TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/26 89/10/0215

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Veröffentlicht am 26.02.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
EGVG Art8 Fall2;
EGVG Art9 Abs1 Z1 idF 1977/232;
EGVG Art9 Abs1 Z1;
VStG §44 lita;
VStG §44a lita;
VStG §44a litc;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z3 impl;
VStG §44a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18.September 1989, Zl. St-3/89, betreffend Übertretung des Art. IX Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 EGVG 1950, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1 Die Bundespolizeidirektion Eisenstadt erließ am 23. Dezember 1988 gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:

"Der Beschuldigte hat am 22.12.1988, um 22.55 Uhr, in Eisenstadt, A-gasse, Ecke B-straße, durch lautes Schreien mit Worten wie "Ihr Scheißbullen, wenn mich einer angreift, schlage ich Euch die Nase ein. Ich bringe Euch um, Ihr Hurenkinder" 1) in der Öffentlichkeit randaliert und 2) durch ungestümes Benehmen, wie Schlagen, Treten und Stoßen gegen einen in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befindlichen SWB gehandelt.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1)

Art. IX (1) Z. 1 EGVG 1950

2)

Art. IX (1) Z. 2 EGVG 1950

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von 1) S 3.000,-- 2) S 3.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

              1)              5 Tagen, 2) 5 Tagen, 1) und 2) Art.IX (1) EGVG 1950.

Ferner hat er gemäß § 64 VStG 1950 zu zahlen:

600,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d. s. 10 Prozent der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 6.600,--."

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 51 Abs. 4 VStG 1950 teilweise Folge und änderte den Spruch des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Eisenstadt wie folgt ab:

"Der Beschuldigte, N, hat am 22.12.1988, gegen 22.55 Uhr, in Eisenstadt, A-gasse, Ecke B-straße, 1) durch lautes Schreien der Worte "Ihr Scheißbullen, wenn mich einer angreift, schlage ich Euch die Nase ein. Ich bringe Euch um, Ihr Hurenkinder", ein Verhalten gesetzt, das geeignet war, Ärgernis zu erregen und tatsächlich u.a. bei mehreren Passanten Ärgernis erregt hat, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört und 2) sich durch Schlagen, Stoßen und Treten gegenüber einem Polizeibeamten, während sich dieser in rechtmäßiger Ausübung des Dienstes befand, ungeachtet vorausgegangener Abmahnung ungestüm benommen und hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach

1) Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2) Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn eine Strafe von 1) S 1.500,-- und 2) S 1.500,--, verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 1) 3 Tagen 2) 3 Tagen. Ferner hat er gemäß § 64 VStG 1950 S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 Prozent der Strafe zu zahlen."

Nach der Begründung habe die belangte Behörde als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer die Exekutivbeamten mit den im Spruch des Straferkenntnisses wiedergegebenen Worten vor mehreren Passanten laut beschimpft habe. Die belangte Behörde habe weiters als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer die Polizisten zudem mit Stößen und Tritten attakiert und trotz mehrmaliger Abmahnung sein Verhalten nicht geändert habe. Zur Erkenntnis hinsichtlich der Ordnungsstörung sei die belangte Behörde auf Grund der geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers und der übereinstimmenden Zeugenaussage der Polizeibeamten gekommen. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers, aber auch die von ihm namhaft gemachten Zeugen hätten angegeben, über das den Vorfall auslösende Verhalten wegen der geschlossenen Wagenfenster bzw. weil sie erst später hinzugekommen seien, nicht ausreichend aussagen zu können. Was den Vorwurf des ungestümen Benehmens anlange, so lägen ebenfalls übereinstimmende Aussagen der amtshandelnden Beamten vor. Die Stieftochter des Beschwerdeführers habe bezüglich des Zeitraumes vor der Festnahme überhaupt keine Sachverhaltswahrnehmungen abzugeben vermocht, nur, daß "sie dann ihren Stiefvater in Handschellen auf dem Boden sah". Die Zeugen E und F seien laut ihren Aussagen erst hinzugekommen, als dem Beschwerdeführer bereits die Handschellen angelegt worden seien. Letztlich habe auch die geschiedene Gattin nichts Wesentliches zur Entlastung ihres Gatten beizutragen vermocht.

