TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/21 89/13/0094

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Veröffentlicht am 21.02.1990
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

FamLAG 1967 §8 Abs4;
FamLAG 1967 §8 Abs5;
FamLAG 1967 §8 Abs6;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1990, 361;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

Senatspräsident  Mag. Hofstätter und die Hofräte

Dr. Schubert,  Dr. Drexler,  Dr. Pokorny  und  Dr. Graf  als

Richter, im Beisein der Schriftführerin   Mag. Wimmer,  über

die Beschwerde des X gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. März 1989, Zl. GA 5 - 1566/1/89, betreffend erhöhte Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte für sein am 23. Mai 1979 geborenes Kind K die erhöhte Familienbeihilfe, und zwar für die Zeit ab 1. August 1985. Zum Beweis für die erhebliche Behinderung legte der Beschwerdeführer ein vom Amtsarzt und von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Graz unterfertigtes ärztliches Zeugnis vor, das dem Kind eine Neurodermitis (Hautkrankheit) bescheinigt und bestätigt, daß es im schulpflichtigen Alter in der Schulbildung voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt sei. Zwei weitere ärztliche Bestätigungen eines anderen Arztes weisen im wesentlichen nur das Leiden des Kindes (Neurodermitis) bzw. eine Verschlechterung des Leidens aus.

Das Finanzamt versagte dem Beschwerdeführer die erhöhte Familienbeihilfe bescheidmäßig für die Zeit vom 1. August 1985 bis 30. April 1988 unter anderem mit dem Hinweis auf den positiven Schulerfolg des Kindes K.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er den positiven Schulerfolg des Kindes nicht in Abrede stellte, aber einwandte, es sei die "Akzeptanz der Mitschülerinnen" in hohem Maße betroffen. Die erhöhte Familienbeihilfe sei ein Beitrag zur Deckung der erhöhten Kosten, die für die ärztliche Betreuung und für außerärztliche Hilfe (z.B. Urlaub, Heilpraktiker ...) aufzuwenden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge, als sie ihm für den Monat August 1985, in dem noch keine Schulpflicht des Kindes gegeben war, die erhöhte Familienbeihilfe zubilligte. Im übrigen bestand auch nach Auffassung der belangten Behörde kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe. Die ärztlichen Zeugnisse unterlägen ihrer freien Beweiswürdigung, die Beihilfenbehörde habe in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung der Art des festgestellten Leidens oder Gebrechens und aller anderen Umstände zu beurteilen, ob eine WESENTLICHE Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376 (FLAG) vorliege oder nicht. Die Schule habe nun aber mit Schreiben vom 17. Februar 1989 mitgeteilt, daß das Kind K in seinen Zeugnissen nur sehr gute Beurteilungen aufweise und durch die Krankheit in den schulischen Leistungen nicht beeinträchtigt sei.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer sieht sich im Recht auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Zeit von September 1985 bis April 1988, für die er ebenfalls erhöhte Familienbeihilfe begehrt habe, nicht abgesprochen hätte. Lediglich aus der Begründung könne erschlossen werden, daß die belangte Behörde die Rechtsmeinung vertrete, dem Beschwerdeführer stünde für diesen Zeitraum keine erhöhte Familienbeihilfe zu.

Diese Rüge vermag schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil der Bescheidwille der Behörde auch dann hinreichend zutage tritt, wenn Spruch und Begründung des Bescheides in ihrem Zusammenhalt deutlich zum Ausdruck bringen, was Gegenstand des behördlichen Abspruches ist. Im übrigen ist schon aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides zu ersehen, daß die belangte Behörde auch über die Zeit von September 1985 bis April 1988 entschied. Ist doch dort die Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab 1. August 1985 bis 30. April 1988 für das Kind K als Inhalt des Bescheides des Finanzamtes festgehalten. Wenn es dann im Anschluß daran heißt, der Berufung des Beschwerdeführers werde insoweit stattgegeben, als ihm für August 1985 die erhöhte Familienbeihilfe zuerkannt werde, so ergibt sich daraus, daß der Berufung gegen die Verweigerung der erhöhten Familienbeihilfe für die übrige Zeit keine Folge gegeben wurde.

In der Sache selbst ist zunächst auf § 13 Abs. 1 FLAG zu verweisen, wonach über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das dort angeführte Finanzamt zu entscheiden hat. Nach § 2 lit. a Z. 1 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art. Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Das Kind K stand in der Zeit von September 1985 bis April 1988 unbestrittenermaßen im schulpflichtigen Alter. Damit war die Frage, ob K als erheblich behindert gilt, grundsätzlich nach der Bestimmung des § 8 Abs. 5 lit. b FLAG, um deren Auslegung im wesentlichen auch der Streit geht, zu lösen. Danach gelten als erheblich behindert Kinder, deren Schulbildung im schulpflichtigen Alter infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt ist oder die überhaupt schulunfähig sind. Es muß also (vom hier nicht vorliegenden Fall der Schulunfähigkeit abgesehen) eine voraussichtlich dauernde UND WESENTLICHE BEEINTRÄCHTIGUNG DER SCHULBILDUNG gegeben sein. Die erhebliche Behinderung - im Falle des § 8 Abs. 5 lit. b FLAG also die voraussichtlich dauernde und wesentliche Beeinträchtigung der Schulbildung - ist gemäß Abs. 6 der Gesetzesstelle durch ein dort näher umschriebenes ärztliches Zeugnis nachzuweisen. Dieses Zeugnis stellt ein Beweismittel dar, das im Sinne des § 167 Abs. 2 BAO der freien Beweiswürdigung durch die Behilfenbehörde unterliegt (vgl. auch Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Kommentar zum Familienlastenausgleich, Kommentierung zu § 8 Seite 4). Der Verwaltungsgerichtshof vermag es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde angesichts der von der Schule bestätigten und auch unbestrittenen Tatsache, daß das Kind K in seinen Zeugnissen NUR SEHR GUTE Beurteilungen aufweist, eine wesentliche Beeinträchtigung der Schulbildung durch die ärztlichen Zeugnisse, die solches (wenn überhaupt) begründungslos behaupten, nicht als erwiesen ansah.

