TE Vfgh Beschluss 1987/9/26 B859/87, B860/87

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Veröffentlicht am 26.09.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §19 Abs3 Z2 litb
ZPO §39
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
VfGG §82 Abs1
ZPO §146 Abs1
ZPO §149 Abs2
ABGB §1324

Leitsatz

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; auffallende Sorglosigkeit des Vertreten der ASt. bei Überprüfung eines Schriftsatzes - keine Stattgebung; Abweisung des Verfahrungshilfeantrages wegen Aussichtslosigkeit

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Die Antragstellerin begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich und zur Einbringung von Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unter gleichzeitiger Antragstellung auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit folgender Begründung:

"Da die Antragstellerin nicht in der Lage ist, die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung aus eigenem zu bestreiten hat der ausgewiesene Rechtsvertreter Dr. L vor seinem Urlaubsantritt im Juli d.J. seiner Konzipientin Dr. E B den mündlichen Auftrag erteilt einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeanwaltes an den VfGH zu verfassen und diesen zur Unterfertigung an den Kanzleikollegen Dris. L, RA Dr. M, vorzulegen. Dr. B hat diesen Auftrag durch einen Hörfehler dahingehend mißverstanden, daß sie einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeanwaltes an den VwGH stellen solle. Sie hat daher fristgerecht einen derartigen Entwurf eines Antrages an den VwGH verfaßt und diesen RA Dr. M zur Überprüfung gegeben. Dr. M überprüfte diese Eingabe in formeller Hinsicht und vergewisserte sich, ob die erforderlichen Beilagen dem Schriftsatz beigelegt wurden. Er unterfertigte sodann die Eingabe.

Unverzüglich nach Urlaubsrückkehr Dris. L am 3. 8. 1987 anläßlich der Vorlage des gegenständlichen Aktes am 4. 8. 1987, entdeckte er das genannte Versehen."

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet. Die Versäumung der Frist ist nicht auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückzuführen (§146 Abs1 ZPO idF der Nov. 1983 iVm §35 VerfGG).

Nach §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrensnovelle 1983, BGBl. 135, ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Hiebei hindert ein Verschulden der Partei an einer Versäumung die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der VfGH hat keinen Anlaß, die Behauptungen der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen und geht daher vom behaupteten Sachverhalt aus. Er kann darin aber nicht mehr einen minderen Grad des Versehens erblicken:

Es war Aufgabe des Vertreters der Antragstellerin dessen Verschulden einem Verschulden der Partei gleichzuhalten ist (§39 ZPO) -, sich bei Unterfertigung der von einem Mitarbeiter vorbereiteten Schriftstücke über deren Identität zu vergewissern. Er hätte also überprüfen müssen - und hätte mit einem Blick auch feststellen können - ob es sich um den beabsichtigten Verfahrenshilfeantrag an den VfGH handelt. Eine Überprüfung des Schriftsatzes auch nur in formeller Hinsicht mußte also den Blick auf den Adressaten mit einschließen, zumal besondere formelle Erfordernisse für einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht bestehen und auch das Fehlen von Beilagen einen bloß verbesserungsfähigen Mangel bilden würde, während die Frage, ob eine Beschwerde an den VfGH oder an den VwGH beabsichtigt ist, die eigentlich entscheidende Frage eines solchen Aktes bildet. Daß ein Kanzleikollege die Unterfertigung übernahm, hat am Erfordernis, die Identität des Schriftsatzes zu prüfen, nichts geändert. Es wäre eben Aufgabe des Vertreters der Antragstellerin gewesen, diesen Kanzleikollegen von der Art der zu unterfertigenden Schriftstücke zu unterrichten. Das hat er entweder nicht getan oder dieser hat sich nur um eine unwesentliche Frage gekümmert. Die Sorglosigkeit ist daher auffallend (§1324 ABGB; vgl. VfSlg. 10295/1984).

Da die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung nicht erfüllt sind, ist dem Antrag keine Folge zu geben (§149 Abs2 ZPO iVm §35 VerfGG). Ist aber die Beschwerdefrist nach den eigenen Angaben der Antragstellerin versäumt, ist ihr Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zugleich als offenbar aussichtslos abzuweisen (§63 ZPO iVm §35 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B859.1987

Dokumentnummer

JFT_10129074_87B00859_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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