Für die belangte Behörde seien die genannten lautstarken Beschimpfungen unschwer unter den Tatbestand der Ordnungsstörung zu subsumieren. Allein schon das Anschreien eines Polizisten mit harmloseren oder weniger ordinären Worten, wie "So eine Frechheit, wer glaubt Ihr denn, wer Ihr seid", sei zufolge der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 11. November 1985, Zl. 84/10/0227) zweifellos geeignet, daß Tatbild der Ordnungsstörung zu verwirklichen. Da im gesamten Verfahren unbestritten geblieben sei, daß dem Vorfall mehrere Passanten beigewohnt hätten, dürfe Tatbestandsmäßigkeit auch hinsichtlich der faktischen Ärgerniserregung angenommen werden. Beim ungestümen Benehmen müsse zufolge der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 16. Juni 1970, VwSlg. 7815/A, und Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Zl. 83/10/0227) ein solches Verhalten vorliegen, durch welches die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organes zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten werde, daß diese Abwehr zufolge des Tones, des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen, bereits als ein aggresives Verhalten gedeutet werden müsse. Schreien mit einem obrigkeitlichen Organ nach erfolgter Abmahnung stelle ein ungestümes Benehmen dar. Im vorliegenden Fall seien darüber hinaus sogar gegen die Exekutivorgane gerichtete Tritte als erwiesen angenommen worden, was die Tatbestandsmäßigkeit erst recht bejahen ließe. Bei den Übertretungen gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 EGVG 1950 handle es sich ihrem normativen Inhalt nach um zwei voneinander unabhängige Tatbilder, wobei die Strafdrohungen einander nicht ausschlössen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1982, Zl. 2843/80).

In der Berufung und der Stellungnahme des Beschwerdeführers sei zudem Idealkonkurrenz und damit verbundene gegenseitige Aufhebung der Strafbarkeit geltend gemacht worden. Hinsichtlich des Zusammentreffens verschiedener strafbarer Handlungen fänden sich jedoch in § 30 VStG 1950 anderslautende Bestimmungen:

Lägen nämlich einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so seien die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch eine und dieselbe Tat begangen worden seien. Lediglich, wenn eine Tat von der Behörde nur zu ahnden sei, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde und es zweifelhaft sei, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sehe Abs. 2 leg. cit. vor, daß die Behörde das Strafverfahren auszusetzen habe, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden sei. In den im vorliegenden Verfahren anzuwendenden Strafbestimmungen fänden sich jedoch keine diesbezüglichen Einschränkungen der Strafbarkeit.

Was allerdings die Festsetzung der Strafhöhe anlange, so könne sich die belangte Behörde der erstinstanzlichen Entscheidung nicht anschließen. Entgegen der in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 13. April 1989 geäußerten Ansicht bestehe zwar keine Verpflichtung der Behörde, Erhebungen hinsichtlich der Vermögens- und Einkommensverhältnisse anzustellen, wenn etwa der Beschwerdeführer auf der einen Seite angebe, er sei von Beruf Kapitän zur See, auf der anderen Seite jedoch erkläre, er habe weder Einkommen noch Vermögen. Nach Ansicht der belangten Behörde hätten jedoch die Milderungsgründe des Fehlens einschlägiger Vormerkungen, aber auch die geständige Verantwortung nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden. Der weiters geltend gemachte Milderungsgrund, der Beschwerdeführer habe sich in einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung - der Sorge um seine Familienangehörigen - zur Tat hinreißen lassen, sei nicht als gegeben erachtet worden, weil der ganze Vorfall seinen Ursprung im Verhalten des Beschwerdeführers gehabt habe. Die Strafe sei daher im vorliegenden Fall herabgesetzt worden.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950, begeht, wer durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, die Ordnung an öffentlichen Orten stört, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen.

Das Tatbild der "Ordnungsstörung" nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 ist durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum einen muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zum anderen muß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Die Beurteilung der Frage, ob einem Verhalten die objektive Eignung zur Ärgerniserregung zukommt, ist nicht nach dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen vorzunehmen, sondern danach, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden; von einem Ärgernis wird man dann sprechen können, wenn eine Handlung bei letzteren die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen (dem Täter zur Schande gereichend) hervorzurufen geeignet ist. Dafür, daß durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort (tatsächlich) gestört wird, ist es erforderlich, daß dieses unmittelbar oder mittelbar die Schaffung eines Zustandes zur Folge hat, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht, also eines Zustandes, der die gewöhnlichen Verhältnisse in wahrnehmbarer Weise negativ verändert (vgl. aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa

die Erkenntnisse vom 25. Mai 1987, Zl. 85/10/0167, und vom 10. Oktober 1988, Zl. 88/10/0054).

