkliche Arbeit beim Beschwerdeführer überwiege, gehe auch aus den Ankündigungen des Beschwerdeführers im vorgelegten Werbeblatt hervor. Hier würden neben Intarsien auch Schellackpolituren und Tapeziererarbeiten an antikem Mobilar genannt. Gerade letztere Tätigkeiten wiesen eindeutig auf eine handwerkliche Tätigkeit hin. Das vorgelegte Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 23. November 1979, wonach das Bundesministerium für Unterricht und Kunst das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit festgestellt habe, vermöge den Beschwerdeführer nicht zu entlasten. Zunächst sei nämlich überhaupt nicht bekannt, wie dem Bundesministerium die Arbeit des Beschwerdeführers geschildert worden sei. Weiters würden bestimmte Tätigkeiten des Beschwerdeführers, wie z.B. die Bauernmalerei und die Neuanfertigung von Intarsien als künstlerische Tätigkeit zu qualifizieren sein. Die vom Fahndungsorgan festgestellte und vom Beschwerdeführer auch zugestandene Arbeit, nämlich die Restaurierung von Möbeln, habe eindeutig handwerklichen Charakter und es hätte daher der Beschwerdeführer eine entsprechende Gewerbeberechtigung erwirken müssen. Einzelne vom Bundesministerium als künstlerische Tätigkeit qualifizierte Arbeiten vermögen nicht sämtliche übrigen Arbeiten ebenfalls als künstlerische zu werten.

In der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es liege in der Natur der Sache, dass sich beim Restaurieren von Möbelstücken künstlerische und handwerkliche Tätigkeiten überschneiden. Die handwerkliche sei jedoch der künstlerischen Tätigkeit zu unterstellen. Das Restaurieren eines Barock-Kastens aus dem frühen 18. Jahrhundert als "Ausbesserungsarbeit an einem alten Kasten" hinzustellen, zeige von fachlicher Unkenntnis. Das reine "Furnieren" stelle zwar teilweise handwerkliche Tätigkeit dar, jedoch das Abstimmen des Farbtones und des Gesamtbildes sei die überwiegende Arbeit und unbestritten künstlerisch. Das im angefochtenen Bescheid angeführte Werbeblatt sollte nur die Vielfalt seiner Tätigkeiten umreißen. Das Restaurieren umfasse das Wiederherstellen eines desolaten Möbelstückes in seinen ursprünglichen Zustand. Dazu gehöre auch das Schellackpolieren, das seiner Kenntnis nach von kaum einem Tischler ausgeübt werde, weil es zeitaufwendig und unrentabel sei und kaum mehr beherrscht werde. Auch sei es nicht richtig, dass die Unterlagen, die er dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst vorgelegt habe, der Behörde unbekannt seien, habe er sie doch einem Organ der Behörde gezeigt, das sie fotokopiert habe.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Juni 1984 wurde die Berufung im Grunde des § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 abgewiesen und das vorzitiere Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt. In der Begründung des Bescheides wurde zum Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers ausgeführt, es sei nach der Aktenlage unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine Berechtigung zur Ausübung des Tischlerhandwerkes in dem im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Standorte nicht besitze. Im erstbehördlichen Verfahren sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer an einem alten Kasten Ausbesserungsarbeiten mit Furnierteilen durchgeführt habe. Diese Tätigkeit werde vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Die Erstbehörde habe zutreffend diese Tätigkeit als gewerbliche Ausübung des Tischlerhandwerkes angesehen und den Beschwerdeführer wegen der unbefugten Ausübung dieses Gewerbes angemessen bestraft. Die Berufungsbehörde stimme der Erstbehörde zu, dass die ausgeübte Tätigkeit, die Ausbesserungsarbeiten an einem alten Kasten, nicht als Ausübung der schönen Künste anzusehen, sondern dem Tischlerhandwerk zuzuordnen sei. Die vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 8. Juli 1980 sowie der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 23. November 1979 vermögen den Nachweis, dass diese Arbeiten als Ausübung der schönen Künste gelten müssten, nicht zu erbringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde unter Anwendung des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, nicht der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und deswegen bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Arbeit des Beschwerdeführers im Gesamten zu betrachten und unter diesem Gesichtspunkt den Sachverhalt festzustellen. Das Restaurieren eines alten Möbelstückes aus Holz bestehe aus vielen Arbeitsvorgängen und nicht nur im Ausbessern mit Furnierteilen. Die Ausbesserung schadhaft gewordener Teile sei in diesen Fällen von untergeordneter Bedeutung, im Vordergrund stünden vielmehr die Farbmischungen, also das Eintönen von Holz, um den richtigen Farbton zu bekommen, weiters die Arbeiten des Schnitzens, Vergoldens oder Intarsierens. Die Wiederherstellung des Möbelstückes habe im Beschwerdefall daher eigenschöpferische Tätigkeit des Beschwerdeführers erfordert. Die belangte Behörde greife bloß eine untergeordnete Tätigkeit heraus.

