TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/26 88/12/0043

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Veröffentlicht am 26.02.1990
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

Bestimmung von gefährlichen Sonderabfällen;
SAG §2 Abs1;
SAG §22 Abs1 lita;
SAG §22 Abs1 litd;
SAG §22 Abs2 lita;
SAG §4 Abs2;
SAG §7 Abs1;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Tirol vom 6. Oktober 1987, Zl. U-0000009/5, betreffend Übertretung des Sonderabfallgesetzes

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde vom 20. März 1987 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 15.000,-- verhängt, weil er es als Eigentümer bzw. als Miteigentümer einer örtlich genau bezeichneten Liegenschaft bzw. der darauf befindlichen Häuser, in denen seinerzeit der Gewerbebetrieb der ehemaligen Firma T untergebracht war, in der Zeit vom 1. September 1985 bis 23. Jänner 1986 entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes, BGBl. Nr. 186/1983, unterlassen habe, für die schadlose Beseitigung der in dem in Ablichtung beigeschlossenen Gutachten vom 15. Mai 1986 genau bezeichneten Sonderabfälle im Sinne der ÖNORMEN S 2101 und S 2100 zu sorgen. Er habe die vorgeschriebenen Sonderabfälle, welche seitens der Firma T zurückgelassen worden seien, auch nach dem Übergang dieser Liegenschaft in sein Eigentum bzw. Miteigentum nicht schadlos beseitigt, sondern diese im angegebenen Zeitraum in den vorher bezeichneten Häusern, insbesondere in einem sogenannten "Stöckelgebäude" belassen und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes begangen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer im Rahmen dieses Straferkenntnisses verpflichtet, die (- gesamten -) Barauslagen in Höhe von S 57.700,-- zu ersetzen.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer Berufung ein, wobei er im wesentlichen ausführte, daß der Spruch des Straferkenntnisses mangelhaft sei und eine genaue Überprüfung nicht zulasse. Weiters seien die im

"Stöckelgebäude" gelagerten Materialien nicht Sonderabfälle, weil diese Chemikalien durchaus an Inhaber gleichartiger Betriebe hätten verkauft werden können. Auch sei er nicht verpflichtet gewesen, zum Zeitpunkt der Übernahme der Liegenschaften die Sonderabfälle zu beseitigen. Der Vorbesitzer habe das Vorhandensein von Sonderabfällen verschwiegen. Als Beweismittel dafür, daß den Beschwerdeführer kein Verschulden treffe, habe er die Einholung verschiedener Akten sowie die Einvernahme des seinerzeitigen Masseverwalters im Konkursverfahren der Firma T beantragt. Weiters habe der Beschwerdeführer den Ausspruch über die Barauslagen bekämpft, weil ihm der volle Ersatz der Kosten des Sachverständigen auferlegt worden sei, ohne Berücksichtigung dessen, daß auch der zweite Beschuldigte, sein Miteigentümer, denselben vollen Betrag zur Zahlung vorgeschrieben erhalten habe. Darüber hinaus sei der genannte Sachverständige auch als Sachverständiger im gerichtlichen Verfahren bestellt gewesen und habe sohin in dieser Eigenschaft ebenfalls Gebühren erhalten. Schließlich sei auch die Betrauung eines privaten Sachverständigen nicht erforderlich gewesen, weil es nicht vorstellbar sei, daß weder bei der Bezirksverwaltungsbehörde noch bei der Oberbehörde ein Amtssachverständiger zur Verfügung stehe, der in der Lage sei abzuklären, ob die aufgefundenen Stoffe Sonderabfälle darstellten.

