TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/7 89/01/0310

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Veröffentlicht am 07.03.1990
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Index

L46109 Tierhaltung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §56;
AVG §61a;
TierschutzG Wr 1987 §15;
TierschutzG Wr 1987 §28 Abs2;
TierschutzG Wr 1987 §30 Abs1;
TierschutzG Wr 1987 §31 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Kremla im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerden des N gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung A vom 11. Mai 1989, Zl. MA 58-P 3/89/Str., B vom 6. Juli 1989, Zl. MA 58-P 2/89/Str., betreffend zu A: Bestrafung nach dem Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz und Verfall von Tieren, zu B: Bestrafung nach dem Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

4. Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Kriegsinvalidenrentner, war bis 14. Juli 1988 gewerberechtlich befugter Tierhändler. Die Gewerbeberechtigungen zum Kleinhandel mit Kleintieren wurden dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheit vom 28. Juni 1988 entzogen. Dieser Bescheid ist am 14. Juli 1988 in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer beantragte beim Verwaltungsgerichtshof die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung der Beschwerde gegen diesen Bescheid (Zl. VH 88/04/0005), doch wurde nach Bewilligung der Verfahrenshilfe eine Beschwerde nicht eingebracht. Der Beschwerdeführer brachte dazu vor, er habe die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde "zurückgezogen".

A. Mit Straferkenntnis vom 9. Februar 1989 sprach das Magistratische Bezirksamt für den 6./7 Bezirk gegen den Beschwerdeführer aus:

"Sie haben in der Zeit vom 15. Juli 1988 bis 30. November 1988 in Wien n, A-Gasse n/n, zwei Giftschlangen, nämlich eine Puffotter und eine thailändische Baumotter, gehalten, obwohl das Halten von diesen gefährlichen Wildtieren aus Gründen der Sicherheit verboten ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 28 Z. 6 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes (LGBl. für Wien Nr. 39/87) in Verbindung mit § 3 der 1. Wiener Tierschutz- und Tierhalteverordnung (LGBl. für Wien Nr. 48/87).

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe      falls diese uneinbringlich ist,     gemäß § 28

von S 500,--    Ersatzfreiheitsstrafe von           Abs.2 Z.6

                12 Stunden                          des zit.

                                                    Gesetzes

Die beiden beschlagnahmten Giftschlangen, nämlich die Puffotter und die thailändische Baumotter, werden gemäß § 29 Abs. 1 des zitierten Gesetzes für verfallen erklärt."

Mit dem erstangefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde diesen erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Maßgabe, daß die Strafsanktionsnorm richtigerweise § 28 Abs. 2 letzter Satzteil des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes zu lauten habe. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer liege zur Last, zwei Giftschlangen gehalten zu haben, obwohl das Halten dieser gefährlichen Wildtiere aus Gründen der Sicherheit verboten sei. Der Beschwerdeführer habe dagegen vorgebracht, daß nicht er seine Gewerbeberechtigung zurückgelegt habe, sondern ihm der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diese mit Bescheid entzogen habe. Gegen diesen Bescheid habe er Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, die er aber im November oder Dezember zurückgezogen habe. Erst danach habe er sich über die maßgeblichen Vorschriften des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes informiert, um seine Tierhaltung diesen Vorschriften anzupassen. Vorher seien ihm diese Vorschriften nicht bekannt gewesen, denn es habe ihm niemand gesagt, daß er nach Entziehung der Gewerbeberechtigung die Giftschlangen nicht mehr halten dürfe. Erst im Dezember 1988 sei er darüber von der Behörde informiert worden.

