TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/23 90/19/0080

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Veröffentlicht am 23.04.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
KJBG 1987 §11 Abs1;
KJBG 1987 §16;
KJBG 1987 §17 Abs1;
KJBG 1987 §30;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Steiermark vom 25. Oktober 1989, Zl. 5-212 A 109/3-89, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz (BH) vom 13. Juni 1989 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer "als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S-GmbH" schuldig erkannt, dafür verantwortlich zu sein, daß im Betrieb Z, wie anläßlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat Graz am 9. Dezember 1986 festgestellt worden sei, in Ansehung zweier jugendlicher Lehrlinge - Susanne B. und Sabine P. - mehrere Bestimmungen des KJBG nicht eingehalten worden seien. Im einzelnen habe der Beschwerdeführer in bezug auf jeden der beiden Lehrlinge jeweils folgende Vorschriften des "KJBG 1948, BGBl. Nr. 146 i.d.g.F." übertreten: § 17 Abs. 1, weil die Genannten an (jeweils verschiedenen) dem Datum nach bestimmt bezeichneten Tagen in den Monaten Oktober, November und Dezember 1986 nach 20.00 Uhr beschäftigt worden seien, obwohl Jugendliche in der Nachtzeit von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr nicht beschäftigt werden dürften (Spruchpunkte 1 und 5); § 11 Abs. 1 leg. cit., weil die Genannten an (jeweils verschiedenen) dem Datum nach bestimmt bezeichneten Tagen in den Monaten Oktober, November und Dezember 1986 (Susanne B.) bzw. in den Monaten November und Dezember 1986 (Sabine P.) länger als acht Stunden beschäftigt worden seien, obwohl die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen höchstens acht Stunden betragen dürfe (Spruchpunkte 2 und 6); § 11 Abs. 1 leg. cit., weil die Genannten in bestimmt bezeichneten Wochen des Jahres 1986 länger als 40 Stunden beschäftigt worden seien, obwohl die Wochenarbeitszeit für Jugendliche von 40 Stunden nicht überschritten werden dürfe (Spruchpunkte 3 und 7); § 16 leg. cit., weil den Genannten an dem Datum nach bestimmt bezeichneten Tagen in den Monaten Oktober, November und Dezember 1986 (Susanne B.) bzw. in den Monaten November und Dezember 1986 (Sabine P.) nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit keine ununterbrochene Ruhezeit von zwölf Stunden gewährt worden sei (Spruchpunkte 4 und 8). Über den Beschwerdeführer wurde deshalb gemäß § 30 leg. cit. zu den Spruchpunkten 1 bis 8 jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von

S 2.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von jeweils drei Tagen) verhängt. Ferner wurde der vom Beschwerdeführer zu zahlende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt.

2. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß 1) der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen "als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Dienstgebers und Lehrherrn S-GmbH" begangen habe, und 2) in den Spruchpunkten 2 und 6 des Straferkenntnisses die Vorschrift des § 11 Abs. 1 erster Fall KJBG (BGBl. Nr. 599/1987), in den Spruchpunkten 3 und 7 des Straferkenntnisses jene des § 11 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit. verletzt worden sei. U.e. wurde der Beschwerdeführer zur Leistung des gesetzlich vorgesehenen Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht, bei Nichtvorliegen der Tatbestände der §§ 11, 16 und 17 KJBG nicht der ihm angelasteten Übertretungen schuldig erkannt zu werden, verletzt. Überdies behauptet er eine Verletzung des § 6 ArbIG 1974 und des § 31 Abs. 3 VStG 1950. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Nach Meinung des Beschwerdeführers ist die Einleitung und Durchführung des gegenständlichen Strafverfahrens schon deshalb "unzulässig und rechtswidrig", weil er der an ihn gerichteten Aufforderung des Arbeitsinspektorates i.S. des § 6 Abs. 1 ArbIG 1974, dieses innerhalb einer bestimmten Frist von der Durchführung der in der schriftlichen Aufforderung genannten Maßnahmen zu verständigen, entsprochen habe, sodaß überhaupt kein Anlaß bestanden habe, eine Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten.

1.2. Mit diesem Vorbringen läßt die Beschwerde den zweiten Satzteil des § 6 Abs. 2 erster Satz ArbIG 1974 - "falls die Anzeige nicht bereits anläßlich der Feststellung der Übertretung erstattet wurde" - außer acht.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, daß die dem Straferkenntnis der BH vom 13. Juni 1989 vorausgegangene Strafverfügung derselben Behörde vom 18. März 1989 ausschließlich aufgrund einer "Mitteilung" des Arbeitsinspektorates erlassen worden sei, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen.

2.2. Auch dieser Einwand ist verfehlt, übersieht doch der Beschwerdeführer damit, daß nach § 47 Abs. 1 VStG 1950 bei Vorliegen der sonstigen dort normierten Voraussetzungen - was im Beschwerdefall zutrifft - die Behörde "ohne weiteres Verfahren" durch Strafverfügung die verwirkte Strafe festsetzen kann. Im übrigen hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sich im Rahmen des nach Außerkrafttreten der gegen ihn erlassenen Strafverfügung eingeleiteten ordentlichen Verfahrens zu rechtfertigen.

3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß er durch Vorlage von fünf eidesstattlichen Erklärungen seine die ihm angelasteten Übertretungen bestreitende Verantwortung unter Beweis gestellt habe. In dieser Weise habe auch Sabine P. und deren Mutter seine Verantwortung bestätigt. Wenn die belangte Behörde den eidesstattlichen Erklärungen wegen ihrer geringen Aussagekraft die genauen Angaben der Zeugen Sabine P. und Susanne B. vorgezogen habe, so sei dazu auszuführen, daß die eidesstattliche Erklärung der Sabine P. zu den von ihr in der Folge gemachten Angaben in einem "nicht lösbaren Widerspruch" stünde, und daher letzteren kein höherer Beweiswert zukommen könne.

3.2. In Ansehung der Beweiswürdigung erstreckt sich die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nur auf die Fragen, ob der Sachverhalt ausreichend erhoben wurde und ob die Würdigung der aufgenommenen Beweise schlüssig ist (vgl. dazu näher das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Der Beschwerdeführer zieht mit seinem Vorbringen unter 3.1. die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung in Zweifel. Der Gerichtshof vermag der Beschwerde nicht zu folgen. Er teilt vielmehr die Auffassung der belangten Behörde, daß die besagten fünf (in ihrem Wortlaut völlig übereinstimmenden und offensichtlich vorgefertigten) eidesstattlichen Erklärungen, darunter auch jene der Sabine P., "aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Formulierungen nur gering aussagekräftig (sind)", während die Aussagen der als Zeugen vernommenen Susanne B. und der Sabine P. genaue Angaben enthielten und deshalb vorzuziehen gewesen seien. Hinzu kommt, daß nach Ausweis der Akten die eidesstattlichen Erklärungen im Hinblick auf ihre Bezugnahme auf zum Teil durch das nachfolgende Verfahren überholte bzw. solche Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Einspruch, denen ohnehin Rechnung getragen wurde, weitgehend an Aktualität verloren haben. Soweit sie diese aber beibehalten haben, ist der belangten Behörde darin beizupflichten, wenn sie insoweit den Aussagen der beiden, unter ausdrückliche Erinnerung an ihre Wahrheitspflicht vernommenen Zeugen, insbesondere den aufgrund eines von der belangten Behörde vorgegebenen präzisen Fünf-Punkte-Fragenkataloges (vom 24. August 1989) getätigten genauen Angaben der Sabine P., für die Ermittlung des von ihr als maßgeblich erachteten Sachverhaltes höhere Glaubwürdigkeit beigemessen hat.

4.1. In bezug auf Spruchpunkt 5 des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses (Beschäftigung der Sabine P. an bestimmt bezeichneten Tagen nach 20.00 Uhr) hält die Beschwerde die Bescheidbegründung für nicht stichhaltig. Dies deshalb, weil nach Meinung des Beschwerdeführers die Zeugin Sabine P. die Frage, ob sie an den bezeichneten Tagen ab 20.00 Uhr nur im Gastgewerbebetrieb (Imbißstube) beschäftigt gewesen sei, nicht - wie von der belangten Behörde angenommen - klar beantwortet habe. Daraus, daß das Geschäft (Kaufhaus) um 18.00 Uhr schließe, ergebe sich zwingend, daß die Genannte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Geschäft, sondern nur im Gastgewerbebetrieb habe tätig gewesen sein können. Da dies mit Rücksicht auf ihr (damaliges) Alter von über 16 Jahren bis 22.00 Uhr zulässig gewesen sei, liege insoweit kein Gesetzesverstoß vor. Im übrigen sei es nicht richtig, daß sich Kaufhaus und Imbißstube "im selben Raum" befänden; vielmehr wäre festzustellen gewesen, daß es sich hiebei um zwei, zwar im selben Haus befindliche, jedoch räumlich voneinander getrennte Betriebe handle.

4.2. Soweit der Beschwerdeführer hiemit die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, so haftet dieser der von ihm behauptete Mangel nicht an. Mit der belangten Behörde ist davon auszugehen, daß die Zeugin Sabine P. die ihr gestellte Frage, ob sie an den in Spruchpunkt 5 genannten Tagen ab 20.00 Uhr nur im Gastgewerbebetrieb (Imbißstube) beschäftigt gewesen sei, in unmißverständlicher Weise beantwortet habe, nämlich dahin, daß sie an diesen Tagen in den "angeführten Zeiten sowohl in der Imbißstube als auch im Geschäft gearbeitet" habe. Damit durfte die belangte Behörde in dieser Hinsicht unbedenklicherweise als maßgeblichen Sachverhalt annehmen, daß Sabine P. an den unter Spruchpunkt 5 angeführten Tagen ab 20.00 Uhr auch im "Geschäft", also nicht nur in der Imbißstube gearbeitet habe.

Auf die Behauptung, wonach Kaufhaus und Imbißstube nicht - wie von der Zeugin Sabine P. angegeben - in einem einzigen Raum, sondern räumlich getrennt geführt würden, war nicht einzugehen, da es sich hiebei um ein erstmals in der Beschwerde erstattetes und daher im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliches Vorbringen handelt.

5.1. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid insofern gegen die Bestimmung des § 31 Abs. 3 VStG 1950 verstoßen, als in den von ihr bestätigten Spruchpunkten 2 bis 7 des Straferkenntnisses "Fakten" unter Strafe gestellt worden seien, die mehr als drei Jahre, gerechnet vom Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides, zurücklägen.

5.2. Auch diese Rüge versagt. Die Beschwerde verkennt nämlich, daß die in den von ihr genannten Spruchpunkten 2 bis 7 jeweils zusammengefaßten gesetzwidrigen Einzelhandlungen des Beschwerdeführers jeweils zufolge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände, des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Beschwerdeführers (nämlich Unterlassung einer wirksamen Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des KJBG betreffend Arbeitszeit bzw. Ruhezeiten bzw. Nachtruhe) zu einer Einheit zusammentreten und solcherart jeweils eine einzige strafbare Handlung bilden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087, und vom 21. November 1984, Zlen. 82/11/0091, 0092); dies mit der Folge, daß die Verjährungsfrist für dieses jeweils EINE Delikt erst von dem Zeitpunkt an zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen, also die jeweils zeitlich letzte Einzelhandlung gesetzt worden ist (vgl. dazu die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Eisenstadt 1987, S. 673 f. unter 23., 24. und 26. zitierten hg. Entscheidungen).

Im Beschwerdefall wurde der angefochtene Bescheid am 31. Oktober 1989 (durch Zustellung an den Beschwerdeführer) erlassen. Im Grunde des § 31 Abs. 3 VStG 1950 wäre die in der Beschwerde behauptete Strafbarkeitsverjährung dann gegeben, wenn die strafbare Tätigkeit jeweils VOR dem 31. Oktober 1986 abgeschlossen worden wäre. Da jedoch keine der in den Spruchpunkten 2 bis 7 angeführten jeweils letzten Einzelhandlungen vor diesem Zeitpunkt gesetzt worden ist, liegt Strafbarkeitsverjährung hinsichtlich keines der sechs Delikte (Spruchpunkte 2 bis 7) vor.

6. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als zur Gänze unbegründet; sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190080.X00

Im RIS seit

23.04.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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