Diese Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen, der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides aber wie folgt abgeändert:

"Der Beschuldigte Dr. N, hat es als Eigentümer bzw. Miteigentümer der Gpn. Nr. nn1 und nn2, beide KG. X in Innsbruck bzw. der darauf befindlichen Häuser, S-Straße n3, n4 und n5 - es war in diesen Häusern bzw. dem dortigen Stöckelgebäude der Gewerbebetrieb der ehemaligen Fa. T untergebracht - in der Zeit vom 1. September 1985 bis 23. Jänner 1986 entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes, BGBl. Nr. 186/1983, in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 19.1.1984 über die Bestimmung von gefährlichen Sonderabfällen, BGBl. Nr. 512/1984", (richtig: 52/1984) "unterlassen, für die schadlose Beseitigung der in Ablichtung beigeschlossenen Gutachten des Herrn Dr. Kurt F vom 15. Mai 1986 nach Art bzw. mit Bezeichnung und unter Anführung der in den diesbezüglichen ÖNORMEN S 2101 und S 2100 enthaltenen sogenannten Schlüsselnummern für die gegenständlichen Substanzen und Mengen angeführten Sonderabfälle im Sinne der ÖNORMEN S 2101 und S 2100 zu sorgen, indem er diese vorbeschriebenen Sonderabfälle, welche seitens der Fa. T dort zurückgelassen wurden, auch nach dem Übergang dieser Liegenschaft in sein Eigentum bzw. Miteigentum nicht schadlos beseitigte, sondern vom 1. September 1985 bis 23. Jänner 1986 in den oben angeführten Häusern und insbesondere in dem oben angeführen Stöckelgebäude belassen hat und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes begangen.

Die gemäß § 64 Abs. 3 Verwaltungsstrafgesetz mit S 57.500,-- bestimmten Barauslagen des Verwaltungsstrafverfahrens sind vom Bestraften zur Hälfte, das sind S 28.750,--, zu ersetzen. Gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz hat der Bestrafte als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 1.500,--, sohin insgesamt einen Betrag von S 3.000,-- zu bezahlen."

Zur Begründung führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides, der Berufung und der Rechtslage (§§ 1, 2, 3, 4, 7, 16 und 22 des Sonderabfallgesetzes - soweit diese Bestimmungen für den Beschwerdefall in Betracht kommen - und der Verordnung über die Bestimmung von gefährlichen Sonderabfällen, BGBl. Nr. 52/1984) weiter aus:

Nachdem § 44a lit. a VStG 1950 auf das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat abstelle, sei es auf Grund dieser Bestimmung rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß u.a. die Zuordnung des Sachverhaltes zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht werde. Dies erfordere entsprechende, das bedeute in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Ausführungen im Spruch eines Straferkenntnisses, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden könnten. Diesen Voraussetzungen trage der erstinstanzliche Bescheid nicht Rechnung, weil aus ihm entgegen der dargestellten Anordnung des § 44a lit. a VStG 1950 weder die Tatbestandsvoraussetzungen in sachlicher Hinsicht für die Anwendung des Sonderabfallgesetzes, noch auch im besonderen für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Strafbestimmung des § 22 Abs. 2 lit. a des Sonderabfallgesetzes in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Weise zu entnehmen seien. Es sei daher der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, insbesondere durch die Anführung der Verordnung, BGBl. Nr. 52/1984, entsprechend zu ergänzen gewesen. Damit habe die belangte Behörde der Einwendung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Spruches Rechnung getragen.