Dazu führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus, der Beschwerdeführer sei im angeführten Tatzeitraum nicht mehr befugter Tierhändler gewesen, weshalb die Ausnahmebestimmung des § 15 Abs. 3 Z. 3 des Tierschutz- und Tierhaltegesetzes auf ihn nicht mehr anwendbar gewesen sei. Einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof komme keine aufschiebende Wirkung zu. Die Begehung der Verwaltungsübertretung sei in objektiver Hinsicht erwiesen. Zur subjektiven Tatseite wurde ausgeführt, es sei § 5 Abs. 2 VStG 1950 anzuwenden. Der Beschwerdeführer habe viele Jahre als befugter Tierhändler Giftschlangen in seiner Wohnung gehalten und wäre nach Entziehung der Gewerbeberechtigung verpflichtet gewesen, sich über alle die Haltung von Giftschlangen regelnden Vorschriften ausreichend Kenntnis zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, er hätte sich um eine verläßliche Auskunft betreffend diese Vorschrift bemüht. Er sei somit der ihm zumutbaren Informationspflicht nicht nachgekommen, sodaß im Beschwerdefall von einem entschuldbaren Verbotsirrtum nicht gesprochen werden könne.

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, mildernd sei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gewertet worden, erschwerend hingegen, daß der Beschwerdeführer zwei Giftschlangen durch einen langen Tatzeitraum hindurch gehalten habe. Auf die Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers, sein monatliches Einkommen von S 5.500,-- als Kriegsinvalider und seine Sorgepflicht sei Bedacht genommen worden. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sei wegen der Gefährdung der durch die Strafdrohung geschützten Interessen nicht als unbedeutend anzusehen. Auch sei kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß dem Beschwerdeführer die Einhaltung der von ihm übertretenen Norm nur schwer möglich gewesen wäre und somit ein bloß vernachlässigbares Verschulden vorliege. Die verhängte Strafe sei daher als angemessen zu bezeichnen.

Zur Anordnung des Verfalls der Tiere wird ausgeführt, daß der Beschwerdeführer nicht bestritten habe, Eigentümer der Schlangen zu sein und niemand an diesen Rechte erworben hätte, sodaß die Voraussetzungen nach § 17 VStG 1950 erfüllt seien.

In Abänderung des Spruches sei die Strafsanktionsnorm präzisiert worden.

B. Mit dem im Instanzenzug ergangenen zweitangefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 6./7. Bezirk vom 9. Februar 1989, der folgenden Spruch hatte:

"Sie haben in der Zeit vom 15. Juli 1988 bis 12. Dezember 1988 in Wien n, A-Gasse n/n, eine Schlange, nämlich eine amerikanische Erdnatter (Elaphe), ohne Bewilligung gehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 28 Abs. 2 Z. 5 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes (LGBl. für Wien Nr. 39/87) in Verbindung mit § 2 der 1. Wiener Tierschutz- und Tierhalteverordnung (LGBl. für Wien Nr. 48/87).

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe     falls diese uneinbringlich ist,    gemäß § 28

von S 500,--   Ersatzfreiheitsstrafe von          Abs. 2 Z. 5

               12 Stunden                         des zit.

                                                  Gesetzes"

Die Bestätigung erfolgte mit der Maßgabe, daß die Strafsanktionsnorm richtigerweise § 28 Abs. 2 letzter Satzteil des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes zu lauten habe. Weiters wurde die Strafe gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) herabgesetzt.

In der Bescheidbegründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich der gegenständlichen Erdnatter vorgebracht, daß er diese etwa zweieinhalb Jahre besitze und es sich um eine ungiftige, in der Haltung und Pflege anspruchslose, Schlange handle. Niemand könne von ihm verlangen, das Tier nach Verlust der Gewerbeberechtigung und Zurückziehung seiner Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde zu töten. Um die Bewilligung zur Haltung von Wildtieren habe der Beschwerdeführer schon angesucht. Es treffe den Beschwerdeführer auch nur ein sehr geringes Verschulden und seien die Folgen der Schlangenhaltung unbedeutend.

