TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/17 89/03/0194

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Veröffentlicht am 17.01.1990
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Index

L65005 Jagd Wild Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §6;
ABGB §825;
B-VG Art140 Abs1;
FlVfGG §15;
JagdG Slbg 1977 §18 Abs3;
JagdG Slbg 1977 §39 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Agrargemeinschaft N gegen Salzburger Landesregierung vom 22. Mai 1989, Zl. 4/01-161/73/2-1988 betreffend Feststellung eines Vorpachtrechtes (mitbeteiligte Partei: A)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 2760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Aufwandersatz-Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

In dem gemäß §§ 15 Abs. 4 und 18 Abs. 4 des Salzburger Jagdgesetzes 1977, LGBl. Nr. 94, (JG) ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau betreffend die Feststellung der Eigenjagdgebiete und Jagdeinschlüsse der Ortsgemeinde X für die Jagdperiode vom 1. Jänner 1989 bis 31. Dezember 1997 wurde - u.a. - der von der Beschwerdeführerin als Eigentümerin einer Eigenjagd beantragte, aus bestimmten, durch Angabe der Parzellennummer näher bezeichneten Grundstücken bestehende Jagdeinschluß "YX" der Katastralgemeinde B im Ausmaß von 81,6655 ha, nicht als Jagdeinschluß für die Eigenjagd der Beschwerdeführerin festgestellt. Das Vorpachtrecht an diesem Jagdeinschluß wurde vielmehr dem Mitbeteiligten als Eigentümer der Eigenjagd E eingeräumt. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß der Mitbeteiligte mit seinem Eigenjagdgebiet in längster Ausdehnung an den Jagdeinschluß angrenze. Wenn auch der Eigentümer des Jagdeinschlusses Mitglied der Beschwerdeführerin sei, so finde doch § 18 Abs. 3 vierter Satz JG keine Anwendung, da die (an den Jagdeinschluß angrenzende) Eigenjagd im Eigentum der Beschwerdeführerin, nicht aber im Miteigentum ihrer Mitglieder stehe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführerin als Agrargemeinschaft Rechtspersönlichkeit zukomme und daß sie grundbücherliche Alleineigentümerin der das Eigenjagdgebiet bildenden Grundflächen sei. Der Alleineigentümer des Jagdeinschlusses sei zwar Mitglied der Beschwerdeführerin, "aber nicht deren Eigentümer bzw. Miteigentümer". Der Beschwerdeführerin, die keine Miteigentumsgemeinschaft im Sinne der §§ 825 ff ABGB sei, stehe daher kein Vorpachtrecht am Jagdeinschluß zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und "Aktenwidrigkeit".

Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auch die Beschwerdeführerin bezweifelt nicht, "daß eine Agrargemeinschaft, welcher eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, nicht gleichzeitig auch eine Miteigentumsgemeinschaft darstellen kann." Ihrer Meinung nach könne es jedoch infolge der starken Ausbreitung von Agrargemeinschaften im Bundesland Salzburg sowie deren großer Bedeutung bei der Bewirtschaftung von land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften niemals Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, den Begriff des Miteigentums im § 18 Abs. 3 JG dahingehend zu interpretieren, daß von einem reinen Miteigentumsrecht im Sinne der §§ 825 ff ABGB auszugehen sei. Vielmehr sei es Absicht des Gesetzgebers, unter Berücksichtigung der ländlichen Entwicklungsstruktur auch den Mitgliedern von Agrargemeinschaften, welche ausschließlich aus Liegenschaftseigentümern bestünden, die gleichen Rechtsansprüche bei der Vergabe von Vorpachtrechten an Jagdeinschlüssen einzuräumen.

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, weil eine derartige Auslegung weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Gesetzes in Einklang zu bringen ist. § 18 Abs. 3 JG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 81/1989 lautet:

"Das Vorpachtrecht auf die Jagd auf dem Jagdeinschluß steht, wenn der Jagdeinschluß von einem Eigenjagdgebiet umgrenzt wird, dem Eigentümer desselben zu. Wird der Jagdeinschluß von mehreren Eigenjagdgebieten umgrenzt, so steht das Vorpachtrecht der Reihe nach jenem Grundeigentümer zu, dessen Eigenjagdgebiet in längster, zweitlängster usw. Ausdehnung an den Jagdeinschluß angrenzt. Das Vorpachtrecht steht jedoch dem Eigentümer des angrenzenden Eigenjagdgebietes zu, wenn er Miteigentümer des Jagdeinschlusses ist und das betreffende Eigenjagdgebiet zusammenhängend an mindestens ein Viertel des Umfanges des Jagdeinschlusses grenzt. Das gleiche gilt für die Miteigentümer des Eigenjagdgebietes, wenn einer oder mehrere von ihnen Eigentümer des Jagdeinschlusses sind. Liegen solche Voraussetzungen für mehrere Eigenjagdgebiete vor, so findet die Regelung des zweiten Satzes Anwendung."

