TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/19 89/18/0112

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Veröffentlicht am 19.01.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §9 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 28. April 1989, Zl. MA 70-10/1534/88/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des

Landeshauptmannes von Wien vom 28. April 1989 wurde der

Beschwerdeführer für schuldig befunden, "es als

Verantwortlicher und somit als zur Vertretung des

Zulassungsbesitzers des Kfz mit dem Kennzeichen .... der Fa.

..... nach außen Berufener unterlassen" zu haben, "der Behörde

auf ihr Verlangen vom 23.02.1988 bekanntzugeben, wer dieses Kfz am 27.01.1988 um 11.10 Uhr in Wien 15., Linke Wienzeile zwischen dem Gürtel und der Stiegergasse stadtauswärts gelenkt hat, Auskunft zu erteilen". Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 begangen, weshalb über ihn eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden ist.

Der Beschwerdeführer hatte während des Verwaltungsstrafverfahrens behauptet, daß die von ihm erteilte Auskunft, wonach das in Rede stehende Kraftfahrzeug am 27. Jänner 1988 um 11.10 Uhr nicht in Wien 15., Linke Wienzeile zwischen dem Gürtel und der Stiegengasse, gelenkt worden, sondern zu diesem Zeitpunkt in Wien 3., Wedlgasse, abgestellt gewesen sei, der Wahrheit entspreche. Das Fahrzeug werde ausschließlich von seinem Sohn gefahren, der allerdings zur fraglichen Zeit nicht in Wien gewesen sei, dessen zeugenschaftliche Einvernahme aber beweisen werde, daß das Fahrzeug von dritten Personen nicht gelenkt werde.

Diesem Vorbringen hielt die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides entgegen, daß die vom Beschwerdeführer gegebene Darstellung wohl ausscheide, da der Aufforderer den Vorfall vom 27. Jänner 1988, 11.10 Uhr, auf den sich das Auskunftsverlangen der Behörde beziehe, bereits 5 Minuten später im Wachzimmer Wien 15., Ölweingasse, angezeigt habe, wobei er laut "Buch-Plan Wien" (Verlag Freytag und Berndt, Ausgabe 85/86, Kartenblatt 43, Planquadrat 9/qu) über die Stögergasse als kürzeste Verbindungsstrecke mindestens einen halben Kilometer zurückzulegen gehabt habe. Daß daher das Kennzeichen und die Marke, Type und Farbe des für den Zulassungsbesitzer zugelassenen Fahrzeuges tatsächlich übereinstimmen, sei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als sichere Feststellung der Identität dieses Fahrzeuges zu werten. Der Aufforderer habe darüber hinaus noch angegeben, daß der Lkw von einem ca. 25 bis 30 Jahre alten Mann gelenkt worden sei. Diese Angaben würden auf der unmittelbaren Wahrnehmung des Aufforderers beruhen. Die Berufungsbehörde schenke diesen Angaben sowie der zeugenschaftlichen Aussage des Aufforderers mehr Glauben als den Angaben des Beschwerdeführers. Der Aufforderer unterliege auf Grund seiner verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht und es würden ihn im Fall einer Verletzung dieser Pflicht strafrechtliche Sanktionen treffen. Es bestünde kein Anlaß, an seinen Angaben anläßlich seiner zeugenschaftlichen Vernehmung zu zweifeln, zumal diese Angaben klar, widerspruchsfrei und nachvollziehbar seien. Aus dem Akt ergebe sich außerdem auch kein Anhaltspunkt, daß der Aufforderer eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig habe belasten wollen. Es sei daher als erwiesen anzunehmen, daß die vom Zulassungsbesitzer erteilte Auskunft nicht dem Verlangen der Behörde entsprochen habe. Die dem Beschwerdeführer angelastete Tat sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen sei. Der Beweisantrag auf Einvernahme des Sohnes des Beschwerdeführers sei jedoch abzuweisen gewesen, da eine Person, die zur fraglichen Zeit als Lenker nicht in Betracht komme - wie der Beschwerdeführer angegeben habe -, auch keine Angaben aus eigener Wahrnehmung machen könne, ob der Lkw abgestellt oder in Betrieb gewesen sei. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit dem auf § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG beruhenden Beschluß vom 10. November 1989 gab der Gerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannt, daß der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Gründen rechtswidrig sein könnte:

"Dem im Verwaltungsstrafakt erliegenden Bericht der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Landstraße, vom 23. Februar 1988 ist zu entnehmen, daß "Lt. Auskunft der Fa. .... Hr. R, das Kfz zur angeblichen Tatzeit nicht gefahren wurde, sondern vor dem Hause 3., Hyeg. 3 abgestellt war. Verantwortlicher der Firma ist Ing. B ....."

