TE Vwgh Erkenntnis 1986/4/22 83/07/0269

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Veröffentlicht am 22.04.1986
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

BStVwV 1963;
B-VG Art104 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des Bundes (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17 - 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Juli 1983, Zl. 410.215/01-I 4/83, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 6. September 1982 verpflichtete der Landeshauptmann von Niederösterreich als Wasserrechtsbehörde erster Instanz im Zuge des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens betreffend die Verlegung der Bundesstraße 1, Baulos "Purkersdorf" (Regulierung und Eindeckung des Gablitzbaches) die "Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung)", gemäß den §§ 60, 65, 99, 117 und 118 WRG 1959 in Verbindung mit den §§ 4 bis 7 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 für die Enteignung und für die vorübergehende Inanspruchnahme von bestimmt bezeichneten Grundflächen eine Entschädigung in der Höhe von S 4,779.103,01 zu leisten.

2. Die dagegen vom Bundesminister für Bauten und Technik namens des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) erhobene Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 21. Juli 1983 gemäß § 66 AVG 1950 als unzulässig zurück.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus:

Durch Verordnung BGBl. Nr. 131/1963 habe der damals für die Bundesstraßen zuständig gewesene Bundesminister für Handel und Wiederaufbau von der im Art. 104 Abs. 2 B-VG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung in den Bundesländern dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen. Dass die Stellung des erwähnten Antrages von der Übertragungsverordnung mitumfasst sei, lasse sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 5171/1965 ableiten. Unter Rückgriff auf Art. 102 B-VG sei eine gemäß Art. 104 Abs. 2 B-VG vorgenommene Zuständigkeitsübertragung als eine ausschließliche anzusehen, sodass dem übertragenden Bundesminister nur noch die Zuständigkeit zukomme, die Verwaltungsführung durch Weisungen zu lenken. Dies bedeute, dass der Bundesminister seine Vertretungsmacht im übertragenen Bereich verliere; es stehe ihm allerdings zu, durch einen contrarius actus, der in derselben Form wie die Übertragung erfolgen müsse, die Übertragung zu widerrufen bzw. einzuschränken. Ein derartiger contrarius actus in Form einer im Bundesgesetzblatt kundgemachten Rechtsverordnung sei nicht erlassen worden; im übrigen sei aus der Übertragungsverordnung ex 1963 nicht ableitbar, dass sich der Bundesminister für Bauten und Technik die Stellung von Anträgen zur Erlangung von für den Bau von Bundesstraßen allenfalls erforderlichen Bewilligungen ausdrücklich vorbehalten habe. Durch eine allfällige Dienstanweisung im Sinne der Übertragungsverordnung könne die organschaftliche Vertretung des Bundesministers für Bauten und Technik nicht begründet werden, da einer solchen Anweisung bloß fair das Innenverhältnis, nicht aber auch für das Außenverhältnis und damit für die Frage der Antragslegitimation Bedeutung zukomme. Selbst wenn man - entgegen der Berufungsschrift - nicht davon ausgehen wollte, dass der Bundesminister für Bauten und Technik als organschaftlicher Vertreter des Bundes aufgetreten sei, und daraus die Forderung ableite, es wäre zu untersuchen gewesen, ob nicht der Bundesminister für Bauten und Technik als vom Landeshauptmann (dem organschaftlich Vertretungsbefugten) rechtsgeschäftlich Bevollmächtigter aufgetreten sei und der Mangel einer Vollmacht als Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zu behandeln gewesen wäre, so müsste dem entgegengehalten werden, dass nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 6227/A/1964 die Heranziehung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über den Bevollmächtigungsvertrag für das öffentlichrechtliche Verhältnis zwischen den einzelnen Dienststellen des Bundes verfehlt sei. Die in diesem Erkenntnis dargelegten Erwägungen könnten auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden, zumal weder Art. 104 Abs. 2 B-VG noch die darauf gestützte Übertragungsverordnung ex 1963 die Möglichkeit einer rechtsgeschäftlichen Rückübertragung von übertragenen Aufgaben vorsähen. Da der Bundesminister für Bauten und Technik sohin nicht befugt gewesen sei, namens des Bundes einzuschreiten, sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer sowohl beim Verfassungsgerichtshof als auch beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde. In der erstgenannten Beschwerde wurde die Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und der Antrag gestellt, den bekämpften Bescheid als verfassungswidrig aufzuheben:

4. Mit Erkenntnis vom 20. Juni 1985, B 564/83, erkannte der Verfassungsgerichtshof zu Recht, dass der beschwerdeführende Bund durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlichen gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei, und wies die Beschwerde ab.

Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Art. 104 Abs. 2 B-VG spreche davon, dass der zuständige Bundesminister die Besorgung bestimmter Geschäfte "übertragen" könne. Die Verwendung dieses Wortes lasse annehmen, dass der Verfassungsgeber von der Vorstellung ausgegangen sei, der Minister gebe diesfalls seine Aufgaben an den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden im Land ab. Bringe des doch der Übergang von einem zum anderen Organ noch deutlicher zum Ausdruck als das Wort "beauftragen", mit dem die Bundesverfassung im Art. 102 Abs. 3 jenen Akt (des Gesetzgebers) umschreibe, der Angelegenheiten, die unmittelbar durch Bundesbehörden versehen werden könnten, in die mittelbare Bundesverwaltung überweise. Dass der Bundesminister durch eine Übertragung nach Art. 104 Abs. 2 B-VG die Zuständigkeit zur Besorgung der Geschäfte des Bundes als Träger von Privatrechten verliere, werde auch in der Lehre angenommen; zumindest werde die Ähnlichkeit mit den Organisationsprinzipien der mittelbaren Bundesverwaltung an sich betont (Hinweise auf einschlägige Äußerungen im Schrifttum). Welche Geschäfte im Sinne des Art. 104 Abs. 2 B-VG den Landesbehörden im einzelnen übertragen würden, richte sich nach dem Inhalt des Übertragungsaktes. Die Verordnung vom 27. Mai 1963, BGBl. Nr. 131, spreche schlechthin von den Geschäften der "Bundesstraßenverwaltung" und sei daher umfassend. Dass damit auch die Vertretung des Bundes in allfälligen Enteignungsverfahren übertragen worden sei, habe der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis Slg. Nr. 5171/1965 ausgesprochen; in diesem Erkenntnis habe er der Verordnung auch die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt. Die anscheinend einschränkende Wendung "nach Maßgabe der ... aufgestellten Grundsätze und erteilten Dienstanweisungen" sei für die Frage der Zuständigkeit ohne Bedeutung. Zutreffend werde von der Beschwerde gesehen, dass Bedürfnisse des Verkehrsschutzes die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht nicht stützen würden; allein die belangte Behörde habe ihre Entscheidung nicht mit diesem Gesichtspunkt begründet. Die vom Bundesminister für Bauten und Technik namens des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) erhobene Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes sei sohin weder von einem zuständigen Organ des Bundes noch von einer Person erhoben worden, die vom zuständigen Organ nachträglich hätte bevollmächtigt werden können (§ 10 Abs. 2 AVG 1950); sie sei daher ohne weiteres als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

5. In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer - dies ergibt sich aus dem gesamten Beschwerdevorbringen -, durch den angefochtenen Bescheid vom 21. Juli 1983 in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzt zu sein. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

6. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art. 104 Abs. 1 B-VG sind die Bestimmungen des Art. 102 auf Einrichtungen zur Besorgung der im Art. 17 bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden. Nach Abs. 2 des Art. 104 B-VG können die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz geleistet wird, wird durch Bundesgesetz bestimmt.

Unter Bezugnahme auf Art. 104 Abs. 2 B-VG wurde mit Verordnung des damals zuständig gewesenen Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom 27. Mai 1963, BGBl. Nr. 131, "die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung in den Bundesländern nach Maßgabe der gemäß § 4 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes, BGBl. Nr. 59/1948, vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau aufgestellten Grundsätze und erteilten Dienstanweisungen dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen".

