TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/19 89/18/0188

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Veröffentlicht am 19.01.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
BAO §167 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

N gegen Oberösterreichische Landesregierung vom 26. September 1989, Zl. VerkR-11386/3-1989-II/Bi, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der OÖ Landesregierung vom 26. September 1989 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt, weil er am 3. Dezember 1988 um

21.23 Uhr in Linz, Schumpeterstraße vor dem Eingang zur Oberbank, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und "trotz vermuteter Alkoholbeeinträchtigung durch Alkoholgeruch aus dem Mund sowie langsame und undeutliche Aussprache die von einem geschulten und von der Behörde hiezu besonders ermächtigten Wachebeamten geforderte Alkomatuntersuchung um ca. 21.25 Uhr verweigert" habe.

Die Berufungsbehörde führte in der Begründung ihres Bescheides aus, daß auf Grund des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers an die Behörde erster Instanz das Ersuchen gerichtet worden sei, den Meldungsleger zeugenschaftlich zu den Ausführungen in diesem Rechtsmittel zu befragen, worauf von der Erstbehörde mitgeteilt worden sei, daß der Meldungsleger bei einem Verkehrsunfall am 15. Mai 1989 verstorben sei. Der Beschwerdeführer habe daraufhin in seiner Stellungnahme vom 29. August 1989 die Auffassung vertreten, es könne ihm nicht angelastet werden, wenn der Meldungsleger verstorben sei und ihm dessen Aussage als Beweismittel nicht zur Verfügung stehe. Er halte seine Anträge daher aufrecht. Im Anschluß daran meinte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, daß die einzige Grundlage für den in Rede stehenden Tatvorwurf die Anzeige des Meldungslegers vom 3. Dezember 1988 bilde, aus der hervorgehe, daß der Beschwerdeführer den Pkw an diesem Tag um

