TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/9 89/17/0220

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Veröffentlicht am 09.02.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
14/02 Gerichtsorganisation;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ASGG §79 Abs2;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
GebAG 1975 §2 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr.Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des A gegen Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. Februar 1989, Zl. Jv 9200-14e/88, betreffend Gebühr einer Begleitperson, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Rechtssache der klagenden Partei K gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wegen Zuerkennung einer Witwenpension wurde die klagende Partei zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien am 12. April 1988 geladen und zu diesem Termin auch vernommen.

Mit Schriftsatz vom 18. April 1988 stellte die klagende Partei an das Arbeits- und Sozialgericht Wien den Antrag auf Bewilligung der Beigebung einer Begleitperson für ihre Einvernahme am 12. April 1988 und auf Ersatz der aus der Begleitung durch den Beschwerdeführer erwachsenden Kosten in Höhe von S 1.753,--.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Mai 1988 abgewiesen.

Der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Beschwerde wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid nicht Folge gegeben. Dies nach Darstellung des Sachverhaltes mit folgender, im Wortlaut wiedergegebener Begründung:

"Vorauszuschicken ist, daß nach den auf den Gebührenanspruch von Versicherten gemäß § 79 Abs. 1 ASGG sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des GebAG 1975 über die Zeugengebühren einer Begleitperson ein selbständiger Gebührenanspruch zusteht und daher die Begleitperson selbst Partei des Gebührenbestimmungsverfahrens ist. Die Beleitperson hat den Anspruch in eigenem Namen - und nicht der Zeuge (die Partei) für sie - geltend zu machen (vgl. Krammer-Schmidt, SDG-GebAG2, Anm. 9 zu § 2 GebAG). Im vorliegenden Fall muß im Hinblick auf die Belehrung durch den Verhandlungsrichter in der mündlichen Streitverhandlung am 12.4.1988 angenommen werden, daß die Klägerin den Gebührenanspruch des A als Vertreterin geltend gemacht und auch die weiteren Verfahrensschritte als Vertreterin des A gesetzt hat.

Nach § 2 Abs. 2 letzter Halbsatz GebAG hat das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, die Notwendigkeit der Begleitperson zu bestätigen. Es ist dies ein Akt der Rechtsprechung (ebenso § 79 Abs. 2 ASGG). Gegen eine negative Entscheidung des Vorsitzenden steht der Partei (der Begleitperson) das Rechtsmittel des Rekurses offen. Im übrigen erfolgt die Bestimmung der Zeugengebühr (und der Gebühr einer Begleitperson) im Justizverwaltungsweg; bei einem aus dem Ausland geladenen Zeugen (einer aus dem Ausland geladenen Begleitperson) vom Leiter des Gerichtes (vgl. Feitzinger-Tades, ASGG, Anm. 3 zu § 79; Krammer-Schmidt, SDG-GebAG2, Anm. 1 zu § 20 GebAG; Krammer, Neues zum GebAG, Der Sachverständige 1986/Heft 4, 9).