Hinsichtlich des weiteren Einwandes des Beschwerdeführers, daß es sich bei den im "Stöckelgebäude" vorgefundenen Materialien nicht um Sonderabfall im Sinne des Sonderabfallgesetzes gehandelt habe, sei grundsätzlich darauf zu verweisen, daß dem Beschwerdeführer lediglich zur Last gelegt worden sei, daß er es unterlassen habe, für die ordnungsgemäße Beseitigung der in der erworbenen Liegenschaft zurückgelassenen Sonderabfälle zu sorgen. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis sei jedoch nicht davon die Rede gewesen, daß die Maschinen der Galvano-Anlage einen überwachungsbedürftigen Sonderabfall dargestellt hätten. Fest stehe zweifelsfrei, daß im Betriebsgebäude der ehemaligen Firma T auch Galvano-Bäder, die zweifelsohne einen überwachungsbedürftigen Sonderabfall darstellten, gewesen seien. Im übrigen aber hätte es dem Beschwerdeführer sehr wohl bewußt sein müssen, daß - und dies werde von ihm auch nicht bestritten - beim Betrieb einer Galvano-Anlage hochgiftige Chemikalien verwendet würden. Der Argumentation des Beschwerdeführers, daß es sich bei den vorgefundenen Chemikalien nicht um Sonderabfälle, sondern - wie er offenbar zu beweisen versuche - um Wirtschaftsgut gehandelt habe, könne schon deswegen nicht gefolgt werden, weil, was hier unbestritten geblieben sei, mit dem Abbruch des Stöckelgebäudes, in dem sich diese Chemikalien befunden hätten, begonnen worden sei. Dieser zweifelsohne völlig unsachgemäß (- und ohne behördliche Bewilligung -) in Angriff genommene Abbruch hätte beinahe zu einer Umweltkatastrophe geführt.

Von den 70 angeführten giftigen Stoffen, die vom chemischen Sachverständigen analysiert worden seien, seien lediglich zwei Arten von Abfällen, nämlich 50 kg Ekasit

(Schlüsselnummer 52 404) sowie 5 kg Aktivkohle (Schlüsselnummer 31 417) als Stoffe der ÖNORM S 2100 einzustufen. Alle restlichen 68 vorgefundenen Stoffe seien vom Sachverständigen, dessen entsprechende Sachkenntnis nicht in Zweifel gezogen worden sei, unter die ÖNORM S 2101 eingereiht worden, was bedeute, daß es sich bei diesen Stoffen um besonders gefährliche Abfälle handle.

Dadurch jedoch, daß die Beseitigung dieses Stöckelgebäudes durch die Eigentümer bzw. Miteigentümer angeordnet worden sei, hätten die dort gelagerten Chemikalien zweifelsohne ihre Eigenschaft als Wirtschaftsgüter verloren und seien mit Beginn der Abbrucharbeiten als überwachungsbedürftige Sonderabfälle anzusehen gewesen.

Nachdem der Beschwerdeführer - davon gehe die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung aus - in jedem Fall vom Vorhandensein dieser Giftstoffe gewußt habe, wäre es ihm durchaus möglich gewesen, wenn er es tatsächlich vorgehabt hätte, bereits unmittelbar nach dem Erwerb der Liegenschaft diese Stoffe einem entsprechenden Verkauf als Wirtschaftsgut zuzuführen. Auch die diesbezügliche Verantwortung des Beschwerdeführers, daß er vom Vorhandensein der Giftstoffe nichts gewußt habe, gehe schon deswegen ins Leere, weil er nach den einem guten Kaufmann obliegenden Sorgfaltspflichten zweifelsfrei verpflichtet gewesen wäre, nach Erwerb der betreffenden Liegenschaft gemeinsam mit dem Miterwerber eine entsprechende Begehung durchzuführen, um sich einerseits über den Zustand der Gebäude sowie andererseits über die darin befindlichen Fahrnisse zu informieren. Daran hätte auch die Einholung des Gewerbeaktes sowie des Bauaktes durch die belangte Behörde nichts geändert.

Gemäß § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes habe der Liegenschaftseigentümer, auf dessen Grundstück Sonderabfälle zurückgelassen worden seien, für die schadlose Beseitigung dieser Sonderabfälle zu sorgen.

Wenn auch dem Beschwerdeführer beizupflichten sei, daß das Sonderabfallgesetz diesbezüglich keine entsprechende Frist für die Beseitigung vorsehe, so stehe als erwiesen fest, daß der Beschwerdeführer keine den Bestimmungen des Sonderabfallgesetzes entsprechende Beseitigung dieser Sonderabfälle habe vornehmen wollen. Dies gehe schon daraus hervor, daß der Auftrag zum Abbruch des "Stöckelgebäudes" erteilt worden sei, obwohl den Eigentümern bzw. Miteigentümern sehr wohl bewußt gewesen sei, daß dort giftige Chemikalien gelagert seien, die nach den Bestimmungen des Sonderabfallgesetzes zu entsorgen gewesen wären.