Zur Beschwerde sei noch folgendes bemerkt:

§ 8 Abs. 4 FLAG sieht die erhöhte Familienbeihilfe nicht schon für behinderte, sondern nur für ERHEBLICH behinderte Kinder vor. Dementsprechend stellt das Gesetz in der Umschreibung des Begriffes der erheblich behinderten Kinder in § 8 Abs. 5 FLAG verhältnismäßig strenge Anforderungen an diesen Begriff (z.B. voraussichtlich DAUERNDER Bedarf einer BESONDEREN Pflege oder eines BESONDEREN Unterhaltsaufwandes;

voraussichtlich DAUERNDE und WESENTLICHE Beeinträchtigung der Schulbildung oder SCHULUNFÄHIGKEIT; voraussichtlich DAUERNDE und WESENTLICHE Beeinträchtigung der Berufsausbildung;

voraussichtlich DAUERNDE UNFÄHIGKEIT, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen). Die Umschreibung des § 8 Abs. 5 FLAG ist erschöpfend. Sie differenziert zwischen Kindern, die im vorschulpflichtigen Alter (lit. a), die im schulpflichtigen Alter (lit. b) und in Berufsausbildung stehen (lit. c) und sieht Kinder unabhängig von den Alters- bzw. Ausbildungsstufen der lit. a bis c als erheblich behindert an, die infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dabei kommt es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers) nur bei Kindern IM VORSCHULPFLICHTIGEN ALTER darauf an, ob sie voraussichtlich dauernd einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes (den der Beschwerdeführer ins Treffen führt) bedürfen (§ 8 Abs. 5 lit. a FLAG). Bei Kindern im schulpflichtigen Alter (lit. b) - und auch bei den Kindern im Sinne der lit. c und d - stellt das Gesetz hingegen NICHT auf einen besonderen Unterhaltsaufwand, sondern (nach lit. b) auf die voraussichtlich dauernde und wesentliche Beeinträchtigung der Schulbildung bzw. die Schulunfähigkeit ab. Das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich dauernd", das sich (unter anderem) sowohl in lit. a als auch in lit. b findet, kann nur so verstanden werden, daß die in lit. a normierten Voraussetzungen voraussichtlich dauernd im vorschulpflichtigen Alter und die in lit. b normierten Voraussetzungen voraussichtlich dauernd im schulpflichtigen Alter bestehen müssen. Den besonderen Unterhaltsaufwand hat der Gesetzgeber nicht für alle Fälle erheblicher Behinderung als generelle (und schon für sich ausreichende) Anspruchsvoraussetzung normiert, sondern nur in lit. a für Kinder im vorschulpflichtigen Alter als Tatbestandserfordernis vorgesehen.

Der Umstand, daß ein Kind gelähmt oder taubstumm ist, bedeutet nicht unbedingt, daß es erheblich behindert im Sinne des § 8 Abs. 4 und 5 FLAG ist, wobei bezüglich taubstummer Kinder gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 29. November 1982, Zl. 17/2325/80, hingewiesen sei. Bei gelähmten Kindern wird es auf den Grad der Lähmung ankommen. Die unbeeinträchtigte Schulbildung eines gelähmten Kindes im schulpflichtigen Alter steht der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe dann nicht entgegen, wenn das Kind im Hinblick auf den Grad der Lähmung trotz guter Schulbildung voraussichtlich in keinem Beruf unterkommen kann, womit es im Sinne des § 8 Abs. 5 lit. d FLAG infolge seines Leidens voraussichtlich dauernd nicht fähig wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Ähnliches kann auf behinderte Kinder zutreffen, die sich einer Hochschulbildung unterziehen. Daß im Beschwerdefall das Kind K voraussichtlich dauernd nicht fähig sein wird, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Dem von § 8 Abs. 6 FLAG geforderten ärztlichen Zeugnis kommt durchaus auch für eine Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 lit. b FLAG Bedeutung zu, etwa wenn es darum geht, ob eine vorhandene Beeinträchtigung der Schulbildung voraussichtlich dauernd bestehen wird oder ob nicht der Beeinträchtigung durch problemlose Medikation abgeholfen werden kann (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1981, Zl. 17/2946/79).

Da das Gesetz die Merkmale erheblicher Behinderung für unterschiedliche Alters- bzw. Ausbildungsstufen eines Kindes unterschiedlich regelt, entspricht auch die vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogene Folge durchaus dem Gesetz, daß die erhebliche Behinderung nicht während aller im § 8 Abs. 5 lit. a bis c FLAG genannten Zeiträume vorliegt, sondern z. B. nur im vorschulpflichtigen Alter, aber nicht während der Schulbildung oder während der Berufsausbildung (Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, aaO, Seite 5).

Der Beschwerdeführer vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Seine Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130094.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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