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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
N gegen Bundesminister für Inneres vom 6. März 1989, Zl. 240.605/3-II/6/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. September 1988 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen (Asylgesetz) ist.
Begründend wurde im wesentlichen festgestellt, der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, sei am 15. Mai 1988 legal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 25. Mai 1988 Asyl beantragt. Bei seiner Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 28. Juni 1988 habe er im wesentlichen angegeben, weder er noch seine Familienangehörigen seien Mitglieder einer politischen Partei oder politisch tätig gewesen. Der Beschwerdeführer sei Angehöriger der alewitischen Religion. Während seines Militärdienstes hätte er mit mehreren anderen Soldaten, die "Faschisten" gewesen seien, Auseinandersetzungen gehabt. Diese hätten den Beschwerdeführer aufgefordert, die vorgeschriebenen Gebete durchzuführen, und versucht, ihm ihre politischen Ansichten aufzudrängen, was er jedoch abgelehnt hätte. Deshalb hätten "die Faschisten" auf den Beschwerdeführer (seiner Vermutung nach) einen Brandanschlag verübt, der zu Verletzungen des Beschwerdeführers geführt hätte. Die türkische Polizei habe nichts unternommen. Der Beschwerdeführer sei drei Monate im Spital gelegen. Der Anschlag sei als Unfall dargestellt worden. Der Beschwerdeführer habe vorerst keine Ansprüche geltend gemacht, weil er Repressalien befürchtet habe. Später habe der Beschwerdeführer versucht, über einen Rechtsanwalt Schadenersatzforderungen gegen die Täter zu stellen, doch habe ihm der Rechtsanwalt gesagt, daß dies nach sechs Monaten keinen Sinn mehr hätte. Nachdem der Beschwerdeführer problemlos seinen Reisepaß erhalten habe, sei er am 20. April 1988 von Istanbul nach Wien geflogen, jedoch zurückgewiesen worden. Erst am 15. Mai 1988 sei ihm bei einem neuerlichen Flug nach Wien die Einreise gelungen.
Die Behörde erster Instanz sei zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 der Flüchtlingskonvention zu gewärtigen hätte, und habe festgestellt, daß er nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer im wesentlichen ausgeführt, die Alewiten seien in der Geschichte der Türkei ständig verfolgt, unter Druck gesetzt und aus religiösen Gründen massenweise ermordet worden. Im Jahre 1978 seien mehr als 2.000 von ihnen getötet worden. Der Staat selbst "schüre die Feindlichkeiten zwischen den Sunniten und den Alewiten, wobei nur die Alewiten" darunter zu leiden hätten. Nach dem Brandanschlag während seines Militärdienstes hätte der Beschwerdeführer in der Türkei "keine Ruhe mehr" gehabt und daher beschlossen, sein Heimatland zu verlassen. In der Türkei würden politisch Tätige und Alewiten ständig verfolgt.
Angesichts der gegenwärtig in der Türkei herrschenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse könne den Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers nicht geglaubt werden. Im übrigen habe der Beschwerdeführer konkrete und individuelle Verfolgungen, die vom türkischen Staat ausgegangen wären, nicht behauptet. Dies und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer legal mit seinem Reisepaß ausreisen habe können, seien Indizien dafür, daß er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Eine legale Ausreise wäre für ihn nicht möglich gewesen, wenn ein Interesse an seiner Verfolgung bestanden hätte. Die Flüchtlingseigenschaft könne einer Person nur zuerkannt werden, deren Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, insbesondere schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte erleiden zu müssen, WOHLBEGRÜNDET sei. Es genüge daher nicht, wenn das Vorliegen dieser Furcht bloß behauptet werde. Von einer wohlbegründeten Furcht könne erst dann gesprochen werden, wenn die Zustände im Heimatland auch aus objektiver Sicht dergestalt seien, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland aus den in der Konvention genannten Gründen unerträglich geworden sei. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgungen durch die Behörden seines Heimatstaates vorgebracht, geschweige denn solche aus Konventionsgründen. Übergriffe von Andersgläubigen, die nicht von den Behörden des Heimatlandes ausgingen, könnten nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen werden.
Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei angehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung des Antrages zugestimmt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:
Gemäß § 1 AsylG ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde ist auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu dem Schluß gekommen, dem Vorbringen des Beschwerdeführers könnten keine Gründe entnommen werden, aus denen eine begründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung ersichtlich sei. Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie bei Wertung der eigenen Angaben des Beschwerdeführers davon ausgegangen ist, daß dieser selbst keine Verfolgungen durch Behörden seines Heimatlandes vorgebracht hat.
Selbst unter der Annahme der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen betreffend den Vorfall während seiner Militärdienstzeit hat die belangte Behörde zu Recht diesen Umstand nicht als Grund für eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung gewertet, weil der Beschwerdeführer einerseits mittlerweile seinen Militärdienst beendet und andererseits nichts vorgebracht hat, woraus auf eine konkrete und individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Religionszugehörigkeit nach Abschluß der Militärdienstzeit geschlossen werden könnte (vgl. einen ähnlichen Sachverhalt im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/01/0121). Auch das Vorbringen, die türkische Polizei habe die Akten, betreffend das Brandattentat auf den Beschwerdeführer, liegen gelassen und die Ermittlungen seien "im Sande verlaufen", kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil daraus nicht zu erschließen ist, daß eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung im Sinne der Flüchtlingskonvention durch die türkischen Behörden aus Gründen des Religionsbekenntnisses des Beschwerdeführers gesetzt oder auch nur mögliche Verfolgungsschritte gegen Übergriffe anderer gegen den Beschwerdeführer tatsächlich toleriert worden seien. Dies umso weniger als nicht auszuschließen ist, daß eine Verfolgung der angeblichen Attentäter aus Gründen, die dem Beschwerdeführer unbekannt geblieben sind, nicht zum Erfolg geführt hat. Hat doch der Beschwerdeführer selbst vorgebracht, er habe nach seinem Spitalsaufenthalt und Rückkehr zum Präsenzdienst, keine Forderungen an die Militärbehörden gestellt. Ebensowenig ist für den Beschwerdeführer daraus etwas zu gewinnen, daß er von einem Rechtsanwalt belehrt worden sei, die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen habe sechs Monate nach der Tat "keinen Sinn mehr". Aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich nämlich, daß er selbst nichts unternommen hat, um seine Rechte bei den Behörden des Heimatlandes durchzusetzen. Daraus folgt aber, daß sein Vorwurf, die Behörden hätten ihm nicht gegen Übergriffe Andersgläubiger hinreichend Schutz gewährt, nicht begründet ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt sich damit.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010307.X00Im RIS seit
24.01.1990