TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/27 89/11/0176

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

ABGB §1009;
ABGB §1017;
ABGB §1151;
ABGB §863;
IESG §1 Abs1;
IESG §1 Abs3 Z2 litb;
IESG §1 Abs6 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Kärnten vom 16. Mai 1989, Zl. IVa4 7022/7400 B 203/130/15I/86, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Juni 1986, AZ 5 Sa n1/86, wurde über das Vermögen des F. das Ausgleichsverfahren eröffnet. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 22. September 1986, AZ 5 S n2/86, wurde der Anschlußkonkurs eröffnet.

Der Beschwerdeführer begehrte mit seinem Antrag vom 12. Juni 1986 Insolvenz-Ausfallgeld u.a. für Abfertigung in der Höhe von S 201.722,40, für anteilige Weihnachtsremuneration und anteiligen Urlaubszuschuß für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Oktober 1986 in der Höhe von S 27.270,13 und für Urlaubsabfindung für das Jahr 1985 in der Höhe von S 6.718,--. Die Höhe der Abfertigung im Ausmaß des Neunfachen des monatlichen Entgeltes begründete er mit der Anstellungsvereinbarung vom 11. April 1986, in der sämtliche Vordienstzeiten angerechnet worden seien.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesarbeitsamtes Kärnten vom 10. März 1987 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Insolvenz-Ausfallgeld für die Abfertigung und die Urlaubsabfindung zur Gänze und hinsichtlich der anteiligen Sonderzahlungen im Ausmaß von S 8.881,--, das ist für die Zeit vom 1. Jänner bis 9. April 1986, mit der Begründung abgewiesen, bei diesen Ansprüchen handle es sich um ausgeschlossene Ansprüche im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 2 lit. b IESG, weil sie auf einer Einzelvereinbarung beruhten, die in den letzten 90 Tagen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen worden sei. Der Beschwerdeführer sei nämlich bis 10. April 1986 Angestellter und Gesellschafter der F. Gesellschaft m.b.H. gewesen und habe erst am 11. April 1986 mit F. eine Anstellungsvereinbarung, die u.a. die Vordienstzeitenanrechnung enthalte, geschlossen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Zl. 87/11/0101, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses wurde ausgeführt, daß die Ausschlußbestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 2 IESG dann der Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für die oben genannten Ansprüche nicht entgegenstehe, wenn das bisher von der F. Gesellschaft m.b.H. geführte Unternehmen an F. übertragen worden sei und dieser mit dem Beschwerdeführer das Dienstverhältnis fortgesetzt habe. In diesem Fall sei nämlich davon auszugehen, daß der Erwerber nur anstelle des bisherigen Dienstgebers in den zwischen diesem und dem jeweiligen Dienstnehmer bestehenden Dienstvertrag eingetreten sei, der dadurch keine weitere, insbesondere keine inhaltliche Veränderung erfahren habe. Der Abfertigungsanspruch beruhe dann dem Grunde und der Höhe nach nicht auf einer in den letzten 90 Tagen vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens getroffenen Einzelvereinbarung, sondern auf dem seinerzeit mit der F. Gesellschaft m.b.H. begründeten Dienstverhältnis. Das gleiche gelte dann, wenn F. Gesamtrechtsnachfolger der F. Gesellschaft m. b.H. nach Art. III § 10 GmbHG Nov. 1980 in Verbindung mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1954, BGBl. Nr. 187, über die Umwandlung von Handelsgesellschaften geworden sei. In diesem Falle hätte sich an der Identität des Dienstverhältnisses nichts geändert und wäre die Vereinbarung vom 11. April 1986 als bloße Beurkundung der durch die Gesamtrechtsnachfolge bereits geschaffenen Rechtslage anzusehen. Da der Sachverhalt insoweit unvollständig festgestellt worden sei und in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedürfe, sei der Bescheid vom 10. März 1987 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen.

