TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/13 89/11/0222

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.1990
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

ABGB §863;
AngG §23 Abs1;
AngG §23 Abs3;
IESG §1 Abs1;
IESG §1 Abs6 Z2;
IESG §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 25. Juli 1989, Zl. 335.627/6-3/89, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. März 1985, Zl. 83/11/0181, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol vom 29. Juni 1983 insoweit, als mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für eine behauptete Abfertigungsforderung (einschließlich zweier Sonderzahlungen) im Betrag von S 647.990,-- netto abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Grund hiefür war, daß die damals belangte Behörde den Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für den genannten Anspruch des Beschwerdeführers wegen seiner (bis zu seinem "einvernehmlichen Ausscheiden" eingenommenen) Stellung als Geschäftsführer der XY-Gesellschaft m.b.H. (im folgenden GmbH) zur Gänze abgewiesen hatte, ohne nach den im Erkenntnis dargelegten Grundsätzen die Möglichkeit einer bloßen Kürzung in Betracht zu ziehen, und es auf Grund des unterlaufenen Rechtsirrtums unterlassen hatte, die für eine Beurteilung nach diesen Grundsätzen erforderlichen Feststellungen zu treffen (nämlich in bezug auf die nach seiner Behauptung bei der XY-KG - im folgenden KG - erworbenen und von der GmbH angerechneten Vordienstzeit des Beschwerdeführers; der Firmenname der KG wurde im Jahre 1981 auf Y-KG geändert).

Im fortgesetzten Verfahren wies der im Devolutionswege zuständig gewordene Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Bescheid vom 25. Juli 1989 den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für die gegenständliche Abfertigungsforderung einschließlich zweier Sonderzahlungen neuerlich ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer vorgebracht, er sei bis zur "Generalübernahme" sämtlicher Angestellter der KG durch die GmbH im Jahre 1980 bei der KG beschäftigt gewesen, und zwar vom September 1950 bis 28. Februar 1952 als Angestellter in Innsbruck, vom 1. März 1952 bis 31. Dezember 1962 als Angestellter in Wien, hievon in der Zeit ab 1. Jänner 1954 als Filialleiter, ab 1. Jänner 1963 als Geschäftsführer und Komplementär der KG mit 1 Prozent und ab 1978 mit 3,58 Prozent des Geschäftskapitals. Versicherungsunterlagen über das vom Beschwerdeführer behauptete Dienstverhältnis seien nur für die Zeit vom 1. März 1956 bis 31. Dezember 1962 vorhanden, laut Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse sei er in der Beitragsgruppe D1 versichert und beschäftigt gewesen. Vom 27. Dezember 1978 bis 30. Juni 1982 sei der Beschwerdeführer Geschäftsführer der GmbH gewesen. Als die KG im Jahre 1980 von der GmbH übernommen worden sei, sei der Beschwerdeführer bei der KG "seit 18 Jahren nicht mehr beschäftigt" gewesen. Die Vordienstzeit als Angestellter vom 1. März 1956 bis 31. Dezember 1962 sei auf Grund der unbedenklichen Aussagen der vom Beschwerdeführer geführten zwei Zeugen für einen Anspruch auf Abfertigung nicht anrechenbar. (Aus dem Zusammenhang läßt sich entnehmen, daß der Grund hiefür nach Meinung der belangten Behörde darin liegt, daß eine Anrechnung der Vordienstzeit mangels Abschlusses eines Dienstvertrages oder einer sonstigen Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der GmbH aus Anlaß der Übernahme des Betriebes der KG im Jahre 1980 nicht erfolgt ist.)