Im vorliegenden Fall war der zuständige Senatsvorsitzende der Vizepräsident des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, der als Vertreter des Präsidenten auch zur Gebührenentscheidung im Justizverwaltungsweg zuständig war. Er hat über beide Fragen - nämlich die der Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson und über die Zuerkennung von Gebühren - in einer einheitlichen Entscheidung, dem angefochtenen abweislichen Bescheid erkannt. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem GebAG. Für den Standpunkt der Rechtsmittelwerberin kann daraus aber nichts gewonnen werden. Sie bekämpft die Entscheidung nur mit Beschwerde an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, somit nur die in der Justizverwaltungssache ergangene Gebührenentscheidung, nicht aber den Ausspruch des Gerichtes (Vorsitzenden), daß die Beiziehung einer Begleitperson nicht notwendig war. Insofern wäre nämlich die Entscheidung mit Rekurs an das Oberlandesgericht Wien anzufechten gewesen. Für das Justizverwaltungsverfahren ist daher vom Vorsitzenden des Senates bindend ausgesprochen, daß die Begleitung der Klägerin durch eine weitere Person nicht notwendig war (§ 2 Abs. 2 GebAG). Schon aus diesem Grund war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Nur der Vollständigkeit halber ist auszuführen, daß auch in der Sache selbst den Beschwerdeausführungen nicht gefolgt werden kann. Zwar wird als Verfahrensmangel geltend gemacht, daß eine medizinische Untersuchung der Klägerin zur Frage ihrer Gebrechlichkeit unterblieben sei, doch hat die Klägerin weder im erstinstanzlichen Verfahren noch auch im Beschwerdeschriftsatz konkret behauptet, an körperlichen oder geistigen Gebrechen zu leiden, die die Beigebung einer Begleitperson notwendig machen könnten. Es bestand daher für das Erstgericht kein Anlaß, eine medizinische Untersuchung anzuordnen. Die Klägerin hat sich im erstinstanzlichen Verfahren vielmehr stets nur auf die Sprachschwierigkeiten berufen, die die Beiziehung einer Begleitperson erforderlich machten. Der Erstbehörde ist aber beizupflichten, daß Sprachschwierigkeiten ALLEIN, auch wenn die betreffende Person kein Wort Deutsch versteht, die Beiziehung einer sprachkundigen Begleitperson nicht rechtfertigen. Gerade zwischen Jugoslawien und Österreich besteht ein reger Reiseverkehr und stehen auf den Bahnhöfen ausreichende Auskunftsstellen zur Verfügung, wo die wenigen erforderlichen Informationen auch von Sprachunkundigen eingeholt werden können, die notwendig sind, um der Gerichtsladung entsprechen zu können. Die Klägerin hat somit keine ausreichenden Gründe vorgebracht, die die Notwendigkeit mit einer Begleitperson zu reisen dartun.

Der Beschwerde war daher nicht Folge zu geben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß ihm die begehrte Gebühr zuerkannt werde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde gesteht in der Begründung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer selbst zu, daß der Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Mai 1988 insofern nicht dem Gesetz entspricht, als in diesem Bescheid nicht nur über den gestellten Kostenersatzantrag, sondern zu Unrecht auch über die Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson (nämlich des Beschwerdeführers) abgesprochen wird. Obwohl die belangte Behörde erkannt hat, daß die Entscheidung darüber, ob die beantragte Begleitung durch den Beschwerdeführer bewilligt wird, ein Akt der Rechtsprechung ist und daher hierüber vom Gericht (dem Vorsitzenden) ein mit Rekurs bekämpfbarer Beschluß zu erlassen gewesen wäre, während über den Antrag auf Ersatz von Gerichtskosten in Höhe von S 1.753,-- zu Recht mit Bescheid im Justizverwaltungsverfahren entschieden worden ist, gelangte die belangte Behörde zur Bestätigung des Bescheides vom 17. Mai 1988; dies aus der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommenden Überlegung heraus, es bestehe eine Bindung im Justizverwaltungsverfahren an die durch den Vorsitzenden des Senates des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien getroffene Entscheidung darüber, daß die Beiziehung einer Begleitperson im Beschwerdefall nicht notwendig gewesen sei, zumal dieser Akt der Rechtsprechung nicht mit Rekurs bekämpft und daher rechtskräftig geworden sei.

Der Rechtsansicht der belangten Behörde, bei dem geschilderten Sachverhalt liege ein Bindungswirkung entfaltender rechtskräftiger Beschluß des Gerichtes (Vorsitzenden) über die mangelnde Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson (des Beschwerdeführers) vor, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof indes nicht anzuschließen. Denn der Bescheid vom 17. Mai 1988 ist nach seinem Erscheinungsbild nur als solcher anzusehen, der im Justizverwaltungswege ergangen ist, und nicht als Beschluß iS eines Aktes der Rechtsprechung. Auch der ihn genehmigende Organwalter ist lediglich in seiner Eigenschaft als Justizverwaltungsorgan aufgetreten und nicht in seiner durch Zufall gegebenen, gleichzeitigen Eigenschaft als Vorsitzender des erkennenden gerichtlichen Senates.

Infolgedessen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Unrecht Bindungswirkung an einen Akt der Rechtsprechung angenommen und es dadurch verabsäumt, den Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Mai 1988 FREI VON EINER SOLCHEN BINDUNG auf seine Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Stempelgebührenersatz war nur im gesetzlichen Ausmaß zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989170220.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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