Dazu führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus, es handle sich um eine ungiftige Schlange, welche gemäß § 2 der 1. Wiener Tierschutz- und Tierhalteverordnung, LGBl. für Wien Nr. 48/1987, als Wildtier anzusehen sei, das besondere Ansprüche an Haltung und Pflege im Sinne des § 15 Abs. 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes stelle. Auf den Beschwerdeführer sei nach Entzug der Gewerbeberechtigung die Ausnahmebestimmung des Gesetzes nicht mehr anwendbar gewesen. Bei seiner Einvernahme vor der Berufungsbehörde am 12. Dezember 1988 habe der Beschwerdeführer die Haltung der gegenständlichen Schlange zugegeben, ohne das Vorliegen einer Bewilligung nach § 15 Abs. 4 des Gesetzes zu behaupten. Die Verwaltungsübertretung sei daher objektiv erwiesen. Zur subjektiven Tatseite, zur Strafbemessung und zur Präzisierung des Spruches decken sich die Ausführungen im zweitangefochtenen Bescheid im wesentlichen mit der bereits wiedergegebenen Begründung des erstangefochtenen Bescheides.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, mit welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbunden und unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen des III. Abschnittes über die Tierhaltung und den darauf gegründeten Verordnungen und Bescheiden zuwiderhandelt, und zwar insbesondere

Z. 5 § 15 Abs. 1 und 2 (Haltung von Wildtieren)

Z. 6 § 16 Abs. 1 und 2 (Haltung von gefährlichen Tieren).

Gemäß § 29 Abs. 1 dieses Gesetzes können bei Übertretungen u. a. in den Fällen des § 28 Abs. 2 Z. 5 und 6 Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, unter den Voraussetzungen des § 17 VStG 1950 für verfallen erklärt werden.

Gemäß § 15 Abs. 1 ist das Halten von Wildtieren, welche besondere Ansprüche an die Haltung und Pflege stellen, aus Gründen des Tierschutzes verboten.

Nach Absatz 2 der Vorschrift hat die Landesregierung durch Verordnung jene Wildtierarten zu bezeichnen, welche besondere Ansprüche an Haltung und Pflege stellen.

Absatz 3 regelt die Ausnahmen vom Verbot des Absatzes 1 der ziterten Norm. Diese beziehen sich gemäß Z. 3 auf befugte Tierhändler.

Absatz 4 derselben Norm ermöglicht über Antrag eine Ausnahmebewilligung zur Haltung von Wildtieren im Sinne des Abs. 2 - soweit nicht Haltungsverbote gemäß §§ 11 Abs. 5, 12 und 16 Abs. 1 bestehen -, wenn gewährleistet ist, daß die Haltung den Grundsätzen des § 11 Abs. 1 bis 4 entpricht und sonstige öffentliche Interessen nicht entgegenstehen.

Gemäß § 16 Abs. 1 des Gesetzes ist das Halten von gefährlichen Wildtieren aus Gründen der Sicherheit verboten. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung hat die Landesregierung durch Verordnung zu bestimmen, welche Wildtiere wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die körperliche Sicherheit von Menschen als gefährlich anzusehen sind.

Nach Absatz 3 dieser Norm gilt das Verbot nach Absatz 1 u. a. nicht für die im § 15 Abs. 3 Z. 3 genannten Personen.

Das zitierte Gesetz trat gemäß seinem § 31 Abs. 1 mit 1. Jänner 1988 in Kraft. Nach der Übergangsbestimmung des § 30 Abs. 1 fand das Verbot des § 15 Abs. 1 bis zum 31. Dezember 1989 auf jene Wildtiere im Sinne des § 15 Abs. 2 keine 11wendung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Gebiet des Landes Wien in Gefangenschaft gehalten wurden und deren Halter dies der Behörde bis längstens 31. März 1988 angezeigt haben.

