TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/6 89/04/0177

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Veröffentlicht am 06.02.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
VwGG §48 Abs1 lita;
VwGG §59 Abs2;

Betreff

1. AN und 2. BN gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Juni 1989, Zl. 311.867/3-III-3/89, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A-GmbH)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Juli 1988 genehmigte der Bürgermeister der Stadt T die Errichtung eines Speditionsbetriebes der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 10. August 1988 sowie die nunmehrigen Beschwerdeführer - mit Schriftsatz vom 12. August 1988 - Berufung.

Mit Schriftsatz vom 17. Februar 1989 brachte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950 an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ein.

Mit Schriftsatz vom 2. März 1989 zog die mitbeteiligte Partei ihren Devolutionsantrag mit der Begründung zurück, daß mit Bescheid vom 14. Februar 1989 der Landeshauptmann von Oberösterreich in der Sache entschieden habe.

In der Folge berief die mitbeteiligte Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Februar 1989.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Juni 1989 wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Februar 1989 unter Bezugnahme auf § 73 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AVG 1950 behoben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im vorliegenden Fall sei der von der mitbeteiligten Partei gestellte Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950 beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten am 20. Februar 1989 eingelangt. Der mit 14. Februar 1989 datierte Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich, der über die gegenständliche Angelegenheit in der Sache abgesprochen habe, sei gegenüber der mitbeteiligten Partei jedoch erst mit der am 1. März 1989 erfolgten Zustellung erlassen worden. Der Landeshauptmann von Oberösterreich sei daher zu diesem Zeitpunkt zur Erlassung des Bescheides nicht mehr zuständig gewesen. Mit der Zurückziehung des Devolutionsantrages durch die mitbeteiligte Partei vom 2. März 1989 sei allerdings der Landeshauptmann von Oberösterreich wieder zur Entscheidung in der Sache zuständig geworden. Er werde daher neuerlich einen entsprechenden Bescheid zu erlassen haben. Da gemäß § 6 Abs. 1 AVG 1950 die Zuständigkeit der Behörden von Amts wegen wahrzunehmen sei, sei auch ohne ein entsprechendes Berufungsvorbringen spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Abschließend werde der Landeshauptmann von Oberösterreich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Zurechnung von Vorgängen außerhalb der Betriebsanlage zu dieser hingewiesen. Dementsprechend wären die Auflagen in dem neu zu erlassenden Bescheid vorzuschreiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - gleich wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Entscheidung durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde verletzt. Sie bringen in Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die Berufung der mitbeteiligten Partei sei am 12. August 1988 beim Magistrat der Stadt T eingelangt. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist sei bis zum 12. Februar 1989 gelaufen. Der Devolutionsantrag der mitbeteiligten Partei sei am 20. Februar 1989 beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten eingelangt. Der mit 14. Februar 1989 datierte Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich, welcher der mitbeteiligten Partei erst am 1. März 1989 zugestellt worden sei, sei nach ständiger Rechtsprechung rechtswidrig. Die Vorinstanz habe aufgrund des Devolutionsantrages der mitbeteiligten Partei ihre Zuständigkeit zur Entscheidung verloren. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein nach dem Einlangen eines Devolutionsantrages erlassener Bescheid ohne Rücksicht darauf, wann die Unterbehörde von der Anrufung der Oberbehörde Kenntnis erlangt habe, rechtswidrig. Der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich sei nach Einlangen des Devolutionsantrages dem Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Landeshauptmann von Oberösterreich zur Erlassung des Bescheides nicht mehr zuständig gewesen. Daran vermöge auch die Zurückziehung des Devolutionsantrages nichts zu ändern. Bei gegebener Sachlage sei davon auszugehen, daß durch den einmal gestellten Devolutionsantrag die Entscheidungsbefugnis an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen sei, welche nunmehr auch zu entscheiden habe. Im übrigen werde geltend gemacht, daß "der Hinweis auf Seite 3 dieses Bescheides" unzulässig erscheine.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Nach § 73 Abs. 2 leg. cit. geht, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich über die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt T nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach deren Einlangen entschied. Am 20. Februar 1989 langte der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ein. Mit dem Einlangen des auf § 73 Abs. 2 AVG 1950 gestützten Begehrens bei der Oberbehörde am 20. Februar 1989 ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der betreffenden Angelegenheit an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten übergegangen. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat daher - ab diesem Zeitpunkt - seine Zuständigkeit zur Entscheidung in der betreffenden Angelegenheit verloren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1982, Zl. 2450/79).

Auch ein Devolutionsantrag kann - solange die Oberbehörde nicht entschieden hat - zurückgezogen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1959, Slg. N.F. Nr. 5110/A). Durch die Zurückziehung des Devolutionsantrages wird die Vorinstanz zur Entscheidung wieder zuständig (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1982, Zl. 2450/79). Die Zurückziehung des Devolutionsantrages wird erst mit dem Zeitpunkt des Einlangens bei der Oberbehörde wirksam, wirkt hingegen nicht auf den Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages in dem Sinn zurück, daß dieser als nicht eingebracht anzusehen wäre. In dem Zeitraum zwischen dem Einlangen des Devolutionsantrages und dessen Zurückziehung ist daher die Vorinstanz zur Entscheidung in der betreffenden Angelegenheit nicht zuständig.

Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich mit Datum 14. Februar 1989 der mitbeteiligten Partei am 1. März 1989 zugestellt und damit erlassen. Die Zurückziehung des Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht durch die mitbeteiligte Partei erfolgte unbestritten mit Schriftsatz vom 2. März 1989. Daraus folgt, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich am 1. März 1989 zur Erlassung des Bescheides nicht zuständig war.

Erläßt die Berufungsbehörde zweiter Instanz den Berufungsbescheid erst nach dem wegen ihrer Säumigkeit gestellten, dem Gesetz gemäßen Devolutionsantrag (und vor dessen Zurückziehung), so hat die Ministerialinstanz, bei welcher dieser Bescheid mit Berufung bekämpft wird, diesen wegen Unzuständigkeit der Behörde zweiter Instanz aufzuheben (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1968, Slg. N.F. Nr. 7441/A). Die belangte Behörde behob daher den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Februar 1982 zu Recht wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer ist nicht davon auszugehen, daß durch den einmal gestellten Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht die Entscheidungsbefugnis an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen ist, welche nunmehr auch zu entscheiden hat, obwohl der Devolutionsantrag zurückgezogen wurde. Mit der Zurückziehung des Devolutionsantrages vom 2. März 1989 ist der Landeshauptmann von Oberösterreich zur Entscheidung in der Sache wieder zuständig geworden.

Abschließend wird bemerkt, daß - mangels jeglicher Konkretisierung - der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermag, inwiefern die Beschwerdeführer durch den "Hinweis auf Seite 3" des Bescheides, in ihren Rechten verletzt wurden.

Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als nicht begründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Unter dem Begriff "Barauslagen" konnte der mitbeteiligten Partei der Ersatz entrichteter Stempelgebühren nicht zugesprochen werden (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1968, Slg. N. F. Nr. 7432/A).

Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.

Schlagworte

Antragsrückziehung Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4 Formelle Voraussetzungen für die Zuerkennung des Aufwandersatzes Begründungspflicht und Schriftlichkeit Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Verhältnis zu anderen Materien und Normen Devolution Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989040177.X00

Im RIS seit

06.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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