Der Beschwerdeführer ist mit diesem Vorbringen im Recht.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 7 GewO 1973 ist dieses Bundesgesetz auf die literarische Tätigkeit, die Ausübung der schönen Künste (Abs. 9) sowie die Ausübung des Selbstverlages der Urheber nicht anzuwenden. Nach Abs. 9 dieses Paragraphen ist unter Ausübung der schönen Künste im Sinne des Bundesgesetzes (Abs. 1 Z. 7) die eigenschöpferische Tätigkeit in einem Kunstzweig zu verstehen. Die Restaurierung von Kunstwerken ist dann Ausübung der schönen Künste, wenn für die Wiederherstellung eine nachgestaltende künstlerische Fähigkeit erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall war daher sachverhaltsbezogen - die verwaltungsbehördliche Annahme des Vorliegens der sonstigen Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit wurde vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsstrafverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde in Abrede gestellt - zu prüfen, ob es sich bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tätigkeit der Durchführung von Ausbesserungsarbeiten mit Furnierteilen an einem alten Kasten um einen dem funktionellen Zusammenhang nach untrennbaren Teil einer Restaurierung handelte, die insgesamt eine Wiederherstellung eines Kunstwerkes darstellt, für die eine nachgestaltende künstlerische Fähigkeit erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer wies schon im Verwaltungsstrafverfahren auf das Zusammenwirken der verschiedenen Tätigkeiten bei der von ihm durchgeführten Restaurierung des aus dem frühen

18. Jahrhundert stammenden Kastens hin. Er meinte, dass das Erfordernis der nachgestaltenden künstlerischen Fähigkeit für diese Tätigkeiten sich aus dem Zweck ergebe, durch Abstimmen des Farbtones und des Gesamtbildes den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. In Hinsicht auf diesen Einwand wäre es der belangten Behörde oblegen, sachverhaltsbezogene Feststellungen über das vom Beschwerdeführer aufgezeigte Gesamtbild der die gegenständliche Restaurierung bildenden Tätigkeiten zu treffen und in Hinsicht auf solche Feststellungen eine rechtliche Würdigung am Maßstab des § 2 Abs. 9 GewO 1973 vorzunehmen. Beides unterließ die belangte Behörde. Sie griff vielmehr nur einen Teil dieser Tätigkeiten heraus und lastete diese dem Beschwerdeführer - losgelöst vom Gesamtzusammenhang - als Verwaltungsübertretung an. Dadurch blieb nicht nur der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig, sondern es wurden auch die Vorschriften der §§ 60 und 67 AVG über die Begründung von Bescheiden und insbesondere von Berufungsbescheiden außer acht gelassen, wobei nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Beachtung dieser Vorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1984, Zl. 83/04/0207; auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Begehren auf Ersatz der Barauslagen war gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen, weil Barauslagen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden sind.

Wien, am 11. Dezember 1984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1984:1984040113.X00

Im RIS seit

12.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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