TE Vwgh Erkenntnis 1987/3/19 86/02/0130

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Veröffentlicht am 19.03.1987
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §99 Abs3 litb;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Stoll als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kundegraber, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien I, An der Hülben 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Juli 1986, Zl. I/7- St-A-8539, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insoweit der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde, einschließlich des diesbezüglichen Ausspruches über den Kostenbeitrag erster Instanz, aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juli 1986 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 12. Juli 1985 keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch wie folgt formuliert werde:

"Am 11. Dezember 1984, gegen 16.45 Uhr, ist a) Ihr Verhalten als Lenker des Personenkraftwagens mit dem behördlichen Kennzeichen N xxx insofern mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden, als Sie von der Guntramsdorferstraße kommend beim Abbiegen in die Weiße Kreuzgasse gegen den auf der Weißen Kreuzgasse vor der Kreuzung wegen des Vorrangzeichens 'Halt' von Dipl. Ing. Julius Oherr zum Stillstand gebrachten Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen N xxx stießen, wobei beide Fahrzeuge beschädigt wurden. In der Folge unterließen Sie es von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl Sie und diejenige Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander Namen und Anschrift nicht nachgewiesen haben. b) Nachdem Sie sich auf Grund der Intervention des Gendarmeriepostens Guntramsdorf gegen 20.30 Uhr zum Gendarmerieposten Mödling begeben hatten, weigerten Sie sich eben dort um 21.00.Uhr gegenüber dem von der Behörde hiezu ermächtigten Insp. E T, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vom Organ der Straßenaufsicht auf Grund von Alkoholisierungsmerkmalen vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben. Sie haben dadurch Verwaltungsübertretungen nach a) § 4 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, und b) § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen."

Die verhängten Geldstrafen sowie Ersatzarreststrafen wurden herabgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960:

In Ansehung dieser Verwaltungsübertretung macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, dass der Identitätsnachweis im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 dann als erbracht anzusehen sei, wenn der Unfallsbeteiligte, wie im vorliegenden Fall, mündlich den Unfallsgegner richtig über Namen, Beruf, Anschrift und Haftpflichtversicherer informiert habe. Ein urkundlicher Nachweis der Identität sei nicht notwendig.

Dem steht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber, wonach der Identitätsnachweis nach § 4 Abs. 5 leg. cit. gegenüber unbekannten Personen nur durch Lichtbildausweis erfolgen kann. In einer mündlichen Bekanntgabe dieser Daten allein ist kein Nachweis der Identität im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zu erblicken (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 10. Februar 1982, Zl. 81/03/0205, und vom 14. Jänner 1983, Zl. 82/02/0196). Auch die vier vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnisse sagen diesbezüglich, was die Erbringung des Nachweises anlangt, nichts anderes aus; sofern sie sich mit dem Inhalt der dem Unfallsgegner zu machenden Angaben befassen, sagen sie mit keinem Wort, dass die bloße Bekanntagbe, ohne dass gleichzeitig ein Nachweis der Richtigkeit dieser Daten erbracht worden wäre, genüge.

§ 4 Abs. 5 StVO stellt nämlich ein Ungehorsamsdelikt dar (vgl. unter anderem Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 85/03/0031); dass die durch § 4 Abs. 5, erster Satz, StVO angeordnete Verständigung über den Fall des zweiten Satzes hinaus auch dann unterbleiben dürfe, wenn zwar kein Nachweis der Identität erfolgte, die aber auf andere Weise bekannt gegebenen Daten richtig waren, lässt sich dem Gesetz - welches, wie oben ausgeführt, ein Ungehorsams- und kein Erfolgsdelikt geschaffen hat - nicht entnehmen.

Hinsichtlich dieser Übertretung erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Zur Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960:

Gemäß § 5 Abs. 2 erster Satz StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, dass sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.

Nach § 99 Abs. 1 lit. b erster Fall leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol so lange verlangt werden, als noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwartet werden können. Bei einem großen Zeitabstand zwischen der Beendigung des Lenkens und der Verweigerung der Atemluftprobe ist die Behörde jedoch verpflichtet, näher zu begründen, warum trotz der verstrichenen langen Zeit noch verwertbare Ergebnisse des Alkotestes zu erwarten gewesen wären (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Mai 1986, Zl. 86/03/0047). Unter einem "großen Zeitabstand" im obigen Sinne hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. Erkenntnis vom 6. Dezember 1985, Zl. 85/18/0049, und die weitere darin zitierte Judikatur) Zeiträume von drei Stunden vierzig Minuten, von ca. 4 Stunden, von viereinhalb Stunden und von fünf Stunden verstanden.