21.23 Uhr auf der Altenberger Straße in Richtung Freistädter Straße mit etwa 30 km/h gelenkt habe, sodaß zwei hinter ihm befindliche Pkw behindert worden seien. Der Meldungsleger habe den Beschwerdeführer nach rechts in die Schumpeterstraße gelotst und ihn vor dem Eingang zur Oberbank (Altenberger Straße 9) zur Fahrzeug- und Lenkerkontrolle angehalten. Dabei habe er den Geruch von alkoholischen Getränken wahrgenommen und den Beschwerdeführer aufgefordert, ihn anzuhauchen. Auf Grund des starken Alkoholgeruches habe er den Beschwerdeführer gefragt, was er getrunken habe, und dieser habe geantwortet, er komme gerade von einer Sportveranstaltung, habe aber dort nichts getrunken. Nach weiterem Befragen, woher die "Alkoholfahne" käme, habe der Beschwerdeführer zugegeben, "drei bis vier Bier" getrunken zu haben, worauf der Meldungsleger über Funk ein Polizeifahrzeug und die "Aktivierung des Alkomaten" angefordert habe. Daraufhin habe ihn der Beschwerdeführer ersucht, er möge ihn zum Haus seiner Freundin gehen lassen, die in der H-Straße wohne. Der Meldungsleger habe weiters angegeben, er habe den Beschwerdeführer aufgefordert, den Pkw abzusperren und zum Alkomat mitzufahren, worauf dieser wieder in den Pkw gestiegen sei und den Zündschlüssel angesteckt habe. Daraufhin habe er ihn darauf aufmerksam gemacht, er solle vernünftig sein, und habe durch das offene Fenster auf den Startschlüssel greifen wollen, worauf der Beschwerdeführer seinen Mercedes gestartet habe und über den Geh- und Radweg, der von der Schumpeterstraße in die J.W.-Kleinstraße führe, davongefahren sei. Auch der Besatzung des herbeigerufenen Funkwagens sei es nicht mehr gelungen, den Beschwerdeführer anzuhalten, und auch ein Vorpaßhalten bei der Wohnung der Freundin habe kein Ergebnis gebracht. Der Beschwerdeführer habe sämtliche Dokumente (außer den Fahrzeugpapieren auch den Dienstausweis der Post, einen Postsportvereinsausweis, einen Blutspendeausweis, einen Berechtigungsausweis der Post zum Lenken von Dienstkraftwagen und einen ÖBB-Ermäßigungsausweis sowie zwei Lichtbilder und drei Gutscheine) bei ihm zurückgelassen. Eine Nachfrage beim Gendarmerieposten M habe ergeben, daß der Beschwerdeführer als renitent bekannt und ihm die Lenkerberechtigung bereits mehrmals entzogen worden sei. Gemäß § 46 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 24 VStG 1950 komme als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelte alles als Beweismittel, was nach logischen Grundsätzen Beweis zu liefern, d.h. die Wahrheit zu ergründen geeignet sei. Demnach sei auch die erwähnte Anzeige des Meldungslegers, die dem Akt im Original angeschlossen sei, als Beweismittel anzusehen und für die Beurteilung des in Rede stehenden Tatvorwurfes heranzuziehen. Richtig sei, daß der Tod des Meldungslegers dem Beschwerdeführer insoferne nicht zum Nachteil gereichen könne, als dieser nicht mehr zum Berufungsvorbringen befragt werden könne. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei jedoch davon auszugehen, daß ein Polizeibeamter, der über eine von ihm selbst verfaßte Anzeige zeugenschaftlich befragt werde, an den Angaben in der Anzeige, die letztlich den unmittelbaren Grund für die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bilde, festhalte und die dortigen Angaben zu seiner Zeugenaussage erhebe. Die Berufungsbehörde vertrete die Auffassung, daß die in der Anzeige enthaltene Sachverhaltsfeststellung im wesentlichen den tatsächlichen Ereignissen bei der Amtshandlung am 3. Dezember 1988 entsprächen. Zu berücksichtigen sei nämlich insbesondere, daß gegen den Beschwerdeführer auf Grund dieser Anzeige weitere Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden seien, so z.B. wegen Übertretung des § 52 Z. 17 lit. b StVO 1960 sowie gemäß § 97 Abs. 4 leg. cit. und gemäß den §§ 102 Abs. 5 lit.a und b KFG 1967, die der Beschwerdeführer unbekämpft gelassen habe, sodaß diese Punkte des Straferkenntnisses vom 28. Juni 1989 in Rechtskraft erwachsen seien. Nach der Schilderung des Meldungslegers in der Anzeige entspreche die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe ihm gegenüber zugegeben, im Rahmen einer Sportveranstaltung Bier getrunken zu haben, durchaus der Wahrheit, wobei auch das Ersuchen des Beschwerdeführers, der Meldungsleger möge ihn zum Haus seiner Freundin gehen lassen, die in der H-Straße wohne, bestätigt werde. Nach der Verantwortung des Beschwerdeführers habe ihm der Meldungsleger daraufhin mit der Hand ein Zeichen gegeben, er solle weiterfahren. Laut Schilderung des Meldungslegers in der Anzeige sei der Beschwerdeführer wieder in das Fahrzeug gestiegen, habe den Zündschlüssel angesteckt und dieses gestartet. Als er daraufhin nach dem Schlüssel habe greifen wollen, sei der Beschwerdeführer über den Geh- und Radweg, der von der Schumpeterstraße in die J.W.-Kleinstraße führe, um ca. 21.25 Uhr davongefahren und habe nicht mehr angehalten werden können. Nach Auffassung der Berufungsbehörde sei die Verantwortung des Beschwerdeführers aus mehreren Gründen unglaubwürdig. Zum einen habe der Meldungsleger, selbst wenn er tatsächlich dem Beschwerdeführer zu verstehen gegeben hätte, er könne das kurze Stück bis in die H-Straße noch fahren, keinerlei Grund gehabt, eine Anzeige zu verfassen und dieses Geschehen derart dramatisch zu schildern. Laut Anzeige sei nämlich der Funkwagen gekommen, der den Beschwerdeführer zum Alkomaten bringen sollte, und weder eine Fahndung noch ein Vorpaßhalten bei der Wohnung der Freundin habe ein Ergebnis gebracht. Außerdem sei für die Berufungsbehörde in keiner Weise nachvollziehbar, warum der Meldungsleger, der offensichtlich auf Grund der "Bierfahne" des Beschwerdeführers eine Alkoholbeeinträchtigung vermutet habe, den Beschwerdeführer hätte weiterfahren lassen sollen, da dem Beschwerdeführer doch habe bekannt sein müssen, daß derartige Übertretungen wohl zu den schwersten der Straßenverkehrsordnung überhaupt gehören. Ebenso unerklärbar sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe dem Meldungsleger die Papiere nicht aushändigen können, weil er sie vergessen habe. Der Meldungsleger habe nämlich die angeführten Ausweise und Fahrzeugpapiere seiner Anzeige vom 3. Dezember 1988 beigelegt. Wenn der Meldungsleger den Beschwerdeführer tatsächlich hätte weiterfahren lassen, dann hätte dieser außerdem keinen Grund gehabt, über den Geh- und Radweg, der von der Fahrbahn der Schumpeterstraße baulich getrennt sei, davonzufahren. In diesem Fall hätte er nämlich Zeit gehabt, vom Ort der Anhaltung auf die Fahrbahn der Schumpeterstraße bzw. Altenberger Straße zurückzufahren und seine Fahrt von dort fortzusetzen. Der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, den Pkw verbotenerweise auf einem Geh- und Radweg gelenkt zu haben, sodaß die diesbezügliche Bestrafung in Rechtskraft erwachsen sei, obwohl sie seiner nunmehrigen Verantwortung nicht entspreche. Nach Auffassung der Berufungsbehörde sei die Verantwortung des Beschwerdeführers in sich derart widersprüchlich und nicht geeignet, Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben in der Anzeige zu erwecken, sodaß sie der Schilderung des Meldungslegers Glauben schenke. Laut Anzeige habe der Meldungsleger den Beschwerdeführer aufgefordert, seinen Pkw abzusperren und zum Alkomaten mitzufahren, nachdem er über Funk dessen Aktivierung und einen Funkwagen angefordert gehabt habe. Durch sein ungerechtfertigtes Entfernen vom Ort der Anhaltung habe der Beschwerdeführer den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich im wesentlichen gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die Anzeige des Meldungslegers als Beweismittel ausreiche, und meint, daß die Behörde trotz des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung nicht willkürlich vorgehen dürfe. Ein ausreichendes Ermittlungsverfahren sei die Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung. Im Beschwerdefall seien aber weder der Beschwerdeführer noch der Meldungsleger als Zeugen einvernommen worden.

