TE Vfgh Beschluss 1987/9/28 V47/87

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Veröffentlicht am 28.09.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Krnt PolizeiG §2
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seeboden vom 6.5.1985, Z523-0/1985

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung von Teilen der LärmschutzV des Gemeinderates der Gemeinde Seeboden vom 6.5.1985; kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers durch die - den Anwendungsbereich des §2 Ktn. PolizeiG betr. Lärmerregung nicht einschränkenden - angefochtenen Bestimmungen der V

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. §2 Abs1 bis 3 des (Kärntner) Gesetzes vom 25. Oktober 1977 über die Anstandsverletzung und Lärmerregung, LGBl. 74/1977 idF LGBl. 18/1987, lautet:

"§2

Lärmerregung

1. Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, begeht eine Verwaltungsübertretung.

2. Unter störendem Lärm sind die wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

3. Lärm wird dann ungebührlicherweise erregt, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, jene Rücksichten vermissen läßt, die im Zusammenleben mit anderen Menschen verlangt werden müssen."

1.1.2. Mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Seeboden (Bundesland Kärnten) vom 6. Mai 1985, Z523-0/1985, wurde auf Grund §2 des unter Punkt 1.1.1 bezeichneten Polizeigesetzes folgende V (Lärmschutzverordnung) erlassen:

"§1

1. Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, begeht eine Verwaltungsübertretung (§2 Abs1 des Gesetzes über die Anstandsverletzung und Lärmerregung).

2. Unter störendem Lärm sind die wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen (§2 Abs2 des Gesetzes über die Anstandsverletzung und Lärmerregung).

3. Lärm wird ungebührlicherweise erregt, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, jene Rücksichten vermissen läßt, die im Zusammenleben mit anderen Menschen verlangt werden müssen (§2 Abs3 des Gesetzes über die Anstandsverletzung und Lärmerregung).

§2

         Störender Lärm . . . wird jedenfalls ungebührlicherweise

erregt . . . durch:

         a) Singen, Musizieren, Kegeln, das Betreiben von

            Musikgeräten oder Radios uä. Tätigkeiten in Wohn-

und

            Kurgebieten sowie in unmittelbarer Nähe von

bewohnten

            Objekten in der Zeit von 23 Uhr 00 bis 08 Uhr 00.

         b) Das Starten von Kraftfahrrädern und Motorfahrrädern

            (Mopeds) - sofern dieses nicht die Zu- und Abfahrt

            betrifft - auf Grundstücken, die nicht dem

            öffentlichen Verkehr dienen und privaten

            Grundstücken in Wohn- und Kurgebieten sowie in

            unmittelbarer Nähe von

            bewohnten Objekten in der Zeit von 23 Uhr 00 bis

            07 Uhr 00.

         c) Durch das Laufenlassen von Verbrennungsmotoren aller

            Art auf Grundstücken, die nicht dem öffentlichen

            Verkehr dienen und privaten Grundstücken in Wohn-

und

            Kurgebieten sowie in unmittelbarer Nähe von

bewohnten

            Objekten in der Zeit von 19 Uhr 00 bis 08 Uhr 00.

         . . .

i) Durch das Teppichklopfen an Sonn- und Feiertagen oder

an Werktagen in der Zeit von 11 Uhr 00 bis 15 Uhr 00 und von 19 Uhr 00 bis 8 Uhr 00.

§3

Verwaltungsübertretungen sind gemäß §4 des Gesetzes über die Anstandsverletzung und Lärmerregung von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,-oder Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

§4

Diese V gilt vom 1. Juni bis 15. September jeden Jahres.

§5

Diese V tritt am 5. Mai 1985 in Kraft. Mit dem Inkrafttreten dieser V tritt die diesbezügliche Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seeboden vom 28. August 1981 außer Kraft."

1.2.1. Mit seinem an den VfGH gerichteten und auf Art. 139 B-VG gestützten Schreiben vom 22. April 1987 stellte der im Gemeindegebiet der Gemeinde Seeboden wohnende G H den Antrag, der VfGH möge die Wortfolgen "in der Zeit von 23 Uhr 00 bis 07 Uhr 00" in §2 lita und litb der zu Punkt 1.1.2. wiedergegebenen Lärmschutzverordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufheben.

1.2.2. Begründend wurde dazu - der Sache nach sinngemäß zusammengefaßt - vorgebracht, daß der Antragsteller durch die Beschränkung des Geltungsbereiches der in §2 lita und b Lärmschutzverordnung enthaltenen Verbote auf bestimmte Zeiträume - vor allem in Hinblick auf den von einem benachbarten Musikcafe, einer Festwiese und einer Wasserskishow ausgehenden störenden Lärm - in seiner Nachtruhe beeinträchtigt und in Rechten verletzt werde.

2.1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides (für diese Person) wirksam geworden ist.

Der VfGH vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen muß und daß der hier eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, dem einzelnen Rechtsunterworfenen Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9062/1981, 9685/1983).

Bei Prüfung der Antragslegitimation ist lediglich zu untersuchen, ob die angefochtene Verordnungsstelle für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagte Verordnungsstelle für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfaltet. Es kommt nämlich im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht die bekämpfte V seine Rechtssphäre berühren und - im Fall der Gesetzwidrigkeit - verletzen soll (vgl. zB VfSlg. 8060/1977, 9185/1981).

2.2. Geht man nun von dem Antragsvorbringen aus, so wird offenkundig, daß die angefochtenen Teile der Lärmschutzverordnung nicht derart beschaffen sind, daß sie im Sinn des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG bzw. §57 Abs1 letzter Satz VerfGG 1953 in der im Antrag geschilderten Weise unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen, weil sie - ihrem klaren Wortlaut nach - bloß Fälle eines an sich bereits durch §2 Polizeigesetz verbotenen Verhaltens für gewisse Zeiträume näher umschreiben, den Anwendungsbereich des §2 leg.cit. aber nicht (verändern oder) einschränken (arg. "jedenfalls" in §2 der Verordnung). Durch die zur Aufhebung begehrten Bestimmungen der Lärmschutzverordnung wird also - entgegen der dem Individualantrag zugrundeliegenden Auffassung - weder die ungebührliche Erregung störenden Lärmes vor 23 Uhr 00 gestattet noch sonst die Rechtssphäre des Antragstellers in der behaupteten Art unmittelbar (nachteilig) berührt.

2.3. Der Individualantrag war daher allein schon aus diesem Grund (d.h. mangels Antragslegitimation) als unzulässig zurückzuweisen; bei diesem Ergebnis brauchte auf den Umstand, daß die strittige Wortfolge (: "in der Zeit von 23 Uhr 00 bis 7 Uhr 00") in §2 lita Lärmschutzverordnung nur in abgewandelter Form enthalten ist, nicht weiter eingegangen zu werden.

2.4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Polizeirecht, Lärmerregung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V47.1987

Dokumentnummer

JFT_10129072_87V00047_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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