TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/24 89/02/0169

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Veröffentlicht am 24.01.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 1. September 1989, Zl. VerkR-8725/6-1989-II/Dre, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 16. September 1987 um 11.40 Uhr in "Ramingdorf, LH 80, vor der Pizzeria 'Mellini'" einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt zu haben, obwohl er nicht im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung war. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG 1967 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet, der Lenker des in Rede stehenden Fahrzeuges gewesen zu sein. Er bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diesbezüglich ist die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes darauf beschränkt, ob der Sachverhalt vollständig ermittelt ist und ob die aufgenommenen Beweise in schlüssiger Weise gewürdigt wurden (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen des Erkenntnisses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Die belangte Behörde stützt ihre Annahme, der Beschwerdeführer sei zur Tatzeit der Lenker des für ihn zugelassenen Pkws gewesen, primär auf die Zeugenaussage des Anzeigers, eines Sicherheitswachebeamten, der sich bei seiner Beobachtung nicht im Dienst befand. Dieser habe den ihm persönlich bekannten Beschwerdeführer aus einer Entfernung von zwei bis drei Metern gesehen, wie er den Pkw im Schrittempo vor das Gastlokal gelenkt und dort abgestellt habe. Er selbst habe diesen Pkw bereits aus einer Entfernung von 100 Metern erkannt, habe das Tempo des von ihm selbst gelenkten Kraftfahrzeuges verlangsamt und habe dann in unmittelbarer Nähe des Tatortes - mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h fahrend - das Abstellmanöver beobachtet; er habe gute Sicht in das Wageninnere gehabt und den Beschwerdeführer einwandfrei identifizieren können. Der Anzeiger habe auch aus Anlaß einer im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführten Gegenüberstellung den Beschwerdeführer als Lenker zur Tatzeit erkannt. Die belangte Behörde hat auch ein Gutachten eines technischen Amtssachverständigen eingeholt, wonach "die Erkennung einer bekannten Person aus einer Entfernung von 2 bis 3 m normalerweise durchaus möglich" sei, "sofern keine Blendwirkungen vorliegen"; auch eine Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h lasse eine derartige Beobachtung zu; es könne nachträglich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, "daß keine Blendwirkung vorhanden war".

Der Beschwerdeführer behauptet, Lenker des Pkws zur Tatzeit sei eine Person gewesen, die von ihm für die Zeit, für die ihm vorübergehend die Lenkerberechtigung entzogen gewesen war, als Lenker seines Pkws angestellt worden war. Diese Person sehe ihm sehr ähnlich. Sie habe täglich außer an Sonntagen den Pkw um 11.00 Uhr von "zu Hause" abgeholt und "anschließend 3 Lokale abgefahren". Die im Spruch genannte Pizzeria sei eines dieser Lokale. Der Beschwerdeführer sei manchmal mitgefahren.

Die als Lenker bezeichnete Person wurde als Zeuge einvernommen. Sie bestätigte die Verantwortung des Beschwerdeführers insofern, als sie selbst täglich außer an Sonntagen und an zwei Samstagen den Pkw des Beschwerdeführers gelenkt habe. Der Zeuge sei auch sicher, am 16. September 1987 mit dem Pkw des Beschwerdeführers nach Ramingdorf gefahren zu sein, ob dies jedoch um 11.40 Uhr war, könne er (nach ungefähr einem halben Jahr) nicht mehr mit Sicherheit angeben.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet die Beweiswürdigung der belangten Behörde für nicht schlüssig. Es erscheint im Lichte der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zwar durchaus möglich, eine in einem entgegenkommenden Pkw sitzende Person von einem mit 40 bis 45 km/h fahrenden Pkw aus zu erkennen. Angesichts der vom Anzeiger geschilderten Verkehrssituation kann die Zeit, in der ein Erkennen des im Pkw des Beschwerdeführers sitzenden Lenkers auf Grund der Entfernung zwischen beiden Fahrzeugen möglich war, nur äußerst kurz gewesen sei. Die Identifizierung einer von zwei einander sehr ähnlich sehenden Personen unter diesen Verhältnissen ist mit großen Unsicherheiten belastet. Ob die belangte Behörde entgegen der Verantwortung des Beschwerdeführers der Zeugenaussage des Anzeigers Glauben schenken durfte, kann vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Ermittlungsergebnisse nicht auf ihre Schlüssigkeit geprüft werden. Es fehlen jegliche Feststellungen darüber, ob der Beschwerdeführer und der Zeuge einander tatsächlich ähnlich sehen und ob demnach unter den gegeben Verhältnissen eine Verwechslungsmöglichkeit bestanden hat. Dazu wäre bei der im Verwaltungsstrafverfahren durchgeführten Gegenüberstellung des Anzeigers mit dem Beschwerdeführer und dem Zeugen Gelegenheit gewesen. Daß bei dieser Gegenüberstellung der Anzeiger den ihm bekannten Beschwerdeführer als jene Person erkannte, die er zuvor als Lenker angegeben hat, und die Lenkereigenschaft des ihm offenbar nicht bekannten Zeugen ausschloß, ist als Beweismittel von geringer Aussagekraft, abgesehen davon, daß die bei der Gegenüberstellung gegebenen Bedingungen mit denen zur Tatzeit in Ansehung der Möglichkeit des Erkennens überhaupt nicht vergleichbar waren.

Der Verwaltungsgerichtshof vermißt auch Feststellungen darüber, ob die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffend ist, der Zeuge habe täglich um 11.00 Uhr das Fahrzeug abgeholt und sei damit zu den Lokalen des Beschwerdeführers gefahren. Wäre die Richtigkeit dieser Behauptung anzunehmen, so wäre es unerheblich, daß sich der Zeuge nicht mehr erinnern kann, wo er sich um 11.40 Uhr des Tattages genau befunden habe.

Die belangte Behörde wäre auch angesichts der Beweislage gehalten gewesen, den Beschwerdeführer - auch wenn dieser von sich aus kein diesbezügliches Vorbringen erstattet hat - aufzufordern, Angaben über seinen Aufenthaltsort zur Tatzeit zu machen.

Die aufgezeigten unterlassenen Feststellungen wären geeignet gewesen, die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse vermag der Verwaltungsgerichtshof die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung und damit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu überprüfen.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020169.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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