Zu diesem Vorbringen ist nachstehendes zu bemerken:

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) steht dem Gerichtshof eine Kontrolle der Beweiswürdigung nur insoweit zu, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber, ob der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht.

Zufolge der auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Regelung des § 46 AVG 1950 kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Auch eine Anzeige dient daher als taugliches Beweismittel (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1988, Zl. 87/18/0116).

Auf dem Boden dieser Rechtslage hält der angefochtene Bescheid einer Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit stand.

Der Beschwerdeführer hat selbst nicht einmal behauptet, und auch der Gerichtshof kann nicht erkennen, daß die vorstehend wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides unschlüssig ist, also den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung widerspricht. Vor allem der Umstand, daß der Beschwerdeführer den Tatort verlassen hat, ohne die Aushändigung der dem Meldungsleger vorher übergebenen (und der Anzeige angeschlossen gewesenen) Urkunden abzuwarten, spricht mit aller Deutlichkeit dafür, daß der Beschwerdeführer "davongefahren" ist, also gegen den Willen des Meldungslegers den Tatort offenbar deshalb verlassen hat, um sich der Untersuchung mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2 a lit. b StVO 1960 ("Alkomat") zu entziehen. Dazu kommt noch, daß der Beschwerdeführer den Tatort über einen Geh- und Radweg verlassen hat (wofür er auch - rechtskräftig - bestraft worden ist), was wohl nicht notwendig gewesen wäre, wenn der Meldungsleger damit einverstanden gewesen wäre, daß der Beschwerdeführer vom Tatort wegfährt. Schon die in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Behauptung des Beschwerdeführers, er habe dem Meldungsleger "die Papiere nicht aushändigen können, weil er sie vergessen hätte", spricht unter diesen Umständen nicht für eine wahrheitsgemäße Verantwortung des Beschwerdeführers, und es ist daher auch durchaus schlüssig, wenn die belangte Behörde angesichts dieser Fakten nicht der Darstellung des Beschwerdeführers gefolgt ist, wonach ihm der Meldungsleger "mit der Hand ein Zeichen gegeben habe, er solle weiterfahren".

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie trotz der Unmöglichkeit einer zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers dem Beschwerdeführer die in Rede stehende Übertretung angelastet hat, wobei die vom Beschwerdeführer relevierte Unterlassung seiner Einvernahme unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG nicht ins Gewicht fällt, weil er jedenfalls in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Gelegenheit zur Darlegung seines Standpunktes gehabt und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht hat, wie dem in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung nicht wiedergegebenen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist. Der Gerichtshof kann daher im Rahmen der schon geschilderten Möglichkeit zur Überprüfung der Beweiswürdigung nicht finden, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die nicht erfolgte Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgversprechende Erhebungen unterlassen habe.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Beweismittel Amtspersonen Meldungsleger Anzeigen Berichte Zeugenaussagen Beweismittel Urkunden Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Grundsatz der Unbeschränktheit Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180188.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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