Mit Bescheid vom 16. Mai 1989 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers neuerlich keine Folge.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die Auffassung, daß es weder zu einem rechtsgeschäftlichen Unternehmenserwerb durch F. noch zur Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des Art. III § 10 GmbHG Nov. 1980 in Verbindung mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1954, BGBl. Nr. 187, über die Umwandlung von Handelsgesellschaften gekommen sei, sodaß die Ausschlußbestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 2 lit. b IESG voll zum Tragen komme. Der Beschwerdeführer sei zudem Geschäftsführer der F. Gesellschaft m.b.H. gewesen, weshalb auch § 1 Abs. 6 Z. 2 leg. cit. der Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche aus dem Dienstverhältnis mit dieser Gesellschaft entgegenstehe. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht stellte die belangte Behörde fest, die F. Gesellschaft m.b.H. sei mit Notariatsakt vom 27. März 1968 gegründet worden. Gesellschafter seien F. und der Beschwerdeführer, dieser mit einer Stammeinlage von S 1.000,--, gewesen. Mit diesem Gesellschaftsvertrag sei der Beschwerdeführer zum Geschäftsführer der F. Gesellschaft m.b.H. bestellt worden und habe diese Funktion bis zum Beschluß der Generalversammlung vom 5. April 1986, in der die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, der Beschwerdeführer als Geschäftsführer enthoben und F. zum Liquidator bestellt worden sei, innegehabt. Anläßlich einer Generalversammlung am 9. Juli 1987 sei die Fortsetzung der F. Gesellschaft m.b.H. i.L. und eine Änderung der Firma beschlossen worden. Der Grund für den Auflösungsbeschluß vom 5. April 1986 sei darin gelegen, daß F., der 99 Prozent der Geschäftsanteile an der F. Gesellschaft m. b.H. besessen habe, sich außerstande gesehen habe, die erforderlichen Mittel für die gesetzlich vorgeschriebene Kapitalerhöhung aufzubringen. Anläßlich der Liquidation seien sämtliche Dienstverhältnisse mit den Dienstnehmern der F. Gesellschaft m.b.H. gelöst worden. Der Beschwerdeführer sei von F. in seinem Einzelunternehmen angestellt worden, das er neben der Gesellschaft führe und geführt habe. F. sei zur Ausübung des Bodenlegergewerbes befugt, nicht jedoch zur Ausübung des Tapezierergewerbers. F. habe ab dem Frühjahr 1986 möglicherweise das Tapezierergewerbe ausgeübt, ohne im Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung zu sein. Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13. Oktober 1987 sei ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der F. Gesellschaft m.b.H. mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Auf Grund dieses Insolvenzverfahrens habe der Beschwerdeführer ebenfalls die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld beantragt.

Der Beschwerdeführer meint, "ausgehend vom Gesamtbild" hätte erkannt werden müssen, daß der Tapeziererbetrieb nach der Einstellung der Tätigkeit durch die F. Gesellschaft m.b.H. von F. als Einzelunternehmer fortgeführt worden sei. Außerdem sei ihm nie die Stellung eines handelsrechtlichen Geschäftsführers zugekommen, weil er diese Funktion nie ausgeübt habe.

Hinsichtlich der zuletzt genannten Behauptung des Beschwerdeführers genügt es, auf die von ihm selbst nicht bestrittene Tatsache hinzuweisen, daß er mit Gesellschaftsvertrag vom 27. März 1968 zum Geschäftsführer der F. Gesellschaft m.b.H. bestellt und erst mit Beschluß der Generalversammlung vom 5. April 1986 von dieser Funktion enthoben wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht den in § 1 Abs. 6 Z. 2 IESG genannten Organmitgliedern unabhängig von ihrer Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 1151 ABGB und damit des § 1 IESG sowie unabhängig von ihrer rechtlichen und faktischen Einflußmöglichkeit auf die juristische Person im Innenverhältnis kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zu. Soweit daher die bei der F. Gesellschaft m.b.H. zurückgelegten Dienstzeiten zu berücksichtigen wären, würden sie jedenfalls zu einer verhältnismäßigen Kürzung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigung führen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 25. Oktober 1988, Zl. 87/11/0240, und vom 19. September 1989, Zl. 89/11/0109).