Das Datum dieses Polizeiberichtes stimmt mit dem in der vorstehenden Tatumschreibung angeführten Tag überein, an welchem die Auskunft im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 verlangt worden ist, weshalb in Ermangelung aktenmäßiger Anhaltspunkte für ein von diesem Tag stammendes schriftliches Auskunftsverlangen anzunehmen ist, daß dieser Polizeibericht auf dem Ergebnis einer von der Behörde fernmündlich durchgeführten Befragung beruht. Daraus würde sich aber ergeben, daß nicht der in dem Bericht als "Verantwortlicher der Fa." angegebene Beschwerdeführer, sondern der dort genannte "Hr. R" die im Bericht wiedergegebene und entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides als unrichtig angesehene Auskunft erteilt hat, daß das in Rede stehende Fahrzeug zur Tatzeit nicht gefahren worden, sondern vor dem erwähnten Haus abgestellt gewesen sei. Unter diesen Umständen wäre aber der Beschwerdeführer ungeachtet seiner Stellung als Verantwortlicher im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zu Unrecht für die Erteilung der inkriminierten unrichtigen Auskunft, welche entsprechend der hg. Judikatur (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0069) der Nichterteilung der Auskunft gleichzuhalten ist, bestraft worden, weil er sie gar nicht erteilt hat."

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde

haben zu diesem Beschluß Stellung genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Da der Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges berechtigt ist, hinsichtlich der sich aus § 103 Abs. 2 KFG 1967 ergebenden Pflichten einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des eben wiedergegebenen Abs. 2 zu bestellen, wäre der Beschwerdeführer für die im vorliegenden Fall nicht von ihm erteilte Auskunft verwaltungsstrafrechtlich dann nicht verantwortlich, wenn zur Tatzeit für die Erteilung solcher Auskünfte ein verantwortlicher Beauftragter bestellt worden wäre, was vorausgesetzt hätte, daß bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. N. F. Nr. 12.375/A). Ferner träfe den Beschwerdeführer dann keine solche Verantwortlichkeit, wenn der erwähnte "Hr. R", ohne verantwortlicher Beauftragter zu sein, ohne diesbezügliche Ermächtigung durch den zur Vertretung nach außen berufenen Beschwerdeführer die inkriminierte Auskunft erteilt hätte.

Der Beschwerdeführer hat nun in seiner Stellungnahme zu dem erwähnten hg. Beschluß vom 10. November 1989 bekanntgegeben, "daß die Auskunft, das Fahrzeug sei zur angeblichen Tatzeit nicht gefahren worden, von Herrn R telephonisch mitgeteilt wurde", ohne etwa zu behaupten, daß er diese Auskunft als verantwortlicher Beauftragter im Sinne der zitierten Bestimmung erteilt habe oder für Auskünfte dieser Art durch den Beschwerdeführer nicht ermächtigt gewesen sei. Auch die Verwaltungsstrafakten bieten keine Anhaltspunkte für eine derartige Annahme, weshalb der Gerichtshof nunmehr davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zu Recht für die in Rede stehende Auskunft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gemacht worden ist. Der Beschwerdeführer hat überdies nichts vorgebracht, was im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 516/1987) gewertet werden könnte, weshalb auch sein Verschulden für die ihm angelastete Übertretung anzunehmen ist.

Im übrigen ist in Erwiderung auf das gegen die Beweiswürdigung gerichtete Beschwerdevorbringen daran zu erinnern, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d. h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Der Gerichtshof kann nicht finden, daß die in der Sachverhaltsdarstellung bereits wiedergegebenen, für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen der belangten Behörde unschlüssig wären oder ihr der Vorwurf gemacht werden könnte, irgendwelche erfolgversprechende Erhebungen unterlassen zu haben. Vor allem kann der Auffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, daß die Einvernahme seines Sohnes deshalb zielführend gewesen wäre, weil sich ergeben hätte, daß sich dieser Zeuge zur Tatzeit nicht in Wien befunden und sein Fahrzeug geparkt habe, wobei dieses "niemand Fremden bzw. keinen dritten Personen zugänglich" gewesen sei, weil er - im Sinne der Argumentation der belangten Behörde - infolge seiner Abwesenheit von Wien ungeachtet der geltend gemachten ausschließlichen Benützung des Fahrzeuges durch ihn aus eigener Wahrnehmung keine Angaben darüber hätte machen können, ob das in Rede stehende Fahrzeug zur Zeit des angezeigten Vorfalles abgestellt war oder nicht. Die Aktenlage bietet im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß das Fahrzeug zur fraglichen Zeit von einem Dritten unbefugt und ohne Wissen des Beschwerdeführers bzw. des Herrn R in Betrieb genommen worden ist.

Bei seinem Vorbringen, daß Irrtümer beim Ablesen eines Kennzeichens sehr häufig vorkommen und es durchaus möglich sei, daß der Meldungsleger "während der relativ kurzen Fahrzeit" über Funk "die Daten des Fahrzeuges des Beschuldigten bzw. der Firma ... angefragt" habe, dürfte der Beschwerdeführer übersehen haben, daß der den Anlaß für das Auskunftsverlangen nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 bildende Vorfall nicht von einem Sicherheitswachebeamten, sondern von einer Privatperson angezeigt worden ist, welcher die aufgezeigten Möglichkeiten der Ermittlung des Zulassungsbesitzers sowie der Fahrzeugdaten wohl nicht zur Verfügung stehen.

Die Bestrafung des Beschwerdeführers ist daher zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein freie Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180112.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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