2.2.1. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer zunächst in seinem Recht, unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht einer Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 schuldig erkannt und bestraft zu werden, verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt er dabei im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe hinsichtlich der Feststellung der tatsächlichen Ärgerniserregung lediglich ausgeführt, im gesamten Verfahren sei unbestritten geblieben, daß dem Vorfall mehrere Personen beiwohnten, weshalb die Tatbestandsmäßigkeit hinsichtlich der faktischen Ärgerniserregung angenommen werden dürfe. Im Verwaltungsstrafverfahren gelte gemäß § 25 Abs. 1 VStG 1950 jedoch die Offizialmaxime. Die Verwaltungsbehörde habe von amtswegen von sich aus sämtliche tatbestandsrelevanten Umstände zu erheben und entlastende Umstände ebenso zu berücksichtigen wie belastende. Im vorliegenden Fall sei das für die Erfüllung des Tatbestandes nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 notwendige Tatbestandsmerkmal der "faktischen Ärgerniserregung" deswegen angenommen worden, weil es im gesamten Verfahren "unbestritten" geblieben sei. Er selbst habe bei dem inkriminierten Vorfall nicht darauf geachtet, ob Personen zur Tatzeit am Tatort anwesend gewesen seien oder nicht. Seine Unwissenheit bzw. seine mangelnde Aufmerksamkeit sei der Grund für das ihm nunmehr zur Last gelegte Nichtbestreiten dieses Tatbildmerkmales. Da die belangte Behörde auf Grund des Nichtbestreitens von der faktischen Ärgerniserregung ausgegangen sei, stehe der Spruch in rechtserheblichem Widerspruch zur Begründung und ziehe inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich.

2.2.2. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, die faktische Ärgerniserregung sei von der belangten Behörde ausschließlich auf Grund des Nichtbestreitens der Anwesenheit von Passanten als erwiesen angenommen worden, so kann ihm dabei nicht gefolgt werden. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist vielmehr zu entnehmen, daß dies auf Grund der geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers und der übereinstimmenden Zeugenaussagen der Polizeibeamten geschehen ist. Bereits in der Anzeige vom 23. Dezember 1988 wird darauf hingewiesen, daß sich im Bereich des Tatortes ca. 15 Personen angesammelt hätten, welche das Verhalten der Angezeigten unmittelbar wahrgenommen und ihren Unmut über die Angezeigten geäußert hätten (vgl. Blatt 3 des Verwaltungsaktes). Auch der Beschwerdeführer hat in der am 23. Dezember 1988 aufgenommenen Niederschrift angegeben, sein Verhalten "vor mehreren Passanten" gesetzt zu haben (vgl. Blatt 10 des Verwaltungsaktes). Diese Angabe sind auch von den übrigen vernommenen Sicherheitswachebeamten im wesentlichen bestätigt worden. Demgegenüber haben sich die als Zeugen vernommene geschiedene Ehegattin und die Stieftochter des Beschwerdeführers an genaue Einzelheiten des Tatherganges nicht erinnnern können.

2.3.1. Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, sein Verhalten sei auch objektiv nicht geeignet gewesen, Ärgernis zu erregen. Er habe die ihm vorgeworfenen Worten ausgesprochen bzw. geschrieen, um sich gegen die Festnahme durch die Sicherheitswachebeamten zu wehren. Gegen die guten Sitten verstoße ein Verhalten bzw. Ärgernis errege es nur dann, wenn ein unbefangener Mensch (Maßfigur) anders reagiert hätte.

Strafbar

sei ein Verhalten nur dann, wenn es bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und "Schädlichen" hervorgerufen habe oder dazu zumindest geeignet sei. Kein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch werde normalerweise eine zumindest subjektiv als rechtswidrig empfundene Verhaftung stillschweigend und widerspruchslos hinnehmen. Sehe man daher sein "Schimpfen" im Zusammenhang mit dem gesamten Vorfall vom 22. Dezember 1988, so sei nicht davon auszugehen, daß ein unbefangener Beobachter bei Beurteilung seines Verhaltens dieses als unerlaubt bzw. "schädlich" empfunden hätte.

2.3.2. Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, den inkriminierten Äußerungen mangle die objektive Eignung, Ärgernis zu erregen, so ist er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach starkes Schreien und Beschimpfen von Sicherheitswachebeamten mit unflätigen Worten geeignet ist - sofern auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen -, den Tatbestand des Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 zu verwirklichen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 85/10/0148, 0193).

Abgesehen davon, daß die Äußerungen des Beschwerdeführers ein vertretbares Ausmaß an Reaktion gegenüber vermeintlichem Unrecht weit überschreiten, verliert selbst ein Verhalten, das sich als berechtigte Kritik des Verhaltens eines anderen darstellt, noch nicht die Eignung, öffentliches Ärgernis zu erregen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1951, Zl. 2962/50, VwSlg. 2263/A). Dazu kommt, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, die Äußerungen nur deshalb gemacht zu haben, um sich gegen die Festnahme zu wehren, mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens in Widerspruch stehen, wonach die Äußerungen des Beschwerdeführers vielmehr Ursache für seine Festnahme waren.

Wenn daher die belangte Behörde auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse von der tatsächlichen Störung der Ordnung durch das Verhalten des Beschwerdeführers ausging, so kann ihr dabei nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

2.4.1. Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, der Spruch eines Bescheides habe die Tat mit allen ihren rechtserheblichen Merkmalen anzuführen und zu konkretisieren. Bei der Individualisierung des Tatortes und der Bezeichnung "A-gasse, Ecke B-straße" könnten zumindest 2 Tatorte in Frage kommen, da die A-gasse die B-straße in einem Winkel von 90 Grad kreuze. Es hätte z.B. durch Angabe einer Hausnummer der Tatort ohne weiteres genauer konkretisiert werden können. Da es wenigstens 2 Ecken "A-gasse-B-straße" in Eisenstadt gebe, stehe der Tatort nicht unverwechselbar fest. Die Verwirklichung des Grundsatzes "ne bis in idem" sei sohin zumindest gefährdet. Der Spruch des angefochtenen Bescheides sei auch nicht geeignet, den Beschwerdeführer davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Dieser Vorwurf gelte auch für die Umschreibung der Tatzeit. Die im Spruch des angefochtenen Bescheides mit "gegen

22.55 Uhr" angeführte Tatzeit bedeute, daß die Tat auch "gegen

22.45 Uhr, gegen 22.50 Uhr, gegen 23.00 Uhr oder gegen 23.05 Uhr" begangen worden sein könne.

2.4.2. § 44 a lit. a VStG 1950 bestimmt, daß der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. D. h., daß jene Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1983, Zl. 82/10/0125).

Der Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950 ist dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren (gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44 a lit. a VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen läßt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, VwSlg. 11.466/A). Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. auch die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3 bei § 44 a VStG abgedruckten Erläuterungen, insbesondere Anmerkung 2 und 8).

2.4.3. Auf dem Boden dieser Rechtsprechung ist der Vorwurf des Beschwerdeführers, im Spruch des angefochtenen Bescheides seien Tatort und Tatzeit nicht ausreichend konkretisiert, nicht berechtigt. Im Beschwerdefall wurde vom Schuldspruch ein einheitliches, in einem bestimmten Bereich gesetztes Gesamtverhalten erfaßt. Dabei gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer wegen eben dieses Verhaltens ein zweites Mal (nach denselben Normen) bestraft werden könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch der Ansicht des Beschwerdeführers nicht folgen, die ihm zur Last gelegte Tatzeit sei im Spruch des angefochtenen Bescheides zuwenig konkret umschrieben. Liegt doch dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht ein exakt auf eine einzige Minute beschränktes Verhalten des Beschwerdeführers zu Grunde, sondern ein aus einer Reihe verschiedener Einzelhandlungen bestehendes Gesamtverhalten, das sich über einen längeren Zeitraum erstreckte.

Die Tatzeitangabe "gegen 22.55 Uhr" entspricht daher dem Konkretisierungsgebot des § 44 a lit. a VStG 1950. 2.5. Wenn der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Doppelbestrafung vorbringt, neben der gegenständlichen Bestrafung wegen "Randalierens" auch wegen der "Erregung störenden Lärms" bestraft worden zu sein, so ist er darauf zu verweisen, daß die Tatbestände nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 (Ordnungsstörung) und Art. VIII zweiter Fall EGVG 1950 (Lärmerregung) einander nicht ausschließen, weil eine Ordnungsstörung an öffentlichen Orten mit der Erregung eines ungebührlicherweise störenden Lärms nicht notwendig verbunden sein muß (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1967, Zl. 838/65).

2.6. Auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides sei nicht ersichtlich, auf Grund welcher Gesetzesbestimmung über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 3.000,-- verhängt worden sei, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Das Gesetz kennt keine Norm, die der Berufungsbehörde, um den Vorschriften des § 44 a VStG zu entsprechen, vorschreibt, im Spruch ihrer Entscheidung einen von der erstinstanzlichen Behörde AUSREICHEND konkretisierten Bescheidspruch zu wiederholen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1982, Zl. 81/03/0203). Selbst wenn die Berufungsbehörde die verhängte Strafe einer Korrektur unterzieht, ist sie nicht gehalten, die im Spruch der ersten Instanz richtig zitierte Strafbestimmung neuerlich anzuführen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1982, Zl. 82/03/0024, 0025).

Da im Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz bereits in diesem Zusammenhang der Art. IX Abs. 1 EGVG 1950 zitiert wurde, liegt die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit auch in diesem Punkt nicht vor.

2.7. Auf Grund dieser Erwägungen war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

2.9. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Zustandsdelikt"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatortStrafnorm Berufungsbescheid"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatzeitSpruch der Berufungsbehörde vollinhaltliche Übernahme des Spruches der ersten InstanzBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100215.X00

Im RIS seit

03.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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