    Nach § 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom

15. Dezember 1987 über ein Verbot der Haltung bestimmter

Tierarten (1. Wiener Tierschutz- und Tierhalteverordnung),

LGBl. Nr. 48, stellen besondere Ansprüche an Haltung und Pflege

im Sinne des § 15 Abs. 2 des Wiener Tierschutz- und

Tierhaltegesetzes: "..... Reptilien ..... Schlangen (Serpentes

spp.), alle Arten ....."

    Nach § 3 der zitierten Verordnung sind als gefährlich im

Sinne des § 16 Abs. 2 des Wiener Tierschutz- und

Tierhaltegesetzes anzusehen: ".... Giftschlangen, alle Arten

...."

A. Gegen den erstangefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, er sei bei der Entziehung seiner Gewerbeberechtigung zum Handel mit Kleintieren nicht darüber belehrt worden, daß die gegen diesen Bescheid erhobene Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hätte. Er habe daher annehmen dürfen, daß der letztinstanzliche Bescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Diese Ausführungen sind nicht zielführend.

Die Verwaltungsverfahrensgesetze sehen keine Belehrung der Partei darüber vor, daß der letztinstanzliche Bescheid einer Verwaltungsbehörde in Rechtskraft erwachse, auch wenn eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof fristgerecht eingebracht wird (siehe § 61a AVG 1950). Nach dem klaren Wortlaut des § 30 Abs. 1 VwGG kommt Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch mangelnde Belehrung des Beschwerdeführers über die Rechtsfolgen einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde in dem die Entziehung der Gewerbeberechtigung betreffenden Verwaltungsverfahren ist daher nicht erkennbar.

Ebensowenig kann eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin erblickt werden, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nach Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht vor Erlassung des Straferkenntnisses geladen und eine Frist zur Entfernung der Tiere aus seiner Wohnung gesetzt hat. Eine solche Vorgangsweise sieht das Gesetz nicht vor und kann daher auch nicht als Voraussetzung für die Strafbarkeit des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens angesehen werden. Eine Verpflichtung der belangten Behörde zur Belehrung des Beschwerdeführers darüber, daß er die beschlagnahmten Tiere in einem anderen Bundesland halten dürfte, ist dem Gesetz gleichfalls nicht zu entnehmen. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptete Mitwirkung bei der Beschlagnahme und beim Abtransport der Tiere ist ohne rechtliche Bedeutung.

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, er habe in unverschuldeter Unkenntnis der Verwaltungsvorschriften gehandelt. Als befugter Tierhändler habe er auch Giftschlangen halten dürfen. Er sei der Auffassung gewesen, während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Entziehung seiner Gewerbeberechtigung hätte er die Giftschlangen weiter halten dürfen. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß es sich bei der gegenständlichen Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 VStG 1950 handelt, weil zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und die Strafnorm über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt. In diesem Fall hat aber der Täter nach Abs. 1 der genannten Vorschrift zu beweisen, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Diese Voraussetzung der Beachtlichkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsirrtums liegt im Beschwerdefall aber schon deshalb nicht vor, weil sich der Beschwerdeführer als bis zum Entzug seiner Gewerbeberechtigung befugter Kleintierhändler jedenfalls über die gesetzlichen Vorschriften der Tierhaltung informieren hätte müssen. Es war ihm auch zumutbar, nach Entzug der entsprechenden Gewerbeberechtigung über die Rechtsfolgen in bezug auf die Haltung von Tieren Erkundungen einzuholen. Von einer unverschuldeten Unkenntnis der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift kann daher im Beschwerdefall keine Rede sein.

Zur Strafbemessung macht der Beschwerdeführer geltend, das Halten zweier Giftschlangen durch einen längeren Zeitraum könne nicht als Erschwerungsgrund gelten, weil der Tatzeitraum mit dem seiner Rechtsunkenntnis gleich sei. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, weil bei der festgestellten Unbeachtlichkeit der Rechtsunkenntnis jedenfalls der objektiven Gefährlichkeit der Haltung der Tiere jedenfalls Bedeutung zukommt.

