TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/7 89/01/0403

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Veröffentlicht am 07.03.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. März 1989, Zl. 242.027/3-II/6/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. November 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und sprach wie die Behörde erster Instanz aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, sei am 29. Juni 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe am gleichen Tage Asylantrag gestellt. Bei der niederschriftlichen Befragung am 8. September 1988 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er hätte wegen der Mitgliedschaft seines Vaters und seines Bruders bei der TUDEH-Partei Schwierigkeiten bei der Aufnahmeprüfung zum Hochschulstudium gehabt und sei abgewiesen worden. Es sei ihm auch unmöglich gewesen, Arbeit bzw. Anstellung zu erhalten. Deshalb hätte er sich entschlossen, mit seinem Bruder den Iran zu verlassen, um in Österreich zu studieren. Der Beschwerdeführer selbst sei Mitglied der TUDEH-Partei gewesen. Er sei weder aus ethnischen noch religiösen Gründen im Iran verfolgt gewesen. Er wolle in Österreich verbleiben, um Medizin zu studieren. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, nicht aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen sein Heimatland verlassen zu haben, sondern einzig und allein wegen seiner Mitgliedschaft bei der Jugendorganisation der TUDEH-Partei. Er hätte aus österreichischen Presseberichten erfahren, daß die Repressalien durch die islamische Republik verschärft worden seien. In letzter Zeit seien hunderte Mitglieder dieser Partei hingerichtet worden. Eine Rückreise in das Heimatland würde eine unabschätzbare Gefahr für den Beschwerdeführer bedeuten.

In der Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde die Meinung, angesichts der gegenwärtig im Iran herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände könne den Verfolgungsbehauptungen aus Konventionsgründen kein Glaube geschenkt werden. Es wäre dem Beschwerdeführer sicher möglich gewesen, Bestätigungen über seine Mitgliedschaft bei der TUDEH-Partei und über seine "Zulassung" zur Universität vorzulegen. Aus den Angaben des Beschwerdeführers sei auch ersichtlich, daß er Schwierigkeiten bei der Aufnahmeprüfung an die Universität gehabt habe. Dies rechtfertige jedoch die Annahme, daß er zur Aufnahmeprüfung zugelassen worden sei. In dieser Hinsicht sei seine politische Einstellung kein Hindernis gewesen. Es liege daher der Schluß nahe, daß der Beschwerdeführer bei der Aufnahmeprüfung die allgemeinen Zulassungsbedingungen zum Universitätsstudium nicht erfüllt habe. Überdies habe er bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme seine Absicht kundgetan, in Österreich zu verbleiben, um Medizin zu studieren. Individuelle und konkrete Verfolgungsgründe im Sinne der Flüchtlingskonvention seien im Fall des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. "Auch können allfällige Schwierigkeiten bei der Arbeitsbeschaffung nicht ohne Berücksichtigung der allgemeinen Lage am Arbeitsmarkt Ihrer politischen Einstellung zugerechnet werden."

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, da Verfolgungsbehauptungen aus Konventionsgründen nicht glaubwürdig seien, sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluß vom 13. Oktober 1989, B 1055/89, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der Beschwerdeergänzung wird vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde habe den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkte aktenwidrig angenommen, wenn sie ausführe, aus den Angaben des Beschwerdeführers sei ersichtlich, daß er Schwierigkeiten bei der Aufnahmeprüfung an die Unversität gehabt hätte und dies die Annahme rechtfertige, er sei zur Aufnahmeprüfung zugelassen worden. Bereits bei seiner ersten Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er bei der Aufnahmeprüfung zum Hochschulstudium abgewiesen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz) in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer, ein Mitglied der TUDEH-Partei, brachte bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme folgendes vor:

"Auf Grund dessen, daß mein Bruder und mein Vater durch ihre Mitgliedschaft zur TUDEH Probleme mit der Polizei hatten, wurde ich für die Aufnahmsprüfung zum Hochschulstudium abgewiesen. Auch erhielt ich keine Arbeit um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb entschloß ich mich, zusammen mit meinem Bruder den Iran zu verlassen um in Österreich zu studieren. Aus religiösen bzw. ethnischen Gründen wurde ich im Iran weder verfolgt noch inhaftiert."

Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt, hat die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid einen aktenwidrigen Sachverhalt zu Grunde gelegt. Denn der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, "Schwierigkeiten bei der Aufnahmsprüfung" gehabt zu haben und deswegen abgewiesen worden zu sein, sondern vielmehr aus dem Grund, weil sein Vater und sein Bruder "Probleme" mit der Miliz zufolge ihrer Parteizugehörigkeit gehabt hätten. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers läßt sich sohin nur ableiten, daß er aus politischen Gründen nicht zum Hochschulstudium zugelassen worden ist und keine Arbeit erhalten hat. Damit erweist sich auch die Beweiswürdigung in diesem Punkte als unschlüssig. Auch der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe keine Bestätigung über seine Zulassung zur Universität vorgelegt, ist angesichts seiner Behauptung, er sei "für die Aufnahmsprüfung zum Hochschulstudium abgewiesen worden", verfehlt.

Da bei Vermeidung dieses wesentlichen Verfahrensfehlers - die restlichen Begründungselemente des angefochtenen Bescheides vermögen diesen nicht zu tragen - nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010403.X00

Im RIS seit

07.03.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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