TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/24 89/04/0176

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Veröffentlicht am 24.04.1990
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Index

L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
BauRallg;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs2;

Betreff

1.) N und 2.) NN gegen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Juli 1989, Zl. 311.824/1-III-3/89, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: X in Z).

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines in Beschwerde gezogenen Punktes 4. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 8. Juli 1988 wurde das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der mit Bescheid vom 29. September 1951, zuletzt geändert durch Bescheid vom 19. November 1985, genehmigten gewerblichen Betriebsanlage einer Schottergrube auf den Grundparzellen Nr. X1, X2, X3, X4, X5, KG Z, durch Hinzunahme eines - im Bescheid näher bezeichneten - zusätzlichen Abbaugebietes auf Grund des Ergebnisses der am 16. Dezember 1987 durchgeführten Augenscheinsverhandlung nach Maßgabe der beiliegenden, einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Projektsunterlagen und unter Vorschreibung nachstehender zusätzlicher bzw. geänderter Auflagen gemäß § 81 GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz genehmigt:

".....

II) VORSCHREIBUNG ZUM SCHUTZ DER NACHBARN:

1)

Der Abbau des Schotters hat fortlaufend von oben nach unten zu erfolgen, wobei der gesamte Nordabhang der Schottergrube aus dem bisherigen Abbau unverzüglich, die im neugenehmigten Abbau entstehenden Flächen an der Nordseite fortlaufend zu begrünen und rekultivieren sind.

2)

Es ist binnen 12 Monaten ab Zustellung des Bescheides ein Konzept über die endgültige Sanierung der Grube nach Beendigung des Abbaues vorzulegen.

3)

Bis zum Ablauf dieser Frist von 12 Monaten kann auf die laufende Rekultivierung gem. dem Abbaufortschritt verzichtet werden. Sollte binnen der in Pkt. II/2 vorgeschriebenen Frist das Abbau- und Sanierungskonzept nicht vorgelegt werden, ist unverzüglich mit der Rekultivierung nach Pkt. III/6 zu beginnen."

Auf Grund von Nachbarberufungen - darunter auch seitens der nunmehrigen Beschwerdeführer - erkannte der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 6. Dezember 1988 in dem für das Beschwerdeverfahren in Betracht kommenden Umfang wie folgt:

"II.

Den Berufungen der Nachbarn A, B, NN, C, N wird nur insofern Folge gegeben, als der Spruchabschnitt II (Vorschreibungen zum Schutz der Nachbarn) nunmehr wie folgt lautet:

1.

Der Abbau des Schotters hat fortlaufend von oben nach unten zu erfolgen, wobei der gesamte Nordabhang der Schottergrube aus dem bisherigen Abbau unverzüglich, die im neugenehmigten Abbau entstehenden Flächen an der Nordseite fortlaufend zu begrünen und zu rekultivieren sind. Die Rekultivierung des bisher bereits bestehenden Nordabhanges der Schottergrube ist innerhalb eines Kalenderjahres ab Bescheidzustellung zu vollenden.

2.

Es ist binnen zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheides ein Konzept über die endgültige Sanierung der Schottergrube nach Beendigung des Abbaues vorzulegen.

3.

Bis zum Ablauf dieser Frist von zwölf Monaten kann auf die laufende Rekultivierung gemäß dem Abbaufortschritt im neugenehmigten Anlageteil (siehe Punkt I) verzichtet werden. Sollte binnen der im Punkt 2 vorgeschriebenen Frist das Abbau- und Sanierungskonzept nicht vorgelegt werden, ist unverzüglich mit der Rekultivierung zu beginnen.

4.

Maschinen, Geräte und sonstige Einrichtungen zur Aufbereitung (z. B. Zerkleinern, Klassieren, Mischen) oder Herstellung staubender Güter sind zu kapseln. Soweit eine staubdichte Ausführung, insbesondere an den Aufgabe-, Austrags- oder Übergabestellen nicht möglich ist, sind staubhaltige Abgase zu erfassen und einer Entstaubungseinrichtung zuzuführen. Die in der Abluft von Entstaubungsanlagen enthaltenen staubförmigen Emissionen dürfen folgende Grenzwerte nicht überschreiten:

a)

Bei einem Massenstrom von mehr als 0,5 kg Staub/Stunde:

Massenkonzentration von Staub in der Abluft: 50 mg/m3;

b)

bei einem Massenstrom bis einschließlich 0,5 kg Staub/Stunde:

Massenkonzentration von Staub in der Abluft: 150 mg/m3. Hiebei beziehen sich die angegebenen Schadstoffmassenströme auf die Gesamtemission sämtlicher in der Betriebsanlage in Verwendung stehender Entstaubungsanlagen. Die Emissionsgrenzwerte sind auf das Abluftvolumen im Normzustand (0 Grad C, 1013 mbar) nach Abzug des Feuchtegehaltes am Wasserdampf bezogen.