Der Beschwerdeführer bringt wie schon im bisherigen Verfahren vor, so wie bei allen anderen von der GmbH übernommenen Arbeitnehmern der KG sei auch bei ihm die Vordienstzeit bei der KG voll angerechnet worden. Im übrigen sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb er lediglich eine Vordienstzeit vom 1. März 1956 bis 31. Dezember 1962 habe. Tatsache sei, daß er "die gesamte Zeit in der KG und dann in der GmbH gearbeitet" habe.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis vom 20. März 1985 ausgesprochen hat, kommt dann, wenn ein Angestellter nur während eines Teilzeitraumes seines Angestelltenverhältnisses Organmitglied seines Arbeitgebers im Sinne des § 1 Abs. 5 (nunmehr Abs. 6) Z. 2 IESG war, eine entsprechende Kürzung des Insolvenz-Ausfallgeldes für die geltend gemachte Abfertigung in Betracht. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Antragsteller während der gesamten Anwartschaftszeit, für die Abfertigung geltend gemacht wird, in einem ununterbrochenen Angestelltenverhältnis zum Arbeitgeber, gegen den der Abfertigungsanspruch zusteht, stand, sondern ebenso, wenn die für die Abfertigung bedeutsamen Anwartschaftszeiten auch nach § 23 Abs. 1 dritter Satz AngG kraft Gesetzes zu berücksichtigende oder kraft Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und seinem Arbeitgeber zu beachtende Vordienstzeiten beim selben Arbeitgeber umfassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiters ausgesprochen hat, kommen diese Grundsätze wegen der Gleichwertigkeit erworbener Anwartschaftszeiten beim selben Arbeitgeber mit solchen im selben Betrieb auch in dem hier vorliegenden Fall einer bloßen Betriebsnachfolge, in dem es grundsätzlich der Einigung unter allen Beteiligten hinsichtlich der Übernahme des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem bisherigen Arbeitgeber bedarf, zum Tragen.

Davon ausgehend hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren geprüft, ob es anläßlich der Übernahme des Betriebes der KG zu einer (ausdrücklichen) Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der GmbH betreffend die Übernahme seines Arbeitsverhältnisses zur KG gekommen ist. Sie hat diese Frage offensichtlich deshalb verneint, weil die beiden vom Beschwerdeführer geführten Zeugen das Vorliegen einer entsprechenden (schriftlichen oder mündlichen) Vereinbarung verneint haben. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Annahme der belangten Behörde insoweit keine Bedenken. Die Behauptung, es sei anläßlich der "Generalübernahme" im Jahre 1980 so wie mit allen anderen Angestellten auch mit dem Beschwerdeführer die Anrechnung der Vordienstzeit mündlich vereinbart worden, wurde von den von ihm geführten Zeugen nicht bestätigt. Daß die angebliche mündliche Vereinbarung mit einer anderen Person als dem namhaft gemachten Personalchef der GmbH getroffen worden sei, hat der Beschwerdeführer selbst nie behauptet. Ob es mit den übrigen Arbeitnehmern der KG anläßlich deren Übernahme zu einer mündlichen Vereinbarung betreffend die Anrechnung von Vordienstzeiten gekommen ist, ist für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers ohne Belang. Daher bedurfte es nicht der von ihm vermißten Einsichtnahme in die Arbeitsverträge, die zwischen der GmbH und den ehemaligen Arbeitnehmern der KG abgeschlossen wurden.

Die belangte Behörde hat allerdings nicht berücksichtigt, daß bei der Übertragung eines Unternehmens auf einen anderen nach ständiger Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zum § 23 Abs. 3 AngG, der sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt, eine Vereinbarung zur Fortsetzung des Dienstverhältnisses auch stillschweigend zustande kommen kann. Soll nämlich anläßlich eines Wechsels in der Person des Dienstgebers das Dienstverhältnis nicht unter den gleichen Bedingungen und unter Einrechnung der Vordienstzeit fortgesetzt werden, obwohl der Dienstnehmer den gleichen Arbeitsbereich behält, die gleiche Arbeit leistet, nicht gekündigt wird und keine Abfertigung ausbezahlt erhält, so muß von seiten des neuen Dienstgebers bei Übernahme des Unternehmens ein entsprechender gegenteiliger Vorbehalt gemacht werden (OGH vom 17. Mai 1960, ArbSlg. 7237; OGH vom 21. Juni 1966, ArbSlg. 8255). Die belangte Behörde hat offensichtlich deshalb, weil sie die Möglichkeit einer stillschweigenden Fortsetzung des nach der Behauptung des Beschwerdeführers bestandenen Dienstverhältnisses zur KG nicht in Betracht gezogen hat, Erörterungen dazu unterlassen.

