TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/21 89/02/0168

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Veröffentlicht am 21.02.1990
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 18. August 1989, Zl. MA 70-11/1072/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. August 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 29. November 1988 um 4.45 Uhr in Wien 21, Wankläckergasse 26 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kombinationskraftwagens an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen sei und es unterlassen habe, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle von diesem Unfall zu verständigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Feststeht, daß der Beschwerdeführer an dem zugrundeliegenden Verkehrsunfall, bei dem ein parkendes Fahrzeug beschädigt wurde, ursächlich beteiligt war und er daraufhin an der Windschutzscheibe dieses Fahrzeuges einen "Verständigungszettel" mit seinem Vor- und Zunamen, seiner Adresse und seiner Telefonnummer hinterlassen hat, worauf sich der Geschädigte mit ihm bzw. seiner Gattin telefonisch in Verbindung gesetzt hat. Der Beschwerdeführer nimmt (nun) nicht (mehr) den Standpunkt ein, daß er auf diese Weise seiner Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 enthoben gewesen sei; dies würde auch der geltenden Rechtslage mangels Erbringung eines geeigneten Identitätsnachweises im Sinne der genannten Gesetzesstelle widersprechen (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1981, Zl. 02/2793/80, und vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0064). Er macht aber geltend, daß er sich bereits im Verwaltungsstrafverfahren - wie aus seiner schriftlichen Stellungnahme vom 31. Mai 1989 hervorgehe - damit verantwortet habe, im Unfallszeitpunkt der Ansicht gewesen zu sein, "daß die Hinterlegung eines Zettels in der Windschutzscheibe des Unfallgegners ausreichend sei, den gesetzlichen Erfordernissen des § 4 Abs. 5 StVO Genüge zu tun", und er habe "diese Verkennung der gesetzlich an ihn gestellten Verpflichtungen auf die Auswirkungen einer Kopfwunde sowie eines Unfallschockes, den er anläßlich der Kollision erlitten hatte", gestützt. Die belangte Behörde ist dem unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, Zl. 86/02/0132, und die dort angeführte Judikatur) entgegengetreten, wonach ein sogenannter "Unfallschock" (auch in Verbindung mit einer allenfalls erlittenen Verletzung) nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden psychischen Ausnahmesituationen das Unterlassen pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigt und einem Unfallbeteiligten, der offensichtlich dispositionsfähig geblieben sei, pflichtgemäßes Verhalten zumutbar sein müsse, da von einem Kraftfahrzeuglenker, welcher die Risken des Straßenverkehrs auf sich nehme, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen sei, daß er den Schock über den Unfall und eine allenfalls erlittene Verletzung zu überwinden vermag. Sie führte weiters aus, daß der Beschwerdeführer, welcher imstande gewesen sei, einen Verständigungszettel richtig auszufüllen, sich (offenbar mit seinem Kraftfahrzeug) nach Hause zu begeben und dort seiner Ehefrau den Vorfall zu schildern, durchaus in der Lage gewesen wäre, zumindest unter Zuhilfenahme einer Fernmeldeeinrichtung eine Meldung bei der nächsten Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub durchzuführen, was aber von ihm unbestrittenermaßen unterlassen worden sei.

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner persönlichen Vernehmung als Beschuldigter am 3. Februar 1989 die Meinung vertreten, er "sehe" infolge Hinterlassens des "Verständigungszettels", worauf sich der Unfallgegner gegen

6.10 Uhr dieses Tages mit ihm telefonisch in Verbindung gesetzt habe und ihm "alle Daten bekanntgegeben" worden seien, "nicht ein, warum ich dann noch eine Selbstanzeige hätte machen müssen". Er hat (hier bereits anwaltlich vertreten) auch in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 18. April 1989, neuerlich unter Berufung auf diesen Sachverhalt, erklärt, "im Sinne des § 4 Abs. 5 letzter Satz StVO" sei "sohin eine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle nicht erforderlich" gewesen, habe eine bestimmte Äußerung seiner Gattin am Telefon dem Geschädigten gegenüber "doch nichts am Nachweis der Identität und an der Aufhebung der Verpflichtung, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen", geändert und, wenn auch der Geschädigte "aus diesem Grunde verunsichert war, dies ja nicht den Nachweis der Identität außer Kraft gesetzt hat". Selbst in der erwähnten Stellungnahme vom 31. Mai 1989 hat der Beschwerdeführer primär darauf gepocht, daß er seine "Identität dem Unfallgegner nachgewiesen" habe, "sowie dies § 4 Abs. 5 StVO erfordert", und er hat schließlich auch in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis darauf beharrt, daß "spätestens mit diesem Austausch der Daten" (anläßlich des Telefongespräches zwischen seiner Gattin und dem Geschädigten) "den Anforderungen des § 4/5 StVO Genüge getan" worden sei. Daraus ergibt sich aber ohne jeden Zweifel, daß sich der Beschwerdeführer auch noch im Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich seiner Verpflichtung gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 in einem entscheidenden - ihn als geschulten und geprüften Kraftfahrzeuglenker nicht nach § 5 Abs. 2 VStG 1950 entschuldigenden - Rechtsirrtum befunden hat und dieser daher, bezogen auf die Tatzeit, nicht auf die Folgen des Verkehrsunfalles zurückzuführen war, sondern vielmehr davon unabhängig bestand.

Daß der Beschwerdeführer, der schon im Anschluß an den Verkehrsunfall diese (verfehlten) rechtlichen Überlegungen anstellte und sich dementsprechend verhielt, ohne diesen Rechtsirrtum objektiv nicht in der Lage gewesen wäre, seiner Meldepflicht "ohne unnötigen Aufschub", welcher Begriff streng auszulegen ist (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1984, Zl. 83/02/0553, mit weiteren Judikaturhinweisen), nachzukommen, hat er nicht hinreichend dargetan. Wieso er in seiner schriftlichen Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde meint, "daß der in seiner Angelegenheit erfolgte kurzfristige Aufschub keineswegs 'unnötig' war, sondern durch gesundheitliche Umstände hervorgerufen wurde", ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil er überhaupt keine Meldung erstattet hat. Er war (und ist) sich offenbar auch rechtlich nicht darüber im klaren, daß die geforderte Meldung ebenso durch einen Boten oder auf fernmündlichem Wege bewerkstelligt werden kann (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1984, Zl. 83/02/0553, sowie jenes vom 3. Juli 1981, Zl. 81/02/0089). Es besteht - selbst auf dem Boden seines eigenen Vorbringens - kein Anhaltspunkt dafür, daß es ihm nicht möglich und zumutbar gewesen wäre, zumindest nach seinem Eintreffen zu Hause eine telefonische Verständigung der nächsten Polizeidienststelle durch seine Gattin zu veranlassen. Die belangte Behörde war auf Grund der Aktenlage und der von ihr (auch) diesbezüglich zutreffend wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen, nicht stichhältigen Einwände - auch nicht gehalten, die Möglichkeit, beim Beschwerdeführer sei ein seine Zurechnungsfähigkeit ausschließender Zustand gemäß § 3 VStG 1950 vorgelegen, näher in Erwägung zu ziehen und darüber ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den Schuldspruch nicht in seinen Rechten verletzt.

Der Beschwerdeführer wendet sich zwar auch gegen die Strafbemessung der belangten Behörde, weil sie seiner Meinung nach gemäß § 21 Abs. 1 VStG 1950 von der Verhängung einer Strafe hätte absehen müssen. Die dafür gegebene Begründung, sein Verschulden sei geringfügig gewesen, weil die Einhaltung der Vorschrift des § 4 Abs. 5 StVO 1960 unter den infolge des Verkehrsunfalles bei ihm gegeben gewesenen Verhältnissen vom Beschwerdeführer eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte, kann aber nicht geteilt werden.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

MeldepflichtIdentitätsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020168.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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