TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/4 89/13/0031

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

StAmG §1 Abs1 Z1;
StAmG §3 Abs1 Z3;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991/77;

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Juli 1988, GZ. 6/4 - 2009/2/1985 betreffend Einkommensteuer 1973 bis 1978 und Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1974 bis 1978

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 21. Juli 1981 teilte die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für den 1. Bezirk - Außenstelle im Finanzamt Wiener Neustadt - dem zuständigen Finanzamt Baden mit, daß anläßlich einer Hausdurchsuchung im Auftrag des Kreisgerichtes Wiener Neustadt am 20. Jänner 1981 bei der X-Bank, Filiale B, im Zusammenhang mit Straffällen in der Automatenhändler- und Automatenaufstellerbranche auch Unterlagen beschlagnahmt worden wären, die bei der Durchsuchung vorgefunden worden seien und offenkundig auf die Begehung anderer als der zur Hausdurchsuchung Anlaß bietenden Finanzvergehen schließen ließen. Dieser Mitteilung waren Fotokopien anonymer Sparbücher angeschlossen. Die Steuerfahndungsstelle führte hiezu - auf Grund welcher Indizien, ist aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich - aus, daß diese Sparbücher dem Beschwerdeführer zuzurechnen seien. Diese Feststellung wurde vom Beschwerdeführer in der Folge nie auch nur in Frage gestellt.

Mit Prüfungsauftrag vom 22. Februar 1983 wurde eine Betriebsprüfung beim Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung und der Finanzordnungswidrigkeit hinsichtlich der Jahre 1973 bis 1982 angeordnet. Aus Tz 12 des Betriebsprüfungsberichtes ergibt sich, daß "die im Jahre 1981 neu hervorgekommenen anonymen Sparbücher bei der X-Bank B... einvernehmlich dem Abgabepflichtigen zuzuordnen" gewesen wären. Die gutgeschriebenen Zinsen seien den erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen und die Guthabenbestände dem sonstigen Vermögen - und zwar auch hinsichtlich der Streitjahre - zugerechnet worden.

Gegen die auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfers erlassenen erstinstanzlichen Bescheide betreffend die Einkommensteuer 1973 bis 1978 und Vermögensteuer 1973 (richtig wohl 1974, weil zum 1. Jänner 1973 im wiederaufgenommenen Verfahren ein Vermögensteuerbescheid nicht erlassen wurde) bis 1978 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher er im wesentlichen die Auffassung vertrat, daß für die Abgabenzeiträume vor 1979 die Bestimmungen des Steueramnestiegesetzes Anwendung finden müßten, weil die Finanzbehörde schon vor dem 1. Jänner 1983 in vollem Umfang Kenntnis von den abgabenrechtlich bedeutsamen Verhältnissen (Sparbücher) gehabt hätte.

Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer inerhalb offener Frist die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 Z. 3 Steueramnestiegesetz im wesentlichen folgendes aus:

Die Beschlagnahme der im Zuge der bei der X-Bank, Filiale B, durchgeführten Hausdurchsuchung vorgefundenen Sparbücher des Beschwerdeführers sei auf Grund des begründeten Verdachtes der Abgabenhinterziehung erfolgt. Diese Maßnahme stelle eine finanzstrafrechtliche Verfolgungshandlung dar, weil "es sich um eine nach außen erkennbare, den Bereich der Behörde verlassende Maßnahme handelt, gerichtet gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen". Die Wirksamkeit der Amtshandlung sei unabhängig davon, ob sie ihr Ziel erreiche oder ob die Person, gegen die sie sich richte, davon Kenntnis erlangt habe oder nicht.

Am Beginn der in Rede stehenden Ermittlungstätigkeit sei die Beschlagnahme gestanden. Ihre Fortsetzung hätten die konkreten Ermittlungen in der Erteilung des Prüfungsauftrages und der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung gefunden.

Sowohl die Erlassung des Prüfungsauftrages als auch die Prüfung selbst sei nach dem 31. Dezember 1982 erfolgt, woraus sich ergebe, daß die Ermittlungstätigkeit der Behörde zum genannten Zeitpunkt noch nicht beendet gewesen sei.

Der Gegenstand einer 1982 noch nicht beendeten konkreten Ermittlung sei aber von den Amnestiewirkungen ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zur Zl. B 1649/88 zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 29. November 1988, Zl. B 1649/88-4, sprach dieser die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde und gleichzeitig ihre Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof aus.

Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte der Beschwerdeführer die Beschwerde mit Schriftsatz vom 2. März 1989 und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 Steueramnestiegesetz haben, wenn für Abgaben, bezüglich derer der Abgabenanspruch 1979 oder 1980 entstanden ist, die für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Abgabenbehörde in vollem Umfang vor dem 1. Jänner 1983 bekannt waren, nach den näheren Bestimmungen dieses Abschnittes bei Festsetzung derartiger Abgaben für die Zeit vor 1979 Umstände unberücksichtigt zu bleiben, die vor dem 1. Jänner 1983 entgegen § 119 BAO nicht offengelegt wurden.

Nach § 3 Abs. 1 Z. 3 Steueramnestiegesetz ist die Bestimmung des § 1 Abs. 1 auf Umstände nicht anzuwenden, die bereits am 31. Dezember 1982 Gegenstand noch nicht abgeschlossener abgaben- oder finanzstrafrechtlicher Ermittlungen sind oder auf Grund bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossener derartiger Ermittlungen der Abgabenbehörde bekannt wurden.

Nach den Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Z. 1 Steueramnestiegesetz sind die Amnestievoraussetzungen demnach dann erfüllt, wenn die in Betracht kommenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Abgabenbehörde vor 1983 in vollem Umfang bekannt wurden. Völlig bedeutungslos ist es in diesem Zusammenhang, wie die Abgabenbehörde zur Kenntnis dieser Verhältnisse gelangte (vgl. auch Ellinger-Bibus-Ritz-Quantschnigg, Kommentar zum Steueramnestiegesetz, Seite 97).

Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 3 Steueramnestiegesetz, auf welchen sich im Streitfall die belangte Behörde stützt, setzt ein behördliches Tätigwerden voraus; dieser Tatbestand wäre daher etwa dann verwirklicht, wenn die Behörde auf Grund einer sich auf den Amnestiezeitraum beziehenden vorliegenden Kontrollmitteilung noch vor 1983 konkrete Ermittlungshandlungen (z.B. Hinausgabe eines Vorhaltes, Befragung von Auskunftspersonen, Durchführung einer Nachschau etc.) vorgenommen hat und diese bis zum 31. Dezember 1982 noch nicht abgeschlossen waren (vgl. Ellinger-Bibus-Ritz-Quantschnigg, Kommentar zum Steueramnestiegesetz, Seite 117).

Im Streitfall erblickt die belangte Behörde in der unbestrittenermaßen 1981 erfolgten Beschlagnahme der Sparbücher des Beschwerdeführers bei der X-Bank, Filiale B, lediglich den ersten Schritt eines Ermittlungsverfahrens, das sich über den 31. Dezember 1982 hinauszog und erst im Zuge der 1983 angeordneten abgabenbehördlichen Prüfung seinen Abschluß fand. Sie vertritt aus dieser ihrer Sicht der Sachlage die Auffassung, daß im Falle des Beschwerdeführers die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 1 Steueramnestiegesetz nicht anzuwenden sei.

Dieser Beurteilung des Sachverhaltes und der daraus gezogenen Konsequenzen vermag sich nun zwar der Gerichtshof nicht anzuschließen. Er teilt vielmehr die vom Beschwerdeführer schon in der Berufung vertretene Ansicht, wonach die im vorliegenden Zusammenhang für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse - und zwar das allein in Rede stehende Vorhandensein anonymer Sparbücher des Beschwerdeführers - der Abgabenbehörde in vollem Umfang im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 Steueramnestiegesetz vor dem 1. Jänner 1983 bekannt waren; ergibt sich doch bereits aus dem oben angeführten Schreiben der Steuerfahndungsstelle vom 21. Juli 1981 an das zuständige Finanzamt eindeutig, daß die betreffenden Sparbücher dem Beschwerdeführer zuzurechnen waren. Weder die belangte Behörde behauptet konkret, noch geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervor, daß in diesem Zusammenhang die Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens tatsächlich erfolgte oder auch nur als notwendig erachtet wurde.

Demnach erscheint der Tatbestand des ersten Halbsatzes des § 3 Abs. 1 Z. 3 Steueramnestiegesetz nicht verwirklicht. Wohl aber ist davon auszugehen, daß die Feststellung des Vorhandenseins der strittigen Sparbücher einen Umstand darstellt, der auf Grund bis zum 31. Dezember 1982 abgeschlossener Ermittlungen der Abgabenbehörde dem zuständigen Finanzamt bekannt war. Damit fällt der gegebene Sachverhalt jedoch unter den Tatbestand des zweiten Halbsatzes des § 3 Abs. 1 Z. 3 Steueramnestiegesetz.

Da demnach aber im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Steueramnestiegesetz von der belangten Behörde zu Recht nicht angewendet wurde, erweist sich der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130031.X00

Im RIS seit

04.04.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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