TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/4 89/01/0345

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

A gegen Bundesminister für Inneres vom 31. Juli 1989, Zl. 272.750/2-II/9/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, reiste am 26. März 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 30. März 1989 Antrag auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 3. April 1989 begründete der Beschwerdeführer sein Ansuchen damit, er habe, als er im Jahre 1987 der Berufsfeuerwehr angehört habe, sich geweigert, einem Befehl, gegen Demonstranten mit dem Wassserwerfer vorzugehen, Folge zu leisten, und sei deshalb von der Feuerwehr entlassen worden. Er habe in der Folge keinen Arbeitsplatz gefunden und sei ihm auch die Wiedereröffnung eines bis 1986 von ihm geleiteten Tischlereibetriebes verweigert worden. Die Ausstellung eines Reisepasses sei ihm dreimal verweigert worden und berechtige der ihm schließlich ausgestellte Reisepaß lediglich zu einer einmaligen Ausreise.

Mit Bescheid vom 3. April 1989 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling fest.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde erster Instanz sei eine vollständige Protokollierung seiner Angaben unterblieben. Der Beschwerdeführer habe seinen Tischlereibetrieb infolge der schlechten Steuerpolitik der Regierung schließen müssen und habe wegen der günstigen Arbeitszeit eine Beschäftigung bei der Berufsfeuerwehr angenommen. Auf Grund seiner Weigerung, gegen Demonstranten mit dem Löschschlauch vorzugehen, sei ihm die Kündigung nahegelegt worden. Nach der Quittierung des Dienstes bei der Berufsfeuerwehr sei es dem Beschwerdeführer nicht gestattet worden, seine Tischlerwerkstatt wieder zu eröffnen. Als neue Beschäftigung sei ihm lediglich Schwerstarbeit in der "Huta Lenina" angeboten worden. Der Beschwerdeführer sei von Beamten der "MO" mit der Begründung über 48 Stunden in "Haft oder in Hausarrest" gehalten worden, er betreibe feindliche Aktivitäten gegen die wirtschaftliche und politische Erneuerung. In dem Bezirk, in dem der Beschwerdeführer gelebt habe, seien häufig Ausschreitungen der "ZOMO" vorgekommen. Ein Ansuchen des Beschwerdeführers auf Ausreise in die USA zum Besuch seiner Mutter sei zunächst abgewiesen und ihm in der Folge ein lediglich zu einmaligen Ausreise berechtigender Reisepaß ausgestellt worden. Nicht zur Arbeiterklasse zählende Personen, die nicht der kommunistischen Partei angehörten, würden in Polen verfolgt. Im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland käme der Beschwerdeführer zwar nicht ins Gefängnis, doch würde versucht werden, ihm "das Leben in irgend einer anderen Weise schwer zu machen". Der Beschwerdeführer sei gegen das kommunistische Regime und für die Opposition eingestellt.

Im Nachhang zu seiner Berufung legte der Beschwerdeführer nach seiner Ausreise ausgestellte, an ihn gerichtete behördliche Vorladungen (offenbar in einer Paßangelegenheit) vor.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung der Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Die Kündigung bei der Berufsfeuerwehr habe der Beschwerdeführer selbst ausgesprochen und seien seine diesbezüglichen beruflichen Schwierigkeiten auf die Verweigerung seiner Dienstpflichten zurückzuführen. Daraus sei aber Verfolgung im Sinn der Genfer Konvention nicht abzuleiten. Dies sei ebensowenig hinsichtlich der nachfolgenden Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche der Fall, weil auch in demokratischen Staaten kein Anspruch auf eine gewünschte Erwerbstätigkeit bestehe. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, ihm sei staatsfeindliche Tätigkeit vorgeworfen worden, deswegen gegen ihn ergriffene Maßnahmen habe er aber im gesamten Verfahren nicht vorgebracht. Im Falle tatsächlich gegen den Beschwerdeführer beabsichtigter Verfolgungsmaßnahmen wäre ihm die Ausreise nicht gestattet worden. Die vom Beschwerdeführer angeführten Beeinträchtigungen gingen nicht über das hinaus, was die Bewohner seines Heimatlandes auf Grund des herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sichin seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit seinem Berufungsvorbringen ausreichend auseinanderzusetzen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verweigerung des Zuganges zu jeglicher Erwerbsmöglichkeit im Bereich seiner Heimatstadt stelle eine konkrete Verfolgungshandlung dar. Dies werde auch durch die beigebrachten Vorladungen dokumentiert. Die Annahme der belangten Behörde, die Ausreise des Beschwerdeführers sei legal erfolgt, erweise sich als nur bedingt richtig, weil die Ausreise "blitzartig" ergfolgt sei und der Beschwerdeführer auf Grund der Vorladung mit der Einziehung seines Reisepasses habe rechnen müssen. Da die Existenz des Beschwerdeführers bedroht gewesen sei, könne von einer bloß wirtschaftlichen Benachteiligung nicht gesprochen werden. Wenn in der Vergangenheit bereits der Ausschluß vom Hochschulstudium und die Beschränkung der künstlerischen Freiheit als Verfolgungstatbestände gewertet worden seien, müsse beim Beschwerdeführer umso mehr das Vorliegen von Verfolgung angenommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann die vom Beschwerdeführer behauptete Weigerung, als Feuerwehrmann mit einem Löschschlauch oder Wasserwerfer gegen Demonstranten vorzugehen, wohl nicht bloß dahin gewertet werden, damit sei der Beschwerdeführer seinen "Dienstpflichten nicht nachgekommen". Einer solchen Weigerung kommt im Zusammenhang mit politischen Unruhen wohl eher die Bedeutung einer Befehlsverweigerung aus humanitären Überlegungen zu und wäre an sich als in totalitären Staaten denkbarer Ausgangspunkt für nachfolgende Verfolgung des Befehlsverweigerers aus Gründen seiner politischen Überzeugung anzusehen. Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention hat der Beschwerdeführer aber dennoch nicht glaubhaft machen können. So kann bei der dem Beschwerdeführer nahegelegten Kündigung und den nachfolgenden Schwierigkeiten bei der Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes noch nicht von einer Verfolgung des Beschwerdeführers gesprochen werden. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, ihm sei Arbeit in der "Huta Lenina" angeboten worden. Allgemeine Beschränkungen des Lebens und so insbesondere auch Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz in einer bestimmten Berufssparte zu erlangen, können in einem kommunistischen System nicht als konkrete Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden (vgl. in diesem Zusammenhang z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1988, Zl. 88/01/0112).

Soweit der Beschwerdeführer behördliche Vorladungen als Beweis für die von ihm befürchtete Verfolgung ins Treffen geführt hat, ist festzuhalten, daß es sich hiebei dem Gegenstand nach um eine Paßangelegenheit gehandelt hat, sodaß in einer derartigen Vorladung kein Indiz für das Vorliegen von Verfolgung erblickt werden kann. Gleiches gilt für die Ausreise des Beschwerdeführers, die - gegenteilige Behauptungen des Beschwerdeführers in dieser Richtung liegen nicht vor - legal erfolgt ist.

Da der angefochtene Bescheid sohin im Ergebnis nicht mit Rechtswidrigkeit belastet ist, war die sich als unbegründet erweisende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010345.X00

Im RIS seit

04.04.1990

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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