Dieser Rechtsprechung zufolge wäre also im vorliegenden Fall, da es sich um einen Zeitraum von vier Stunden fünfzehn Minuten handelte, eine besondere Begründung zu geben gewesen, warum trotz des verstrichenen Zeitraumes von einer Atemluftprobe noch verwertbare Ergebnisse zu erwarten seien.

Die belangte Behörde hat zwar nach Anhörung eines Amtssachverständigen versucht, dieser Begründungspflicht zu entsprechen, doch ist ihr dies aus folgenden Gründen nicht gelungen:

Die Aussagekraft des Gutachtens des ärztlichen Amtssachverständigen vom 14. April 1986 erschöpft sich nämlich darin, dass der stündliche Abbauwert des Alkohols im Blut dargestellt wird, ohne dass - was der Beschwerdeführer zu Recht rügt - aus dieser ohnedies durch die medizinische Wissenschaft und die Rechtsprechung gesicherten Erkenntnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1982, Zl. 81/02/0185, wo von einem durchschnittlichen stündlichen Abbauwert von 0,10 bis 0,12 %o die Rede ist) für den konkreten Fall etwas ausgesagt wird. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, Zl. 86/02/0142, ausgeführt hat, genügt nicht die auf das Amtssachverständigengutachten gestützte abstrakte Feststellung, im Hinblick auf die stündlichen Abbauwerte des Blutalkoholgehaltes seien Rückschlüsse auch über längere Zeiträume möglich. Der Zweck der Atemluftprobe besteht nämlich darin, für den Fall ihres positiven Ausganges den der Alkoholisierung verdächtigen Lenker einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung zur Zeit des Lenkens vorzuführen, wobei diese Feststellung des Grades sich nach dem Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO - entweder Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber oder Fahruntüchtigkeit - zu orientieren hat.

Es geht unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 2 und des § 99 Abs. 1 lit. b StVO nicht darum, dass ein medizinisch, insbesondere physiologisch irgendwie brauchbares Ergebnis ohne Rücksicht auf den Zeitablauf erwartet werden könne - der Amtssachverständige wies darauf hin, dass beim negativen Ausfall der Atemluftprobe auf einen rechtlich irrelevanten Blutalkoholgehalt geschlossen werden könne und dass bei einem Blutalkoholgehalt unter 0,3 %o die Atemluftprobe bereits fraglich werde - sondern darum, dass die Atemluftprobe im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO zufolge der Bestimmung des Absatzes 4 lit. a dieses Paragraphen dazu dienen soll, allenfalls die Vorführung von Fahrzeuglenkern zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zu ermöglichen. Nach Absatz 5 dieses Paragraphen hat, wer einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorgeführt wird, sich dieser Untersuchung zu unterziehen. Zweck einer solchen Untersuchung kann aber nur sein, Tatsachengrundlagen für eine Beurteilung nach § 5 Abs. 1 StVO zu liefern. Daraus ergibt sich, dass auch die Ablegung der Atemluftprobe ihrem Endzweck nach nur im Hinblick auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVO gesehen werden kann, ohne dass dadurch im mindesten gesagt sein soll, die Feststellung der Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO könne schon allein durch das Ergebnis einer Atemluftprobe erfolgen.

Wendet man die vom letztzitierten Erkenntnis, Zl. 86/02/0142, herausgearbeiteten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so hätte die belangte Behörde ausführen müssen, welche Umstände zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftprobe um 21.00 Uhr vorlagen, die das Straßenaufsichtsorgan hätten vermuten lassen, der Beschwerdeführer sei gegen 16.45 Uhr so stark alkoholisiert gewesen, dass das Ergebnis einer um 21.00 Uhr durchgeführten Prüfung des Atemalkoholgehalts gegebenenfalls den Verdacht (§ 5 Abs. 4 lit. a StVO) hätte begründen können, der Beschwerdeführer habe sich gegen 16.45 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden.

Durch die Unterlassung einer solchen Begründung hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der die Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO betreffende Teil des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 19. März 1987

Schlagworte

Alkotest Voraussetzung Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei Kraftfahrwesen Allgemein Alkotest Zeitpunkt Ort Identitätsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1987:1986020130.X00

Im RIS seit

19.03.1987

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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