5.

Es ist sicherzustellen, daß Verschmutzungen der Fahrwege durch Fahrzeuge nach Verlassen des Anlagebereiches

              a)              vermieden oder b) beseitigt werden.

Dies ist a) durch Reifenwaschanlagen oder b) durch regelmäßiges Säubern der Fahrwege zu erreichen.

6.

Die Verfrachtung staubender Güter durch Wind ist durch folgende Maßnahmen nach Möglichkeit zu vermeiden:

a)

Lagerung in Silos, oder

b)

Überdachung teilweiser oder allseitiger Umschließung von Schüttgutlägern, oder

c)

Anlage von begrünten Erdwällen, Windschutzbepflanzungen oder Windschutzzäunen, oder

d)

ständige Einhaltung einer ausreichenden Oberflächenfeuchte. Haldenlängsachsen sind in Hauptwindrichtung auszurichten. Halden von Schüttgütern sind an möglichst windgeschützten Punkten zu errichten.

7.

Emissionsstaubmessungen an der Abluft der Entstaubungsanlagen sind durch einen hiezu befugten Sachverständigen durchführen zu lassen, wobei die Einhaltung der o. a. Grenzwerte zu überprüfen sein wird. Der Abnahmemeßbefund ist der Behörde innerhalb eines Jahres ab Bescheidzustellung vorzulegen.

Zur Begründung wurde in dem hier in Betracht kommenden Umfang ausgeführt, die Nachbarn hätten im wesentlichen mit der Begründung Berufung erhoben, daß über ihre Einwendungen hinsichtlich Geruchs-, Staub- und Erschütterungsbelästigungen nicht hinreichend abgesprochen worden sei. Zu diesen Einwendungen habe die Berufungsbehörde Gutachten der lärm- und umwelttechnischen Sachverständigen der Landesbaudirektion, Abt. VI el, und der Landessanitätsdirektion, Abt. Vc, eingeholt, die erkennen ließen, daß bei Modifizierung der Nachbarschutzauflagen die Einwendungen dieser Nachbarn unbegründet seien, d. h. daß keine Gesundheitsgefährdung bestehe und daß Belästigungen auf ein zumutbares Maß herabgesetzt werden könnten. Entsprechend sei auch der Spruchabschnitt der Erstbehörde, der die Nachbarschutzauflagen enthalte, zu modifizieren gewesen. Die Gutachten seien den Nachbarn zur Kenntnis gebracht worden und es erübrige sich daher, sie hier im Bescheid nochmals wiederzugeben. Ihre Schlüssigkeit und Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Erfahrungen sei von der Behörde geprüft worden. Des weiteren enthält der Bescheid eine Darstellung der herangezogenen Gesetzesbestimmungen.

Über die auch gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen u. a. der Beschwerdeführer erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 11. Juli 1989 laut Spruchpunkt 4 - die Spruchpunkte 1 bis 3 betreffen den hier nicht in Rede stehenden Abspruch über Berufungen weiterer Nachbarn -, daß diese gemäß § 81 GewO 1973 abgewiesen würden. Dieser Ausspruch wurde damit begründet, über Ansuchen der mitbeteiligten Partei um gewerbebehördliche Genehmigung der Erweiterung der bestehenden gewerbebehördlich genehmigten Schottergrube "Rinnertal" an der Ostseite habe die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als Gewerbebehörde erster Instanz mit Kundmachung vom 30. Oktober 1987 für den 24. November 1987 eine mündliche Augenscheinsverhandlung angeordnet. Mit Eingabe vom 23. November 1987 habe u. a. die Erstbeschwerdeführerin Einwendungen wegen Staub- und Lärmeinwirkungen durch die gegenständliche geänderte Betriebsanlage erhoben. Bei der am 24. November 1987 unter Beiziehung der erforderlichen Sachverständigen abgehaltenen mündlichen Augenscheinsverhandlung seien von den Berufungswerbern die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer erschienen, die im wesentlichen die bereits schriftlich erhobenen Einwendungen wiederholt hätten. Die Behörde erster Instanz habe am 16. Dezember 1987 und am 17. Mai 1988 weitere Augenscheinsverhandlungen durchgeführt. Bei diesen hätten u. a. die Beschwerdeführer eingewendet, "daß keine Gewähr gegeben ist, daß der Abbau bei der derzeit beantragten Abbaugrenze beendet wird und sprechen sich daher gegen diese Bewilligung aus". Schließlich sei am 15. Juni 1988 seitens der Behörde erster Instanz nochmals eine Augenscheinsverhandlung durchgeführt worden. In der Folge sei der bereits vordargestellte erstbehördliche Bescheid und sodann auf Grund von Nachbarberufungen der gleichfalls bereits angeführte zweitbehördliche Bescheid ergangen. Zur Berufung der Beschwerdeführer sei einleitend auszuführen, daß diese rechtzeitig sei und daß die Beschwerdeführer über die Parteistellung im vorliegenden Verfahren verfügten. Zu den Berufungsausführungen werde festgehalten: Aus der Erlassung des Berufungsbescheides vor Einlangen eines modifizierten Gutachtens der "Anstalt für Landschaftspflege" lasse sich jedenfalls kein Verfahrensmangel ableiten, da ein solches Gutachten die Behörde in keiner Weise binde und es Sache der Behörde sei, im Sinne des § 46 AVG 1950 zu entscheiden, was nach der Lage des einzelnen Falles als Beweismittel zweckdienlich sei und was zur Entscheidungsfindung nicht erforderlich sei. Aus der Nichtbeachtung eines Abbaukonzeptes der sogenannten "Anstalt für Landschaftspflege" könnten dem Mitbeteiligten schon deshalb nicht unnötige Kosten erwachsen, weil er - solange ihm dies nicht mittels Bescheid vorgeschrieben worden sei - zur Einhaltung eines solchen Konzeptes keineswegs verpflichtet sei. Hinsichtlich der Einwendungen der Nachbarn betreffend Staubbelästigung sei vom Landeshauptmann von Tirol ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und diesbezüglich ein umwelttechnisches und ein ärztliches Amtssachverständigengutachten eingeholt worden. Schließlich seien unter Punkt 4 des zweitbehördlichen Bescheides Maßnahmen zur Reduktion der Staubemissionen vorgeschrieben und Staubgrenzwerte, die den Stand der Technik darstellten, vorgeschrieben worden, auf Grund derer der ärztliche Amtssachverständige organische Auswirkungen habe ausschließen können. Bereits im Verfahren der Behörde erster Instanz sei ein umfangreiches Gutachten der österreichischen Staubbekämpfungsstelle eingeholt und der Quarzanteil am Staub bestimmt worden, sodaß die Behauptung der Beschwerdeführer, die Behörde hätte den Quarzanteil des Staubes nicht bestimmt, aktenwidrig sei. Den Einwendungen der Nachbarn hinsichtlich der Formulierung der zu ihrem Schutz dienenden Auflagen sei ebenfalls durch den zweitbehördlichen Bescheid Rechnung getragen worden, in dem die Auflagen zum Schutz der Nachbarn präziser und konkreter formuliert worden seien. Die Überprüfung der Betriebsanlage auf Einhaltung der Auflagen sei gemäß § 338 GewO 1973 Aufgabe der Behörde erster Instanz und nicht der Berufungsbehörde. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck werde daher nach Rechtskraft des vorliegenden Bescheides die Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen zu überwachen und bei Nichteinhaltung mit den im Gesetz vorgesehenen Zwangsmaßnahmen vorzugehen haben. Aus den Behauptungen, daß in früheren Verfahren vorgeschriebene Auflagen, welche andere Teile der gegenständlichen Betriebsanlage beträfen, nicht eingehalten worden seien, könne jedenfalls eine Rechtswidrigkeit des zweitbehördlichen Bescheides nicht abgeleitet werden. Die den Nachbarschutz betreffenden Auflagen seien durchaus konkret und präzise formuliert und es widerspreche die Vorschreibung von alternativen Maßnahmen nicht der Gewerbeordnung 1973 und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Auflagen enthielten, soweit dies von der Sache her möglich sei, konkrete Emissionsbegrenzungen und deren Meßbedingungen und entsprächen daher auch den Anforderungen des Strafrechtsänderungsgesetzes (Umweltstrafrecht).

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, daß eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Behörde zweiter Instanz nicht gegeben sei, weshalb die Berufung der Beschwerdeführer abzuweisen gewesen sei. Daran habe auch die nachträglich der Behörde dritter Instanz vorgelegten Stellungnahmen der Beschwerdeführer nichts geändert, ebensowenig der nachträglich ebenfalls vorgelegte "Abbau- und Sanierungsplan" der "Anstalt für Landschaftspflege".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in den in der Gewerbeordnung 1973 normierten Rechten auf Nachbarschutz verletzt. Sie bringen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in diesem Zusammenhang u.a. vor, eine Präzisierung des Abbauumfanges sei von den Verwaltungsbehörden nicht vorgenommen worden. Gerade deshalb hätten sie sich auch in ihrer Berufung an die belangte Behörde als beschwert erachtet. Auf diesen Einwand sei aber die belangte Behörde überhaupt nicht eingegangen. Im ganzen Verfahren sei auch weder auf die Widmung der für den Abbau von Schotter in Aussicht genommenen Grundparzellen noch auch auf die Widmung jener Grundflächen, die in ihrem Eigentum stünden, Bezug genommen worden. Ohne derartige Feststellungen könne aber von vornherein kein fehlerloser Bescheid ergehen, da nach § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 eine Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden dürfe, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten sei. Derartige Rechtsvorschriften beinhalte insbesondere auch das Tiroler Raumordnungsgesetz. Weiters seien derartige Feststellungen auch ganz entscheidend im Hinblick auf die Bestimmung des § 77 Abs. 2 GewO 1973, welche auf die Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 Bezug nähmen. Auf Grund der äußerst mangelhaften und unvollständigen Sachverhaltsermittlung sei das Verfahren nicht spruchreif. Des weiteren rügen die Beschwerdeführer die Lösung der Rechtsfrage der Zumutbarkeit von Belästigungen für die Nachbarn unter Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1981, Zl. 425/79. Selbst die unvollständige Sachverhaltsermittlung in der sogenannten Lärmprognose des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 11. März 1988 ergebe nämlich nur unter Berücksichtigung des Schaufelbaggers und der Schubraupe ein Überschreiten des Grundgeräuschpegels von 9 bzw. 17 dB und es liege dieser Lärmpegel auch noch bei einer 5 m hohen Abbaustufe um 1 dB über der Zumutbarkeitsgrenze von 41 dB. Betriebslärm sei jedenfalls dann unzumutbar, wenn die Werte der Lärmpegelmessung auch unter Einbeziehung des Verkehrslärms zum Teil niedriger lägen als die während des Betriebes der Anlage erhobenen Werte. Die belangte Behörde habe hinsichtlich "Lärmemissionen" auch die Transportbewegungen vollkommen außer acht gelassen. Weiters hätten sie in ihrer Berufung noch einmal auf die unzumutbare Staubemission hingewiesen, worauf die belangte Behörde lapidar erwidere, daß auf Grund eines ärztlichen Amtssachverständigengutachtens organische Auswirkungen auszuschließen seien. Auf die Bestimmungen im § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 (Belästigungsschutz) gehe die belangte Behörde überhaupt nicht ein. Es werde noch einmal darauf hingewiesen, daß die von der österreichischen Staubbekämpfungsstelle durchgeführten Messungen unvollständig, nicht genau nachvollziehbar und deshalb unbrauchbar seien. Insbesondere seien keine Messungen bei ihnen durchgeführt worden. Das Maß der zu erwartenden "Staubemission" bei den Nachbarn könne aus dem Gutachten nicht entnommen werden und somit auch nicht aus dem Bescheid der belangten Behörde.

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 - in seiner hier im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 - ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 leg. cit. auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die Betriebsanlage darf nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist. Nach Abs. 2 ist das Tatbestandselement, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Was zunächst das Beschwerdevorbringen im Zusammenhang mit der bestehenden Flächenwidmung anlangt, so käme einer solchen - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047, dargelegt hat - tatbestandsmäßige Bedeutung als "Rechtsvorschrift" nur im Rahmen der der Behörde obliegenden Prüfung im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 zu, wonach die Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden darf, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist, wobei aber ein derartiger Umstand nicht die im § 74 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 normierten subjektiv öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte betrifft. Schon im Hinblick darauf kommt aber dem im Zusammenhalt mit der Grundstückswidmung der Betriebsanlage erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführer keine rechtliche Relevanz zu.

Bezogen auf die Stellung der Nachbarn der Betriebsanlage oblag es der Behörde zu prüfen, ob bei Einhaltung der von ihr ins Auge gefaßten Auflagen Gefährdungen im Sinne des § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 auszuschließen sind und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. War danach eine Gesundheitsgefährdung auszuschließen, so hatte die belangte Behörde anhand der Bestimmung des § 77 Abs. 2 GewO 1973 die Zumutbarkeit von Belästigungen im Hinblick auf die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu prüfen. Wenn die Beschwerdeführer vermeinen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang auf das "Ist-Maß" abzustellen sei und danach jede selbst geringfügige Überschreitung des den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Immissionsstandes nicht als zumutbar zu beurteilen wäre, so gehen sie nicht von der nunmehr geltenden, auch für den Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage aus, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang bezogene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung dem § 77 Abs. 2 in seiner Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 unter den hiefür maßgeblichen weiteren Voraussetzungen betraf (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im vorangeführten hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047).

Der Beschwerde kommt aber schon insofern Berechtigung zu, als sie eine mangelhafte Begründung des angefochtenen Bescheides geltend macht. Weder aus dem globalen Hinweis auf die Einholung der Gutachten von Amtssachverständigen in der dargestellten Art und Weise im zweitbehördlichen Bescheid noch auch die im Zusammenhang damit stehenden Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid entsprechen nämlich der im § 60 AVG 1950 normierten Begründungspflicht, da sie eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof weder in Ansehung der dargestellten rechtlich relevanten Kriterien noch der in bezug darauf erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zulassen.

Im Beschwerdefall steht aber abgesehen davon im Vordergrund die Frage der Bestimmtheit und der Eignung der im Spruchteil II des zweitbehördlichen Bescheides verfügten und in diesem Umfang auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommenen Auflagen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dieser Hinsicht bereits unter Bezugnahme auf die weiters angeführte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in seinem Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0200, dargetan hat, kann eine Auflage im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1973 jede der Vermeidung von Immissionen dienende und zu seiner Erfüllung geeignete (behördlich erzwingbare) Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zum Gegenstand haben. Das hat aber zur Voraussetzung, daß die Einhaltung einer derartigen Auflage von der Behörde jederzeit und aktuell überprüft werden kann. Dies trifft aber - abgesehen davon, daß sich hieraus allein in einer nachvollziehbaren Weise Immissionswerte für den in Betracht kommenden Bereich der Nachbarschaft nicht ergeben - auf die Auflage laut II/4 schon deshalb nicht zu, da sich in Ansehung dieser Vorschreibung insbesondere auch im Zusammenhalt mit der Auflage laut II/7 keine Möglichkeit der Überprüfung ihrer Einhaltung durch die Behörde "jederzeit und aktuell" ergibt; daß dies aber etwa im Hinblick auf technische Vorkehrungen nicht erforderlich wäre, ist hieraus nicht erkennbar. Aber auch insbesondere der Anordnung laut II/6 fehlt sowohl die Bestimmtheit als auch die behördliche Erzwingbarkeit schon allein im Hinblick darauf, daß die dort alternativ vorgesehenen - im einzelnen nicht näher konkretisierten - Alternativvorkehrungen durch die Anordnung eingeleitet werden, die Verfrachtung staubender Güter durch Wind sei durch folgende Maßnahmen "nach Möglichkeit zu vermeiden".

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bzw. des weiteren Bescheidinhaltes bedurfte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Kostenersatzanspruches für Schriftsatzaufwand auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den für "Barauslagen" angesprochenen Betrag, da solche im Sinne der hiefür maßgeblichen Bestimmungen des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht entstanden sind.

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989040176.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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