Aus dem Strafakt ergebe sich auch, daß in der Deponie des Abbruchunternehmens bereits Giftstoffe aus dem Stöckelgebäude aufgefunden worden seien; diese Deponie sei jedoch zur Aufnahme derartiger Stoffe keinesfalls geeignet gewesen. Auch an diesen Tatsachen hätte die beantragte Einholung des Gewerbeaktes, des Bauaktes, des Zwangsversteigerungsaktes, des Konkursaktes sowie die zusätzliche Einvernahme des damaligen Masseverwalters nichts geändert. Den diesbezüglichen Beweisanträgen sei daher nicht Rechnung getragen worden.

Die vom Beschwerdeführer immer wieder aufgestellte Behauptung, er habe vom Vorhandensein des Giftlagers nichts gewußt, müsse auf Grund der vorstehenden Ausführungen lediglich als Schutzbehauptung angesehen werden. Nach Ansicht der belangten Behörde stehe fest, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung voll zu verantworten habe; er habe, wie bereits im erstinstanzlichen Straferkenntnis ausgeführt, keinen stichhaltigen Beweis dafür anführen können, daß ihm die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei.

Hinsichtlich der Milderungs- und Erschwerungsumstände bei der Strafbemessung werde auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwiesen. Die Strafhöhe entspreche durchaus den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers und erscheine auch im Hinblick auf die Schwere der Übertretung durchaus schuldangemessen.

Was den Ausspruch der Erstbehörde über die Barauslagen betreffe, so sei dem Beschwerdeführer mit seiner Berufung insoferne Erfolg beschieden, als es den Tatsachen entspreche, daß die Erstbehörde dem Beschwerdeführer als Miteigentümer ungerechtfertigterweise den vollen Betrag der Sachverständigengebühren in Höhe von S 57.500,-- vorgeschrieben habe. Nachdem auch der Mitbeschuldigte die Hälfte der Kosten für die Beiziehung der Sachverständigen zu tragen habe, sei der diesbezügliche Teil des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses entsprechend abzuändern gewesen.

In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde noch mit den Berufungseinwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Heranziehung eines privaten Sachverständigen auseinander.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach

Durchführung einer Verhandlung begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes, BGBl. Nr. 186/1983 (im Beschwerdefall ist die Stammfassung anzuwenden), regelt dieses Bundesgesetz Maßnahmen zur Erfassung und Beseitigung von Sonderabfällen, die unter anderem durch gewerbliche Tätigkeiten anfallen.

Gemäß § 2 Abs. 1 des genannten Gesetzes sind Sonderabfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen,

a)

deren sich eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes entledigen will oder entledigt hat oder

b)

deren Erfassung und Beseitigung im öffentlichen Interesse (§ 5 Abs. 1 und 2) erforderlich ist,

soweit deren schadlose Beseitigung (§ 5 Abs. 3) gemeinsam mit Hausmüll wegen ihrer Beschaffenheit oder Menge nicht oder erst nach spezieller Aufbereitung möglich ist. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen umfaßt die Beseitigung von Sonderabfällen im Sinne dieses Bundesgesetzes insbesondere deren Verwertung, Ablagerung oder sonstige Behandlung.

Gemäß § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes hat der Liegenschaftseigentümer, auf dessen Grundstück Sonderabfälle zurückgelassen wurden - soweit der Sonderabfallbesitzer die Liegenschaft mit Zustimmung ihres Eigentümers oder dessen Rechtsvorgängers zur Sammlung oder Lagerung von Sonderabfällen nutzte - für die schadlose Beseitigung dieser Sonderabfälle zu sorgen.

Nach § 7 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes hat die Behörde, soweit dies im öffentlichen Interesse geboten ist, die schadlose Beseitigung von Sonderabfällen innerhalb angemessener Frist durch Bescheid aufzutragen.