Im Vordergrund steht allerdings die Frage, ob die Anstellungsvereinbarung vom 11. April 1986 und damit die darin enthaltene Anrechnung sämtlicher Ansprüche und Vordienstzeiten eine Einzelvereinbarung im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 2 lit. b IESG darstellt und daher schon aus diesem Grunde Insolvenz-Ausfallgeld für die gegenständlichen Ansprüche, die sich auf das Dienstverhältnis zur F. Gesellschaft m.b.H. gründen, nicht gebührt, oder ob - wie dies im Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Zl. 87/11/0101, mangels entsprechender Feststellungen nicht ausgeschlossen werden konnte - F. Gesamtrechtsnachfolger nach der F. Gesellschaft m.b.H. oder als Erwerber des Unternehmens der F. Gesellschaft m.b.H. Einzelrechtsnachfolger war.

Die belangte Behörde hat mit Recht darauf hingewiesen, daß eine Gesamtrechtsnachfolge nach Art. III § 10 GmbHG Nov. 1980 in Verbindung mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1954, BGBl. Nr. 187, über die Umwandlung von Handelsgesellschaften schon deshalb ausgeschlossen werden könne, weil ein Umwandlungsbeschluß nach den zitierten Gesetzesstellen, der bis längstens 31. Dezember 1986 zum Handelsregister anzumelden gewesen wäre, nicht gefaßt wurde. Der Beschwerdeführer ist den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Verfahrensergebnisse auch zutreffend zu dem Schluß gelangt, daß F. nicht als Erwerber des von der F. Gesellschaft m.b.H. bis Anfang April 1986 geführten Unternehmens anzusehen ist. Ein Rechtsgeschäft betreffend den Unternehmenserwerb hat keine der vernommenen Personen erwähnt. Aus der vom Beschwerdeführer behaupteten und von der belangten Behörde als denkbar bezeichneten unbefugten Ausübung des Tapezierergewerbes durch F. ab April 1986 kann kein Schluß auf einen Unternehmenserwerb gezogen werden. Für die in der Beschwerde erwähnte "Möglichkeit einer stillschweigenden Übernahme" finden sich in den Beweisergebnissen keine konkreten Anhaltspunkte. Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß es auf diese Weise schon deshalb nicht zu einem gültigen Unternehmenserwerb durch F. gekommen sein kann, weil in diesem Falle ein unzulässiges Insichgeschäft durch "Selbstkontrahieren" vorläge (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I8, Seite 169f). Zudem muß selbst bei zulässigen Insichgeschäften der Abschluß vom Vertreter so deutlich ausgedrückt werden, daß er ihn nicht einseitig nach Belieben wieder rückgängig machen kann.

Aus welchen Gründen die Ausführungen der belangten Behörde, sie habe das Bestehen eines gültigen Rechtsgeschäftes als Voraussetzung für den Unternehmenserwerb durch F. nicht feststellen können, offensichtlich gesetzwidrig sein sollen, ist nicht erkennbar. Soweit die "offensichtliche Gesetzwidrigkeit" darin gesehen wird, daß diese dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nachgetragen wurden, vermag der Beschwerdeführer jedenfalls keinen relevanten Verstoß gegen § 60 AVG 1950 darzutun, weil klar erkennbar ist, welchen Sachverhalt die Behörde als erwiesen angenommen hat, welche Erwägungen bei der Beweiswürdigung maßgebend waren und wie sie die im vorliegenden Fall wesentlichen Rechtsfragen beurteilt hat.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110176.X00

Im RIS seit

27.03.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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