Die Anwendung des vierten Satzes dieser Bestimmung setzt das Vorhandensein von "Miteigentümern des Eigenjagdgebietes" voraus. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn es sich um ein im grundbücherlichen Alleineigentum einer Agrargemeinschaft stehendes Eigenjagdgebiet handelt. Das Jagdrecht ist gemäß § 1 Abs. 3 JG mit dem Eigentum am Grund und Boden untrennbar verbunden. Es steht dem jeweiligen Grundeigentümer zu und kann als selbständiges dingliches Recht nicht begründet werden. Nach § 5 Abs. 1 JG steht das Recht zur Eigenjagd dem Alleineigentümer oder den Miteigentümern (§ 361 ABGB) einer zusammenhängenden, räumlich ungeteilten und für eine zweckmäßige Ausübung der Jagd entsprechend gestalteten Grundfläche von mindestens 115 ha zu, die von der Bezirksverwaltungsbehörde als Eigenjagdgebiet festgestellt wurde. Diese Bestimmungen knüpfen an den privatrechtlichen Eigentumsbegriff an. Daß danach an derselben Grundfläche nicht zugleich Alleineigentum und Miteigentum bestehen kann, versteht sich von selbst. Für die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, daß dem § 18 Abs. 3 JG, insbesondere dessen vierten Satz, in bezug auf Agrargemeinschaften ein anderes als das privatrechtliche Verständnis des Eigentumsbegriffes zugrunde liegen sollte, findet sich im geltenden Gesetz nicht der geringste Anhaltspunkt. Die Bestimmung des § 39 Abs. 4 JG, in der ausdrücklich zwischen "Agrargemeinschaften, die Eigentümer eines Eigenjagdgebietes sind", und "Mitgliedern der Agrargemeinschaft" unterschieden wird, läßt im Gegenteil klar erkennen, daß der Gesetzgeber auch bei Agrargemeinschaften nicht von Miteigentumsrechten der Mitglieder der Agrargemeinschaften an den Eigenjagdgebieten der Agrargemeinschaften ausgeht. Dies wird nicht zuletzt auch durch die - ansonsten überflüssige - Novellierung des § 18 Abs. 3 JG durch Art. I Z. 3 des Gesetzes vom 7. Juli 1989, LGBl. Nr. 81, unterstrichen, derzufolge vor dem letzten Satz dieser Bestimmung eingefügt wurde:

"Diese Vorpachtrechte stehen auch zu, wenn der oder die Eigentümer des angrenzenden Eigenjagdgebietes Mitglieder einer Agrargemeinschaft als Eigentümer des Jagdeinschlusses sind oder wenn der Eigentümer des angrenzenden Eigenjagdgebietes eine Agrargemeinschaft ist und ein oder mehrere Mitglieder derselben Miteigentümer des Jagdeinschlusses sind."

Angesichts des aufgrund des unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhanges klaren und eindeutigen Gesetzeswortlautes gewonnenen Auslegungsergebnisses haben historische oder teleologische Auslegungsmethoden zurückzutreten (vgl. etwa Antoniolli - Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, 95 und die dort angeführte Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes). Ob eine anders lautende authentische Interpretation des § 18 Abs. 3 JG ins Auge gefaßt wurde und ob die belangte Behörde den diesbezüglichen Entwurf unberücksichtigt ließ, ist ohne Bedeutung, weil eine solche Absicht nicht verwirklicht wurde und ein entsprechender Entwurf nicht in Gesetzeskraft erwachsen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die von der Beschwerdeführerin gegen § 18 Abs. 3 JG aus dem Blickwinkel eines Verstoßes gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken, handelt es sich doch bei diesen Bestimmungen um im allgemeinen Interesse der Jagdausübung gelegene (gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG in die Kompetenz des Landesgesetzgebers fallende) Regelungen der Jagdausübung (vgl. z.B. VfSlg. Nr. 9858).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das auf Stempelmarken für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Gegenschrift gerichtete Mehrbegehren des Mitbeteiligten war abzuweisen.

Schlagworte

Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030194.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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