Gemäß § 16 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie durch Verordnung jene Arten und erforderlichenfalls auch Mengen von Sonderabfall zu bestimmen, deren schadlose Beseitigung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf § 5 Abs. 1 und 2 erfordert (gefährliche Sonderabfälle). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung können durch Verordnung gemäß Abs. 1 auch ÖNORMEN für verbindlich erklärt werden.

Gemäß § 22 Abs. 2 lit. a des Sonderabfallgesetzes begeht, sofern nicht eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer es entgegen dem § 4 Abs. 2 unterläßt, für die schadlose Beseitigung von Sonderabfällen zu sorgen.

Mit Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 19. Jänner 1984 über die Bestimmung von gefährlichen Sonderabfällen, BGBl. Nr. 52/1984, wurde auf Grund des § 16 des Sonderabfallgesetzes festgelegt, daß für die Bestimmung von Sonderabfällen, deren schadlose Beseitigung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf § 5 Abs. 1 und 2 des Sonderabfallgesetzes erfordert (gefährliche Sonderabfälle), die ÖNORM S 2101, ausgegeben vom Österreichischen Normungsinstitut am 1. Dezember 1983, nach Maßgabe des § 1 Abs. 1, 3 und 4 des Sonderabfallgesetzes für verbindlich erklärt wird.

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, entgegen der Auffassung der belangten Behörde habe es sich bei den gelagerten Chemikalien um Betriebsstoffe und nicht um Sonderabfälle gehandelt, weil Sonderabfall nur bei nicht mehr verwertbaren Sachen vorliegen könne. Die im Rahmen eines gewerblichen Betriebes verwendeten und verwendbaren Sachen könnten, solange nicht Entledigungsabsicht bestehe, keine Sonderabfälle darstellen. Die von der Behörde als "Sondermüll" bezeichneten Chemikalien hätten zur weiteren Verwertung verkauft werden können; erst die teilweise Beschädigung der Behältnisse beim Abbruch habe eine umgehende Entsorgung notwendig gemacht.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß der Sonderabfallbegriff des vorher wiedergegebenen § 2 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes sowohl durch ein subjektives Element (Entledigungsabsicht) als auch durch ein objektives Element (Beseitigung im öffentlichen Interesse wegen der Gefährlichkeit der Stoffe) bestimmt ist. Die Beziehung dieser beiden Elemente ist durch das Bindewort "oder" gekennzeichnet, woraus grundsätzlich folgt, daß die Erfüllung einer der beiden genannten Voraussetzungen für die Wertung als Sonderabfall genügt. Demgemäß besteht die rechtliche Möglichkeit, bewegliche Sachen auch gegen den Willen ihres Inhabers als Sonderabfall zu werten, wenn die Erfassung und Beseitigung aus den im Gesetz genannten öffentlichen Interessen erforderlich ist.

Unbestritten ist auch vom Beschwerdeführer die Einordnung der bezeichneten Chemikalien im Rahmen der auf § 16 des Sonderabfallgesetzes in Verbindung mit der genannten Verordnung, BGBl. Nr. 52/1984, gestützten ÖNORM S 2101 geblieben. Angefallen sind diese Stoffe im Sinne des § 1 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes bei der Tätigkeit bzw. bei der Aufgabe der Tätigkeit des genannten Gewerbebetriebes, für den die genannten Chemikalien ursprünglich Betriebsstoffe dargestellt haben, der aber bereits seit Jahren seine Tätigkeit eingestellt hatte. Auch hat der Vorbesitzer bereits aus Anlaß der Ausscheidung der im Gegenstand betroffenen Liegenschaften aus der Konkursmasse in seinem an die Bank für Arbeit und Wirtschaft gerichteten Schreiben vom 14. Jänner 1983 darauf hingewiesen, er habe den Masseverwalter ersucht, bestimmte Maßnahmen (z.B. Wegführen und Vernichtung der noch lagernden Nitro- und Kunstharz-Lacke, Entleerung der verschiedenen Nitrolack-Tauchbehälter; Wegführung und Vernichtung der in der verschlossenen Giftkammer befindlichen galvanischen Cyangifte; Entleerung verschiedener galvanischer Badbehälter und Vernichtung der galvanischen Giftflüssigkeiten) zu