2. Der Beschwerdeführer versucht seine Auffassung, die belangte Behörde hätte über seine Berufung in merito entscheiden müssen, - soweit für die Überprüfung des bekämpften Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof von Relevanz - mit folgenden Überlegungen zu begründen: Die grundsätzlich von Bundesminister für Bauten und Technik als Teil der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes geführte Bundesstraßenverwaltung könne gegen jederzeitigen Widerruf dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Dienststellen im Land übertragen werden. Letzteres sei durch die Verordnung vom 27. Mai 1963, BGBl. Nr. 131, geschehen. Der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Dienststellen im Land würden diesfalls funktionell als Organe des Bundes tätig; sie hätten diese Privatwirtschaftsverwaltung (Auftragsverwaltung) nach den Weisungen des zuständigen Bundesministers zu führen. Der im angefochtenen Bescheid eingeschlagene Weg, die geringe Regelungsdichte der Auftragsverwaltung unter Rückgriff auf die mittelbare Bundesverwaltung ausfüllen zu wollen, sei im Hinblick auf die fundamentalen Unterschiede dieser beiden Einrichtungen unzulässig. Die Auftragsverwaltung sei infolge ihrer "bundesfreundlichen" Konzeption so zu interpretieren, dass die Zuständigkeit des Bundesministers gewahrt bleibe. Es könne daher der Ansicht, die Zuständigkeitsübertragung an den Landeshauptmann sei eine ausschließliche ("echte Delegation"), mit der Wirkung, dass sich die Zuständigkeit des Bundesministers darauf reduziere, die Verwaltungsführung durch Weisungen zu lenken, nicht gefolgt werden. Die Verordnung BGBl. Nr. 131/1963 schränke die Übertragung auch ein, indem sie die vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau (nunmehr: Bundesministerium für Bauten und Technik) aufgestellten Grundsätze und Dienstanweisungen als Maßgabe der Übertragung erwähne. Dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes, der erfordere, dass der Bundesminister nach Erlassung einer Übertragungsverordnung seine Vertretungsmacht im übertragenen Bereich verliere, sei entgegenzuhalten, dass man trotz der Übertragung durch eine im Bundesgesetzblatt kundgemachte Verordnung im geschäftlichen Verkehr doch ohne Zweifel werde annehmen dürfen und müssen, dass der Bundesminister nicht alle Kompetenzen im übertragenen Bereich verloren habe (Hinweis auf die Vollziehungsklausel des § 35 Bundesstraßengesetz 1971 und die Anlage zu § 2 Bundesministeriengesetz 1975, Teil 2, C1).

3. Zu diesen Beschwerdegründen, mit denen, wenngleich im Hinblick auf die behauptete Verletzung von unter der Verfassungsebene verankerten subjektiv-öffentlichen Rechten vorgetragen, doch auf Grund des untrennbaren Zusammenhanges zwischen der mehrfach zitierten Verordnung vom 27. Mai 1963, BGBl. Nr. 131, und des diesem Übertragungsakt zugrundeliegenden Art. 104 Abs. 2 B-VG über weite Strecken auf verfassungsrechtliche Argumente abgestellt wird, hat der Verfassungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis vom 20. Juni 1985, B 564/83, bereits alles Wesentliche gesagt: Durch eine auf Art. 104 Abs. 2 B-VG gestützte Übertragung gebe der Bundesminister seine Aufgaben an den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden im Land ab; er verliere damit die Zuständigkeit zur Besorgung der betreffenden Geschäfte des Bundes als Träger von Privatrechten. Die Verordnung ex 1963 spreche schlechthin von Geschäften "der Bundesstraßenverwaltung"; die Übertragung sei daher umfassend, schließe also auch die Vertretung des Bundes in allfälligen Enteignungsverfahren mit ein. Die anscheinend einschränkende Wortfolge "nach Maßgabe der .... aufgestellten Grundsätze und erteilten Dienstanweisungen" sei für die Frage der Zuständigkeit ohne Bedeutung, zumal einerseits die in § 4 des Bundesstraßengesetzes 1948 vorgesehen gewesene Festlegung von Grundsätzen für die Ausführung und Erhaltung von Bundesstraßen im Bundesstraßengesetz 1971 keine Entsprechung mehr finde und andererseits in dieser Textierung lediglich ein Hinweis auf bereits erteilte Weisungen liegen könne, die - (ausschließlich) im Innenverhältnis wirkend - auch vom Landeshauptmann zu beachten seien. Was die Bedürfnisse des Verkehrsschutzes anlange, so habe die belangte Behörde entgegen der Meinung des Beschwerdeführers diesen Aspekt zur Begründung ihres Standpunktes nicht herangezogen.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Daraus folgt, dass die belangte Behörde die namens des Bundes vom Bundesminister für Bauten und Technik gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 6. September 1982 erhobene Berufung - als von einem unzuständigen Organ eingebracht - zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat. Die vom beschwerdeführenden Bund geltend gemachte Verletzung des Rechtes auf meritorische Entscheidung liegt somit nicht vor.

4. Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 22. April 1986

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1986:1983070269.X00

Im RIS seit

21.09.2004

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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