Auch dem Einwand des Beschwerdeführers, ihm wäre wegen seiner langjährigen Kenntnis und seiner Fähigkeiten im Umgang mit Giftschlangen eine Sondergenehmigung zu erteilen gewesen, kommt rechtlich keine Bedeutung zu, zumal er nicht einmal behauptet hat, um eine solche Sondergenehmigung angesucht zu haben.

Gegen den Verfall der Giftschlangen wendet der Beschwerdeführer ein, die Behörde hätte ihm ermöglichen müssen, die Giftschlangen an einen anderen Ort im Bundesgebiet zu bringen oder sie zu verkaufen. Die für verfallen erklärten Tiere hätten einen Wert von S 20.000,-- gehabt. Gegenstände des Verfalls dürften "in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 20 StGB" nur Gegenstände sein, die nicht jedermann jederzeit ohne besondere Bewilligung erwerben könne.

Gemäß § 29 Abs. 1 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes können Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, in den Fällen des § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 2 sowie 4 bis 6 unter den Voraussetzungen des § 17 VStG 1950 für verfallen erklärt werden. Da der Beschwerdeführer Eigentümer der für verfallen erklärten Giftschlangen war, liegt keiner der im § 17 VStG 1950 genannten Tatbestände vor, die den Ausspruch des Verfalls im Gegenstand als rechtswidrig erkennen ließen.

Auf Grund der dargestellten Rechtslage erweist sich der Verfallsausspruch im angefochtenen Bescheid als nicht mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit belastet. Die vom Beschwerdeführer genannte Bestimmung des Strafgesetzbuchs und die diesbezügliche Rechtsprechung ist auf den Beschwerdefall nicht anwendbar.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid ist somit insgesamt unbegründet und mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

B. Hingegen ist die Beschwerde im Fall des zweitangefochtenen Bescheides berechtigt.

Nach der eingangs zitierten Übergangsbestimmung des § 30 Abs. 1 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes findet das Verbot des Haltens von Wildtieren gemäß § 15 Abs. 1 des Gesetzes bis zum 31. Dezember 1989 auf jene Wildtiere im Sinn des § 15 Abs. 2 keine Anwendung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttreten dieses Gesetzes im Gebiet des Landes Wien in Gefangenschaft gehalten wurden. Diese Voraussetzungen treffen bei der vom Beschwerdeführer gehaltenen Erdschlange (Wildtier im Sinn des § 15 Abs. 2 leg. cit.) zu. Die weitere Voraussetzung der Übergangsbestimmung, daß deren Halter der Behörde bis längstens 31. März 1988 eine Anzeige erstattet, ist aber im Beschwerdefall nicht anzuwenden, weil der Beschwerdeführer jedenfalls am genannten Stichtag der Anmeldefrist als befugter Tierhändler zur Haltung des Wildtiers berechtigt war. Bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation der Übergangsbestimmung folgt daraus, daß nach dem Entzug der Gewerbeberechtigung und der damit verbundenen Berechtigung der Tierhaltung auch für den Beschwerdeführer in gleicher Weise wie für jene Tierhalter, die durch Anzeigeerstattung bis 31. März 1988 zur Tierhaltung bis zum 31. Dezember 1989 berechtigt waren, die Frist bis zum 31. Dezember 1989 galt. Diese Auslegung fordert der offenkundige Sinn der Übergangsbestimmung. Es ist nämlich nicht einzusehen, daß Personen, die zur Haltung solcher Tiere vor Ablauf der Anzeigefrist (31. März 1988) und auch nachher noch zur Tierhaltung auf Grund einer Sonderbestimmung berechtigt waren, von der Möglichkeit ausgeschlossen werden sollten, ihre Tiere bis zum Ende der längeren Frist der Übergangsbestimmung weiterhin zu halten.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, mußte der zweitangefochtene Bescheid der Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG verfallen, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über die Aufwandersätze stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Diverses Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010310.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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