veranlassen. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren weder vorgebracht hat, er habe den erworbenen Betrieb wieder aufnehmen wollen, noch diesen tatsächlich aufgenommen hat - die Nichtaufnahme wird auch durch den Ende Jänner 1986 erfolgten Abbruch von Teilen der betrieblich genutzten Anlage bestätigt - und ausgehend von der objektiven Zuordnung der Stoffe im vorher dargestellten Sinne hat die belangte Behörde die bezeichneten Stoffe zu Recht ohne weitere Prüfung als Sonderabfall bezeichnet (vgl. dazu auch STAMPFER, Recht der Abfallwirtschaft in Österreich, 1986, Seite 170 ff).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er als Liegenschaftserwerber sei gemäß § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes nur dann zur Beseitigung von

Sonderabfällen verpflichtet, wenn auf seinem Grundstück Sonderabfälle mit seiner Zustimmung gelagert worden seien. Da der Voreigentümer (die Firma T) die Chemikalien als Betriebsstoffe habe nutzen wollen, sei es nie zur Lagerung von Sonderabfall mit Zustimmung des Liegenschaftseigentümers gekommen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten: § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes regelt zwei Fälle, in denen der Liegenschaftseigentümer für die schadlose Beseitigung der von einem Dritten (Sonderabfallbesitzer) auf seiner Liegenschaft zurückgelassenen Sonderabfälle zu sorgen hat.

Fall 1 läßt diese Verpflichtung für den Liegenschaftseigentümer eintreten, dessen Liegenschaft mit SEINER ZUSTIMMUNG vom Sonderabfallbesitzer zur Sammlung oder Lagerung von Sonderabfällen genutzt wurde.

Fall 2 erweitert diese Beseitigungspflicht für den Liegenschaftseigentümer, wenn die unter Fall 1 umschriebene Nutzung durch den Sonderabfallbesitzer MIT ZUSTIMMUNG DES RECHTSVORGÄNGERS (des Liegenschaftseigentümers) erfolgte.

Daraus folgt, daß diese Rechtsfolge "Beseitigungspflicht" nur dann nicht eintritt, wenn der Sonderabfallbesitzer ohne Zustimmung des Liegenschaftseigentümers (seines Rechtsvorgängers) gehandelt hat.

Bei dem als Fall 2 bezeichneten Tatbestand, der im Beschwerdefall von der belangten Behörde angewendet wurde, ist auf Grund einer verfassungskonformen Auslegung davon auszugehen, daß den Erwerber einer Liegenschaft, und zwar unabhängig davon, ob originärer oder derivativer Erwerb vorliegt, nur dann die öffentlich-rechtliche Beseitigungspflicht für die vor dem Eigentumserwerb erfolgte Ablagerung von Sonderabfällen nach § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes trifft, wenn er von der hiefür erteilten Zustimmung des Rechtsvorgängers wußte oder wissen mußte. Für eine unterschiedliche (strengere) Behandlung des Erwerbers gegenüber dem Rechtsvorgänger im Liegenschaftseigentum (dessen Beseitigungspflicht ja - dem Fall 1 entsprechend - von seiner dem Sonderabfallbesitzer erteilten Zustimmung abhängt) findet sich nämlich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine einleuchtende sachliche Rechtfertigung; auch läßt der Wortlaut des § 4 Abs. 2 leg. cit. die hier vertretene Auslegung zu. Im übrigen erfaßt § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes nicht nur den Fall, daß Rechtsvorgänger und Sonderabfallbesitzer von einander verschiedene Rechtssubjekte sind; es muß vielmehr auf Grund eines Größenschlusses auch der Fall umfaßt sein, daß der Rechtsvorgänger selbst seine Liegenschaft als Sonderabfallbesitzer zur Sammlung oder Lagerung von Sonderabfällen nutzte. Voraussetzung für die Beseitigungsverpflichtung des Rechtsnachfolgers (Erwerbers) im Liegenschaftseigentum ist aber auch in diesem Fall, daß er von diesen Handlungen seines Rechtsvorgängers wußte oder wissen mußte.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich daraus für den Beschwerdefall folgendes:

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers befanden sich - wie oben näher dargelegt - bereits im Zeitpunkt ihres Erwerbes durch den Beschwerdeführer (als Miteigentümer) auf den (im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten) Liegenschaften vom Rechtsvorgänger dort gelagerte und zurückgelassene Sonderabfälle. Abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer schon auf Grund einer von ihm nicht bestrittenen Teilnahme an einer Begehung des (zu diesem Zeitpunkt bereits stillgelegten) Betriebes im Sommer bzw. Herbst 1984 bekannt sein mußte, um welche Art von Betrieb es sich im Beschwerdefall handelte und daß dieser stillgelegt war, geht auch aus dem Schätzungsgutachten für die Zwangsversteigerung hervor, daß sich unter dem Zubehör auch Betriebsanlagenteile befanden, zu deren ordnungsgemäßem Betrieb der Einsatz von Chemikalien gehörte, und denen im Fall einer längerfristigen Betriebseinstellung die Eigenschaft als Sonderabfall zukommen wird. Bei dieser Sachlage hätte der Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung des Eigentumserwerbes im Wege der Zwangsversteigerung - unter Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes mit der Lagerung von Sonderabfall durch den Rechtsvorgänger rechnen müssen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes sind daher im Beschwerdefall gegeben.

Die oben angestellten Überlegungen sind auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er dürfe als Erwerber einer Liegenschaft, auf der vom Rechtsvorgänger Sonderabfälle zurückgelassen worden seien, mangels einer ausdrücklichen Strafnorm nicht bestraft werden, mit dem Bemerken entgegen zu halten, daß es sich bei dieser Auslegung keinesfalls um die analoge Erweiterung einer Strafnorm handelt.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die Behörde wäre gemäß § 7 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes vor jeglicher Strafsanktion verpflichtet gewesen, ihm die schadlose Beseitigung der Sonderabfälle innerhalb angemessener Frist durch Bescheid aufzutragen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß weder der Wortlaut noch die Systematik des Sonderabfallgesetzes erkennen lassen, es sei zunächst - d.h. vor Verhängung jeglicher Strafsanktionen - die Erlassung eines Beseitigungsauftrages erforderlich. Die Erlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 7 Abs. 1 leg. cit. wäre gegenüber dem Beschwerdeführer nur dann notwendig gewesen, wenn ihm eine Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 1 lit. d (nicht fristgerechte Erfüllung eines gemäß § 7 Abs. 1 erteilten Auftrages) zur Last gelegt worden wäre. Der Beschwerdeführer wurde jedoch wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 2 lit. a des Sonderabfallgesetzes verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, was nach dem oben Gesagten auch zulässig war; die ihm zur Last gelegte Unterlassung stellt einen Verstoß gegen eine unmittelbar kraft Gesetzes bestehende Verpflichtung (§ 4 Abs. 2) dar, die zu ihrer Strafbarkeit keiner bescheidförmigen Konkretisierung nach § 7 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes bedarf. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers ließe auch dem § 22 Abs. 2 lit. a Sonderabfallgesetz keinen Anwendungsbereich. Im übrigen bildet ein auf § 7 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes gestützter Beseitigungsauftrag auch eine Voraussetzung für die zwangsweise Herstellung des dem Gesetz entsprechenden Zustandes im Wege der Vollstreckung, während die Strafaktion des § 22 Abs. 2 lit. a des Sonderabfallgesetzes nur mittelbar diesem Zweck dient.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Überlegungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988120043.X00

Im RIS seit

26.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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