Dieser Verfahrensmangel ist aber nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei seiner Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Notwendige Voraussetzung für den allfälligen Erwerb eines Abfertigungsanspruches gegenüber der GmbH für Anwartschaftszeiten bei der KG kraft stillschweigender Fortsetzung des Dienstverhältnisses ist nämlich, daß der Beschwerdeführer noch bei Übernahme des Betriebes der KG durch die GmbH im Jahre 1980 Dienstnehmer der KG war. Andernfalls könnte keine Rede sein von der "Fortsetzung des Dienstverhältnisses", worunter nichts anderes zu verstehen ist als der Eintritt des Erwerbers in das laufende Arbeitsverhältnis (Martinek-Schwarz, Angestelltengesetz6, 472; vgl. auch Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rdz 234).

Nach seinem eigenen Vorbringen war der Beschwerdeführer seit 1963 Komplementär der KG. Nach den im Akt erliegenden Kopien der Gesellschaftsverträge und den Auszügen aus dem Handelsregister war der Beschwerdeführer persönlich haftender, geschäftsführender und allein vertretungsbefugter Gesellschafter der KG. Auf Grund dieser Rechtsstellung konnte der Beschwerdeführer nicht gleichzeitig Arbeitnehmer der KG sein (siehe zum Arbeitnehmerbegriff des § 1 Abs. 1 IESG das grundlegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1980, Slg. 10140/A). Im Gegensatz zu dem für das Dienstverhältnis charakteristischen, aus der Unternehmenshierarchie notwendig entspringenden Subordinationsverhältnis beruht der Gesellschaftsvertrag auf dem Prinzip der Gleichordnung; er ist durch die Einräumung von gegenseitigen Geschäftsführungsbefugnissen und Kontrollrechten charakterisiert (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 4.2.4; Martinek-Schwarz, a.a.O. 34; in bezug auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes: OGH vom 3. Juni 1986, ArbSlg. 10.529). Unter dem für die Arbeitnehmereigenschaft einer Person maßgebenden Gesichtspunkt der persönlichen Abhängigkeit (siehe dazu näher das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1980) ist daher mit Kastner (ZAS 1970, 19) davon auszugehen, daß ein zur Geschäftsführung berufener Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft wegen des Fehlens der für das Dienstverhältnis erforderlichen Eingliederung als abhängige Arbeitskraft in die Gesamtorganisation nicht zugleich Angestellter der Gesellschaft sein kann. Auch Tomandl (Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages, 138) schließt mit der Begründung, daß mangels persönlicher Abhängigkeit nicht Dienstnehmer der Gesellschaft sein kann, wer kraft Gesellschafterstellung die Ausübung der Dienstgeberfunktionen mitregeln kann, unter anderem bei geschäftsführungsberechtigten, persönlich haftenden Gesellschaftern die Möglichkeit der Dienstnehmereigenschaft zur Gesellschaft aus (in diesem Sinne auch Martinek-Schwarz, a. a.O., 33).

Daraus folgt für den vorliegenden Beschwerdefall: Da der Beschwerdeführer als geschäftsführender, persönlich haftender Gesellschafter der KG nicht gleichzeitig ihr Dienstnehmer sein konnte, kann von einer stillschweigenden Fortsetzung des Dienstverhältnisses zur KG gemäß § 23 Abs. 3 AngG von vornherein keine Rede sein. Damit konnte der Beschwerdeführer auch nicht auf diese Weise einen Abfertigungsanspruch gegenüber der GmbH für die Vordienstzeit bei der KG erworben haben.

Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen darüber bemängelt, ob ihm als geschäftsführendem Gesellschafter überhaupt ein beherrschender Einfluß auf die GmbH zugekommen sei, genügt der Hinweis auf seine Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Sie schloß gemäß § 1 Abs. 6 Z. 2 IESG jedenfalls einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigung für Zeiten eines allfälligen Dienstverhältnisses zur GmbH aus (vgl. dazu näher das den Beschwerdeführer betreffende Vorerkenntnis vom 20. März 1985).

Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als nicht berechtigt. Sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110222.X00

Im RIS seit

13.03.1990

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten