TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/7 89/01/0397

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Veröffentlicht am 07.02.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 22. Juni 1989, Zl. 245.197/2-II/9/88 betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. November 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte wie die erste Instanz fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinn der Genfer Konvention ist.

Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer sei rumänischer Staatsangehöriger, am 9. September 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag Asylantrag gestellt. Bei seiner am 17. September 1988 durchgeführten niederschriftlichen Befragung habe er im wesentlichen folgendes angegeben:

Er habe als Kind in der Kaffeerösterei von Armeniern mitgearbeitet. Im Jahr 1980 seien die Geschäftsinhaber nach den USA ausgewandert. Der Beschwerdeführer habe das Geschäft übernommen und vier Jahre lang ohne Schwierigkeiten geführt. Im Jahr 1986 habe man ihm fünf Lehrlinge zugeteilt, von denen ein Mädchen eine Informantin der Sicherheitsbehörden gewesen sei. Bei einer Kontrollinventur im Jahr 1987 hätten Waren im Werte von 40.000,-- Lei gefehlt. Der Beschwerdeführer habe vermutet, daß das Mädchen die Waren entwendet hätte. Er habe aber die fehlende Summe sofort bezahlt, um sich und seinen Mitarbeitern Schwierigkeiten zu ersparen. Die fehlenden Waren seien von dem Mädchen mit besonderer Markierung im Kassabuch versehen worden. Man habe ihn beschuldigt, die Waren illegal abgezweigt zu haben. Die Waren wären aber zum Verkauf an ihn und seine Mitarbeiter bestimmt gewesen. Man habe ihn seiner Funktion enthoben und er habe einen anderen Arbeitsplatz erhalten. Nach dreimonatiger Tätigkeit sei er grundlos beschuldigt worden, die Firmenleitung bestochen zu haben, um Waren zu erhalten. Die Miliz habe versucht, von ihm ein Geständnis zu erpressen und man habe ihn zwei Tage lang festgehalten. Da die Miliz keine Beweise gegen ihn habe vorbringen können, sei sein Akt von der Staatsanwaltschaft nicht behandelt worden. Die Miliz habe dann von ihm verlangt, gegen einen Fleischhauer, der im selben Unternehmen beschäftigt gewesen sei und sich angeblich Gesetzwidrigkeiten zuschulden habe kommen lassen, auszusagen. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine Angaben machen können. Einen Monat später habe man ihm in Aussicht gestellt, daß er für den Fall, daß er bereit wäre über den "letzten armenischen Kaffeeröster" etwas auszusagen, nicht weiter durch die Miliz belästigt werde. Er habe sich aber geweigert und beschlossen, Rumänien zu verlassen. Bei Übernahme des Lebensmittelgeschäftes sei er gezwungen worden, der kommunistischen Partei beizutreten. Im Jahr 1987 sei er aber wegen parteiwidrigen Verhaltens ausgeschlossen worden. Sein Wunsch sei es, in die USA auszuwandern und sich eine neue Existenz aufzubauen.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer keine von diesem Vorbringen abweichenden Umstände geltend gemacht.

In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde, ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers, zu dem Ergebnis, daß er keine Verfolgungen aus einem in der Genfer Konvention genannten Gründe behauptet habe und verneinte deshalb die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz) in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Staates zu bedienen.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, im Verfahren erster Instanz seien relevante Umstände, die er angegeben hätte (nämlich: Kritik an der ungenügenden Lebensmittelzuteilung durch die kommunistische Partei; Vorwurf seitens der Sicherheitsbehörden, er hätte Kunden seines Geschäftes gegen die Partei aufgewiegelt; Mißhandlung des Beschwerdeführers in einem Keller mittels Gummiknüppel; 50 bwz. 45 Stunden Haft; Vorladung zur Sicherheitsbehörde wegen seiner Teilnahme an einer Taufe als Taufpate; Verbot der Religionsausübung unter Gewaltandrohung; Einleitung eines Strafprozesses gegen den Beschwerdeführer wegen seiner Haltung und Äußerungen gegenüber der Partei), nicht oder nur mangelhaft protokolliert worden. Er habe darauf vertraut, daß alle seine Angaben festgehalten worden wären und deshalb auf eine Verlesung des Protokolles verzichtet.

Dem ist vorweg zu entgegnen, daß die Behauptung, der Beschwerdeführer hätte auf die Verlesung des Protokolles über seine niederschriftliche Befragung verzichtet, aktenwidrig ist. Aus Seite 5 der Niederschrift vom 17. September 1989 ergibt sich nämlich, daß dem Beschwerdeführer der Inhalt des in Gegenwart eines Dolmetschers aufgenommenen Protokolles vorgelesen wurde und er angab, dem nichts anfügen zu wollen. Dazu kommt, daß der jetzt geltend gemachte Verfahrensmangel das erstinstanzliche Verfahren betrifft und daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid den jetzt geltend gemachten Mangel mit keinem Wort erwähnt hat. Da ein Verfahrensmangel bei Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nur dann beachtlich ist, wenn er im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 592 in Abs. 3 referierte hg. Judikatur), muß die Verfahrensrüge der Beschwerde versagen.

In Ausführung des Beschwerdegrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, daß auch ausgehend von seinen protokollierten Angaben die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geboten gewesen wäre. Darauf ist - wie es schon die belangte Behörde getan hat - zu erwidern, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Umstände behauptet hat, die den Tatbestand eines der in der Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründe erfüllten. Die rumänischen Behörden befaßten sich mit dem Beschwerdeführer vielmehr ausschließlich im Zusammenhang mit Vorgängen wirtschaftskrimineller oder allgemein krimineller Natur. Auch ein allenfalls auf den Beschwerdeführer ausgeübter rechtswidriger Druck, im Wege seiner Aussagen ein Beweismittel gegen andere Personen zu erlangen, kann, wenn es nur um Verfahren punkto Wirtschaftskriminalität oder allgemeine Kriminalität geht, noch keine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention darstellen. Dasselbe gilt für den vom Beschwerdeführer behaupteten Parteiausschluß.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010397.X00

Im RIS seit

07.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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