TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/18 89/16/0217

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Veröffentlicht am 18.04.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §1 Abs1;
GGG 1984 §30 Abs3;
GGG 1984 TP1 Anm3;
VwRallg;
ZPO §226;
ZPO §235 Abs5;
ZPO §453a Z2;
ZPO §75 Abs1;

Beachte

Besprechung in: ÖStZ 1991, 322; AnwBl 1991/1, S 37;

Betreff

W-GmBH gegen Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Oktober 1989, Zl. Jv 8188 - 33/89-3, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Die Beschwerdeführerin hatte durch ihren Vertreter am 30. Juni 1988 beim Bezirksgericht (in der Folge: BG) als "Kläger" gegen

"BEKLAGTER: WALLITSCH Koloman, Kaufmann,

L-Buchhandlung, K"

eine - als Formblattklage gemäß § 453a Z. 1 ZPO in der Fassung durch Art. IV Z. 75 der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135, und Art. II Z. 3 lit. a) der Zivilverfahrens-Novelle 1986, BGBl. Nr. 71, in Verbindung mit der Mahnform-Verordnung BGBl. Nr. 467/1985 eingebrachte - (Mahn)Klage wegen S 1.272,-- s.A. überreicht, weil für eine Lieferung der fällige Rechnungsbetrag in genannter Höhe nicht bezahlt worden sei. Die dem Streitwert entsprechenden Gerichtsgebühren waren (ohne Zahlungsauftrag) entrichtet worden.

Nach der unleserlich unterschriebenen Übernahmsbestätigung war die gemäß § 453a Z. 2 ZPO (in der Fassung durch Art. IV Z. 75 der Zivilverfahrens-Novelle 1983 und durch Art. II Z. 3 lit. b der Zivilverfahrens-Novelle 1986) an die Stelle der Zustellung der Klage tretende Zustellung des den Klagsinhalt vollständig wiedergebenden Zahlungsbefehls des BG vom 6. Juli 1989 am 10. Juli 1989 an

"Wallitsch Koloman

Kaufmann

L-Buchhandlung

K"

erfolgt.

Am 17. Juli 1989 war beim BG der Einspruch der

"L-Buchhandlung = richtig:

L-Buchhandlungsgesellschaft m.b.H.

K

Koloman Wallisch-Platz 2"

gegen den angeführten Zahlungsbefehl eingelangt. In diesem Schriftsatz waren als beklagte Parteien 1.) Koloman Wallisch und 2.) die soeben angeführte Einspruchswerberin genannt worden. In diesem Einspruch war u.a. vorgebracht worden, entgegen den Klagsbehauptungen habe die Einspruchswerberin von der Beschwerdeführerin nie eine Warenlieferung erhalten, es sei aber auch im höchsten Maße unwahrscheinlich, daß Warenlieferung und Rechnung Koloman Wallisch, der nie dem Unternehmen der Einspruchswerberin angehört habe, zugegangen seien, weil er am 12. Februar 1934 im obersteirischen Industriegebiet als einer der profiliertesten Anhänger der sozialdemokratischen Bewegung erschossen worden sei.

Nachdem das BG am 18. Juli 1989 auf Grund dieses Einspruches eine Tagsatzung für 14. September 1989 anberaumt hatte, zu der der Klagevertreter und der Beklagtenvertreter geladen worden waren, war am 31. August 1989 beim BG der Schriftsatz der Beschwerdeführerin eingelangt, mit dem die gegen "Koloman Wallitsch, Kaufmann" eingebrachte Klage, die bislang lediglich irrtümlich einer "L-Buchhandlungs-ges.m.b.H."

zugestellt worden sei, zurückgezogen und die Rückzahlung der Hälfte der entrichteten Pauschalgebühr beantragt worden war.

Mit dem am 26. September 1989 beim BG eingelangten Schriftsatz hatte die Beschwerdeführerin diesen Rückzahlungsantrag auf drei Viertel der entrichteten Pauschalgebühr "berichtigt bzw. ausgedehnt".

Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (wie die Beschwerdeführerin vermeint) der berichtigte Rückzahlungsantrag begründet ist oder (im Sinne der im wesentlichen von einer Zustellung an "dem in der Klage angeführten Beklagten am 10.7.1989" ausgehenden Begründung des im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides der belangten Behörde) nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 8. März 1990, Zl. 89/16/0155, auf dessen ausführliche Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, im wesentlichen dargetan, daß nach Zustellung einer (Mahn)Klage im ADV-Mahnverfahren eine Ermäßigung der Pauschalgebühren gemäß der Anmerkung 3. zur TP 1 des nach § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs auf ein Viertel im Gesetz nicht vorgesehen ist und der auf Grund des § 30 Abs. 3 GGG über den Rückzahlungsantrag mit Bescheid entscheidende Präsident des Gerichtshofes erster Instanz als JustizVERWALTUNGsorgan an die Entscheidungen des GERICHTES (hier also des BG) gebunden ist.

In dem angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung u.a. auch ausgeführt, daß die Gerichtsgebührenpflicht bewußt an formale äußere Tatbestände anknüpft, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten.

Es kann dahingestellt bleiben, wen die Beschwerdeführerin tatsächlich klagen wollte, weil es auch dann, wenn der Kläger selbst die Zustellung der Klage an eine Person veranlaßt, die jemand anderer als der von ihm selbst bezeichnete Beklagte ist, dem zu Unrecht ins Verfahren Gezogenen offensteht, vor Gericht aufzutreten und die Nichtigerklärung des gegen ihn durchgeführten Verfahrens zu beantragen (siehe z.B. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2, Wien 1990, Rz 325).

Im vorliegenden Fall wurde nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes einer Person zugestellt, nämlich jedenfalls der späteren Einspruchswerberin, auf die die Indentifizierungsmerkmale in der Klage doch soweit zutrafen, daß jedenfalls die spätere Einspruchswerberin und das Gericht (einschließlich Zusteller) nach gängiger Lebensauffassung (insbesondere des ortskundigen Zustellers) annehmen konnten, daß sie mit den Klagsangaben gemeint sein kann (siehe z.B. Fasching, a.a.O., Rz 326f).

Bei der gegebenen Sachlage erscheint - auch unter Bedachtnahme auf die unrichtige Schreibung "WalliTsch" - die Annahme, daß der nach dem keineswegs unbekannten Koloman Wallisch (siehe z.B. Vom Justizpalast zum Heldenplatz, Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938, Wien 1975, u.v.a. Nr. 50, S. 397f) benannte Platz in K bei der Verfassung der gegen die L-Buchhandelsgesellschaft m.b.H. gedachten Klage mit dem Genannten verwechselt wurde, nicht rechtswidrig.

In beiden von Fasching a. zuletzt a.O. angeführten Lösungen im Falle der Zustellung an eine Person, bei der es sich in Wahrheit nicht um den vom Kläger gewollten Beklagten handelt, kommt dieser Person aber jedenfalls die Stellung eines Verfahrensgegners im Sinne der Anmerkung 3. zur TP 1 zu.

Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989160217.X00

Im RIS seit

24.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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